Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 2461/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5578/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.09.2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld (Transfer-Kug) für 49 ehemalige Beschäftigte der Firma E. GmbH.
Am Freitag, dem 24.04.2009, schloss die E. GmbH mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich, wonach aufgrund der dramatisch zurückgehenden Stückzahlen und Umsätze 95 von 236 Arbeitsplätze abgebaut und die Beendigungskündigung spätestens zum 30.04.2009 ausgesprochen werden sollte. Die Betriebsparteien einigten sich mit der dem Interessenausgleich als Anlage beigefügten Kündigungsnamensliste im Sinne von § 1 Abs. 5 Kündigungsschutzgesetz abschließend auf den von Kündigungen betroffenen Personenkreis. Diesen Arbeitnehmern wurde das Angebot zu einem befristeten Eintritt in die unter der Trägerschaft der Klägerin, einem Anbieter im Bereich von Transfer-, Qualifizierungs- und Personaldienstleistungen, zu bildenden betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE) unterbreitet, in der ihnen eine angepasste berufliche Qualifizierung ermöglicht und die Aufnahme in den ersten Arbeitsmarkt erleichtert werden sollte.
Am 30.04.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Transfer-Kug für die in der beE zusammengefassten Arbeitnehmer, verbunden mit der Anzeige über Arbeitsausfall in der beE für die Zeit vom 01.05.2009 bis 3l.10.2009 an. Vorgelegt wurde eine Liste mit 63 Arbeitnehmern der E. GmbH, die ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der Klägerin geschlossen haben. Auf dieser Liste befinden sich 3 Arbeitnehmer (W. F., J. K., E. S.), auf die § 4.4 des Manteltarifvertrags (MTV) für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18.12.1996 bzw. 19.09.2000 Anwendung findet. Diese Regelung bestimmt, dass eine ordentliche Kündigung mit Erreichen des 53. Lebensjahres bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 3 Jahren ausgeschlossen ist. Einer weiteren von der Klägerin vorgelegten Liste war zu entnehmen, dass die aus Anlass der Betriebsänderung durchzuführenden Maßnahmen zur Feststellung der Erfolgsaussicht (sog. Profiling) bei 46 Arbeitnehmern erst nach Eintritt in die beE veranlasst worden waren. Letztlich wurde bekannt, dass zehn Arbeitnehmer aus der beE ausgeschieden waren und ihre Beschäftigung bei E. GmbH wieder aufgenommen hatten.
Mit Bescheid vom 22.10.2009 stellte die Beklagte fest, dass die in § 216b Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) a.F. genannten Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kug erfüllt sind und gewährte – mit Ausnahme der in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Beschäftigten – den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmern Transfer-Kug für die Zeit vom 01.05.2009 bis 31.10.2009. Kein Anspruch auf Transfer-Kug bestehe für diejenigen Arbeitnehmer, die unter dem besonderen Kündigungsschutz des § 4.4 des MTV für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18.12.1996 bzw. 19.09.2000 stünden; diese seien nicht von Arbeitslosigkeit bedroht. Ein Anspruch auf Transfer-Kug scheide ferner aus, wenn die Arbeitnehmer nur vorübergehend in der beE zusammengefasst würden und wieder in den abgebenden Betrieb zurückkehrten. In diesem Fall bestehe kein dauerhafter Arbeitsausfall. Letztlich setzte ein Anspruch auf Transfer-Kug voraus, dass der Arbeitnehmer vor der Überleitung in die beE aus Anlass der Betriebsänderung an einer arbeitsmarktlich zweckmäßigen Maßnahme zur Feststellung der Erfolgsaussicht teilgenommen habe (sog. Profiling). Ausnahmefälle, die eine Nachholung dieser Feststellungsmaßnahmen ermöglichen könnten, lägen hier nicht vor. Im Einzelnen lehnte die Beklagte die Gewährung von Transfer-Kug für folgende Arbeitnehmer ab:
Ablehnnungsgrund Nachname, Vorname Wiedereintritt Profiling nach Eintritt in die beE Besonderer Kündigungsschutz A., Y. 26.08.2009 07.05.2009 B., H. 17.08.2009 06.05.2009 B., B. 13.08.2009 19.05.2009 B., M. 06.05.2009 B., E. 10.08.2009 05.05.2009 C., M. 21.09.2009 05.05.2009 C., S. 07.05.2009 C., D. 07.08.2009 05.05.2009 C. T. 01.08.2009 06.05.2009 C., V. 07.05.2009 D., A. 05.05.2009 D., M. 06.05.2009 D., I. 04.05.2009 D., G. 05.05.2009 D., T. 07.05.2009 F., W. 03.06.2009 ja G., S. 06.05.2009 H., G. 06.05.2009 H., A. 10.08.2009 05.05.2009 H., F. 06.05.2009 J., S. 05.05.2009 K., J. 06.05.2009 ja K., M. 06.05.2009 K., P. 07.05.2009 K., D. 05.05.2009 K., A. 04.05.2009 K., F. 06.05.2009 L., T. 06.05.2009 L., H. 04.05.2009 M., W. 05.05.2009 M., V. 05.05.2009 P., S. 10.08.2009 R., R. 05.05.2009 R., M. 05.05.2009 R., M. 05.05.2009 R., K. 04.05.2009 R., Samuel 04.05.2009 S., K. 05.05.2009 S., S. 05.05.2009 S., A. 05.05.2009 S., P. 10.08.2009 05.05.2009 S., E. 07.05.2009 ja S., M. S. 04.05.2009 S., E. 06.05.2009 U., E. 06.05.2009 W., P. 04.05.2009 W., W. 06.05.2009 W., T. 05.05.2009 W., A. 06.05.2009 W., J. 05.05.2009
Gegen den Bescheid vom 22.10.2009 erhob die Klägerin am 06.11.2009 Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, die Regelungen über einen Interessenausgleich und die betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen hätten im Fall der E. GmbH aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation des Unternehmens außerordentlich kurzfristig umgesetzt werden müssen. Nach § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a. F. könne das erforderliche Profiling innerhalb eines Monats nach Überleitung der Arbeitnehmer in die beE nachgeholt werden, wenn die Entscheidung der Betriebsparteien zur Einrichtung einer beE unverschuldet so kurzfristig erfolgt, dass trotz Mithilfe der Agentur für Arbeit selbst bei vorhandener Infrastruktur eine qualitative Maßnahme der Eignungsfeststellung im Vorfeld nicht mehr durchführbar ist. Ein solcher Ausnahmefall liege hier vor. In der Woche vor der Einrichtung der beE seien viele Arbeitnehmer wegen des Feiertags urlaubsbedingt nicht erreichbar gewesen. Außerdem hätte eine große Anzahl von Arbeitnehmern wegen des Auftragsrückgangs Zeitguthaben abgebaut. Aus diesem Grund seien schon im Rahmen der Betriebsversammlung wesentliche Elemente des Profilings dargestellt und erläutert worden. Danach sei der Antrag schnellstmöglich bei der Agentur für Arbeit gestellt worden. Erst im Anschluss hätten die Arbeitnehmer schriftlich zu den Profilingmaßnahmen eingeladen werden können.
