L 6 R 1365/13

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 27 R 3152/12
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 1365/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Klägerin vom 29. August 2013 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt St. V., ...,., für das Berufungsverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht wird abgelehnt. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1965 geborene Klägerin leidet seit Geburt an einer Brachydaktylie (Kurzfingrigkeit) der linken Hand. Nach ihrer Ausbildung zur Postfacharbeiterin war sie bis 1992 als Postzustellerin und in der Postannahme tätig. Danach war sie arbeitssuchend gemeldet und im Rahmen zweier Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in der Altenbetreuung tätig.

Auf den Rentenantrag vom Mai 2011 holte die Beklagte bei dem Hausarzt der Klägerin Dr. T. einen Befundbericht vom 6. Juli 2011 ein. Dieser beschrieb ein chronisch-rezidivierendes Schmerzsyndrom, einen plantaren Fersensporn rechts, eine kryptogene Leberenzymerhöhung und die angeborene Deformität der linken Hand. Funktionseinschränkungen ergeben sich im Rahmen der Deformität und der rezidivierenden Funktionsstörung der Brustwirbelsäule. In seinem orthopädischen Gutachten vom 23. August 2011 diagnostizierte Dr. A. eine Brachydaktylie linke Hand, Zervikobrachialsyndrom sowie eine Heberdenarthrose der rechten Hand. Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich eine leicht verstärkte Kyphosierung der Brustwirbelsäule, die paravertebrale Muskulatur im Wirbelsäulenbereich wies Verhärtungen und Myogelosenbildung auf. In den unteren Extremitäten konnten keine motorischen Ausfälle, Sensibilitätsstörungen oder Reflexausfälle festgestellt werden. Die Gelenkbeweglichkeit lag im physiologischen Bereich. Dr. A. kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten vollschichtig ausüben könne, wobei schweres Heben und Tragen, Akkordarbeiten sowie Arbeiten, die die Gebrauchsfähigkeit der linken Hand erfordern, nicht zumutbar seien. Eine Tätigkeit als Postfacharbeiterin könne sie nicht mehr ausüben, eine Wegstrecke von viermal 500 Meter am Tag sei zumutbar.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte sie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. M. vom 3. Februar 2012 ein. Er diagnostizierte eine einfache Migräne ohne Aura mit relativ seltener Attackenfrequenz sowie eine Dysthymie. Klinisch lägen lediglich diskrete pathologische Abweichungen in Form einer leichten dysphorischen Verstimmtheit vor, insbesondere aber eine stark demonstrativ vermehrt klagsam und zugleich oft sehr verwaschene Beschwerdeschilderung. Es bestehe eine Aggravation vor dem Hintergrund eines Rentenbegehrens. Die Klägerin sei neuropsychiatrisch nicht relevant in ihrem qualitativen und quantitativen beruflichen Leistungsvermögen beeinträchtigt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2012 zurück.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht von Dr. T. einen Befundbericht vom 1. Februar 2013 eingeholt. Dieser beschreibt die schon bekannten Erkrankungen; seines Erachtens sei die Klägerin für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten für sechs Stunden täglich und mehr in wechselnder Körperhaltung einsetzbar, wobei vor allem keine feinmotorischen Fähigkeiten und schwere Belastungen mit der linken Hand ausgeführt werden sollten und langes Stehen zu vermeiden sei. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. August 2013 abgewiesen. Nach den vorhandenen Unterlagen könne die Klägerin noch leichte Bürohilfstätigkeiten oder Pförtnertätigkeiten ausüben.

Nach ihrem Vortrag im Berufungsverfahren kann die Klägerin aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung und der Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der Hände keine Produktionshelfertätigkeiten oder Bürohilfstätigkeiten ausüben. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung finde das Leben mehr und mehr zurückgezogen statt wie sich aus dem von ihr und ihrem Ehemann unterzeichneten Schreiben ergebe. Sie werde lediglich von Dr. T. behandelt; weder orthopädische noch psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlungen fänden statt. Sie begehrt zur Durchführung des Berufungsverfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH).

Der Klägerin beantragt,

ihr zur Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt St. V.,., ..., zu bewilligen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Der Senat hat bei Dr. T. einen Befundbericht vom 29. Januar 2014 eingeholt, wo keine wesentlichen Veränderungen im Gesundheitszustand beschrieben wurden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zulässig aber unbegründet.

Nach § 73 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung der zum Erfolg führen kann. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Standpunkt des Antragstellers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rn. 7 a).

Das Berufungsverfahren hat keine hinreichende Erfolgsaussicht. Es ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zustehen könnte. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn die Versicherten voll erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Voll erwerbsgemindert sind sie, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2).

