Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 10 KR 25/14 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 149/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Rentenversicherung ist im Rahmen der Betriebsprüfung bei Zeitarbeitsfirmen zur Einholung von Auskünften bei den Entleihfirmen berechtigt, um so Feststellungen über die Arbeitsbedingungen, insbesondere Entlohnung, der vergleichbaren Arbeitnehmer im Rahmen des Equal-Pay/Equal-Treatment zu treffen.
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 31. Juli 2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt wird. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, der Antragsgegnerin zu untersagen, die Betriebsprüfung bei ihnen in der Weise auf deren Kunden auszuweiten, dass dort vertrauliche Angaben, insbesondere Vergleichslöhne, abgefragt werden.
Die Antragstellerinnen betreiben Zeitarbeitsunternehmen in K. Die Antragsgegnerin beabsichtigt bei ihnen eine erneute Betriebsprüfung im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10) zur Tariffähigkeit der CGZP für den bereits schon einmal überprüften Zeitraum ab 1. Dezember 2005 durchzuführen (Schreiben der Antragsgegnerin vom 3. Februar 2014). Dagegen wandten sich die Antragstellerinnen bereits mit ihrem Antrag vom 21. März 2014 beim Sozialgericht Kiel auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den das Sozialgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 26. März 2014 abgelehnt hat (S 10 KR 12/14 ER). Mit erneutem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Kiel vom 22. Juli 2014 haben die Antragstellerinnen sich dagegen gewandt, dass die Antragsgegnerin bei den Entleiherfirmen Auskünfte darüber einholen will, in welcher Höhe Vergleichslöhne dort gezahlt wurden. Die Antragstellerinnen halten ein solches Vorgehen nicht für zulässig und haben ihren Antrag damit begründet, dass ein Beitragsanspruch für den streitigen Zeitraum schon aus Gründen der Verjährung nicht bestehe, so dass Ermittlungen zur Anspruchshöhe obsolet seien und nur das Verhältnis der Antragstellerinnen zu ihren Kunden gefährde. Dort werde nämlich der Eindruck erweckt, dass die Antragstellerinnen vorsätzlich gegen Vorschriften des Sozialrechts verstießen. Das Erwecken eines solchen Eindrucks sei unverhältnismäßig, wenn nicht zuvor festgestellt oder zumindest dargelegt sei, dass ein solcher Verstoß vorliegen könne. Einer möglichen Beitragsnachforderung stünde zudem entgegen, dass über den Zeitraum bis einschließlich 2009 bereits Betriebsprüfungen durchgeführt worden seien. Ab 2008 entlohnten sie, die Antragstellerinnen, die Arbeitnehmer nach dem Tarifvertrag der IGZ, der unstreitig wirksam sei. Die vorherige Betriebsprüfung mit anschließender Beitragsnachforderung habe zur Folge, dass vor einer erneuten Nachforderung für den gleichen Zeitraum dieser Bescheid gemäß § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) aufzuheben sei, dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Außerdem entstünden durch die Betriebsprüfung erhebliche Aufwendungen sowohl der Antragstellerinnen als auch ihrer Kunden. Demgegenüber wäre es für die Antragsgegnerin ein Leichtes, die jetzt gewonnenen Erkenntnisse rechtlich zu bewerten und dann, wenn sie tatsächlich und entgegen der einhelligen Rechtsprechung zu dem Ergebnis käme, dass Nachzahlungen für die Zeiträume 2006 und 2007 in Betracht kämen, weitere Ermittlungen bei den Kunden anzustrengen. Gerechtfertigt könnte ein solches Vorgehen nur sein, wenn zuvor festgestellt worden wäre, dass dem Grunde nach eine Zahlungspflicht bestünde. Das aber sei nicht der Fall.
