Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 4737/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1682/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.03.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Aufhebung des Rentenbescheids vom 30.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2012 über die Gewährung einer Rente für langjährig Versicherte ab 01.07.2011 unter Berücksichtigung eines auf 0,931 verringerten Zugangsfaktors (Rentenabschläge in Höhe von 6,9%).
Der am 06.05.1948 geborene Kläger bezog von August 2008 bis Juli 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im streitigen Zeitraum erzielte der Kläger zunächst Einkommen aus dem Verkauf von Zeitungen des Trottwar e.V. Ab dem 14.09.2012 bis zum 31.05.2013 erzielte er Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung als Sicherheitskraft bei der VSD Sicherheitsdienste Südwest GmbH F. a. M. in Höhe von 400,- EUR. Seit dem 01.06.2013 ist er bei der P. und S. GmbH auf Aushilfsbasis (200,- EUR pro Monat) angestellt.
Mit Bescheid vom 29.06.2011 forderte das Jobcenter Stuttgart den Kläger auf, einen Antrag auf Altersrente beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 04.07.2011 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, dass er nicht mit Abschlägen in Altersrente gehen wolle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2011 wies das Jobcenter den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gem. § 12 a SGB II Leistungsberechtigte verpflichtet seien, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Die Aufforderung zur Rentenantragstellung sei daher rechtmäßig. Sofern der Kläger sich weigere, einen Rentenantrag zu stellen, so könne der Beklagte gem. § 5 Abs. 3 SGB II den entsprechenden Antrag beim zuständigen Leistungsträger stellen
Unter Hinweis auf § 5 Abs 3 SGB II stellte das Jobcenter Stuttgart mit Schreiben vom 30.08.2011 an die Beklagte einen Antrag auf Altersrente.
Am 05.09.2011 hat der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid des Jobcenters Stuttgart Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG; S 23 AS 5171/11) erhoben und ua die Feststellung begehrt, dass das Jobcenter nicht berechtigt gewesen sei, einen Rentenantrag bei der Beklagten zu stellen.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2012 wies das Sozialgericht Stuttgart die Klage ab. Der Kläger sei gemäß § 12a Satz 1 SGB II verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Nach der Regelung des § 12a Satz 2 Nr 1 SGB II bestehe zwar keine Verpflichtung, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Da der Kläger jedoch das 63. Lebensjahr bereits am 06.05.2011 vollendet habe, sei die Aufforderung des Jobcenters zur Antragstellung rechtlich nicht zu beanstanden, zumal keine unbillige Härte vorliege. Aufgrund der Weigerung des Klägers zur Rentenantragstellung habe das Jobcenter rechtmäßig von seinem Antragsrecht gemäß § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II Gebrauch gemacht.
Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG; L 2 AS 573/12) wurde mit Urteil vom 13.06.2012 zurückgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung wurde vollumfänglich Bezug genommen. Darüber hinaus wurden dem Kläger Mutwillenskosten in Höhe von 225,00 EUR auferlegt. Die vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG; B 14 AS 225/12 B) wurde mit Beschluss vom 12.06.2013 durch das Bundessozialgericht als unzulässig verworfen. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wurde mit Beschluss vom 06.09.2013 ebenfalls als unzulässig verworfen.
Auf den Antrag des Jobcenters Stuttgart hin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 30.07.2012 dem Kläger eine Altersrente für langjährig Versicherte für die Zeit ab 01.07.2011. Aufgrund der vorzeitigen Inanspruchnahme dieser Altersrente wurde ein Zugangsfaktor von 0,931 zugrunde gelegt, was einem Rentenabschlag von 6,9% entspricht.
Hiergegen legte der Kläger am 07.08.2012 Widerspruch ein. Er wies erneut darauf hin, dass er selbst keinen Rentenantrag gestellt und der Antragstellung durch das Jobcenter ausdrücklich widersprochen habe. Er sei nicht bereit, Rentenabschläge in Kauf zu nehmen. Ihm stehe eine Altersrente ohne Abschläge ab dem 65. Lebensjahr zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2012 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass der Antrag auf Altersrente durch das Jobcenter Stuttgart wirksam am 01.09.2011 gestellt worden sei. Das Antragsrecht folge aus den §§ 5, 12a SGB II. Das Antragsrecht sei auch durch das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13.06.2012 (L 2 AS 573/12) bestätigt worden.
