Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 746/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 260/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalles sowie die Gewährung einer Verletztenrente.
Der 1966 geborene Kläger war bei der Firma S. Haus KG in H. als Arbeiter in einem Sägewerk beschäftigt. Nach der Unfallanzeige des Unternehmens vom 28.07.2009 löste sich am 27.07.2009 beim Versuch eines Kollegen, ein eingeklemmtes Holzteil mit einem Vorschlaghammer zu lösen, der Hammerkopf vom Stiel und traf den Kläger am Hinterkopf. Nach dem Durchgangsarztbericht von Dr. K., M., wo der Kläger zunächst behandelt wurde, bestanden Schmerzen occipital ohne sichtbare Verletzung, eine Amnesie für weniger als drei Minuten und Schmerzen am rechten Oberarm. Die Röntgenuntersuchung habe keinen Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung ergeben. Als Erstdiagnose war eine Commotio cerebri (SHT I) und eine Oberarmprellung rechts gestellt worden. Der Kläger befand sich bis zum 29.07.2009 in den Kreiskliniken R. GmbH in stationärer Behandlung und wurde in gutem Allgemeinzustand mit den Diagnosen Commotio cerebri, Schädelprellung und Prellung rechter Oberarm entlassen (Bericht vom 29.07.2009). Ein Nachweis von Traumafolgen ließ sich durch eine am 03.09.2009 durchgeführte Kernspintomografie des Schädels nicht führen (Bericht des Radiologen Dr. B. vom 02.09.2009 und des Neurochirurgen Privatdozent Dr. H. vom 03.09.2009). Der HNO-Arzt Dr. B. berichtete unter dem 28.09.2009, dass kein Schwindel mehr bestanden habe und keine weitere Therapie mehr erforderlich gewesen sei. Nach dem Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) T. vom 09.02.2010 trat Arbeitsfähigkeit wegen - unfallunabhängigen - Kopfschmerzen und einer Schwindelsymptomatik in der Folge nicht mehr ein.
In dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen nervenärztlichen Gutachten von Dr. G., V.-S., vom 22.06.2010 beschrieb dieser ein Schädelhirntrauma Zweiten Grades, den Verdacht auf einen Zustand nach einer Commotio labyrinthi und eine Periarthropathia humeroscapularis links, welche wahrscheinlich posttraumatisch sei, sowie eine depressive Anpassungsstörung. Er schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 50 v.H. bis zum 01.12.2010 ein und hielt ein neurologisch-psychiatrisch orientiertes Heilverfahren für erforderlich, um in dessen Rahmen eine Frontalhirnschädigung zu verifizieren.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. stellte in dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen "neurologisch-psychiatrischen Befundbericht" vom 24.09.2010 nach einer Untersuchung des Klägers am 21.09.2010 einen Zustand nach Schädelhirntrauma allenfalls Grad I ohne nachweisbare Contusio cerebri, ein jetzt ausgeprägtes Schmerzsyndrom an der Halswirbelsäule mit erheblichen Gefühlsstörungen bei C 4/5 links und möglicherweise Bandscheibenvorfall sowie eine leichte bis mittelgradige depressive Episode fest. Auf seinem Fachgebiet seien keine Unfallfolgen mehr nachzuweisen. Die Annahme einer leichten Contusio cerebri oder eines Frontalhirn-Syndroms sei eine reine Spekulation und durch nichts zu begründen. Darüber hinaus fehle es am Nachweis einer massiven Gewalteinwirkung, etwa durch eine Platzwunde.
Mit Bescheid vom 19.10.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 27.07.2009 ab. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalles bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruches nicht um wenigstens von 20 v.H. gemindert. Es liege insoweit nur eine abgeheilte Prellung des Hinterkopfes vor. Ein Schmerzsyndrom an der Halswirbelsäule mit Gefühlsstörungen bei C 4/5 links, eine Hörminderung links und eine depressive Episode lägen unabhängig vom Arbeitsunfall vor. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 04.03.2011).
Hiergegen hat der Kläger am 14.03.2011 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, zu deren Begründung er u.a. den Bericht der Federseeklinik Bad B. vom 30.03.2011 über einen stationären Aufenthalt vom 23.02.2011 bis 30.03.2011 vorgelegt hat mit den Diagnosen Cervikocephalgien, NPP HWK 5/6, HWK 6/7, Neuroforaminaeinengung C 6/7, Schulterimpingement, beginnende degenerative SSP ohne Ruptur, Nikotinabusus, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und depressiver Komponente.
Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bei Dr. S., V.-S ... In seinem Gutachten vom 24.02.2012 ist Dr. S. von einer Gehirnerschütterung bei einem Arbeitsunfall am 27.07.2009 ausgegangen und hat eine undifferenzierte Somatisierungsstörung festgestellt. Die durch den Unfall verursachte Gehirnerschütterung habe zu passageren Hirnfunktionsstörungen mit Bewusstlosigkeit und einer ca. 15 bis 20-minütigen Erinnerungslücke geführt. Wie jede Gehirnerschütterung sei sie folgenlos abgeheilt. Neurologische Folgen hätten zu keinem Zeitpunkt bestanden. Ein Zusammenhang zwischen der undifferenzierten Somatisierungsstörung und dem Unfallereignis könne nicht als wahrscheinlich angesehen werden. Ein solcher Zusammenhang entspreche nicht der allgemeinen nervenärztlichen Erfahrung. Ein Zusammenhang sei möglich, jedoch spreche mehr dagegen als dafür. Aus neuropsychiatrischer Sicht liege keine MdE vor.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG sodann den Facharzt für Neurologie Dr. R. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Unter Berücksichtigung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens der Diplom-Psychologin Zurek vom 23.08.2012 sowie eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie Dr. S. vom 10.09.2012 hat Dr. R. (Gutachten vom 04.10.2012) eine Commotio cerebri, eine posttraumatische Belastungsstörung und eine somatoforme Schmerzstörung infolge eines leichten Schädelhirntraumas festgestellt. Die Commotio cerebri sei folgenlos ausgeheilt. Die Schwindelsymptomatik, die mit einer Commotio vestibularis einhergegangen sei, sei mit großer Wahrscheinlichkeit abgeklungen. Im Vordergrund des klinischen Bildes stehe eine als Folge des Unfalles aufgetretene posttraumatische Belastungsstörung. Die beim Kläger bestehende Schmerzsymptomatik sei durch eine organische Unfallfolge nicht zu erklären. Eine somatoforme Schmerzstörung werde mit 30 v.H., die posttraumatische Belastungsstörung mit 50 v.H. eingeschätzt. Integrierend sei von einer MdE um 50 v.H. auszugehen.
In der daraufhin vom SG veranlassten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hat Dr. S. unter dem 08.03.2013 ausgeführt, dass das auf der Grundlage von § 109 SGG eingeholte Gutachten im psychiatrischen und neuropsychologischen Teil nicht nachvollziehbar und mangelhaft sei. Es bestünden weder psychische noch neurologische Unfallfolgen. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei nicht nachvollziehbar. Das Kriterium A sei nicht erfüllt gewesen. Es handele sich nicht um ein als Trauma zu wertendes Ereignis. Es hätten nie Intrusionen oder ähnliche mit vegetativer Begleitsymptomatik verbundene, sich aufdrängende Erinnerungen bestanden. Die geschilderten Träume seien etwas völlig anderes. Träume, auf die Dr. S. abhebe, auch Albträume, gehörten zum normalen seelischen Erleben eines jeden Menschen. Darüber hinaus habe kein klares Vermeidungsverhalten und auch nie ein Hyperarousal bestanden. In ergänzenden Stellungnahmen haben Dr. R., Dr. S. und die Diplom-Psychologin Zurek an ihrer Einschätzung festgehalten.
Der Kläger hat den Bericht der M.-B.-Klinik vom 08.10.2013 nach einem stationären Aufenthalt vom 17.07.2013 bis 01.10.2013 vorgelegt (Diagnosen: generalisierte Angststörung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak: Abhängigkeitssyndrom, Zervikobrachial-Syndrom, chronischer posttraumatischer Kopfschmerz).
