L 9 R 2850/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 4476/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2850/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Dem Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 225,00 EUR auferlegt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die dem Kläger gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung mit dem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0 oder mit einem verminderten Zugangsfaktor von 0,892 zu berechnen ist.

Die Beklagte gewährte dem 1952 geborenen Kläger mit Bescheid vom 13.11.2006 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Leistungsfall am 03.02.2006 für den Zeitraum vom 01.09.2006 bis zum 31.10.2007. Laut Anlage 6 des Bescheides wurde der Zugangsfaktor von 1,0 um 0,108 auf 0,892 vermindert. Der Rentenberechnung wurden dementsprechend statt 52,6615 nur 46,9741 persönliche Entgeltpunkte zugrunde gelegt.

Mit zwei getrennten Schriftsätzen vom 07.12.2006 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Widerspruch gegen die Befristung der Rentengewährung und gegen die Kürzung des Zugangsfaktors ein. Am 22.03.2007 stellte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten einen formlosen Antrag auf Weiterbewilligung der Erwerbsminderungsrente. Mit Bescheid vom 12.09.2007 wurde die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum 31.12.2007 und mit Bescheid vom 21.01.2008 bis zum 28.02.2018 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze) weitergewährt. Der Zugangsfaktor blieb vermindert auf 0,892. Gegen den Bescheid vom 21.01.2008 legte der Kläger am 29.01.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2008 zurückgewiesen wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.11.2006 hinsichtlich der Kürzung des Zugangsfaktors zurück. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16.05.2006 (B 4 RA 22/05 R), wonach für Rentenbezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres der Zugangsfaktor in Höhe von 1,0 bei der Rentenberechnung nicht gemindert werden dürfe, entspreche nicht der Rechtsauffassung der Träger der Deutschen Rentenversicherung. Das Urteil sei nur für den entschiedenen Einzelfall zwingend umzusetzen.

Hiergegen hat der Kläger am 20.12.2007 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) (S 15 (11) R 6564/07) erhoben.

Mit Beschluss vom 20.02.2008 hat das SG auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Das Verfahren ist durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.08.2011 unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2011 (Az. 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09) wieder angerufen und unter dem Az. S 22 (6) R 4476/11 fortgeführt worden.

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 19.06.2012 die Klage abgewiesen sowie dem Kläger auferlegt, Missbrauchskosten in Höhe von 150,00 EUR an die Staatskasse zu zahlen und der Beklagten die Hälfte der von ihr zu entrichtenden Pauschgebühr, 75,00 EUR, zu erstatten. Der Bescheid der Beklagten vom 13.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21.01.2008 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung des Zugangsfaktors von 1,0 auf 0,892 entspreche den gesetzlichen Vorgaben des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Die Beklagte habe unter Anwendung dieser Vorschriften den Zugangsfaktor richtig berechnet. Das Gericht folge mit der herrschenden Auffassung in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht der Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 16.05.2006 (B 4 RA 22/05). § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI sei auch verfassungsgemäß. Insoweit werde auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2011 (1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09) und vom 01.02.2011 (1 BvR 1262/10) Bezug genommen. Eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht feststellbar. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch in Kenntnis der vorgenannten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen weiterhin die Auffassung vertrete, die Regelungen zur Kürzung des Zugangsfaktors seien verfassungswidrig, sei dies unbeachtlich. Eine substantiierte Auseinandersetzung mit den genannten Entscheidungen erfolge nicht. Das Gericht habe im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Kläger gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Verschuldenskosten in Höhe vom 150,00 EUR aufzuerlegen. Das Begehren des Klägers sei offensichtlich aussichtslos. Die Kenntnis seines Bevollmächtigten sei ihm zuzurechnen. Dies ergebe sich aus der Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage sowie dem Umstand, dass die streitentscheidenden Rechts- und insbesondere Verfassungsfragen durch höchstrichterliche Rechtsprechung abschließend geklärt seien.