Betreffend die Arbeitnehmer W. F., J. K., E. S. legte die Klägerin Erklärungen der E. GmbH vor, ausweislich derer eine Weiterbeschäftigung dieser Arbeitnehmer nicht möglich gewesen sei. Bezüglich der Arbeitnehmerin S. wurde ausgeführt, dass der Arbeitsplatz im Bereich "kleine Stanzerei" endgültig weggefallen sei. Die weiterhin beschäftigten drei Mitarbeiter würden im Sozialplan eine deutlich höhere Punktzahl vorweisen. Aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen sei der Arbeitnehmerin kein anderer Arbeitsplatz in der Produktion zumutbar gewesen. Erschwerend komme hinzu, dass keine schnell anlernbaren Tätigkeiten mehr im Unternehmen vorhanden seien und alle Mitarbeiter in mehreren Bereichen einsetzbar sein müssten. Bezüglich des Arbeitnehmers J. K. führte die Firma aus, die von diesem bediente Maschine sei ersatzlos abgeschafft worden. Aufgrund der Umstrukturierung im Unternehmen gebe es keine einfachen Helfertätigkeiten mehr. Die nötigen Qualifizierungen würden mehrere Monate in Anspruch nehmen, was aufgrund der wirtschaftlichen Lage derzeit nicht umsetzbar sei. Hinsichtlich des Arbeitnehmers W. F. wurde ausgeführt, dass dieser zuletzt als Staplerfahrer im Bereich Logistik gearbeitet habe. Durch die Ende 2008 aufgetretene Krise im Nutzfahrzeugbereich habe das Unternehmen 70 Prozent der Aufträge verloren. Es sei nicht vorherzusehen gewesen, dass nach Überwindung der Wirtschaftskrise die Aufträge wieder in einem Maße akquiriert werden könnten, die eine kostendeckende Fortführung dieses Bereichs mit dem vorhandenen Personal ermöglichen würden. Es wurde damals die unternehmerische Entscheidung getroffen, das Personal an den zu erwartenden Auftragsbestand anzupassen. Da der Arbeitnehmer Füess über keine Zusatzqualifikation verfügt habe, diese aber, wie in anderen Bereichen, nach der Umstrukturierung unabdingbar sei, habe sein Arbeitsplatz nicht erhalten werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe nicht im Einzelfall darzulegen vermocht, dass die Profilingmaßnahmen nicht vor dem Übertritt in die beE durchgeführt werden konnten. Ein berechtigter Ausnahmefall, in dem eine Nachholung des Profilings zugelassen werden kann, sei deshalb nicht anzuerkennen. Für die Arbeitnehmer W. F., J. K., E. S. komme aufgrund der Regelung des § 4.4 des MTV für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden ein absoluter Kündigungsschutz zum Tragen. Ein Anspruch auf Transfer-Kug komme bei einer solchen Sachlage nur in Betracht, wenn die Arbeitnehmer aufgrund der Strukturanpassungsmaßnahmen gleichwohl rechtswirksam entlassen werden konnten. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nur dann der Fall, wenn der Arbeitsplatz wegfällt und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch unter Einsatz aller zumutbarer Mittel einschließlich einer Umorganisation des Betriebes nicht weiterbeschäftigen kann. Eine solche Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Umsetzung sei im Fall der drei genannten Arbeitnehmer nicht nachgewiesen. Bei ihnen schließe der Status der Unkündbarkeit deshalb eine Bedrohung durch Arbeitslosigkeit aus.
Mit der am 06.07.2009 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Es liege auf der Hand, dass es in dem gegebenen Zeitfenster unmöglich gewesen sei, ein Profiling aller betroffenen Arbeitnehmer durchzuführen. Deshalb könne die Ablehnung des Transfer-Kug nicht auf das verspätete Profiling gestützt werden. Darüber hinaus hätten auch die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung der ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer vorgelegen. Soweit Transfer-Kug für diejenigen Arbeitnehmer abgelehnt worden sei, die zwischenzeitlich wieder eine Beschäftigung bei der E. GmbH aufgenommen hätten, sei auch dies fehlerhaft. Ein Ausschlusstatbestand nach § 216 Abs. 7 SGB III a.F. liege nicht vor. Durch diese Regelung solle vermieden werden, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer auf Kosten der Allgemeinheit in einer Transfer-Gesellschaft qualifizieren lasse, um sie im Nachhinein fortgebildet wieder zurückzuholen. Aus der Formulierung "um" im Gesetz folge aber, dass der Arbeitgeber auch hinsichtlich der Qualifizierung der Arbeitnehmer für den eigenen Betrieb mit Vorsatz handeln müsse. Unschädlich sei es daher, wenn sich – wie hier – im Nachhinein die betriebliche Planung ändere und der Arbeitsplatz erhalten bleibe. Die Beklagte ist der Klage unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens entgegengetreten.
Mit Urteil vom 26.09.2011 hat das SG den Bescheid vom 22.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2010 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Transfer- Kug für weitere 50 Arbeitnehmer ab 01.05.2009 zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kug seien bei allen 50 Arbeitnehmern erfüllt. Auch die Arbeitnehmer W.F., J. K. und E. S., die unter dem besonderen Kündigungsschutz des § 4.4 des MTV für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18.12.1996 bzw. 19.09.2000 stünden, seien im Sinne von § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen. Zudem seien in allen 50 Fällen die nach § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB III a.F. erforderlichen Eignungsfeststellungsmaßnahmen durchgeführt worden.