Mit Urteil vom 16.12.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Darlegung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen ausgeführt, dass sich der Kläger bei dem Unfall am 27.07.2009 - neben der durch die Beklagte festgestellten abgeheilten Prellung des Hinterkopfes -lediglich eine Commotio cerebri zugezogen habe. Diese Gehirnerschütterung sei folgenlos abgeheilt. Deshalb habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Verletztenrente. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei nicht als Folge des Arbeitsunfalles zu berücksichtigen. Dies scheitere daran, dass diese Erkrankung nicht im Vollbeweis nachgewiesen sei. Eine nach dem ICD 10 (Schlüsselnummer F43.1) geforderte Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes habe schon nicht vorgelegen. Ein Trauma eines so schweren Grades sei schon nach dem Unfallhergang nicht nachvollziehbar. Eine existenzielle Bedrohung habe die Kammer in dem durch den Aufschlag des Hammerkopfes ausgelösten Ereignis nicht zu erkennen vermocht, zumal sich der Kläger an den Vorgang selbst und an die Minuten danach aufgrund der Amnesie gar nicht habe erinnern können. Die von der ICD 10 vorausgesetzten Traumakriterien seien damit im Hinblick auf das Unfallereignis nicht ansatzweise erfüllt. Hinzu komme, dass psychische Auffälligkeiten nach dem Unfallereignis nicht beschrieben worden seien, sondern erstmals im Verwaltungsverfahren in dem Gutachten von Dr. G., ca. ein Jahr nach dem Unfall, der aber auch nur leichte psychische Auffälligkeiten beschrieben habe. Es fehle an jeglichen Brückensymptomen, die einen Zusammenhang zwischen einem (eventuellen) Trauma und einer späteren posttraumatischen Belastungsstörung hätten herstellen können. Ferner sei eine posttraumatische Belastungsstörung bei dem Kläger trotz jahrelanger und intensiver Behandlung auch in mehrwöchigen Klinikaufenthalten nie diskutiert oder gar diagnostiziert worden. Dies gelte auch für die Ärzte der M.-B.-Klinik, die in dem kurz vor der mündlichen Verhandlung vom Kläger vorgelegten Abschlussbericht andere psychische Störungen beschrieben haben. Die Kammer schließe sich den kritischen Ausführungen von Dr. S. an. Selbst wenn man unterstellen wollte, der Kläger litte an einer posttraumatischen Belastungsstörung, ergeben sich im Rahmen einer Kausalitätsabwägung zudem viele Anhaltspunkte dafür, dass das Unfallereignis für die Entstehung der posttraumatischen Belastungsstörung nicht die wesentliche Ursache sein könne. Unfallunabhängig wirkten sich insoweit das Zurückgelassenwerden des Klägers in der Türkei aus, als seine Eltern als Gastarbeiter nach Deutschland gegangen seien und ihn erst im Alter von 13 Jahren nachholten, die Gewalttätigkeit von Seiten des Onkels in der Kindheit in der Türkei oder das Erleben eines versuchten sexuellen Missbrauchs im Alter von 9 oder 10 Jahren. Gleiches gelte für die Hilfeleistung bei einem schweren Verkehrsunfall 1999 mit drei Toten und einem Schwerstverletzten, der Selbstmordversuch einer Tochter im Jahre 2011, die Hilfeleistung bei einem Verkehrsunfall seiner Nichten und zweier seiner Neffen im Jahre 2012 kurz vor der Begutachtung bei Dr. R ... Das Gericht könne offen lassen, ob hier das eine oder andere Ereignis nicht viel eher das Kriterium eines schweren Traumas im Sinne der Definition der posttraumatischen Belastungsstörung nach der ICD 10 erfülle. Darüber hinaus liege eine traumatische Hirnschädigung (diffuse axonale Hirnverletzung) nicht vor und ein Zusammenhang einer undifferenzierten Somatisierungsstörung mit dem Unfall bestehe nicht. Soweit Dr. Schörner und Dr. R. von einem Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und einer somatoformen Störung ausgingen, gäben sie hierfür keine Begründung ab.
Gegen das ihm am 02.01.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.01.2014 Berufung eingelegt. Unter Vertiefung und Ergänzung seines bisherigen Vortrages und unter Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. R. hält der Kläger an seiner bislang vertretenen Auffassung fest.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Dezember 2013 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des Arbeitsunfalles vom 27. Juli 2009 anzuerkennen und ab 25. Januar 2011 eine Verletztenrente nach einer MdE um 50 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung scheitere bereits daran, dass eine solche nicht im Vollbeweis nachgewiesen sei.
Mit Verfügung vom 17.07.2014 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG in Betracht kommt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 17.07.2014 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung einer Verletztenrente hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente nach § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf eine solche nicht besteht. Dabei hat das SG insbesondere schlüssig und überzeugend begründet, weshalb es eine posttraumatische Belastungsstörung nicht als nachgewiesen angesehen hat. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist mit Blick auf die Begründung im Berufungsverfahren lediglich auszuführen, dass auch nach Überzeugung des Senats eine posttraumatische Belastungsstörung nicht mit dem hierfür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen ist. Auch unter Berücksichtigung der vorliegenden ergänzenden Stellungnahmen von Dr. R., Dr. S. und der Diplom-Psychologin Z. sieht der Senat keinen Grund, die Entscheidung des SG in Zweifel zu ziehen. Der Senat schließt sich vielmehr ebenfalls den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen von Dr. S. in dessen ergänzender Stellungnahme vom 08.03.2013 an, wonach durch das Gutachten von Dr. Rothacher und Dr. S. eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des Unfalles vom 27.07.2009 nicht nachgewiesen wurde.