Gegen den am 22.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 04.07.2012 Berufung eingelegt. Zur Berufungsbegründung hat er vorgetragen, der Schutzbereich des Art. 14 EMRK und der EU-Verordnung 883/2004 sei tangiert. Es gehe um die Gleichbehandlung der Bürger in der Europäischen Union unter Berücksichtigung der Koordinierungsverordnung des Europäischen Rates und der Kommission. Es gehe nicht um die Vereinheitlichung von Renten oder Rentenerhöhungen, sondern um die gleichgeartete und gleichgelagerte Umgangsform mit Renteneintrittsalter und Rentenbeginn. Es könne nicht angehen, dass in einem europäischen Staat die Beschäftigten mit 55 in Rente gehen könnten und in dem anderen erst mit 67. Solche eklatanten Ungleichbehandlungen sollten durch Art. 14 EMRK und die Koordinierungsverordnung vermieden werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Juni 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 10. Dezember 2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21. Januar 2008 zu verurteilen, die ihm gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. September 2006 mit einem Zugangsfaktor von 1,0 statt von 0,892 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Klageakten des SG (S 15 (11) R 6564/07 und S 22 (6) R 4476/11) sowie der Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 19.06.2012 sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 13.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21.01.2008 sind nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 21.01.2008, mit dem Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.07.2006 bis zum 28.02.2018 gewährt worden ist, ersetzt den Bescheid vom 13.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2007 gemäß § 96 SGG allein für die Zeit vom 01.09.2006 bis zum 31.10.2007, so dass allein die Höhe der in diesem Zeitraum gewährten Rente streitgegenständlich ist.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids - worauf der Senat Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG) - zutreffend dargelegt, auf Grund welcher Vorschriften die Verminderung des Zugangsfaktors auf 0,892 erfolgt ist und auf die nunmehr einhellige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur Beschlüsse vom 29.01.2008, B 5a/5 R 32/07 R; B 5 AR 88/07 R; B 5 AR 98/07 R, Juris) sowie die zum streitentscheidenden §§ 77 Abs. 2 SGB VI ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 11.01.2011, 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09, Juris) hingewiesen, wonach die Kürzung des Zugangsfaktors mit dem Grundgesetz vereinbar ist, auch wenn der Rentenbezug vor der Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt. Diese Rechtsprechung ist zuletzt durch das Bundessozialgericht mit Urteil vom 28.09.2011 (B 5 R 18/11R Juris) nochmals ausdrücklich bestätigt worden.

Der pauschale Vortrag des Klägers, die Regelung sei unverhältnismäßig, ist nicht geeignet, die zitierte Rechtsprechung von Bundessozialgericht und Bundesverfassungsgericht substantiiert in Frage zu stellen. Anlässlich des Berufungsvorbringens ist noch ergänzend auszuführen, dass der Senat die Auffassung des Klägers nicht teilt, dass die (einfachgesetzlichen) Bestimmungen des Rentenrechts gegen das Gemeinschaftsrecht, namentlich gegen die EMRK, verstoßen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die gemeinschaftsrechtlichen Gewährleistungen des Rechts auf Achtung des Eigentums (Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) i.V.m. dem Diskriminierungsverbot gem. Art. 14 EMRK in ihrem Schutzgehalt weiter reichen als die entsprechenden Grundrechte des Grundgesetzes (Art. 14, Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3 GG). Insofern gelten die Ausführungen des BVerfG in der Entscheidung vom 11.01.2011 (a.a.O.) zur Vereinbarkeit von §§ 77, 264c SGB VI mit dem Grundgesetz, denen sich der Senat ausdrücklich anschließt (siehe bereits Urteil des Senats vom 17.02.2009, L 9 R 3441/07), entsprechend auch für die Vereinbarkeit mit den gerügten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts. Die Kürzung des Zugangsfaktors bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente des Klägers nach §§ 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 2, 264c SGB VI stellt keine diskriminierende Verletzung seiner Eigentumsrechte aufgrund von Krankheit gemäß Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 1 des Protokolls Nr. 1 dar. Denn die Kürzung des Zugangsfaktors bei der Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63. Lebensjahres ist dadurch gerechtfertigt, dass durch die Gewährung der Rente vor Erreichen der Regelaltersgrenze die Rentenbezugszeit verlängert wird. Der Tatsache, dass die Rente krankheitsbedingt früher in Anspruch genommen wird, hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass die Bezieher einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit erheblich geringeren Abschlägen belastet werden als Versicherte, die vorzeitig eine Altersrente in Anspruch nehmen (BVerfG a.a.O.). Eine Diskriminierung des Klägers im Sinne von Art. 14 EMRK ist insoweit nicht ersichtlich (siehe bereits Urteil des Senats vom 19.11.2013 - L 9 R 4847/11).

Die Beklagte hat den Zugangsfaktor im Fall des Klägers zutreffend mit 0,892 berechnet und bei der Berechnung der Rentenhöhe berücksichtigt. Die Rente ist auch im Übrigen richtig berechnet, was vom Kläger nicht in Abrede gestellt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.

