Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 3 R 1155/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Versicherungspflicht eines ehrenamtlichen Bürgermeisters im Land Sachsen-Anhalt
Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat die notwendigen, außergerichtlichen Kosten zu 1/5 zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflichtigkeit des Klägers zu 2. als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde ... streitig.
Der ... 1947 geborene Kläger zu 2. war seit Oktober 1994 als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde ..., Verwaltungsgemeinschaft ... tätig und erhielt monatlich 767,- EUR. Am 12./13.01.2009 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch IV – SGB IV – bei der Klägerin zu 1. durch. Mit Schreiben vom 07.08.2009 nahm die Beklagte eine Anhörung der Klägerin zu 1. nach § 24 Sozialgesetzbuch X – SGB X – im Hinblick auf die beabsichtigte Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.294,66 EUR inkl. Säumniszuschlägen vor. Mit Bescheid vom 30.09.2009 stellte die Beklagte die Versicherungspflichtigkeit der Tätigkeit des Klägers zu 2. als ehrenamtlicher Bürgermeister fest und forderte Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.294,66 EUR inkl. 119,50 EUR Säumniszuschläge nach.
Sie führte aus, für die Bejahung der abhängigen Beschäftigung eines ehrenamtlichen Bürgermeisters genüge es, dass derselbe Leiter der Verwaltung sei. Dies sei auch in Sachsen-Anhalt nach §§ 63, 78, 79 Gemeindeordnung Land Sachsen-Anhalt – GO LSA – der Fall. Diese finde auf den Kläger zu 2. Anwendung, welcher daher nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch V – SGB V – in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch XI – SGB XI – in Verbindung mit § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI – SGB VI – in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung versicherungspflichtig sei. Aus Vertrauensschutzgründen verbleibe es bis zum Ablauf der Amtszeit am 30.06.2008 bei der Versicherungsfreiheit, danach liege Versicherungspflicht vor, da das Arbeitsentgelt 400,- EUR monatlich übersteige, wobei 175,- EUR anrechnungsfrei blieben.
Am 26.10.2009 erhob die Klägerin zu 1. Widerspruch.
Sie gab an, die Anhörung nach § 24 SGB X sei nicht ordnungsgemäß, sondern lediglich formell erfolgt, denn die Beklagte habe die Argumente der Klägerin zu 1. nicht einbezogen. Auch liege keine versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers zu 2. vor, denn alle Verwaltungsaufgaben seien auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen und der Kläger zu 2. habe lediglich repräsentative Aufgaben und entscheide politisch. Auch könne die Tätigkeit des Klägers zu 2. nicht Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleichgestellt werden. Letztlich sei die Höhe der Beitragsforderung falsch, denn der Kläger zu 2. erhalte kein Entgelt, sondern eine pauschale Aufwandsentschädigung.
Mit Schreiben vom 17.06.2010 nahm die Beklagte eine Anhörung des Klägers zu 2. im Hinblick auf die beabsichtigte Feststellung der Versicherungspflichtigkeit seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister vor. Mit Bescheid vom 23.07.2010 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 2. dessen Versicherungspflichtigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister fest und wiederholte in der Begründung die Bescheidausführungen vom 30.09.2009. Am 01.09.2010 erhob der Kläger zu 2. Widerspruch. Mit Bescheid vom 03.08.2011 reduzierte die Beklagte die Rückforderungssumme auf 1.269,57 EUR. Mit Widerspruchsbescheiden vom 27.10.2011 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück.
In ihrer Begründung wiederholte die Beklagte die Bescheidausführungen.
Die Kläger haben ihre Begehren mit den am 14.11.2011 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klagen weiterverfolgt.
In der Begründung wiederholen sie die Ausführungen der Widersprüche und ergänzen, eine Vergleichbarkeit sachsen-anhaltinischer mit sächsischen Bürgermeistern sei nicht gegeben, denn in Sachsen seien Bürgermeister stets Leiter der Gemeindeverwaltung, in Sachsen-Anhalt nur die hauptamtlichen Bürgermeister, daher komme es in Sachsen-Anhalt darauf an, ob die Verwaltungsaufgaben überwögen. Ein Abstellen auf die bloße Möglichkeit, sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten auszuüben, sei nicht gerechtfertigt. Tatsächlich seien die ehrenamtlichen Bürgermeister nicht verwaltend tätig. Auch seien die ehrenamtlichen Bürgermeister nicht Dienstvorgesetzte des Verwaltungsamtsleiters, sondern nach § 79 Abs. 3 GO LSA der Gemeinschaftsausschuss. Die Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sei insoweit nicht nachzuvollziehen. Letztlich diene die Aufwandsentschädigung dem Ausgleich des besonderen Sachaufwandes.