Bei diesem Unfall wurde der Kläger - was sich auch aus dem Gutachten von Dr. R. ergibt - von einem Hammerkopf, der 3 kg wog, im Nacken getroffen. An das Unfallereignis kann sich der Kläger nach eigenen Angaben (vgl. u.a. Anamnese im Gutachten von Dr. R.) nicht erinnern. Die letzten Erinnerungen des Klägers vor dem Ereignis betreffen das Halten der Holzstange zum Lösen des verklemmten Holzstückes. Die ersten Erinnerungen danach betreffen den Unfallort, wo ihm am Boden liegend Hilfe geleistet wurde. Es sei ihm - so seine Angaben bei Dr. Rothacher - nur gesagt worden, dass er vom Hammer im Nackenbereich getroffen worden sei. Eine sichtbare Verletzung (Platzwunde) hatte sich der Kläger dabei nicht zugezogen.
Damit zog dieser Arbeitsunfall schon keine als lebensbedrohlich anzusehende Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des Klägers nach sich. Beide hier zu berücksichtigende Diagnosesysteme, nämlich die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme - 10. Revision - (ICD 10) und das Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen - Textrevision - (DSM-IV-TR), fordern ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (ICD-10 F 43.1) bzw. - nach DSM-IV-TR 309.81 - Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Dabei beinhaltet das traumatische Ereignis unter anderem das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (sog. Kriterium A1). Mit Dr. S. ist auch der Senat der Auffassung, dass das konkrete Ereignis schon nicht die Grundvoraussetzung eines Ereignisses außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes erfüllt, welches - zudem - bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Hiermit setzen sich auch Dr. Rothacher und Dr. S. in ihren ergänzenden Stellungnahmen nicht hinreichend auseinander. Der Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung steht zur Überzeugung des Senats aber darüber hinaus entgegen, dass sich der Kläger an das Unfallgeschehen selbst nicht erinnern kann (vgl. hierzu Urteile LSG B.-W. vom 26.09.2013, L 6 U 3246/12, und 27.03.2014, L 6 VG 5753/11, beide in Juris). Der erforderliche und für die Erkrankung typische Wiederhall des Erlebten scheidet daher denknotwendig aus. Folglich kann der Kläger den Tathergang auch nur aus Erzählungen rekonstruieren, aber nicht aus eigener Anschauung wiedergeben. Dementsprechend hat er auch keine Nachhallerinnerungen im eigentlichen Sinn, was auch Dr. S. einräumt, sondern er träume "in der Art vom Unfall, dass sein Rücken voller Blut sei". Eine blutende Verletzung hatte sich der Kläger aber bei dem Unfall gar nicht zugezogen. Ein Wiedererleben des Traumas im Sinne des Kriteriums B (sich aufdrängende, lebendige Erinnerungen, aufdringliche Nachhallerinnerungen, sich wiederholende Träume, Bedrängnis bei Konfrontation mit ähnlichen Ereignissen) vermag der Senat daher ebenfalls nicht anzuerkennen. Den diesbezüglichen Einwand von Dr. S., es fehle eine Abgrenzung zu Träumen und Albträumen, die zum normalen Seelenleben eines Menschen gehören und solchen, die die Kriterien eines Flash Backs erfüllten, haben die ergänzenden Stellungnahmen der nach § 109 SGG gehörten Gutachter ebenfalls nicht entkräftet. Dies gilt auch für die Bedrängnis bei Konfrontation mit ähnlichen Ereignissen.
Mit Dr. S. ist der Senat zudem der Überzeugung, dass die von ihm beschriebene undifferenzierte Somatisierungsstörung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallgeschehen zurückgeführt werden kann. Soweit Dr. R. und Dr. S. hier anderer Auffassung sind, teilt der Senat diese nicht. Die Gutachten berücksichtigen im Gegensatz zu dem von Dr. S. nicht hinreichend, dass im Bericht der Federseeklinik Bad B. über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 23.02.2011 bis 30.03.2011 über Schmerzen im Oberarm und in der Schulter aufgrund von degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule und an der Schulter berichtet wurde, die aus psychischen Gründen verS.t erlebt werden. Dr. S. führt diesbezüglich in seinem Gutachten überzeugend aus, dass auch die Nacken- und Hinterkopfschmerzen mit den beschriebenen Bandscheibenvorfällen und degenerativen Veränderungen an der Halswirbelsäule zusammenhängen können und ebenfalls psychisch verS.t werden. Dr. R. und Dr. S. schließen aus dem Vorliegen der Erkrankung und der nach ihrer Ansicht fehlenden organischen Ursache auf eine durch den Unfall bedingte Störung, ohne zur Kausalbeziehung und gegebenenfalls konkurrierenden Ursachen Ausführungen zu machen. Soweit sie dies mit der daneben vorliegenden posttraumatischen Belastungsstörung begründen, vermag dies schon deshalb nicht zu überzeugen, weil der Senat dieser Diagnose nicht folgt.