Gegen dieses ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 08.12.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.12.2011 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Eine Ausnahme im Sinne des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. könne nur anerkannt werden, wenn die Einrichtung einer beE ohne Verschulden der Betriebsparteien nicht früher hätte erfolgen können. Ein solcher Fall sei hier aber nicht gegeben, da der E. GmbH sehr wohl ein Verschulden anzulasten sei. Diese wäre verpflichtet gewesen, spätestens mit zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung am 24.04.2009 die Agentur für Arbeit einzuschalten um den Beschäftigten die vom Gesetz vorgesehene frühe Orientierung zu geben. Wäre dies erfolgt, hätten die Tage vom 27.04.2009 bis 29.04.2009 genutzt werden können, um zumindest für einen erheblichen Teil der in die beE übergeleiteten Arbeitnehmer noch das erforderliche Profiling durchzuführen. Dass Mitarbeiter der örtlichen Agentur für Arbeit bereits an der Betriebsversammlung am 29.04.2009 teilgenommen hätten, werde zwar nicht bestritten; der Sachverhalt werde aber jedenfalls insoweit für weiter aufklärungsbedürftig gehalten, als nach wie vor ungeklärt sei, ob es der E. GmbH nicht möglich gewesen wäre, die durchgeführten Maßnahmen zur Umsetzung des Personalabbaus rechtzeitiger einzuleiten um so die eingetretene Eilbedürftigkeit zu verhindern.
An der bislang vertretenen Ansicht, die Arbeitnehmer W. F., J. K. und E. S. seien wegen ihres Kündigungsschutzes nicht von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen, halte die Beklagte hingegen nicht mehr fest. Auch bei diesen Arbeitnehmern sei das Profiling aber nicht vor dem Übergang in die beE durchgeführt worden, weshalb ein Anspruch auf Transfer-Kug aus diesem Grund entfalle. Nicht festgehalten werde zudem an der Rechtansicht, Arbeitnehmer, die nur vorübergehend in der beE zusammengefasst wurden und mittlerweile in den abgebenden Betrieb zurückgekehrt sind, erfüllten die persönlichen Voraussetzungen für das Transfer-Kug nicht. Deshalb werde das angegriffene Urteil des SG hinsichtlich des Arbeitnehmers S. P., bei dem die Ablehnung des Transfer-Kug allein wegen § 216b Abs. 7 SGB III a.F. erfolgt sei, akzeptiert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.09.2011 aufzuheben, soweit es nicht den Arbeitnehmer Sören Pfab betrifft, und hinsichtlich der übrigen 49 im Tenor des angegriffenen Urteils aufgeführten Arbeitnehmer die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil des SG für zutreffend. Für die Bejahung einer Ausnahme im Sinne des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. sei entgegen der Ansicht der Beklagten eine unverschuldete Eilbedürftigkeit nicht zu fordern. Tatsächlich sei die Umsetzung des notwendigen Personalabbaus bei der E. GmbH aber schnellstmöglich realisiert worden. Die Betriebsvereinbarung sei zwar am 24.04.2009, einem Freitag, abgeschlossen worden; man habe aber das gesamte nachfolgende Wochenende noch weiterverhandelt. In der Folgewoche hätten dann zunächst die Arbeitnehmer überzeugt werden müssen, dem Wechsel in die beE zuzustimmen. In den gesamten Prozess sei die örtliche Agentur für Arbeit von Anfang an einbezogen gewesen; Vertreter der Agentur hätten bereits an der Betriebsversammlung am Mittwoch, dem 29.04.2009, teilgenommen. Die Abwicklung des gesamten Prozesses sei mit größtmöglicher Professionalität und Stringenz erfolgt. Ein Verschulden, dass zu unnötigen Verzögerungen geführt hätte, könne deshalb ausgeschlossen werden.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anzuwendenden ab 01.04.2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Bescheid vom 22.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2010, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, Transfer-Kug für weitere 49 Arbeitnehmer zu gewähren, deren Ansprüche die Klägerin als Prozessstandschafterin geltend macht. Dieser Bescheid erweist sich, soweit er von der Klägerin angegriffen worden ist und der Senat dies aufgrund der (auf 49 Arbeitnehmer beschränkten) Berufung der Beklagten zu überprüfen hat, als rechtswidrig und in subjektiven Rechten verletzend; den Arbeitnehmern steht, wie das SG zutreffend entschieden hat, ein Anspruch auf Transfer-Kug ab 01.05.2009 zu.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 216b SGB III in der hier anzuwendenen am 01.01.2009 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl. I S. 2917; vorausgehend und nachfolgend: a.F.). Nach § 216b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB III haben Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Vermittlungsaussichten Anspruch auf Kurzarbeitergeld zur Förderung der Eingliederung bei betrieblichen Restrukturierungen (Transfer-Kug), wenn und so lange die Arbeitnehmer von einem dauerhaften und vermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall betroffen sind, die betrieblichen Voraussetzungen (dazu § 216b Abs. 3 SGB III) vorliegen, die persönlichen Voraussetzungen (dazu § 216b Abs. 4 SGB III) erfüllt sind und der dauerhafte Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist. Diese Anspruchsvoraussetzungen waren hier gegeben.
Die Anzeige über Arbeitsausfall erfolgte mit Schreiben vom 29.04.2009, das bei der Beklagten am 30.04.2009 eingegangen ist. Ein dauerhafter unvermeidbarer Arbeitsausfall mit Entgeltausfall im Sinne von § 216b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 216bAbs. 2 SGB III a.F. lag für die in die beE übergeleiteten Arbeitnehmer ab 01.05.2009 vor. Ihre Beschäftigungsmöglichkeit ist durch grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, die in den Nachträgen zu den Einstellungsverträgen im Einzelnen bezeichnet sind, nicht nur vorübergehend entfallen. Der dauerhafte Arbeitsausfall war für den Arbeitgeber unvermeidbar. Ein Arbeitsausfall wegen Betriebsänderung erfüllt regelmäßig dieses Kriterium (Krodel in Niesel, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 216b Rdnr. 8).
Die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld waren ebenfalls erfüllt. Diese sind nach § 216b Abs. 3 SGB III a.F. gegegeben, wenn in einem Betrieb Personalplanungsmaßnahmen aufgrund einer Betriebsänderung durchgeführt werden (Nr. 1) und die vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Eingliederungschancen in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden (Nr. 2). Auch diese Voraussetzungen liegen nach den von der Klägerin in ihrer Anzeige über Arbeitsausfall vom 29.04.2009 gemachten und von der Beklagten beanstandungsfrei überprüften Angaben vor.
Die in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefassten Arbeitnehmer erfüllen auch die persönlichen Voraussetzungen des § 216b Abs. 4 Satz 1 SGB III a.F. Sie waren von Arbeitslosigkeit bedroht (Nr. 1) und haben nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortgesetzt (Nr. 2 Buchst. a). Dass auch diejenigen Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit bedroht waren, die unter dem besonderen Kündigungsschutz des § 4.4 des MTV für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden gestanden haben, wird von der Beklagten nicht mehr bestritten. Insoweit teilt der Senat die in den Entscheidungsgründen der angegriffenen Entscheidung dargestellte Rechtsansicht des SG, auf die gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird.