Hiergegen hat der Kläger am 27.08.2012 Klage zum SG (S 9 R 4737/12) erhoben. Im Wesentlichen wiederholt und vertieft er seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Darüber hinaus hat er darauf hingewiesen, dass er eine geringfügige Beschäftigung ausübe. Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sei ihm in Aussicht gestellt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.04.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar obliege die Antragstellung grundsätzlich dem Kläger. Abweichend hiervon regele jedoch § 5 Abs 3 SGB II ein eigenständiges Antragsrecht der Leistungsträger nach den §§ 6 ff SGB II. Die Vorschrift korreliere mit dem in § 12a SGB II normierten Subsidiaritätsgrundsatz. Da der Kläger bis Juli 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Jobcenter Stuttgart bezogen habe und mit Ablauf des 05.05.2011 das 63. Lebensjahr vollendet habe, sei er nach § 12a Satz 1 SGB II verpflichtet gewesen, der Aufforderung auf Gewährung von Altersrente durch das Jobcenter Stuttgart nachzukommen. Da sich der Kläger jedoch geweigert habe, einen entsprechenden Rentenantrag zu stellen, habe das Jobcenter Stuttgart mit dem Antrag vom 01.09.2011 von seinem Antragsrecht gemäß § 5 Abs 3 SGB II rechtmäßig Gebrauch gemacht. Da darüber hinaus auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Altersrente für langjährig Versicherte am 05.06.2011 erfüllt gewesen seien, sei die Klage abzuweisen gewesen.
Der Gerichtsbescheid wurde der Bevollmächtigten des Klägers mittels Empfangsbekenntnis am 09.04.2013 zugestellt.
Hiergegen hat der Kläger am 16.04.2013 Berufung zum LSG eingelegt. Das Jobcenter sei nicht berechtigt gewesen, einen Rentenantrag zu stellen. Er arbeite als freier Verkäufer bei der Firma Trottwar e.V. und verdiene hierbei ca 170,00 EUR im Monat. Weiter arbeite er bei der VSD Sicherheitsdienste Südwest GmbH F. a. M ... Er könne daher den Rentenbescheid mit Abschlägen nicht akzeptieren und begehre eine Rente ohne Abzüge. Das Jobcenter habe die Voraussetzungen für eine Antragstellung verkannt und auch das Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
Der Kläger beantragt daher,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.03.2013 sowie den Rentenbescheid vom 30.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 27.03.2014 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bereit erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verwaltungsakten des Jobcenters Stuttgart Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 30.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren allein die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten vom 30.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2012. Insoweit wehrt sich der Kläger gegen die Gewährung einer Rente für langjährig Versicherte ab 01.07.2011 unter Berücksichtigung eines auf 0,931 verringerten Zugangsfaktors, da ihm hiernach der Wechsel in eine abschlagsfreie Rente nach § 34 Abs. 4 (Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) verwehrt ist. Begehrt er damit lediglich die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids, so ist statthafte Klageart gemäß § 54 Abs 1 SGG die Anfechtungsklage. Zulässigkeitsvoraussetzung der Anfechtungsklage ist jedoch, dass der Kläger behauptet, ein rechtswidriger Verwaltungsakt beschwere ihn und verletze ihn in seinen eigenen Rechten.
An einer solchen Beschwer fehlt es vorliegend. Wird dem im Verwaltungsverfahren gestellten Antrag von der Beklagten voll entsprochen, ist die anschließende Anfechtungsklage auf Beseitigung des beantragten Bescheids mangels Beschwer unzulässig (vgl BSG 27.02.1992, 6 RKa 52/91 USK 92138). Eine Anfechtungsklage des Klägers nach einem Antrag durch ihn wäre daher unzulässig. Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass der Kläger den Antrag zwar nicht selbst stellt, es jedoch rechtskräftig feststeht, dass ein Leistungsträger für den Antragsteller zur Antragstellung befugt ist und einen entsprechenden Antrag stellt. Denn auch in diesem Fall wirkt die Antragstellung für und gegen den Kläger. Andernfalls bestünde für den Kläger die Möglichkeit die Rechtmäßigkeit der Antragstellung nicht nur gegenüber dem Jobcenter prüfen zu lassen, sondern - wie vorliegend - die identischen Einwände nochmals gegenüber dem Rentenversicherungsträger geltend zu machen.
Ob etwas anderes für den Fall gilt, dass der Kläger die Voraussetzungen des Rentenbezugs nach dem SGB VI bestreitet, braucht für den vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da sich die Berufung des Klägers allein auf die Unwirksamkeit der Antragstellung stützt. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage war daher mangels Beschwer bereits unzulässig.
Darüber hinaus wäre die Klage jedoch auch unbegründet.
Gemäß § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Neben der Erfüllung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen bedarf es daher einer wirksamen Antragstellung nach §§ 16 SGB I, 115 Abs 1 Satz 1 SGB VI. Danach beginnt das Rentenverfahren mit dem Antrag, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist. Gemäß § 16 SGB I sind Anträge auf Sozialleistungen beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Grundsätzlich obliegt die Antragstellung dem Leistungsberechtigten bzw dem Leistungsempfänger. Abweichend hiervon regelt § 5 Abs 3 SGB II ein eigenständiges Antragsrecht des Leistungsträgers. Nachdem das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 12. Juni 2013 die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen hat, ist der Bescheid vom 29.06.2011 bestandskräftig geworden. Es steht damit bindend fest, dass das Jobcenter Stuttgart zur Antragstellung berechtigt war. Eine weitergehende Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ist damit im vorliegenden Rechtsstreit nicht vorzunehmen.
Die Bindungswirkung des Bescheids vom 29.06.2011 umfasst nicht nur die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 3 SGB II, sondern auch das vom SGB-II Träger auszuübende Ermessen. Vor Aufforderung zur Rentenantragstellung muss der SGB-II Träger Ermessen ausüben (Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013,§ 12a Rn. 7, Luthe in Hauck-Noftz, I Kommentar zum SGB II, § 5 Rn 158). Denn nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II können die Leistungsträger nach dem SGB II den Antrag für den Leistungsberechtigten stellen, wenn dieser trotz Aufforderung nicht zur Rentenantragstellung bereit ist. Diese Ersetzung des Rentenantrags steht im Ermessen des Leistungsträgers. Damit bedarf jedoch bereits die Aufforderung zur Rentenantragstellung einer Ermessensentscheidung. Andernfalls wäre der Leistungsempfänger, der den Antrag aufforderungsgemäß stellt, benachteiligt, weil in seinem Fall die Ermessensentscheidung vor Vollziehung des Antrags nicht mehr stattfände. Daher muss diese Entscheidung vorverlegt werden und schon im Rahmen der Aufforderungsprüfung erfolgen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.02.2010, L 19 B 371/09 AS-ER, in Juris). Damit aber ist sie ebenfalls von der Bindungswirkung des Bescheids vom 29.06.2011 umfasst.
Liegt eine wirksame Antragstellung vor, so sind gleichzeitig auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente erfüllt. Nach § 263 Abs 1 SGB VI haben Versicherte, die vor dem 01.01.1964 geboren sind, frühestens Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist nach Vollendung des 63. Lebensjahres möglich. Ausgehend von der Antragstellung am 01.09.2011 konnte die Rente vorzeitig ab 01.07.2011 beansprucht werden. Darüber hinaus bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Festsetzung der Rentenhöhe. Insbesondere ist die Festsetzung des Rentenabschlags in Höhe von 6,9 % auf Grundlage von § 77 Abs 2 Nr 2 SGB VI nicht zu beanstanden. Der Kläger, der das 65. Lebensjahr mit Ablauf des 05.05.2013 vollendet hat, erfüllt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB VI für die Inanspruchnahme einer Altersrente für langjährig Versicherte ab 06.05.2013, sodass ein Rentenanspruch unter Berücksichtigung von § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI bei rechtzeitiger Antragstellung ab 01.06.2013 bestünde. Aufgrund der wirksamen Antragstellung durch das Jobcenter Stuttgart vom 01.09.2011 ist die vorzeitige Inanspruchnahme ab 01.07.2011 und damit 23 Kalendermonate vor dem frühesten Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte ohne Abschläge möglich. Dies führt zu einem um 0,069 verringerten Zugangsfaktor von 0,931.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Aufhebung des Rentenbescheids vom 30.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2012 über die Gewährung einer Rente für langjährig Versicherte ab 01.07.2011 unter Berücksichtigung eines auf 0,931 verringerten Zugangsfaktors (Rentenabschläge in Höhe von 6,9%).
Der am 06.05.1948 geborene Kläger bezog von August 2008 bis Juli 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im streitigen Zeitraum erzielte der Kläger zunächst Einkommen aus dem Verkauf von Zeitungen des Trottwar e.V. Ab dem 14.09.2012 bis zum 31.05.2013 erzielte er Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung als Sicherheitskraft bei der VSD Sicherheitsdienste Südwest GmbH F. a. M. in Höhe von 400,- EUR. Seit dem 01.06.2013 ist er bei der P. und S. GmbH auf Aushilfsbasis (200,- EUR pro Monat) angestellt.
Mit Bescheid vom 29.06.2011 forderte das Jobcenter Stuttgart den Kläger auf, einen Antrag auf Altersrente beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 04.07.2011 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, dass er nicht mit Abschlägen in Altersrente gehen wolle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2011 wies das Jobcenter den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gem. § 12 a SGB II Leistungsberechtigte verpflichtet seien, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Die Aufforderung zur Rentenantragstellung sei daher rechtmäßig. Sofern der Kläger sich weigere, einen Rentenantrag zu stellen, so könne der Beklagte gem. § 5 Abs. 3 SGB II den entsprechenden Antrag beim zuständigen Leistungsträger stellen
Unter Hinweis auf § 5 Abs 3 SGB II stellte das Jobcenter Stuttgart mit Schreiben vom 30.08.2011 an die Beklagte einen Antrag auf Altersrente.
Am 05.09.2011 hat der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid des Jobcenters Stuttgart Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG; S 23 AS 5171/11) erhoben und ua die Feststellung begehrt, dass das Jobcenter nicht berechtigt gewesen sei, einen Rentenantrag bei der Beklagten zu stellen.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2012 wies das Sozialgericht Stuttgart die Klage ab. Der Kläger sei gemäß § 12a Satz 1 SGB II verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Nach der Regelung des § 12a Satz 2 Nr 1 SGB II bestehe zwar keine Verpflichtung, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Da der Kläger jedoch das 63. Lebensjahr bereits am 06.05.2011 vollendet habe, sei die Aufforderung des Jobcenters zur Antragstellung rechtlich nicht zu beanstanden, zumal keine unbillige Härte vorliege. Aufgrund der Weigerung des Klägers zur Rentenantragstellung habe das Jobcenter rechtmäßig von seinem Antragsrecht gemäß § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II Gebrauch gemacht.
Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG; L 2 AS 573/12) wurde mit Urteil vom 13.06.2012 zurückgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung wurde vollumfänglich Bezug genommen. Darüber hinaus wurden dem Kläger Mutwillenskosten in Höhe von 225,00 EUR auferlegt. Die vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG; B 14 AS 225/12 B) wurde mit Beschluss vom 12.06.2013 durch das Bundessozialgericht als unzulässig verworfen. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wurde mit Beschluss vom 06.09.2013 ebenfalls als unzulässig verworfen.
Auf den Antrag des Jobcenters Stuttgart hin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 30.07.2012 dem Kläger eine Altersrente für langjährig Versicherte für die Zeit ab 01.07.2011. Aufgrund der vorzeitigen Inanspruchnahme dieser Altersrente wurde ein Zugangsfaktor von 0,931 zugrunde gelegt, was einem Rentenabschlag von 6,9% entspricht.
Hiergegen legte der Kläger am 07.08.2012 Widerspruch ein. Er wies erneut darauf hin, dass er selbst keinen Rentenantrag gestellt und der Antragstellung durch das Jobcenter ausdrücklich widersprochen habe. Er sei nicht bereit, Rentenabschläge in Kauf zu nehmen. Ihm stehe eine Altersrente ohne Abschläge ab dem 65. Lebensjahr zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2012 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass der Antrag auf Altersrente durch das Jobcenter Stuttgart wirksam am 01.09.2011 gestellt worden sei. Das Antragsrecht folge aus den §§ 5, 12a SGB II. Das Antragsrecht sei auch durch das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13.06.2012 (L 2 AS 573/12) bestätigt worden.