Die Berufung war daher zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalles sowie die Gewährung einer Verletztenrente.
Der 1966 geborene Kläger war bei der Firma S. Haus KG in H. als Arbeiter in einem Sägewerk beschäftigt. Nach der Unfallanzeige des Unternehmens vom 28.07.2009 löste sich am 27.07.2009 beim Versuch eines Kollegen, ein eingeklemmtes Holzteil mit einem Vorschlaghammer zu lösen, der Hammerkopf vom Stiel und traf den Kläger am Hinterkopf. Nach dem Durchgangsarztbericht von Dr. K., M., wo der Kläger zunächst behandelt wurde, bestanden Schmerzen occipital ohne sichtbare Verletzung, eine Amnesie für weniger als drei Minuten und Schmerzen am rechten Oberarm. Die Röntgenuntersuchung habe keinen Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung ergeben. Als Erstdiagnose war eine Commotio cerebri (SHT I) und eine Oberarmprellung rechts gestellt worden. Der Kläger befand sich bis zum 29.07.2009 in den Kreiskliniken R. GmbH in stationärer Behandlung und wurde in gutem Allgemeinzustand mit den Diagnosen Commotio cerebri, Schädelprellung und Prellung rechter Oberarm entlassen (Bericht vom 29.07.2009). Ein Nachweis von Traumafolgen ließ sich durch eine am 03.09.2009 durchgeführte Kernspintomografie des Schädels nicht führen (Bericht des Radiologen Dr. B. vom 02.09.2009 und des Neurochirurgen Privatdozent Dr. H. vom 03.09.2009). Der HNO-Arzt Dr. B. berichtete unter dem 28.09.2009, dass kein Schwindel mehr bestanden habe und keine weitere Therapie mehr erforderlich gewesen sei. Nach dem Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) T. vom 09.02.2010 trat Arbeitsfähigkeit wegen - unfallunabhängigen - Kopfschmerzen und einer Schwindelsymptomatik in der Folge nicht mehr ein.
In dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen nervenärztlichen Gutachten von Dr. G., V.-S., vom 22.06.2010 beschrieb dieser ein Schädelhirntrauma Zweiten Grades, den Verdacht auf einen Zustand nach einer Commotio labyrinthi und eine Periarthropathia humeroscapularis links, welche wahrscheinlich posttraumatisch sei, sowie eine depressive Anpassungsstörung. Er schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 50 v.H. bis zum 01.12.2010 ein und hielt ein neurologisch-psychiatrisch orientiertes Heilverfahren für erforderlich, um in dessen Rahmen eine Frontalhirnschädigung zu verifizieren.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. stellte in dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen "neurologisch-psychiatrischen Befundbericht" vom 24.09.2010 nach einer Untersuchung des Klägers am 21.09.2010 einen Zustand nach Schädelhirntrauma allenfalls Grad I ohne nachweisbare Contusio cerebri, ein jetzt ausgeprägtes Schmerzsyndrom an der Halswirbelsäule mit erheblichen Gefühlsstörungen bei C 4/5 links und möglicherweise Bandscheibenvorfall sowie eine leichte bis mittelgradige depressive Episode fest. Auf seinem Fachgebiet seien keine Unfallfolgen mehr nachzuweisen. Die Annahme einer leichten Contusio cerebri oder eines Frontalhirn-Syndroms sei eine reine Spekulation und durch nichts zu begründen. Darüber hinaus fehle es am Nachweis einer massiven Gewalteinwirkung, etwa durch eine Platzwunde.
Mit Bescheid vom 19.10.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 27.07.2009 ab. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalles bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruches nicht um wenigstens von 20 v.H. gemindert. Es liege insoweit nur eine abgeheilte Prellung des Hinterkopfes vor. Ein Schmerzsyndrom an der Halswirbelsäule mit Gefühlsstörungen bei C 4/5 links, eine Hörminderung links und eine depressive Episode lägen unabhängig vom Arbeitsunfall vor. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 04.03.2011).
Hiergegen hat der Kläger am 14.03.2011 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, zu deren Begründung er u.a. den Bericht der Federseeklinik Bad B. vom 30.03.2011 über einen stationären Aufenthalt vom 23.02.2011 bis 30.03.2011 vorgelegt hat mit den Diagnosen Cervikocephalgien, NPP HWK 5/6, HWK 6/7, Neuroforaminaeinengung C 6/7, Schulterimpingement, beginnende degenerative SSP ohne Ruptur, Nikotinabusus, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und depressiver Komponente.
Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bei Dr. S., V.-S ... In seinem Gutachten vom 24.02.2012 ist Dr. S. von einer Gehirnerschütterung bei einem Arbeitsunfall am 27.07.2009 ausgegangen und hat eine undifferenzierte Somatisierungsstörung festgestellt. Die durch den Unfall verursachte Gehirnerschütterung habe zu passageren Hirnfunktionsstörungen mit Bewusstlosigkeit und einer ca. 15 bis 20-minütigen Erinnerungslücke geführt. Wie jede Gehirnerschütterung sei sie folgenlos abgeheilt. Neurologische Folgen hätten zu keinem Zeitpunkt bestanden. Ein Zusammenhang zwischen der undifferenzierten Somatisierungsstörung und dem Unfallereignis könne nicht als wahrscheinlich angesehen werden. Ein solcher Zusammenhang entspreche nicht der allgemeinen nervenärztlichen Erfahrung. Ein Zusammenhang sei möglich, jedoch spreche mehr dagegen als dafür. Aus neuropsychiatrischer Sicht liege keine MdE vor.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG sodann den Facharzt für Neurologie Dr. R. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Unter Berücksichtigung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens der Diplom-Psychologin Zurek vom 23.08.2012 sowie eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie Dr. S. vom 10.09.2012 hat Dr. R. (Gutachten vom 04.10.2012) eine Commotio cerebri, eine posttraumatische Belastungsstörung und eine somatoforme Schmerzstörung infolge eines leichten Schädelhirntraumas festgestellt. Die Commotio cerebri sei folgenlos ausgeheilt. Die Schwindelsymptomatik, die mit einer Commotio vestibularis einhergegangen sei, sei mit großer Wahrscheinlichkeit abgeklungen. Im Vordergrund des klinischen Bildes stehe eine als Folge des Unfalles aufgetretene posttraumatische Belastungsstörung. Die beim Kläger bestehende Schmerzsymptomatik sei durch eine organische Unfallfolge nicht zu erklären. Eine somatoforme Schmerzstörung werde mit 30 v.H., die posttraumatische Belastungsstörung mit 50 v.H. eingeschätzt. Integrierend sei von einer MdE um 50 v.H. auszugehen.
In der daraufhin vom SG veranlassten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hat Dr. S. unter dem 08.03.2013 ausgeführt, dass das auf der Grundlage von § 109 SGG eingeholte Gutachten im psychiatrischen und neuropsychologischen Teil nicht nachvollziehbar und mangelhaft sei. Es bestünden weder psychische noch neurologische Unfallfolgen. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei nicht nachvollziehbar. Das Kriterium A sei nicht erfüllt gewesen. Es handele sich nicht um ein als Trauma zu wertendes Ereignis. Es hätten nie Intrusionen oder ähnliche mit vegetativer Begleitsymptomatik verbundene, sich aufdrängende Erinnerungen bestanden. Die geschilderten Träume seien etwas völlig anderes. Träume, auf die Dr. S. abhebe, auch Albträume, gehörten zum normalen seelischen Erleben eines jeden Menschen. Darüber hinaus habe kein klares Vermeidungsverhalten und auch nie ein Hyperarousal bestanden. In ergänzenden Stellungnahmen haben Dr. R., Dr. S. und die Diplom-Psychologin Zurek an ihrer Einschätzung festgehalten.
Der Kläger hat den Bericht der M.-B.-Klinik vom 08.10.2013 nach einem stationären Aufenthalt vom 17.07.2013 bis 01.10.2013 vorgelegt (Diagnosen: generalisierte Angststörung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak: Abhängigkeitssyndrom, Zervikobrachial-Syndrom, chronischer posttraumatischer Kopfschmerz).
Mit Urteil vom 16.12.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Darlegung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen ausgeführt, dass sich der Kläger bei dem Unfall am 27.07.2009 - neben der durch die Beklagte festgestellten abgeheilten Prellung des Hinterkopfes -lediglich eine Commotio cerebri zugezogen habe. Diese Gehirnerschütterung sei folgenlos abgeheilt. Deshalb habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Verletztenrente. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei nicht als Folge des Arbeitsunfalles zu berücksichtigen. Dies scheitere daran, dass diese Erkrankung nicht im Vollbeweis nachgewiesen sei. Eine nach dem ICD 10 (Schlüsselnummer F43.1) geforderte Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes habe schon nicht vorgelegen. Ein Trauma eines so schweren Grades sei schon nach dem Unfallhergang nicht nachvollziehbar. Eine existenzielle Bedrohung habe die Kammer in dem durch den Aufschlag des Hammerkopfes ausgelösten Ereignis nicht zu erkennen vermocht, zumal sich der Kläger an den Vorgang selbst und an die Minuten danach aufgrund der Amnesie gar nicht habe erinnern können. Die von der ICD 10 vorausgesetzten Traumakriterien seien damit im Hinblick auf das Unfallereignis nicht ansatzweise erfüllt. Hinzu komme, dass psychische Auffälligkeiten nach dem Unfallereignis nicht beschrieben worden seien, sondern erstmals im Verwaltungsverfahren in dem Gutachten von Dr. G., ca. ein Jahr nach dem Unfall, der aber auch nur leichte psychische Auffälligkeiten beschrieben habe. Es fehle an jeglichen Brückensymptomen, die einen Zusammenhang zwischen einem (eventuellen) Trauma und einer späteren posttraumatischen Belastungsstörung hätten herstellen können. Ferner sei eine posttraumatische Belastungsstörung bei dem Kläger trotz jahrelanger und intensiver Behandlung auch in mehrwöchigen Klinikaufenthalten nie diskutiert oder gar diagnostiziert worden. Dies gelte auch für die Ärzte der M.-B.-Klinik, die in dem kurz vor der mündlichen Verhandlung vom Kläger vorgelegten Abschlussbericht andere psychische Störungen beschrieben haben. Die Kammer schließe sich den kritischen Ausführungen von Dr. S. an. Selbst wenn man unterstellen wollte, der Kläger litte an einer posttraumatischen Belastungsstörung, ergeben sich im Rahmen einer Kausalitätsabwägung zudem viele Anhaltspunkte dafür, dass das Unfallereignis für die Entstehung der posttraumatischen Belastungsstörung nicht die wesentliche Ursache sein könne. Unfallunabhängig wirkten sich insoweit das Zurückgelassenwerden des Klägers in der Türkei aus, als seine Eltern als Gastarbeiter nach Deutschland gegangen seien und ihn erst im Alter von 13 Jahren nachholten, die Gewalttätigkeit von Seiten des Onkels in der Kindheit in der Türkei oder das Erleben eines versuchten sexuellen Missbrauchs im Alter von 9 oder 10 Jahren. Gleiches gelte für die Hilfeleistung bei einem schweren Verkehrsunfall 1999 mit drei Toten und einem Schwerstverletzten, der Selbstmordversuch einer Tochter im Jahre 2011, die Hilfeleistung bei einem Verkehrsunfall seiner Nichten und zweier seiner Neffen im Jahre 2012 kurz vor der Begutachtung bei Dr. R ... Das Gericht könne offen lassen, ob hier das eine oder andere Ereignis nicht viel eher das Kriterium eines schweren Traumas im Sinne der Definition der posttraumatischen Belastungsstörung nach der ICD 10 erfülle. Darüber hinaus liege eine traumatische Hirnschädigung (diffuse axonale Hirnverletzung) nicht vor und ein Zusammenhang einer undifferenzierten Somatisierungsstörung mit dem Unfall bestehe nicht. Soweit Dr. Schörner und Dr. R. von einem Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und einer somatoformen Störung ausgingen, gäben sie hierfür keine Begründung ab.
Gegen das ihm am 02.01.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.01.2014 Berufung eingelegt. Unter Vertiefung und Ergänzung seines bisherigen Vortrages und unter Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. R. hält der Kläger an seiner bislang vertretenen Auffassung fest.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Dezember 2013 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des Arbeitsunfalles vom 27. Juli 2009 anzuerkennen und ab 25. Januar 2011 eine Verletztenrente nach einer MdE um 50 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung scheitere bereits daran, dass eine solche nicht im Vollbeweis nachgewiesen sei.
Mit Verfügung vom 17.07.2014 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG in Betracht kommt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 17.07.2014 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung einer Verletztenrente hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente nach § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf eine solche nicht besteht. Dabei hat das SG insbesondere schlüssig und überzeugend begründet, weshalb es eine posttraumatische Belastungsstörung nicht als nachgewiesen angesehen hat. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist mit Blick auf die Begründung im Berufungsverfahren lediglich auszuführen, dass auch nach Überzeugung des Senats eine posttraumatische Belastungsstörung nicht mit dem hierfür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen ist. Auch unter Berücksichtigung der vorliegenden ergänzenden Stellungnahmen von Dr. R., Dr. S. und der Diplom-Psychologin Z. sieht der Senat keinen Grund, die Entscheidung des SG in Zweifel zu ziehen. Der Senat schließt sich vielmehr ebenfalls den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen von Dr. S. in dessen ergänzender Stellungnahme vom 08.03.2013 an, wonach durch das Gutachten von Dr. Rothacher und Dr. S. eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des Unfalles vom 27.07.2009 nicht nachgewiesen wurde.