Die Auferlegung von Kosten nach § 192 SGG durch das SG ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Das Gericht kann gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz. Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Maßstab ist nicht die konkrete subjektive Sicht des Klägers, sondern die eines verständigen Beteiligten. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.05.1996 - 2 BvR 725/96, Juris), die wegen des übereinstimmenden Wortlautes und Zweckes beider Vorschriften auch hier heranzuziehen ist. Die Beklagte hat in den hier streitgegenständlichen Bescheiden die Berechnung des Zugangsfaktors entsprechend der §§ 77, 264c SGB VI vorgenommen. Die zunächst in Frage stehende Recht- und Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften sind durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 28.09.2011, B 5 R 18/11 R) sowie des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 11.01.2011, 1 BvR 3588/08) geklärt. Soweit der Kläger dann trotz abschließender Klärung dieser Rechtsfrage durch des BVerfG das Klageverfahren fortgesetzt hat, zeigt dies ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit, welches die Auferlegung von Verschuldenskosten rechtfertigt. Die Höhe der auferlegten Kosten entspricht der gesetzlichen Mindestgebühr (§ 192 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG) sowie der Beklagten durch die Aufrechterhaltung verursachten Kosten hinsichtlich der Pauschgebühr.

Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens ebenfalls von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Die erforderliche Belehrung ist durch die Berichterstatterin, die hinsichtlich prozessleitender Verfügung im vorbereitenden Verfahren und somit auch hinsichtlich der Darlegung nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die Aufgabe des Vorsitzenden wahrnimmt, mit gerichtlicher Verfügung vom 13.01.2014 erfolgt und mit Verfügung vom 16.09.2014 ergänzt und wiederholt worden. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall auch missbräuchlich. Ein Missbrauch im Sinne dieser Regelung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Rechtsstreit trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit weitergeführt wird (BT-Drucks 14/6335 S 35; BVerfG NJW 1986, 2102). Dabei genügt nach der geltenden Fassung des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die objektive Aussichtslosigkeit (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2003, L 12 AL 3537/02; Hessisches LSG 11.12.2012, L 6 AL 1000/01; a. A. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 192 Rdnr. 9a) jedenfalls dann, wenn die weitere Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen auch als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 BVerfG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.11.1995, 2 BvR 1806/95, NJW 1996 S 1273, 1274). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.06.2004 - L 12 AL 59/03, Thüringer LSG, Urteil vom 18.09.2003 - L 2 RA 379/03 - beide veröffentlicht in Juris).

Maßgeblich für die Auferlegung von Verschuldenskosten war für den Senat, dass die Entscheidung der Beklagten auch aus Sicht des Klägers im Einklang mit den gesetzlichen Regelung des SGB VI steht. Die Beklagte hat in den hier streitgegenständlichen Bescheiden die Berechnung des Zugangsfaktors entsprechend der §§ 77, 264c SGB VI vorgenommen. Die zunächst in Frage stehende Recht- und Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften sind durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 28.09.2011, B 5 R 18/11 R) sowie des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 11.01.2011, 1 BvR 3588/08) geklärt. Soweit der Kläger dann trotz abschließender Klärung dieser Rechtsfrage durch des BVerfG das Klageverfahren fortgesetzt und trotz der zutreffenden Entscheidung des SG auch noch Berufung erhoben hat, zeigt dies ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit, welches die Auferlegung von Verschuldenskosten rechtfertigt. Die durch den Klägervertreter geäußerten europarechtlichen Bedenken ändern nichts an der Missbräuchlichkeit der vorliegenden Rechtsverfolgung. Es ist für jeden Einsichtigen ohne weiteres erkennbar, dass der vorliegende Fall keinerlei europarechtlichen Bezug aufweist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.06.2014 - L 13 R 270/14). Soweit der Klägervertreter zuletzt vorgetragen hat, der Rentenbescheid sei "automatisch" mit Einführung der sog. "Mütterrente" zum 01.07.2014 rechtswidrig geworden, ist dies jedenfalls für das vorliegende Verfahren irrelevant, da der streitige Zeitraum am 31.10.2007 endete.

Der Senat hält daher im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens die Auferlegung einer Verschuldensgebühr für geboten. Für die Höhe der dem Senat verursachten Kosten erscheint die gesetzliche Mindestgebühr, obwohl tatsächlich diese überschreitend, als angemessen (§ 192 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG).

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved