L 4 AS 194/14

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 35 AS 1595/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 194/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Mai 2014 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Übernahme von Rundfunkgebühren.

Der 1947 geborene Kläger absolvierte nach eigenen Angaben im Anschluss an den Hauptschulabschluss Ausbildungen als Filmkopienfertiger, Kommandeursfahrer und sodann im Jahr 1969 als Kameraassistent. In diesem Beruf war er bis Anfang Oktober 1975 erwerbstätig, zuletzt beim N. als freier Mitarbeiter auf Grund so genannter Stückverträge. In den Jahren 1976 und 1978 war er noch tageweise insbesondere für Radio B. als Kameramann beschäftigt. Ab Oktober 1975 bezog der Kläger Arbeitslosengeld und ab April 1976 Arbeitslosenhilfe.

Auf Antrag seines damaligen Pflegers stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als seinerzeit zuständiger Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) die Erwerbsunfähigkeit des Klägers fest und bewilligte ihm mit Bescheid vom 22. Januar 1985 ab dem 1. November 1983 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit, deren monatlicher Zahlbetrag seit 2005 seinen Hilfebedarf übersteigt. Der Kläger akzeptierte diese Rente nicht und zeigt sich seit vielen Jahren nicht bereit, die Rentenzahlungen entgegenzunehmen, da er sich nicht für erwerbsunfähig hält.

Nachdem der Kläger aufgrund der Nichtannahme der Rente in finanzielle Not geriet, erhält er seit September 2006 von der Freien und Hansestadt Hamburg – Bezirksamt Hamburg-Mitte – als Träger der Sozialhilfe Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), weil anerkannt ist, dass er aus gesundheitlichen Gründen zur Annahme der Rentenzahlungen nicht in der Lage ist (vgl. nur LSG Hamburg, Beschluss vom 4.12.2006, L 4 B 486/06 ER SO; Beschluss vom 23.4.2007, L 4 B 116/07 ER SO). Die an den Kläger ausgezahlten Leistungen werden dem Sozialhilfeträger durch die Deutsche Rentenversicherung Bund erstattet.

In der Vergangenheit und Gegenwart waren und sind zahlreiche Gerichtsverfahren des Klägers in verschiedenen Gerichtszweigen der hamburgischen Gerichtsbarkeit anhängig, die im Zusammenhang mit der Beendigung seiner Tätigkeit beim N., seiner nachfolgenden Arbeitslosigkeit und dem Begehren nach Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche trotz festgestellter Erwerbsunfähigkeit standen und stehen, und mit denen der Kläger u.a. die Rehabilitierung seiner Person und Schadensersatzforderungen geltend macht. Darüber hinaus wurden und werden seitens des Klägers immer wieder Anträge auf Wiederaufnahme von früheren, teils Jahrzehnte zurückliegenden Verfahren vor dem Sozial- und Landessozialgericht Hamburg gestellt sowie zahllose Widersprüche, Erinnerungen und Gegenvorstellungen eingelegt. Hinzu kommen unzählige Ablehnungsanträge und Dienstaufsichtsbeschwerden, Kostenanträge und Anträge auf Abgabe von Akten.

Seit dem Jahr 2005 begehrte der Kläger zudem in einer Vielzahl von Hauptsacheverfahren gegen den Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Klagen wurden vom Sozialgericht Hamburg aufgrund des bestandskräftig festgestellten Rentenanspruchs wegen fehlender Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit des Klägers jeweils abgewiesen. Die dagegen in elf Verfahren erhobenen Berufungen verwarf das Landessozialgericht Hamburg durch Urteil vom 10. Dezember 2009 (L 5 AS 6/09 u.a.) wegen partieller Prozessunfähigkeit des Klägers als unzulässig. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wurde durch Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 2011 (B 14 AS 1/10 B) ebenfalls als unzulässig verworfen. Zur Begründung führte das BSG aus, für Klagen und Berufungen fehle es dem Klägers am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, da Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt ausschieden. Selbst wenn der Kläger entgegen der Einschätzung des Rentenversicherungsträgers erwerbsfähig sein sollte, fehle es an der anspruchsbegründenden Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II solange das Rentenstammrecht des Klägers bestehe und hieraus monatliche Zahlungsansprüche geltend gemacht werden könnten, die den Hilfebedarf des Klägers tatsächlich – und sei es nur über Leistungen eines Dritten – deckten.