Die Arbeitnehmer waren in der beE tätig und nicht – im Sinne eines doppelten Leistungsbezuges – vom Bezug von Kurzarbeitergeld ausgeschlossen (Nr 3). Schließlich sind auch die Voraussetzungen des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB III a. F. erfüllt. Die Arbeitnehmer haben zwar nicht vor der Überleitung in die beE an einer arbeitsmarktbezogenen Chanceneinschätzung (Profiling) im Sinne von § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB III a.F. teilgenommen; hier lag jedoch ein berechtigter Ausnahmefall vor, in dem trotz Mithilfe der Agentur für Arbeit die notwendigen Feststellungsmaßnahmen nicht rechtzeitig durchgeführt werden konnten. Das Profiling durfte dementsprechend im unmittelbaren Anschluss an die Überleitung nachgeholt innerhalb werden (§ 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. Dies ist auch innerhalb dieser Frist erfolgt.
Ein Ausnahmefall im Sinne des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. ist nach der Gesetzesbegründung anzunehmen, wenn die Entscheidung der Betriebsparteien zur Einrichtung einer (in der Regel externen) betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit unverschuldet so kurzfristig erfolgt, dass trotz Einschaltung der Agentur für Arbeit selbst bei vorhandener Infrastruktur eine qualitative Maßnahme der Eignungsfeststellung im Vorfeld nicht mehr durchführbar ist (BT-Drucks. 15/1515 S. 92). Eine solche Fallkonstellation war hier gegeben. In Übereinstimmung mit dem SG vermag auch der Senat ein die Anwendbarkeit des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. ausschließendes Verschulden der Betriebsparteien nicht zu erkennen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten, kann ein solches, der Bejahung eines berechtigten Ausnahmefalls entgegenstehendes Verschulden nicht bereits dann angenommen werden, wenn durch anderes Wirtschaften bzw. andere unternehmerische Entscheidungen seitens des abgebenden Unternehmens die Notwendigkeit des Personalabbaus ganz oder teilweise verhindert oder der Personalabbau zu einem früheren Zeitpunkt hätte in die Wege geleitet werden können. Ein derartiges Verständnis der Ausnahmevorschrift des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. wäre mit dem Zweck des § 216b SGB III a.F nicht vereinbar. Da die Norm letztlich dem Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor den Folgen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihres Arbeitgebers zu dienen bestimmt ist (vgl. BT-Drucks. 15/1515 a.a.O.), wäre der Anwendungsbereich des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. unzulässig verkürzt, wollte man allein ein möglicherweise lange in der Vergangenheit liegendes und für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zu beeinflussendes Verhalten das Arbeitgebers ausreichen lassen, um die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung zu Lasten der Arbeitnehmer auszuschließen. Der Senat war deshalb auch nicht gehalten, Mitglieder der (damaligen) Geschäftsführung der E. GmbH als Zeugen zu den Gründen für das unternehmerische Verhalten der E. GmbH zu hören.
Entscheidend kommt es vielmehr darauf an, ob im Rahmen der Überführung der Arbeitnehmer in die beE zum Zweck der Realisierung des als notwendig festgestellten Personalabbaus durch zügigeres Verhalten der Betriebsparteien eine Durchführung der notwendigen Profilingmaßnahmen zeitlich noch vor dem Übertritt in die beE hätte ermöglicht werden können und ob für derartige Verzögerungen ein schuldhaftes Verhalten der Betriebsparteien ursächlich gewesen ist. Im vorliegenden Fall ist dies jedoch zu verneinen. Zur vollen Überzeugung des Senats steht fest, dass wegen der wirtschaftlichen Situation des abgebenden Betriebes für die Betriebsparteien keine Möglichkeit bestand, mit der Überführung der betroffenen Arbeitnehmer in die beE so lange zuzuwarten, bis alle Profilingmaßnahmen abgeschlossen waren.
Aufgrund der Wirtschaftskrise ist es bei der E. GmbH im ersten Halbjahr 2009 zu einem erheblichen Umsatzrückgang gekommen. Es handelte sich um eine krisenhafte Situation in der Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz drohten. In dieser Situation musste - dies hat die Klägerin auch gegenüber dem Senat nachvollziehbar dargelegt - kurzfristig gehandelt werden um weiteren Schaden vom Unternehmen und von den betroffenen Arbeitnehmern abzuwenden. Das sich ergebende Zeitfenster nach dem Abschluss der Betriebsvereinbarung am 24.04.2009 für die Ausgliederung der Arbeitnehmer in die beE war offensichtlich, ohne dass hierfür ein Verschulden der Betriebsparteien ursächlich gewesen wäre, nicht ausreichend, um das Profiling für alle in die beE überzuleitenden Arbeitnehmer durchzuführen. Für den Senat besteht insoweit keine Veranlassung, an den Angaben der Klägerin, zahlreiche Arbeitnehmer seien in der letzten Aprilwoche 2009 wegen des auf den Freitag dieser Woche fallenden Feiertags urlaubsbedingt oder wegen des Abbaus von Zeitkonten nicht erreichbar gewesen, zu zweifeln. Damit steht fest, dass die Profilingmaßnahmen in der hierfür allein zur Verfügung stehenden letzten Aprilwoche 2009 trotz erfolgter Einschaltung der Agentur für Arbeit und nicht in vollem Umfang durchführbar waren, ohne dass dies durch ein Verschulden der Betriebsparteien verursacht worden wäre.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die örtliche Agentur für Arbeit sei von den Betriebsparteien zu spät informiert worden. Die Klägerin hat gegenüber dem Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die Agentur für Arbeit A. von Anfang an in den Prozess einbezogen war. Dass Mitarbeiter der Agentur bereits an der Betriebsverhandlung am 29.04.2009 teilgenommen hätten, obwohl dies in der Verwaltungsakte der Beklagten nicht vermerkt ist, wurde von der Beklagten ausdrücklich nicht in Abrede gestellt. Damit steht fest, dass die Agentur für Arbeit spätestens am Montag oder Dienstag der letzten Aprilwoche über den Vorgang informiert worden waren. Nachdem die zugrundeliegende Betriebsvereinbarung erst am Freitag der Vorwoche unterzeichnet worden war, kann auch insoweit ein unötige Verzögerungen verursachendes Verschulden der Betriebsparteien ausgeschlossen werden.
Ergänzend nimmt der Senat auch insoweit auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils vom 26.09.2011 Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG), macht sich diese vollinhaltlich zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Rechtsvorschrift, über deren Auslegung zu entscheiden war (§ 216b SGB III a.F.) mit Wirkung zum 01.04.2012 außer Kraft getreten ist.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld (Transfer-Kug) für 49 ehemalige Beschäftigte der Firma E. GmbH.
Am Freitag, dem 24.04.2009, schloss die E. GmbH mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich, wonach aufgrund der dramatisch zurückgehenden Stückzahlen und Umsätze 95 von 236 Arbeitsplätze abgebaut und die Beendigungskündigung spätestens zum 30.04.2009 ausgesprochen werden sollte. Die Betriebsparteien einigten sich mit der dem Interessenausgleich als Anlage beigefügten Kündigungsnamensliste im Sinne von § 1 Abs. 5 Kündigungsschutzgesetz abschließend auf den von Kündigungen betroffenen Personenkreis. Diesen Arbeitnehmern wurde das Angebot zu einem befristeten Eintritt in die unter der Trägerschaft der Klägerin, einem Anbieter im Bereich von Transfer-, Qualifizierungs- und Personaldienstleistungen, zu bildenden betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE) unterbreitet, in der ihnen eine angepasste berufliche Qualifizierung ermöglicht und die Aufnahme in den ersten Arbeitsmarkt erleichtert werden sollte.
Am 30.04.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Transfer-Kug für die in der beE zusammengefassten Arbeitnehmer, verbunden mit der Anzeige über Arbeitsausfall in der beE für die Zeit vom 01.05.2009 bis 3l.10.2009 an. Vorgelegt wurde eine Liste mit 63 Arbeitnehmern der E. GmbH, die ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der Klägerin geschlossen haben. Auf dieser Liste befinden sich 3 Arbeitnehmer (W. F., J. K., E. S.), auf die § 4.4 des Manteltarifvertrags (MTV) für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18.12.1996 bzw. 19.09.2000 Anwendung findet. Diese Regelung bestimmt, dass eine ordentliche Kündigung mit Erreichen des 53. Lebensjahres bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 3 Jahren ausgeschlossen ist. Einer weiteren von der Klägerin vorgelegten Liste war zu entnehmen, dass die aus Anlass der Betriebsänderung durchzuführenden Maßnahmen zur Feststellung der Erfolgsaussicht (sog. Profiling) bei 46 Arbeitnehmern erst nach Eintritt in die beE veranlasst worden waren. Letztlich wurde bekannt, dass zehn Arbeitnehmer aus der beE ausgeschieden waren und ihre Beschäftigung bei E. GmbH wieder aufgenommen hatten.
Mit Bescheid vom 22.10.2009 stellte die Beklagte fest, dass die in § 216b Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) a.F. genannten Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kug erfüllt sind und gewährte – mit Ausnahme der in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Beschäftigten – den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmern Transfer-Kug für die Zeit vom 01.05.2009 bis 31.10.2009. Kein Anspruch auf Transfer-Kug bestehe für diejenigen Arbeitnehmer, die unter dem besonderen Kündigungsschutz des § 4.4 des MTV für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18.12.1996 bzw. 19.09.2000 stünden; diese seien nicht von Arbeitslosigkeit bedroht. Ein Anspruch auf Transfer-Kug scheide ferner aus, wenn die Arbeitnehmer nur vorübergehend in der beE zusammengefasst würden und wieder in den abgebenden Betrieb zurückkehrten. In diesem Fall bestehe kein dauerhafter Arbeitsausfall. Letztlich setzte ein Anspruch auf Transfer-Kug voraus, dass der Arbeitnehmer vor der Überleitung in die beE aus Anlass der Betriebsänderung an einer arbeitsmarktlich zweckmäßigen Maßnahme zur Feststellung der Erfolgsaussicht teilgenommen habe (sog. Profiling). Ausnahmefälle, die eine Nachholung dieser Feststellungsmaßnahmen ermöglichen könnten, lägen hier nicht vor. Im Einzelnen lehnte die Beklagte die Gewährung von Transfer-Kug für folgende Arbeitnehmer ab:
Ablehnnungsgrund Nachname, Vorname Wiedereintritt Profiling nach Eintritt in die beE Besonderer Kündigungsschutz A., Y. 26.08.2009 07.05.2009 B., H. 17.08.2009 06.05.2009 B., B. 13.08.2009 19.05.2009 B., M. 06.05.2009 B., E. 10.08.2009 05.05.2009 C., M. 21.09.2009 05.05.2009 C., S. 07.05.2009 C., D. 07.08.2009 05.05.2009 C. T. 01.08.2009 06.05.2009 C., V. 07.05.2009 D., A. 05.05.2009 D., M. 06.05.2009 D., I. 04.05.2009 D., G. 05.05.2009 D., T. 07.05.2009 F., W. 03.06.2009 ja G., S. 06.05.2009 H., G. 06.05.2009 H., A. 10.08.2009 05.05.2009 H., F. 06.05.2009 J., S. 05.05.2009 K., J. 06.05.2009 ja K., M. 06.05.2009 K., P. 07.05.2009 K., D. 05.05.2009 K., A. 04.05.2009 K., F. 06.05.2009 L., T. 06.05.2009 L., H. 04.05.2009 M., W. 05.05.2009 M., V. 05.05.2009 P., S. 10.08.2009 R., R. 05.05.2009 R., M. 05.05.2009 R., M. 05.05.2009 R., K. 04.05.2009 R., Samuel 04.05.2009 S., K. 05.05.2009 S., S. 05.05.2009 S., A. 05.05.2009 S., P. 10.08.2009 05.05.2009 S., E. 07.05.2009 ja S., M. S. 04.05.2009 S., E. 06.05.2009 U., E. 06.05.2009 W., P. 04.05.2009 W., W. 06.05.2009 W., T. 05.05.2009 W., A. 06.05.2009 W., J. 05.05.2009
Gegen den Bescheid vom 22.10.2009 erhob die Klägerin am 06.11.2009 Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, die Regelungen über einen Interessenausgleich und die betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen hätten im Fall der E. GmbH aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation des Unternehmens außerordentlich kurzfristig umgesetzt werden müssen. Nach § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a. F. könne das erforderliche Profiling innerhalb eines Monats nach Überleitung der Arbeitnehmer in die beE nachgeholt werden, wenn die Entscheidung der Betriebsparteien zur Einrichtung einer beE unverschuldet so kurzfristig erfolgt, dass trotz Mithilfe der Agentur für Arbeit selbst bei vorhandener Infrastruktur eine qualitative Maßnahme der Eignungsfeststellung im Vorfeld nicht mehr durchführbar ist. Ein solcher Ausnahmefall liege hier vor. In der Woche vor der Einrichtung der beE seien viele Arbeitnehmer wegen des Feiertags urlaubsbedingt nicht erreichbar gewesen. Außerdem hätte eine große Anzahl von Arbeitnehmern wegen des Auftragsrückgangs Zeitguthaben abgebaut. Aus diesem Grund seien schon im Rahmen der Betriebsversammlung wesentliche Elemente des Profilings dargestellt und erläutert worden. Danach sei der Antrag schnellstmöglich bei der Agentur für Arbeit gestellt worden. Erst im Anschluss hätten die Arbeitnehmer schriftlich zu den Profilingmaßnahmen eingeladen werden können.
Betreffend die Arbeitnehmer W. F., J. K., E. S. legte die Klägerin Erklärungen der E. GmbH vor, ausweislich derer eine Weiterbeschäftigung dieser Arbeitnehmer nicht möglich gewesen sei. Bezüglich der Arbeitnehmerin S. wurde ausgeführt, dass der Arbeitsplatz im Bereich "kleine Stanzerei" endgültig weggefallen sei. Die weiterhin beschäftigten drei Mitarbeiter würden im Sozialplan eine deutlich höhere Punktzahl vorweisen. Aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen sei der Arbeitnehmerin kein anderer Arbeitsplatz in der Produktion zumutbar gewesen. Erschwerend komme hinzu, dass keine schnell anlernbaren Tätigkeiten mehr im Unternehmen vorhanden seien und alle Mitarbeiter in mehreren Bereichen einsetzbar sein müssten. Bezüglich des Arbeitnehmers J. K. führte die Firma aus, die von diesem bediente Maschine sei ersatzlos abgeschafft worden. Aufgrund der Umstrukturierung im Unternehmen gebe es keine einfachen Helfertätigkeiten mehr. Die nötigen Qualifizierungen würden mehrere Monate in Anspruch nehmen, was aufgrund der wirtschaftlichen Lage derzeit nicht umsetzbar sei. Hinsichtlich des Arbeitnehmers W. F. wurde ausgeführt, dass dieser zuletzt als Staplerfahrer im Bereich Logistik gearbeitet habe. Durch die Ende 2008 aufgetretene Krise im Nutzfahrzeugbereich habe das Unternehmen 70 Prozent der Aufträge verloren. Es sei nicht vorherzusehen gewesen, dass nach Überwindung der Wirtschaftskrise die Aufträge wieder in einem Maße akquiriert werden könnten, die eine kostendeckende Fortführung dieses Bereichs mit dem vorhandenen Personal ermöglichen würden. Es wurde damals die unternehmerische Entscheidung getroffen, das Personal an den zu erwartenden Auftragsbestand anzupassen. Da der Arbeitnehmer Füess über keine Zusatzqualifikation verfügt habe, diese aber, wie in anderen Bereichen, nach der Umstrukturierung unabdingbar sei, habe sein Arbeitsplatz nicht erhalten werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe nicht im Einzelfall darzulegen vermocht, dass die Profilingmaßnahmen nicht vor dem Übertritt in die beE durchgeführt werden konnten. Ein berechtigter Ausnahmefall, in dem eine Nachholung des Profilings zugelassen werden kann, sei deshalb nicht anzuerkennen. Für die Arbeitnehmer W. F., J. K., E. S. komme aufgrund der Regelung des § 4.4 des MTV für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden ein absoluter Kündigungsschutz zum Tragen. Ein Anspruch auf Transfer-Kug komme bei einer solchen Sachlage nur in Betracht, wenn die Arbeitnehmer aufgrund der Strukturanpassungsmaßnahmen gleichwohl rechtswirksam entlassen werden konnten. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nur dann der Fall, wenn der Arbeitsplatz wegfällt und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch unter Einsatz aller zumutbarer Mittel einschließlich einer Umorganisation des Betriebes nicht weiterbeschäftigen kann. Eine solche Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Umsetzung sei im Fall der drei genannten Arbeitnehmer nicht nachgewiesen. Bei ihnen schließe der Status der Unkündbarkeit deshalb eine Bedrohung durch Arbeitslosigkeit aus.
Mit der am 06.07.2009 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Es liege auf der Hand, dass es in dem gegebenen Zeitfenster unmöglich gewesen sei, ein Profiling aller betroffenen Arbeitnehmer durchzuführen. Deshalb könne die Ablehnung des Transfer-Kug nicht auf das verspätete Profiling gestützt werden. Darüber hinaus hätten auch die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung der ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer vorgelegen. Soweit Transfer-Kug für diejenigen Arbeitnehmer abgelehnt worden sei, die zwischenzeitlich wieder eine Beschäftigung bei der E. GmbH aufgenommen hätten, sei auch dies fehlerhaft. Ein Ausschlusstatbestand nach § 216 Abs. 7 SGB III a.F. liege nicht vor. Durch diese Regelung solle vermieden werden, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer auf Kosten der Allgemeinheit in einer Transfer-Gesellschaft qualifizieren lasse, um sie im Nachhinein fortgebildet wieder zurückzuholen. Aus der Formulierung "um" im Gesetz folge aber, dass der Arbeitgeber auch hinsichtlich der Qualifizierung der Arbeitnehmer für den eigenen Betrieb mit Vorsatz handeln müsse. Unschädlich sei es daher, wenn sich – wie hier – im Nachhinein die betriebliche Planung ändere und der Arbeitsplatz erhalten bleibe. Die Beklagte ist der Klage unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens entgegengetreten.
Mit Urteil vom 26.09.2011 hat das SG den Bescheid vom 22.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2010 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Transfer- Kug für weitere 50 Arbeitnehmer ab 01.05.2009 zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kug seien bei allen 50 Arbeitnehmern erfüllt. Auch die Arbeitnehmer W.F., J. K. und E. S., die unter dem besonderen Kündigungsschutz des § 4.4 des MTV für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18.12.1996 bzw. 19.09.2000 stünden, seien im Sinne von § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen. Zudem seien in allen 50 Fällen die nach § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB III a.F. erforderlichen Eignungsfeststellungsmaßnahmen durchgeführt worden.
Gegen dieses ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 08.12.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.12.2011 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Eine Ausnahme im Sinne des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. könne nur anerkannt werden, wenn die Einrichtung einer beE ohne Verschulden der Betriebsparteien nicht früher hätte erfolgen können. Ein solcher Fall sei hier aber nicht gegeben, da der E. GmbH sehr wohl ein Verschulden anzulasten sei. Diese wäre verpflichtet gewesen, spätestens mit zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung am 24.04.2009 die Agentur für Arbeit einzuschalten um den Beschäftigten die vom Gesetz vorgesehene frühe Orientierung zu geben. Wäre dies erfolgt, hätten die Tage vom 27.04.2009 bis 29.04.2009 genutzt werden können, um zumindest für einen erheblichen Teil der in die beE übergeleiteten Arbeitnehmer noch das erforderliche Profiling durchzuführen. Dass Mitarbeiter der örtlichen Agentur für Arbeit bereits an der Betriebsversammlung am 29.04.2009 teilgenommen hätten, werde zwar nicht bestritten; der Sachverhalt werde aber jedenfalls insoweit für weiter aufklärungsbedürftig gehalten, als nach wie vor ungeklärt sei, ob es der E. GmbH nicht möglich gewesen wäre, die durchgeführten Maßnahmen zur Umsetzung des Personalabbaus rechtzeitiger einzuleiten um so die eingetretene Eilbedürftigkeit zu verhindern.
An der bislang vertretenen Ansicht, die Arbeitnehmer W. F., J. K. und E. S. seien wegen ihres Kündigungsschutzes nicht von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen, halte die Beklagte hingegen nicht mehr fest. Auch bei diesen Arbeitnehmern sei das Profiling aber nicht vor dem Übergang in die beE durchgeführt worden, weshalb ein Anspruch auf Transfer-Kug aus diesem Grund entfalle. Nicht festgehalten werde zudem an der Rechtansicht, Arbeitnehmer, die nur vorübergehend in der beE zusammengefasst wurden und mittlerweile in den abgebenden Betrieb zurückgekehrt sind, erfüllten die persönlichen Voraussetzungen für das Transfer-Kug nicht. Deshalb werde das angegriffene Urteil des SG hinsichtlich des Arbeitnehmers S. P., bei dem die Ablehnung des Transfer-Kug allein wegen § 216b Abs. 7 SGB III a.F. erfolgt sei, akzeptiert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.09.2011 aufzuheben, soweit es nicht den Arbeitnehmer Sören Pfab betrifft, und hinsichtlich der übrigen 49 im Tenor des angegriffenen Urteils aufgeführten Arbeitnehmer die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil des SG für zutreffend. Für die Bejahung einer Ausnahme im Sinne des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. sei entgegen der Ansicht der Beklagten eine unverschuldete Eilbedürftigkeit nicht zu fordern. Tatsächlich sei die Umsetzung des notwendigen Personalabbaus bei der E. GmbH aber schnellstmöglich realisiert worden. Die Betriebsvereinbarung sei zwar am 24.04.2009, einem Freitag, abgeschlossen worden; man habe aber das gesamte nachfolgende Wochenende noch weiterverhandelt. In der Folgewoche hätten dann zunächst die Arbeitnehmer überzeugt werden müssen, dem Wechsel in die beE zuzustimmen. In den gesamten Prozess sei die örtliche Agentur für Arbeit von Anfang an einbezogen gewesen; Vertreter der Agentur hätten bereits an der Betriebsversammlung am Mittwoch, dem 29.04.2009, teilgenommen. Die Abwicklung des gesamten Prozesses sei mit größtmöglicher Professionalität und Stringenz erfolgt. Ein Verschulden, dass zu unnötigen Verzögerungen geführt hätte, könne deshalb ausgeschlossen werden.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anzuwendenden ab 01.04.2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Bescheid vom 22.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2010, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, Transfer-Kug für weitere 49 Arbeitnehmer zu gewähren, deren Ansprüche die Klägerin als Prozessstandschafterin geltend macht. Dieser Bescheid erweist sich, soweit er von der Klägerin angegriffen worden ist und der Senat dies aufgrund der (auf 49 Arbeitnehmer beschränkten) Berufung der Beklagten zu überprüfen hat, als rechtswidrig und in subjektiven Rechten verletzend; den Arbeitnehmern steht, wie das SG zutreffend entschieden hat, ein Anspruch auf Transfer-Kug ab 01.05.2009 zu.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 216b SGB III in der hier anzuwendenen am 01.01.2009 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl. I S. 2917; vorausgehend und nachfolgend: a.F.). Nach § 216b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB III haben Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Vermittlungsaussichten Anspruch auf Kurzarbeitergeld zur Förderung der Eingliederung bei betrieblichen Restrukturierungen (Transfer-Kug), wenn und so lange die Arbeitnehmer von einem dauerhaften und vermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall betroffen sind, die betrieblichen Voraussetzungen (dazu § 216b Abs. 3 SGB III) vorliegen, die persönlichen Voraussetzungen (dazu § 216b Abs. 4 SGB III) erfüllt sind und der dauerhafte Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist. Diese Anspruchsvoraussetzungen waren hier gegeben.
Die Anzeige über Arbeitsausfall erfolgte mit Schreiben vom 29.04.2009, das bei der Beklagten am 30.04.2009 eingegangen ist. Ein dauerhafter unvermeidbarer Arbeitsausfall mit Entgeltausfall im Sinne von § 216b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 216bAbs. 2 SGB III a.F. lag für die in die beE übergeleiteten Arbeitnehmer ab 01.05.2009 vor. Ihre Beschäftigungsmöglichkeit ist durch grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, die in den Nachträgen zu den Einstellungsverträgen im Einzelnen bezeichnet sind, nicht nur vorübergehend entfallen. Der dauerhafte Arbeitsausfall war für den Arbeitgeber unvermeidbar. Ein Arbeitsausfall wegen Betriebsänderung erfüllt regelmäßig dieses Kriterium (Krodel in Niesel, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 216b Rdnr. 8).
Die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld waren ebenfalls erfüllt. Diese sind nach § 216b Abs. 3 SGB III a.F. gegegeben, wenn in einem Betrieb Personalplanungsmaßnahmen aufgrund einer Betriebsänderung durchgeführt werden (Nr. 1) und die vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Eingliederungschancen in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden (Nr. 2). Auch diese Voraussetzungen liegen nach den von der Klägerin in ihrer Anzeige über Arbeitsausfall vom 29.04.2009 gemachten und von der Beklagten beanstandungsfrei überprüften Angaben vor.
Die in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefassten Arbeitnehmer erfüllen auch die persönlichen Voraussetzungen des § 216b Abs. 4 Satz 1 SGB III a.F. Sie waren von Arbeitslosigkeit bedroht (Nr. 1) und haben nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortgesetzt (Nr. 2 Buchst. a). Dass auch diejenigen Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit bedroht waren, die unter dem besonderen Kündigungsschutz des § 4.4 des MTV für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden gestanden haben, wird von der Beklagten nicht mehr bestritten. Insoweit teilt der Senat die in den Entscheidungsgründen der angegriffenen Entscheidung dargestellte Rechtsansicht des SG, auf die gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird.