Die Klägerin ist in diesem Sinne nicht teilweise erwerbsgemindert, weil ihre Leistungsfähigkeit nicht nach erforderlichem Umfang herabgesunken ist. Erst recht ist sie nicht im Sinne vom § 43 SGB VI voll erwerbsgemindert, denn dies setzt noch weitergehende Einschränkungen des Leistungsvermögens voraus als für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Sie kann jedenfalls leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Dies haben die bereits von der Beklagten eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. A. und des Dr. M. sowie die Befundberichte des Hausarztes Dr. T. ergeben. Auf orthopädischem Gebiet besteht keine erhebliche Funktionseinschränkung, lediglich die feinmotorischen Fähigkeiten der Hände, insbesondere der linken Hand, und die Fähigkeit zum Heben und Tragen schwerer Lasten sind nach den Feststellungen des Dr. A. und des Hausarztes Dr. T. durch die angeborene Brachydaktylie und die Wirbelsäulenbeschwerden eingeschränkt. Der Fersensporn rechts hat keine besonderen Auswirkungen, lediglich längeres Stehen sollte vermieden werden. Dass keine erheblichen Einschränkungen bestehen, zeigt im Übrigen der Umstand, dass keine fachspezifische Behandlung erfolgt ist. Die Klägerin ist regelmäßig nur bei ihrem Hausarzt Dr. T., einem Facharzt für innere Medizin, in Behandlung.

Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet hat Dr. M. dargelegt, dass lediglich diskrete pathologische Abweichungen vorliegen und ansonsten eine Aggravation vor dem Hintergrund eines Rentenbegehrens besteht. Dafür spricht insoweit auch, dass sich die Klägerin nicht in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung befindet, ein besonderer Leidensdruck ist nicht feststellbar. Bedeutungslos ist in diesem Zusammenhang die eigene Einschätzung des Leistungsvermögens durch die Klägerin und ihren Ehemann.

Auf internistischem Gebiet liegen ausweislich der Befundberichte des Dr. T. eine kryptogene Leberenzymerhöhung sowie Durchfallerkrankungen vor. Hierbei hat Dr. T. selbst angegeben, das trotzdem leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten für sechs Stunden täglich und mehr in wechselnder Körperhaltung möglich sind.

Der Senat hat nach alledem keinen Anlass für eine weitergehende Sachverhaltsausklärung, etwa in Form der Einholung weiterer Gutachten. Mit dem in den vorhandenen Gutachten beschriebenen Restleistungsvermögen, das sich ausweislich des aktuellen Befundberichts des Dr. T. seither nicht wesentlich verändert hat, kann die Klägerin jedenfalls noch eine leichte Tätigkeit verrichten, z.B. als Pförtnerin an der Nebenpforte. Hierfür sind weder besondere feinmotorische Fähigkeiten der Hände noch das Tragen von schweren Lasten erforderlich. Auch eine wechselnde Körperhaltung ist möglich.

Schließlich ergibt sich eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht durch die Einholung des Befundberichts im Berufungsverfahren. Zwar wird in der Regel eine Erfolgsaussicht angenommen, wenn das Gericht ein Sachverständigengutachten einholt oder eine andere Beweiserhebung von Amts wegen für notwendig ansieht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rdnr. 7a). Es ist hier bereits fraglich, ob die Einholung eines ärztlichen Befundberichts eine Beweisaufnahme in diesem Sinn ist; dies wird teilweise dann verneint, wenn das Gericht mit den erbetenen Befundangaben - wie im vorliegenden Fall - keine weitergehende Beurteilung des ihm konkret vorliegenden Sachverhalts erfragt, wie etwa die sich aus der gesundheitlichen Situation ergebenden Leistungseinschränkungen oder ob eine bestimmte Tätigkeit noch verrichtet werden kann (vgl. z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Mai 2011 - L 11 SB 287/09 B, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. Juni 2010 - L 5 AS 330/09 B, Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. Juni 2008 - L 12 B 2/08 SB, jeweils nach juris). Unabhängig von dieser Frage ist eine Erfolgsaussicht jedenfalls dann nicht gegeben, wenn ein günstiges Ergebnis unwahrscheinlich bzw. die Erfolgschance nur entfernt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.). Hier hatte der Berichterstatter den Befundbericht lediglich zur Vervollständigung der Unterlagen, nicht aber wegen der Ausführungen in der Berufungsbegründung zu angeblich nicht möglichen - hier überhaupt nicht notwendigen - Verweisungstätigkeiten eingeholt. In einem solchen Fall war nicht mit einem für die Klägerin günstigen Ergebnis zu rechnen.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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