Die Kläger beantragen,
die Bescheide der Beklagten vom 30.09.2009, 23.07.2010 und 03.08.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Das Sozialgericht Halle hat mit Beschluss vom 21.11.2011 die Verfahren S 3 R 1155/11 und S 13 R 1156/11 nach § 113 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten (AZ: 03929031 Gemeinde ...) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und der Kammer bei der Beratung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht durch die Kläger vor dem Sozialgericht Halle erhoben worden, denn durch die Klageerhebungen vom 14.11.2011 gegen die Widerspruchsbescheide vom 27.10.2011 werden die Klagefristen des § 87 SGG gewahrt.
Die Klagen sind jedoch unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 30.09.2009, 23.07.2010 und 03.08.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2011 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, denn die Beklagte hat mit diesen Bescheiden zu Recht die Versicherungspflichtigkeit der Tätigkeit des Klägers zu 2. als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde ... festgestellt und von der Klägerin zu 1. Gesamtsozialversicherungsbeträge in Höhe von 1.269,57 EUR zurückgefordert.
Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten ergibt sich dabei aus § 7 Abs. 1 SGB IV in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch dann gegeben, wenn ein Ehrenbeamter dem allgemeinen Erwerbsleben zugängige Verwaltungsaufgaben wahrnimmt und insoweit den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigungen erhält, wobei weder die Rechtsstellung des Klägers zu 2. als Ehrenbeamter noch die pauschale Aufwandsentschädigung die Annahme eines versicherungspflichtigen und damit auch beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließen. Dabei kommt es zur Überzeugung der Kammer nicht darauf an, ob ein ehrenamtlicher Bürgermeister die ihm rechtlich gegebenen Möglichkeiten tatsächlich selbst wahrnimmt oder ob diese Durchführung der Verwaltungsaufgaben auf den Verwaltungsleiter einer Verwaltungsgemeinschaft delegiert wird. Entscheidend ist insoweit vielmehr der dem ehrenamtlichen Bürgermeister gegebene gesetzliche Rahmen, d.h. die durch das Gesetz gegebenen Möglichkeiten einer Verwaltungstätigkeit; nur so ist die Einschätzung der Versicherungspflicht der Tätigkeit für den Sozialversicherungsträger, wie auch die Kommune und den Arbeitnehmer praktikabel.
Dabei ist festzuhalten, dass nach § 57 Abs. 2 GO LSA der Bürgermeister die Gemeinde vertritt und repräsentiert. Dies allein führt bei einer bloßen Repräsentation noch nicht zu einer Versicherungspflichtigkeit des Klägers zu 2., denn soweit ein ehrenamtlicher Bürgermeister nur Repräsentationsaufgaben wahrnehmen darf, liegt eine versicherungspflichtige Tätigkeit im Sinne der §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI nicht vor. Im Land Sachsen-Anhalt ist der Bürgermeister aber nach § 62 GO LSA für die Vorbereitung der Beschlüsse des Gemeinderates und seiner Ausschüsse sowie den Vollzug dieser Beschlüsse verantwortlich; auch hat er den Gemeinderat über alle wichtigen die Gemeinde betreffenden Angelegenheiten zu unterrichten und muss Beschlüssen des Gemeinderates widersprechen, wenn er der Auffassung ist, dass diese gesetzwidrig sind. Darüber hinaus kann er in dringenden Angelegenheiten anstelle des Gemeinderates allein entscheiden. Auch ist er nach § 63 GO LSA für die Ordnung der Verwaltung verantwortlich und nach § 63 Abs. 5 GO LSA Dienstvorgesetzter der Mitarbeiter der Gemeinde. Letztlich sind nach § 70 Abs. 1 GO LSA Erklärungen der Gemeinde nur rechtsverbindlich, wenn sie handschriftlich vom Bürgermeister unterzeichnet und mit dem Dienstsiegel versehen sind. Da es in Anbetracht dieser Aufgaben nur darauf ankommt, ob der Bürgermeister rechtlich die Möglichkeit hat, diese wahrzunehmen, ist die Übertragung auf die Verwaltungsgemeinschaft insoweit unschädlich. In Anbetracht dieser einem Bürgermeister grundsätzlich obliegenden Aufgaben und der Tatsache, dass die Gemeinde ... Arbeitnehmer beschäftigt, deren Dienstvorgesetzter der ehrenamtliche Bürgermeister ist, ist vorliegend offensichtlich, von der rein rechtlichen Möglichkeit, eine dem allgemeinen Erwerbsleben zugängige Verwaltungsaufgabe wahrzunehmen, auszugehen. Es handelt sich daher bei der Tätigkeit des ehrenamtlichen Bürgermeisters zur Überzeugung der Kammer um eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV, welche nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung eintreten lässt.