Bei diesem Unfall wurde der Kläger - was sich auch aus dem Gutachten von Dr. R. ergibt - von einem Hammerkopf, der 3 kg wog, im Nacken getroffen. An das Unfallereignis kann sich der Kläger nach eigenen Angaben (vgl. u.a. Anamnese im Gutachten von Dr. R.) nicht erinnern. Die letzten Erinnerungen des Klägers vor dem Ereignis betreffen das Halten der Holzstange zum Lösen des verklemmten Holzstückes. Die ersten Erinnerungen danach betreffen den Unfallort, wo ihm am Boden liegend Hilfe geleistet wurde. Es sei ihm - so seine Angaben bei Dr. Rothacher - nur gesagt worden, dass er vom Hammer im Nackenbereich getroffen worden sei. Eine sichtbare Verletzung (Platzwunde) hatte sich der Kläger dabei nicht zugezogen.
Damit zog dieser Arbeitsunfall schon keine als lebensbedrohlich anzusehende Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des Klägers nach sich. Beide hier zu berücksichtigende Diagnosesysteme, nämlich die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme - 10. Revision - (ICD 10) und das Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen - Textrevision - (DSM-IV-TR), fordern ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (ICD-10 F 43.1) bzw. - nach DSM-IV-TR 309.81 - Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Dabei beinhaltet das traumatische Ereignis unter anderem das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (sog. Kriterium A1). Mit Dr. S. ist auch der Senat der Auffassung, dass das konkrete Ereignis schon nicht die Grundvoraussetzung eines Ereignisses außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes erfüllt, welches - zudem - bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Hiermit setzen sich auch Dr. Rothacher und Dr. S. in ihren ergänzenden Stellungnahmen nicht hinreichend auseinander. Der Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung steht zur Überzeugung des Senats aber darüber hinaus entgegen, dass sich der Kläger an das Unfallgeschehen selbst nicht erinnern kann (vgl. hierzu Urteile LSG B.-W. vom 26.09.2013, L 6 U 3246/12, und 27.03.2014, L 6 VG 5753/11, beide in Juris). Der erforderliche und für die Erkrankung typische Wiederhall des Erlebten scheidet daher denknotwendig aus. Folglich kann der Kläger den Tathergang auch nur aus Erzählungen rekonstruieren, aber nicht aus eigener Anschauung wiedergeben. Dementsprechend hat er auch keine Nachhallerinnerungen im eigentlichen Sinn, was auch Dr. S. einräumt, sondern er träume "in der Art vom Unfall, dass sein Rücken voller Blut sei". Eine blutende Verletzung hatte sich der Kläger aber bei dem Unfall gar nicht zugezogen. Ein Wiedererleben des Traumas im Sinne des Kriteriums B (sich aufdrängende, lebendige Erinnerungen, aufdringliche Nachhallerinnerungen, sich wiederholende Träume, Bedrängnis bei Konfrontation mit ähnlichen Ereignissen) vermag der Senat daher ebenfalls nicht anzuerkennen. Den diesbezüglichen Einwand von Dr. S., es fehle eine Abgrenzung zu Träumen und Albträumen, die zum normalen Seelenleben eines Menschen gehören und solchen, die die Kriterien eines Flash Backs erfüllten, haben die ergänzenden Stellungnahmen der nach § 109 SGG gehörten Gutachter ebenfalls nicht entkräftet. Dies gilt auch für die Bedrängnis bei Konfrontation mit ähnlichen Ereignissen.
Mit Dr. S. ist der Senat zudem der Überzeugung, dass die von ihm beschriebene undifferenzierte Somatisierungsstörung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallgeschehen zurückgeführt werden kann. Soweit Dr. R. und Dr. S. hier anderer Auffassung sind, teilt der Senat diese nicht. Die Gutachten berücksichtigen im Gegensatz zu dem von Dr. S. nicht hinreichend, dass im Bericht der Federseeklinik Bad B. über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 23.02.2011 bis 30.03.2011 über Schmerzen im Oberarm und in der Schulter aufgrund von degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule und an der Schulter berichtet wurde, die aus psychischen Gründen verS.t erlebt werden. Dr. S. führt diesbezüglich in seinem Gutachten überzeugend aus, dass auch die Nacken- und Hinterkopfschmerzen mit den beschriebenen Bandscheibenvorfällen und degenerativen Veränderungen an der Halswirbelsäule zusammenhängen können und ebenfalls psychisch verS.t werden. Dr. R. und Dr. S. schließen aus dem Vorliegen der Erkrankung und der nach ihrer Ansicht fehlenden organischen Ursache auf eine durch den Unfall bedingte Störung, ohne zur Kausalbeziehung und gegebenenfalls konkurrierenden Ursachen Ausführungen zu machen. Soweit sie dies mit der daneben vorliegenden posttraumatischen Belastungsstörung begründen, vermag dies schon deshalb nicht zu überzeugen, weil der Senat dieser Diagnose nicht folgt.
Die Berufung war daher zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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