Die Antragsgegnerin hat entgegnet, die von ihr beabsichtigten Ermittlungen bei den entleihenden Firmen erfolgten mit den nach § 21 Abs. 1 SGB X vorgesehenen Beweismitteln und seien, da die Antragstellerinnen selbst nicht über die Unterlagen zum Vergleichslohn verfügten, auch notwendig und allgemein üblich. Die von den Antragstellerinnen vermuteten negativen Folgen eines schweren Imageschadens seien nicht nachvollziehbar. Dass Nachforderungen verjährt seien, sei von diversen Entscheidungen der Sozialgerichte und Landessozialgerichte verneint worden.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 31. Juli 2014 den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es könne offenbleiben, ob ein Eilrechtsschutz gegen die Art und Weise der Betriebsprüfung überhaupt möglich sei, da die angekündigten Ermittlungsmaßnahmen nicht zu beanstanden seien. Sie hielten sich im Rahmen des § 21 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB X und dem darin eingeräumten Ermessen der Antragsgegnerin. Würde man jede Ermessensentscheidung über jede einzelne Ermittlungsmaßnahme der gerichtlichen Kontrolle im Eilverfahren unterstellen, wäre eine effektive Amtsermittlung ausgeschlossen. In Betracht komme nur eine Überprüfung bei willkürlichen oder aufgrund sachfremder Erwägungen ausgewählten Ermittlungen. Dafür bestehe kein Anhaltspunkt. Es sei nicht zu erkennen, warum die Anfragen bei Kunden für weiter zurückliegende Zeiträume eine andere Gefahr für einen Imageschaden beinhalte, als für aktuellere Zeiträume.
Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerinnen. Sie vertreten weiterhin die Auffassung, dass die angekündigte Einholung der Auskünfte über die Vergleichslöhne unverhältnismäßig sei. Sie führe zu einem erheblichen Arbeitsaufwand bei den Entleihfirmen. Die Prüfung abgeschlossener und der Verjährung unterliegender Zeiträume lasse bei dem Kunden sofort die Vermutung aufkommen, hier greife die Verjährung nicht ein, da die Antragstellerinnen vorsätzlich gegen die Beitragsvorschriften verstoßen hätten. Diese Ausweitung der Betriebsprüfung habe allein den Zweck, die Höhe einer etwaigen Nachzahlung zu ermitteln. Zu den Nachzahlungsvoraussetzungen selbst könnten bei den Kunden keine Erkenntnisse gewonnen werden.
Die Antragsgegnerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus, das hier gerügte Vorgehen habe die Antragsgegnerin bereits vorzeitig bei den Antragstellerinnen angesprochen, den Text für das Anschreiben an die Entleiher mitgeteilt und nachgefragt, ob die Antragstellerinnen selbst diese anschreiben wollten oder dies durch die Antragsgegnerin erfolgen solle. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 30. Oktober 2013 (B 12 AL 2/11 R) an seiner Rechtsauffassung festgehalten, dass Betriebsprüfungen Stichprobencharakter besäßen und aus dem Ergebnis einer vorangegangenen Betriebsprüfung kein Vertrauensschutz für den Arbeitgeber erwachse.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss auf die maßgeblichen Rechtsgrundlagen des vorläufigen Rechtsschutzes, hier § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), hingewiesen und im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruchs die beabsichtigte Betriebsprüfung einschließlich der von den Antragstellerinnen gerügten beabsichtigten Ermittlungen bei den Entleihfirmen für zulässig angesehen. Auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen und ergänzend noch Folgendes, insbesondere im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, ausgeführt:
Die Behörde bedient sich gemäß § 21 Abs. 1 SGB X der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere (also nicht abschließend)
1. Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, ein- holen, 2. Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schrift- liche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeu- gen einholen, 3. Urkunden und Akten beiziehen, 4. den Augenschein einnehmen.
Die Beweismittel beziehen sich damit nicht allein auf Mitwirkungen der Beteiligten, sondern auch auf dritte Personen.
Soweit die Antragstellerinnen die beabsichtigte Vorgehensweise für unverhältnismäßig halten, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Unverhältnismäßig ist eine Maßnahme nur dann, wenn der Behörde bei der Sachverhaltsermittlung mehrere gleichwertige Vorgehensweisen zur Verfügung stehen und sie sich ohne Grund für eine solche Vorgehensweise entscheidet, die den Betroffenen mehr belastet, als eine andere gleichwertige Vorgehensweise. Das ist hier nicht der Fall. Die Antragstellerinnen verkennen, dass die Antragsgegnerin keine andere Möglichkeit hat, die für die Überprüfung der Beitragsforderung notwendigen Auskünfte zu erhalten.