Hiergegen hat der Kläger am 27.08.2012 Klage zum SG (S 9 R 4737/12) erhoben. Im Wesentlichen wiederholt und vertieft er seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Darüber hinaus hat er darauf hingewiesen, dass er eine geringfügige Beschäftigung ausübe. Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sei ihm in Aussicht gestellt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.04.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar obliege die Antragstellung grundsätzlich dem Kläger. Abweichend hiervon regele jedoch § 5 Abs 3 SGB II ein eigenständiges Antragsrecht der Leistungsträger nach den §§ 6 ff SGB II. Die Vorschrift korreliere mit dem in § 12a SGB II normierten Subsidiaritätsgrundsatz. Da der Kläger bis Juli 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Jobcenter Stuttgart bezogen habe und mit Ablauf des 05.05.2011 das 63. Lebensjahr vollendet habe, sei er nach § 12a Satz 1 SGB II verpflichtet gewesen, der Aufforderung auf Gewährung von Altersrente durch das Jobcenter Stuttgart nachzukommen. Da sich der Kläger jedoch geweigert habe, einen entsprechenden Rentenantrag zu stellen, habe das Jobcenter Stuttgart mit dem Antrag vom 01.09.2011 von seinem Antragsrecht gemäß § 5 Abs 3 SGB II rechtmäßig Gebrauch gemacht. Da darüber hinaus auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Altersrente für langjährig Versicherte am 05.06.2011 erfüllt gewesen seien, sei die Klage abzuweisen gewesen.
Der Gerichtsbescheid wurde der Bevollmächtigten des Klägers mittels Empfangsbekenntnis am 09.04.2013 zugestellt.
Hiergegen hat der Kläger am 16.04.2013 Berufung zum LSG eingelegt. Das Jobcenter sei nicht berechtigt gewesen, einen Rentenantrag zu stellen. Er arbeite als freier Verkäufer bei der Firma Trottwar e.V. und verdiene hierbei ca 170,00 EUR im Monat. Weiter arbeite er bei der VSD Sicherheitsdienste Südwest GmbH F. a. M ... Er könne daher den Rentenbescheid mit Abschlägen nicht akzeptieren und begehre eine Rente ohne Abzüge. Das Jobcenter habe die Voraussetzungen für eine Antragstellung verkannt und auch das Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
Der Kläger beantragt daher,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.03.2013 sowie den Rentenbescheid vom 30.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 27.03.2014 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bereit erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verwaltungsakten des Jobcenters Stuttgart Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 30.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren allein die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten vom 30.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2012. Insoweit wehrt sich der Kläger gegen die Gewährung einer Rente für langjährig Versicherte ab 01.07.2011 unter Berücksichtigung eines auf 0,931 verringerten Zugangsfaktors, da ihm hiernach der Wechsel in eine abschlagsfreie Rente nach § 34 Abs. 4 (Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) verwehrt ist. Begehrt er damit lediglich die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids, so ist statthafte Klageart gemäß § 54 Abs 1 SGG die Anfechtungsklage. Zulässigkeitsvoraussetzung der Anfechtungsklage ist jedoch, dass der Kläger behauptet, ein rechtswidriger Verwaltungsakt beschwere ihn und verletze ihn in seinen eigenen Rechten.
An einer solchen Beschwer fehlt es vorliegend. Wird dem im Verwaltungsverfahren gestellten Antrag von der Beklagten voll entsprochen, ist die anschließende Anfechtungsklage auf Beseitigung des beantragten Bescheids mangels Beschwer unzulässig (vgl BSG 27.02.1992, 6 RKa 52/91 USK 92138). Eine Anfechtungsklage des Klägers nach einem Antrag durch ihn wäre daher unzulässig. Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass der Kläger den Antrag zwar nicht selbst stellt, es jedoch rechtskräftig feststeht, dass ein Leistungsträger für den Antragsteller zur Antragstellung befugt ist und einen entsprechenden Antrag stellt. Denn auch in diesem Fall wirkt die Antragstellung für und gegen den Kläger. Andernfalls bestünde für den Kläger die Möglichkeit die Rechtmäßigkeit der Antragstellung nicht nur gegenüber dem Jobcenter prüfen zu lassen, sondern - wie vorliegend - die identischen Einwände nochmals gegenüber dem Rentenversicherungsträger geltend zu machen.
Ob etwas anderes für den Fall gilt, dass der Kläger die Voraussetzungen des Rentenbezugs nach dem SGB VI bestreitet, braucht für den vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da sich die Berufung des Klägers allein auf die Unwirksamkeit der Antragstellung stützt. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage war daher mangels Beschwer bereits unzulässig.
Darüber hinaus wäre die Klage jedoch auch unbegründet.
Gemäß § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Neben der Erfüllung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen bedarf es daher einer wirksamen Antragstellung nach §§ 16 SGB I, 115 Abs 1 Satz 1 SGB VI. Danach beginnt das Rentenverfahren mit dem Antrag, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist. Gemäß § 16 SGB I sind Anträge auf Sozialleistungen beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Grundsätzlich obliegt die Antragstellung dem Leistungsberechtigten bzw dem Leistungsempfänger. Abweichend hiervon regelt § 5 Abs 3 SGB II ein eigenständiges Antragsrecht des Leistungsträgers. Nachdem das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 12. Juni 2013 die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen hat, ist der Bescheid vom 29.06.2011 bestandskräftig geworden. Es steht damit bindend fest, dass das Jobcenter Stuttgart zur Antragstellung berechtigt war. Eine weitergehende Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ist damit im vorliegenden Rechtsstreit nicht vorzunehmen.
Die Bindungswirkung des Bescheids vom 29.06.2011 umfasst nicht nur die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 3 SGB II, sondern auch das vom SGB-II Träger auszuübende Ermessen. Vor Aufforderung zur Rentenantragstellung muss der SGB-II Träger Ermessen ausüben (Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013,§ 12a Rn. 7, Luthe in Hauck-Noftz, I Kommentar zum SGB II, § 5 Rn 158). Denn nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II können die Leistungsträger nach dem SGB II den Antrag für den Leistungsberechtigten stellen, wenn dieser trotz Aufforderung nicht zur Rentenantragstellung bereit ist. Diese Ersetzung des Rentenantrags steht im Ermessen des Leistungsträgers. Damit bedarf jedoch bereits die Aufforderung zur Rentenantragstellung einer Ermessensentscheidung. Andernfalls wäre der Leistungsempfänger, der den Antrag aufforderungsgemäß stellt, benachteiligt, weil in seinem Fall die Ermessensentscheidung vor Vollziehung des Antrags nicht mehr stattfände. Daher muss diese Entscheidung vorverlegt werden und schon im Rahmen der Aufforderungsprüfung erfolgen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.02.2010, L 19 B 371/09 AS-ER, in Juris). Damit aber ist sie ebenfalls von der Bindungswirkung des Bescheids vom 29.06.2011 umfasst.
Liegt eine wirksame Antragstellung vor, so sind gleichzeitig auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente erfüllt. Nach § 263 Abs 1 SGB VI haben Versicherte, die vor dem 01.01.1964 geboren sind, frühestens Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist nach Vollendung des 63. Lebensjahres möglich. Ausgehend von der Antragstellung am 01.09.2011 konnte die Rente vorzeitig ab 01.07.2011 beansprucht werden. Darüber hinaus bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Festsetzung der Rentenhöhe. Insbesondere ist die Festsetzung des Rentenabschlags in Höhe von 6,9 % auf Grundlage von § 77 Abs 2 Nr 2 SGB VI nicht zu beanstanden. Der Kläger, der das 65. Lebensjahr mit Ablauf des 05.05.2013 vollendet hat, erfüllt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB VI für die Inanspruchnahme einer Altersrente für langjährig Versicherte ab 06.05.2013, sodass ein Rentenanspruch unter Berücksichtigung von § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI bei rechtzeitiger Antragstellung ab 01.06.2013 bestünde. Aufgrund der wirksamen Antragstellung durch das Jobcenter Stuttgart vom 01.09.2011 ist die vorzeitige Inanspruchnahme ab 01.07.2011 und damit 23 Kalendermonate vor dem frühesten Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte ohne Abschläge möglich. Dies führt zu einem um 0,069 verringerten Zugangsfaktor von 0,931.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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