Am 13. September 2011 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme von Rundfunkgebühren und legte hierzu ein Schreiben der Gebühreneinzugszentrale vom 2. September 2011 vor, nach welchem sich die Gesamtrückstande der Gebühren auf 860,11 Euro beliefen. Mit Bescheid vom 15. September 2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies er mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2011 zurück. Dagegen hat der Kläger am 12. Dezember 2011 Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg (3 K 3066/11) erhoben und unter Vorlage ärztlicher Atteste vom 6. Oktober 2011 und 8. Dezember 2011 geltend gemacht, er sei erwerbsfähig. Mit Beschluss vom 29. März 2012 hat das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit an das Sozialgericht Hamburg verwiesen.

Das Sozialgericht hat die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 20. Mai 2014 abgewiesen und ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die Klage bereits aufgrund einer partiellen Geschäfts- und Prozessunfähigkeit des Klägers für Begehren im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende unzulässig sei. Jedenfalls fehle dem hier gegenständlichen Begehren unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet, da dem Kläger in Form des Anspruchs gegen den Rentenversicherungsträger ausreichende Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhalts zur Verfügung stünden und er daher nicht hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 9 Abs. 1 SGB II sei.

Dagegen hat der Kläger am 2. Juni 2014 Berufung eingelegt. Er hat umfängliche Schrift-sätze zur Akte gereicht, auf die verwiesen wird.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Mai 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2011 zu verurteilen, die mit Antrag vom 13. September 2011 geltend gemachten Rundfunkgebühren in Höhe von 860,11 Euro zu übernehmen,

und weiter wörtlich,

"Weiterzahlungsantrag 4. April 1981 Arbeitslosenhilfe, Weiterzahlungsantrag 1. September 2006 Jobcenter, Weiterzahlungsantrag 1. Mai 2014 Jobcenter, die Bundesagentur für Arbeit ist einzubeziehen, da ich 15. Oktober 2010 bis 2014 weiterhin einen Minijob habe und 310,02 EUR erhalte." Der Beklagte stimmt einer Klageänderung nicht zu und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheides.

Mit Beschluss vom 14. August 2014 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakte des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Besetzung mit der Berichterstatterin und zwei ehrenamtlichen Richtern verhandeln und entscheiden, weil das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat durch Beschluss die Berufung der Berichterstatterin übertragen hat, die nach § 153 Abs. 5 SGG zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig. Eine Berufung ist nur dann zulässig, wenn neben den in §§ 143, 144 und 151 SGG genannten auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen – insbesondere die Prozessvoraussetzungen – vorliegen. Zu diesen gehört auch die Prozessfähigkeit des Klägers (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, vor § 51 Rn. 15), also die Fähigkeit, einen Prozess selbst oder durch einen selbst bestellten Prozessbevollmächtigten zu führen sowie Prozesshandlungen selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter wirksam vorzunehmen und entgegenzunehmen (vgl. Leitherer, a.a.O., § 71 Rn. 1a).