Maßgebliche Bemessungsgrundlage für den vom Arbeitgeber geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist das Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV). Nach § 10 Abs. 4 AÜG ist der Verleiher (hier die Antragstellerinnen) verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (sog. Equal-Pay/Equal-Treat¬ment). Zwar sind nach dieser Vorschrift abweichende Regelungen durch Tarifvertrag möglich. Insoweit ist allerdings der hier maßgebende Tarifvertrag mit der CGZP vom Bundesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen für rechtswidrig erklärt worden, da die CGZP seit ihrer Gründung nicht tariffähig war (BAG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – und vom 23. Mai 2012 – 1 AZB 58/11 –; Urteil vom 13. März 2013 – 5 AZR 242/12 –).
Unstreitig haben die Antragstellerinnen keine Kenntnisse über die hier in Frage kommenden Vergleichslöhne. Daher sind entsprechende Auskünfte allein auf dem von der Antragsgegnerin beabsichtigten Weg möglich, nämlich durch Auskunft der Entleiherbetriebe.
Die Auskünfte sind auch nicht deswegen überflüssig, weil ohnehin kein rückwirkender Beitragsanspruch entstehen kann. Entgegen der Auffassung der Antragstelle¬rinnen besteht keine einheitliche Rechtsprechung in der Sozialgerichtsbarkeit, die insoweit eine Beitragsforderung für einen zurückliegenden Zeitpunkt ablehnt (vgl. etwa LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25. März 2014 – L 1 R 40/14 B ER – m.w.N.). Das gilt auch hinsichtlich des Einwands der Verjährung (Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O., wiederum m.w.N.).
Auch der Hinweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts zu der materiellen Bindungswirkung vorangegangener Prüfbescheide aufgrund von Betriebsprüfungen steht der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Ermittlungen nicht entgegen. Das BSG hat in der von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidung vom 30. Oktober 2013 (B 12 AL 2/11 R) eine materielle Bindungswirkung lediglich für den Fall bejaht, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden. Das ist jedoch durch die von den Antragstelle-rinnen vorgelegten Bescheide der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2010 und 27. September 2010 nur bezüglich eines bestimmten Sachverhalts und nur in einem Umfang von 223,21 EUR bzw. 2.448,00 EUR geschehen. Diese Beitragsbescheide bezogen sich nicht auf die hier streitige Frage der Beitragsnachforderungen wegen des Equal-Pay-Anspruchs nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 AÜG.
Eine gleichwertige Ermittlungsmöglichkeit der Antragsgegnerin liegt entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen auch nicht darin, dass diese zunächst dem Grunde nach die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung streitige Frage rechtsverbindlich klären lässt, ob Beitragsansprüche für rückwirkende Zeiträume aufgrund der BAG-Rechtsprechung zur Tariffähigkeit der CGZP möglich sind. Voraussetzung einer gerichtlichen Prüfung ist ein entsprechender Beitragsbescheid der Antragsgegnerin. Ein solcher kann aber nur nach Feststellungen der Vergleichslöhne ergehen. Allein die Klärung einer Rechtsfrage ist gerichtlich nicht möglich.
Allerdings hat der Senat die sozialgerichtliche Entscheidung insoweit aufgehoben, als dort der Streitwert auf 1.667,00 EUR festgesetzt wurde. Denn entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist vom Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kein Abschlag vorzunehmen. Von einem nicht bezifferbaren Anspruch kann es gedankenlogisch keine Abschläge geben, wie sonst im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei einem bezifferten Anspruch. Der Auffangstreitwert definiert sich als Annahme für den Wert des Verfahrens in dem Fall, dass dieser Wert nicht bestimmt werden kann. Er ist eine abstrakte Größe, die von allen Wertfaktoren losgelöst ist. Eine derartige abstrakte Größe kann begriffsnotwendig unter Wertgesichtspunkten weder geteilt noch vervielfältigt werden (Beschluss des Senats vom 19. Juni 2014 – L 5 KR 64/14 B ER – ; so auch der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts im Beschluss vom 9. September 2013 – L 4 KA 293/12 B – m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, der Antragsgegnerin zu untersagen, die Betriebsprüfung bei ihnen in der Weise auf deren Kunden auszuweiten, dass dort vertrauliche Angaben, insbesondere Vergleichslöhne, abgefragt werden.
Die Antragstellerinnen betreiben Zeitarbeitsunternehmen in K. Die Antragsgegnerin beabsichtigt bei ihnen eine erneute Betriebsprüfung im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10) zur Tariffähigkeit der CGZP für den bereits schon einmal überprüften Zeitraum ab 1. Dezember 2005 durchzuführen (Schreiben der Antragsgegnerin vom 3. Februar 2014). Dagegen wandten sich die Antragstellerinnen bereits mit ihrem Antrag vom 21. März 2014 beim Sozialgericht Kiel auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den das Sozialgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 26. März 2014 abgelehnt hat (S 10 KR 12/14 ER). Mit erneutem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Kiel vom 22. Juli 2014 haben die Antragstellerinnen sich dagegen gewandt, dass die Antragsgegnerin bei den Entleiherfirmen Auskünfte darüber einholen will, in welcher Höhe Vergleichslöhne dort gezahlt wurden. Die Antragstellerinnen halten ein solches Vorgehen nicht für zulässig und haben ihren Antrag damit begründet, dass ein Beitragsanspruch für den streitigen Zeitraum schon aus Gründen der Verjährung nicht bestehe, so dass Ermittlungen zur Anspruchshöhe obsolet seien und nur das Verhältnis der Antragstellerinnen zu ihren Kunden gefährde. Dort werde nämlich der Eindruck erweckt, dass die Antragstellerinnen vorsätzlich gegen Vorschriften des Sozialrechts verstießen. Das Erwecken eines solchen Eindrucks sei unverhältnismäßig, wenn nicht zuvor festgestellt oder zumindest dargelegt sei, dass ein solcher Verstoß vorliegen könne. Einer möglichen Beitragsnachforderung stünde zudem entgegen, dass über den Zeitraum bis einschließlich 2009 bereits Betriebsprüfungen durchgeführt worden seien. Ab 2008 entlohnten sie, die Antragstellerinnen, die Arbeitnehmer nach dem Tarifvertrag der IGZ, der unstreitig wirksam sei. Die vorherige Betriebsprüfung mit anschließender Beitragsnachforderung habe zur Folge, dass vor einer erneuten Nachforderung für den gleichen Zeitraum dieser Bescheid gemäß § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) aufzuheben sei, dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Außerdem entstünden durch die Betriebsprüfung erhebliche Aufwendungen sowohl der Antragstellerinnen als auch ihrer Kunden. Demgegenüber wäre es für die Antragsgegnerin ein Leichtes, die jetzt gewonnenen Erkenntnisse rechtlich zu bewerten und dann, wenn sie tatsächlich und entgegen der einhelligen Rechtsprechung zu dem Ergebnis käme, dass Nachzahlungen für die Zeiträume 2006 und 2007 in Betracht kämen, weitere Ermittlungen bei den Kunden anzustrengen. Gerechtfertigt könnte ein solches Vorgehen nur sein, wenn zuvor festgestellt worden wäre, dass dem Grunde nach eine Zahlungspflicht bestünde. Das aber sei nicht der Fall.