Die Arbeitnehmer waren in der beE tätig und nicht – im Sinne eines doppelten Leistungsbezuges – vom Bezug von Kurzarbeitergeld ausgeschlossen (Nr 3). Schließlich sind auch die Voraussetzungen des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB III a. F. erfüllt. Die Arbeitnehmer haben zwar nicht vor der Überleitung in die beE an einer arbeitsmarktbezogenen Chanceneinschätzung (Profiling) im Sinne von § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB III a.F. teilgenommen; hier lag jedoch ein berechtigter Ausnahmefall vor, in dem trotz Mithilfe der Agentur für Arbeit die notwendigen Feststellungsmaßnahmen nicht rechtzeitig durchgeführt werden konnten. Das Profiling durfte dementsprechend im unmittelbaren Anschluss an die Überleitung nachgeholt innerhalb werden (§ 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. Dies ist auch innerhalb dieser Frist erfolgt.
Ein Ausnahmefall im Sinne des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. ist nach der Gesetzesbegründung anzunehmen, wenn die Entscheidung der Betriebsparteien zur Einrichtung einer (in der Regel externen) betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit unverschuldet so kurzfristig erfolgt, dass trotz Einschaltung der Agentur für Arbeit selbst bei vorhandener Infrastruktur eine qualitative Maßnahme der Eignungsfeststellung im Vorfeld nicht mehr durchführbar ist (BT-Drucks. 15/1515 S. 92). Eine solche Fallkonstellation war hier gegeben. In Übereinstimmung mit dem SG vermag auch der Senat ein die Anwendbarkeit des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. ausschließendes Verschulden der Betriebsparteien nicht zu erkennen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten, kann ein solches, der Bejahung eines berechtigten Ausnahmefalls entgegenstehendes Verschulden nicht bereits dann angenommen werden, wenn durch anderes Wirtschaften bzw. andere unternehmerische Entscheidungen seitens des abgebenden Unternehmens die Notwendigkeit des Personalabbaus ganz oder teilweise verhindert oder der Personalabbau zu einem früheren Zeitpunkt hätte in die Wege geleitet werden können. Ein derartiges Verständnis der Ausnahmevorschrift des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. wäre mit dem Zweck des § 216b SGB III a.F nicht vereinbar. Da die Norm letztlich dem Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor den Folgen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihres Arbeitgebers zu dienen bestimmt ist (vgl. BT-Drucks. 15/1515 a.a.O.), wäre der Anwendungsbereich des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB III a.F. unzulässig verkürzt, wollte man allein ein möglicherweise lange in der Vergangenheit liegendes und für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zu beeinflussendes Verhalten das Arbeitgebers ausreichen lassen, um die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung zu Lasten der Arbeitnehmer auszuschließen. Der Senat war deshalb auch nicht gehalten, Mitglieder der (damaligen) Geschäftsführung der E. GmbH als Zeugen zu den Gründen für das unternehmerische Verhalten der E. GmbH zu hören.
Entscheidend kommt es vielmehr darauf an, ob im Rahmen der Überführung der Arbeitnehmer in die beE zum Zweck der Realisierung des als notwendig festgestellten Personalabbaus durch zügigeres Verhalten der Betriebsparteien eine Durchführung der notwendigen Profilingmaßnahmen zeitlich noch vor dem Übertritt in die beE hätte ermöglicht werden können und ob für derartige Verzögerungen ein schuldhaftes Verhalten der Betriebsparteien ursächlich gewesen ist. Im vorliegenden Fall ist dies jedoch zu verneinen. Zur vollen Überzeugung des Senats steht fest, dass wegen der wirtschaftlichen Situation des abgebenden Betriebes für die Betriebsparteien keine Möglichkeit bestand, mit der Überführung der betroffenen Arbeitnehmer in die beE so lange zuzuwarten, bis alle Profilingmaßnahmen abgeschlossen waren.
Aufgrund der Wirtschaftskrise ist es bei der E. GmbH im ersten Halbjahr 2009 zu einem erheblichen Umsatzrückgang gekommen. Es handelte sich um eine krisenhafte Situation in der Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz drohten. In dieser Situation musste - dies hat die Klägerin auch gegenüber dem Senat nachvollziehbar dargelegt - kurzfristig gehandelt werden um weiteren Schaden vom Unternehmen und von den betroffenen Arbeitnehmern abzuwenden. Das sich ergebende Zeitfenster nach dem Abschluss der Betriebsvereinbarung am 24.04.2009 für die Ausgliederung der Arbeitnehmer in die beE war offensichtlich, ohne dass hierfür ein Verschulden der Betriebsparteien ursächlich gewesen wäre, nicht ausreichend, um das Profiling für alle in die beE überzuleitenden Arbeitnehmer durchzuführen. Für den Senat besteht insoweit keine Veranlassung, an den Angaben der Klägerin, zahlreiche Arbeitnehmer seien in der letzten Aprilwoche 2009 wegen des auf den Freitag dieser Woche fallenden Feiertags urlaubsbedingt oder wegen des Abbaus von Zeitkonten nicht erreichbar gewesen, zu zweifeln. Damit steht fest, dass die Profilingmaßnahmen in der hierfür allein zur Verfügung stehenden letzten Aprilwoche 2009 trotz erfolgter Einschaltung der Agentur für Arbeit und nicht in vollem Umfang durchführbar waren, ohne dass dies durch ein Verschulden der Betriebsparteien verursacht worden wäre.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die örtliche Agentur für Arbeit sei von den Betriebsparteien zu spät informiert worden. Die Klägerin hat gegenüber dem Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die Agentur für Arbeit A. von Anfang an in den Prozess einbezogen war. Dass Mitarbeiter der Agentur bereits an der Betriebsverhandlung am 29.04.2009 teilgenommen hätten, obwohl dies in der Verwaltungsakte der Beklagten nicht vermerkt ist, wurde von der Beklagten ausdrücklich nicht in Abrede gestellt. Damit steht fest, dass die Agentur für Arbeit spätestens am Montag oder Dienstag der letzten Aprilwoche über den Vorgang informiert worden waren. Nachdem die zugrundeliegende Betriebsvereinbarung erst am Freitag der Vorwoche unterzeichnet worden war, kann auch insoweit ein unötige Verzögerungen verursachendes Verschulden der Betriebsparteien ausgeschlossen werden.
Ergänzend nimmt der Senat auch insoweit auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils vom 26.09.2011 Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG), macht sich diese vollinhaltlich zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Rechtsvorschrift, über deren Auslegung zu entscheiden war (§ 216b SGB III a.F.) mit Wirkung zum 01.04.2012 außer Kraft getreten ist.
Rechtskraft
Aus
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