Das Landesozialgericht Hamburg hat in der Vergangenheit mehrfach entschieden (z. B. Urteil vom 14.10.2004 – L 5 AL 57/04; Beschluss vom 1.9.2005 – L 5 B 88/05 ER AS; Beschlüsse vom 20.8.2008 – L 5 B 229/08 PKH AS u. a.; Beschluss vom 16.12.2008 – L 5 B 1077/08 PKH AS; Beschluss vom 9.11.2009 – L 5 B 411/09 ER AS; Urteil vom 10.12.2009 – L 5 AS 6/09 u.a.; ebenso Urteil des 1. Senats vom 11.10.2006 – L 1 KR 17/06), dass es den Kläger zwar nicht als vollen Umfangs geschäftsunfähig ansieht, dass aber in seinem Falle aufgrund der maßlosen Inanspruchnahme der Gerichte mit Verfahren, die in Zusammenhang mit der Beendigung seiner Tätigkeit beim N., seiner nachfolgenden Arbeitslosigkeit und dem Begehren nach Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche trotz festgestellter Erwerbsunfähigkeit stehen, von einer partiellen Geschäfts- und Prozessunfähigkeit auszugehen ist. Auf die ausführlichen Darlegungen in den vorgenannten Entscheidungen nimmt der Senat Bezug. Diese Lebensbereiche sind auch in dem vorliegenden Verfahren betroffen, in dem es dem Kläger letztlich der Sache nach um Leistungen für sich als erwerbsfähigem Hilfebedürftigen nach dem SGB II geht.

Der Senat kann hier offen lassen, ob diese Einschätzung fortbesteht, wenngleich er sich diesbezüglich aufgrund der fortgesetzten maßlosen Inanspruchnahme der Gerichte durch den Kläger, der von diesem im Verfahren übersandten, ganz überwiegend unverständlichen und zusammenhanglosen Schriftsätze sowie des im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks bestätigt sieht.

Denn es fehlt vorliegend an einer weiteren Zulässigkeitsvoraussetzung – dem Rechtsschutzbedürfnis. Auch für Rechtsmittel gilt der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf (vgl. BSG, Urteil vom 8.5.2007, B 2 U 3/06 R). In seinem den Kläger betreffenden Beschluss vom 19. Dezember 2011 (B 14 AS 1/10 B) hat das BSG insoweit zutreffend ausgeführt, dass ein Rechtsmittel unnütz und deshalb unzulässig sei, wenn durch die angefochtene Entscheidung keine Rechte, rechtlichen Interessen oder sonstigen schutzwürdigen Belange des Rechtsmittelführers betroffen seien und die Rechtsverfolgung ihm deshalb offensichtlich keine Vorteile bringen könne. Dies sei in Bezug auf den Kläger der Fall. Er habe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II, da ein Rentenstammrecht bestehe und daraus bedarfsdeckende Zahlungsansprüche geltend gemacht werden könnten. Diese Ausführungen macht sich der erkennende Senat im vorliegenden Verfahren, in dem der Kläger die Übernahme von Rundfunkgebühren durch den SGB II-Träger begehrt, nach eigener Prüfung zu eigen (so bereits Urteile vom 14.2.2013 – L 4 AS 202/12 und vom 11.5.2012 – L 4 AS 279/10).

Den von dem Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung zuletzt wörtlich gestellten "Antrag" versteht der Senat schließlich nicht als neuen Sachantrag. Vielmehr bringt der Kläger aus Sicht des Senats damit erneut – u.a. durch die Bezugnahme auf die von ihm beim Beklagten gestellten Weiterzahlungsanträge und den ausgeübten Minijob – allgemein zum Ausdruck, dass er sich nicht für erwerbsunfähig hält und daher seines Erachtens leistungsberechtigt nach dem SGB II ist. Sollte der Kläger mit diesem "Antrag" aber eine Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung nach § 153 Abs. 1 i. V. m. § 99 Abs. 1 SGG beabsichtigt haben, wäre diese schon deshalb unzulässig, weil eine Klageänderung im Berufungsverfahren eine zulässige Berufung voraussetzt (vgl. nur BSG, Urteil vom 2.12.2008 – B 2 KN 2/07 U R und Urteil vom 8.11.2001 – B 11 AL 19/01), an der es hier fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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