Die Antragsgegnerin hat entgegnet, die von ihr beabsichtigten Ermittlungen bei den entleihenden Firmen erfolgten mit den nach § 21 Abs. 1 SGB X vorgesehenen Beweismitteln und seien, da die Antragstellerinnen selbst nicht über die Unterlagen zum Vergleichslohn verfügten, auch notwendig und allgemein üblich. Die von den Antragstellerinnen vermuteten negativen Folgen eines schweren Imageschadens seien nicht nachvollziehbar. Dass Nachforderungen verjährt seien, sei von diversen Entscheidungen der Sozialgerichte und Landessozialgerichte verneint worden.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 31. Juli 2014 den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es könne offenbleiben, ob ein Eilrechtsschutz gegen die Art und Weise der Betriebsprüfung überhaupt möglich sei, da die angekündigten Ermittlungsmaßnahmen nicht zu beanstanden seien. Sie hielten sich im Rahmen des § 21 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB X und dem darin eingeräumten Ermessen der Antragsgegnerin. Würde man jede Ermessensentscheidung über jede einzelne Ermittlungsmaßnahme der gerichtlichen Kontrolle im Eilverfahren unterstellen, wäre eine effektive Amtsermittlung ausgeschlossen. In Betracht komme nur eine Überprüfung bei willkürlichen oder aufgrund sachfremder Erwägungen ausgewählten Ermittlungen. Dafür bestehe kein Anhaltspunkt. Es sei nicht zu erkennen, warum die Anfragen bei Kunden für weiter zurückliegende Zeiträume eine andere Gefahr für einen Imageschaden beinhalte, als für aktuellere Zeiträume.
Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerinnen. Sie vertreten weiterhin die Auffassung, dass die angekündigte Einholung der Auskünfte über die Vergleichslöhne unverhältnismäßig sei. Sie führe zu einem erheblichen Arbeitsaufwand bei den Entleihfirmen. Die Prüfung abgeschlossener und der Verjährung unterliegender Zeiträume lasse bei dem Kunden sofort die Vermutung aufkommen, hier greife die Verjährung nicht ein, da die Antragstellerinnen vorsätzlich gegen die Beitragsvorschriften verstoßen hätten. Diese Ausweitung der Betriebsprüfung habe allein den Zweck, die Höhe einer etwaigen Nachzahlung zu ermitteln. Zu den Nachzahlungsvoraussetzungen selbst könnten bei den Kunden keine Erkenntnisse gewonnen werden.
Die Antragsgegnerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus, das hier gerügte Vorgehen habe die Antragsgegnerin bereits vorzeitig bei den Antragstellerinnen angesprochen, den Text für das Anschreiben an die Entleiher mitgeteilt und nachgefragt, ob die Antragstellerinnen selbst diese anschreiben wollten oder dies durch die Antragsgegnerin erfolgen solle. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 30. Oktober 2013 (B 12 AL 2/11 R) an seiner Rechtsauffassung festgehalten, dass Betriebsprüfungen Stichprobencharakter besäßen und aus dem Ergebnis einer vorangegangenen Betriebsprüfung kein Vertrauensschutz für den Arbeitgeber erwachse.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss auf die maßgeblichen Rechtsgrundlagen des vorläufigen Rechtsschutzes, hier § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), hingewiesen und im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruchs die beabsichtigte Betriebsprüfung einschließlich der von den Antragstellerinnen gerügten beabsichtigten Ermittlungen bei den Entleihfirmen für zulässig angesehen. Auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen und ergänzend noch Folgendes, insbesondere im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, ausgeführt:
Die Behörde bedient sich gemäß § 21 Abs. 1 SGB X der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere (also nicht abschließend)
1. Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, ein- holen, 2. Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schrift- liche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeu- gen einholen, 3. Urkunden und Akten beiziehen, 4. den Augenschein einnehmen.
Die Beweismittel beziehen sich damit nicht allein auf Mitwirkungen der Beteiligten, sondern auch auf dritte Personen.
Soweit die Antragstellerinnen die beabsichtigte Vorgehensweise für unverhältnismäßig halten, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Unverhältnismäßig ist eine Maßnahme nur dann, wenn der Behörde bei der Sachverhaltsermittlung mehrere gleichwertige Vorgehensweisen zur Verfügung stehen und sie sich ohne Grund für eine solche Vorgehensweise entscheidet, die den Betroffenen mehr belastet, als eine andere gleichwertige Vorgehensweise. Das ist hier nicht der Fall. Die Antragstellerinnen verkennen, dass die Antragsgegnerin keine andere Möglichkeit hat, die für die Überprüfung der Beitragsforderung notwendigen Auskünfte zu erhalten.
Maßgebliche Bemessungsgrundlage für den vom Arbeitgeber geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist das Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV). Nach § 10 Abs. 4 AÜG ist der Verleiher (hier die Antragstellerinnen) verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (sog. Equal-Pay/Equal-Treat¬ment). Zwar sind nach dieser Vorschrift abweichende Regelungen durch Tarifvertrag möglich. Insoweit ist allerdings der hier maßgebende Tarifvertrag mit der CGZP vom Bundesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen für rechtswidrig erklärt worden, da die CGZP seit ihrer Gründung nicht tariffähig war (BAG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – und vom 23. Mai 2012 – 1 AZB 58/11 –; Urteil vom 13. März 2013 – 5 AZR 242/12 –).
Unstreitig haben die Antragstellerinnen keine Kenntnisse über die hier in Frage kommenden Vergleichslöhne. Daher sind entsprechende Auskünfte allein auf dem von der Antragsgegnerin beabsichtigten Weg möglich, nämlich durch Auskunft der Entleiherbetriebe.
Die Auskünfte sind auch nicht deswegen überflüssig, weil ohnehin kein rückwirkender Beitragsanspruch entstehen kann. Entgegen der Auffassung der Antragstelle¬rinnen besteht keine einheitliche Rechtsprechung in der Sozialgerichtsbarkeit, die insoweit eine Beitragsforderung für einen zurückliegenden Zeitpunkt ablehnt (vgl. etwa LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25. März 2014 – L 1 R 40/14 B ER – m.w.N.). Das gilt auch hinsichtlich des Einwands der Verjährung (Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O., wiederum m.w.N.).
Auch der Hinweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts zu der materiellen Bindungswirkung vorangegangener Prüfbescheide aufgrund von Betriebsprüfungen steht der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Ermittlungen nicht entgegen. Das BSG hat in der von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidung vom 30. Oktober 2013 (B 12 AL 2/11 R) eine materielle Bindungswirkung lediglich für den Fall bejaht, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden. Das ist jedoch durch die von den Antragstelle-rinnen vorgelegten Bescheide der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2010 und 27. September 2010 nur bezüglich eines bestimmten Sachverhalts und nur in einem Umfang von 223,21 EUR bzw. 2.448,00 EUR geschehen. Diese Beitragsbescheide bezogen sich nicht auf die hier streitige Frage der Beitragsnachforderungen wegen des Equal-Pay-Anspruchs nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 AÜG.
Eine gleichwertige Ermittlungsmöglichkeit der Antragsgegnerin liegt entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen auch nicht darin, dass diese zunächst dem Grunde nach die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung streitige Frage rechtsverbindlich klären lässt, ob Beitragsansprüche für rückwirkende Zeiträume aufgrund der BAG-Rechtsprechung zur Tariffähigkeit der CGZP möglich sind. Voraussetzung einer gerichtlichen Prüfung ist ein entsprechender Beitragsbescheid der Antragsgegnerin. Ein solcher kann aber nur nach Feststellungen der Vergleichslöhne ergehen. Allein die Klärung einer Rechtsfrage ist gerichtlich nicht möglich.
Allerdings hat der Senat die sozialgerichtliche Entscheidung insoweit aufgehoben, als dort der Streitwert auf 1.667,00 EUR festgesetzt wurde. Denn entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist vom Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kein Abschlag vorzunehmen. Von einem nicht bezifferbaren Anspruch kann es gedankenlogisch keine Abschläge geben, wie sonst im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei einem bezifferten Anspruch. Der Auffangstreitwert definiert sich als Annahme für den Wert des Verfahrens in dem Fall, dass dieser Wert nicht bestimmt werden kann. Er ist eine abstrakte Größe, die von allen Wertfaktoren losgelöst ist. Eine derartige abstrakte Größe kann begriffsnotwendig unter Wertgesichtspunkten weder geteilt noch vervielfältigt werden (Beschluss des Senats vom 19. Juni 2014 – L 5 KR 64/14 B ER – ; so auch der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts im Beschluss vom 9. September 2013 – L 4 KA 293/12 B – m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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