Bei der den ehrenamtlichen Bürgermeistern gezahlten Aufwandsentschädigung handelt es sich auch um Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, denn es handelt sich bei dieser pauschalierten Aufwandsentschädigung nicht um eine nachweisbar reine Entschädigung für Verdienstausfall oder Zeitverlust bzw. den dem ehrenamtlichen Bürgermeister entstehenden Aufwand. Nur diese Beträge wären zur Überzeugung der Kammer nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zu deklarieren. Dabei hat die Beklagte richtigerweise einen Teil der Aufwandsentschädigung des Klägers zu 2. unberücksichtigt gelassen und insoweit der Tatsache, dass bei dem Kläger natürlich tatsächliche Aufwendungen entstehen, Rechnung getragen. Soweit dieser höhere tatsächliche Kosten nachweisen würde, wäre die Beklagte zur Überzeugung der Kammer auch verpflichtet, diese in höherem Umfang zu berücksichtigen. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Die durch die Beklagte vorgenommene Berücksichtigung eines Teils der Aufwandsentschädigung begegnet daher seitens der Kammer keinen Bedenken.
Letztlich begegnet auch die durch die Beklagte vorgenommene Anhörung im Sinne des § 24 SGB X keinen Bedenken, denn die Beklagte hat den Klägern Gelegenheit gegeben, sich zu den relevanten Umständen zu äußern und die Äußerungsfrist wurde in nicht zu beanstandender Weise festgesetzt. Auch hat die Beklagte dargelegt, die Argumente der Kläger zur Kenntnis genommen und in ihren Bescheiden gewürdigt zu haben. Dies ist zur Überzeugung der Kammer ausreichend.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 143 SGG die Berufung zum Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zulässig, denn die Berufungsausschlussgründe des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG liegen hier nicht vor.
Die Kostenentscheidung ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus § 193 SGG, denn einer der Kläger war vorliegend im Fall einer positiven Entscheidung Versicherter, sodass die entsprechende gesetzliche Regelung des § 193 SGG hier Anwendung zu finden hat und nicht die gesetzlichen Regelungen des § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflichtigkeit des Klägers zu 2. als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde ... streitig.
Der ... 1947 geborene Kläger zu 2. war seit Oktober 1994 als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde ..., Verwaltungsgemeinschaft ... tätig und erhielt monatlich 767,- EUR. Am 12./13.01.2009 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch IV – SGB IV – bei der Klägerin zu 1. durch. Mit Schreiben vom 07.08.2009 nahm die Beklagte eine Anhörung der Klägerin zu 1. nach § 24 Sozialgesetzbuch X – SGB X – im Hinblick auf die beabsichtigte Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.294,66 EUR inkl. Säumniszuschlägen vor. Mit Bescheid vom 30.09.2009 stellte die Beklagte die Versicherungspflichtigkeit der Tätigkeit des Klägers zu 2. als ehrenamtlicher Bürgermeister fest und forderte Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.294,66 EUR inkl. 119,50 EUR Säumniszuschläge nach.
Sie führte aus, für die Bejahung der abhängigen Beschäftigung eines ehrenamtlichen Bürgermeisters genüge es, dass derselbe Leiter der Verwaltung sei. Dies sei auch in Sachsen-Anhalt nach §§ 63, 78, 79 Gemeindeordnung Land Sachsen-Anhalt – GO LSA – der Fall. Diese finde auf den Kläger zu 2. Anwendung, welcher daher nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch V – SGB V – in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch XI – SGB XI – in Verbindung mit § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI – SGB VI – in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung versicherungspflichtig sei. Aus Vertrauensschutzgründen verbleibe es bis zum Ablauf der Amtszeit am 30.06.2008 bei der Versicherungsfreiheit, danach liege Versicherungspflicht vor, da das Arbeitsentgelt 400,- EUR monatlich übersteige, wobei 175,- EUR anrechnungsfrei blieben.
Am 26.10.2009 erhob die Klägerin zu 1. Widerspruch.
Sie gab an, die Anhörung nach § 24 SGB X sei nicht ordnungsgemäß, sondern lediglich formell erfolgt, denn die Beklagte habe die Argumente der Klägerin zu 1. nicht einbezogen. Auch liege keine versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers zu 2. vor, denn alle Verwaltungsaufgaben seien auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen und der Kläger zu 2. habe lediglich repräsentative Aufgaben und entscheide politisch. Auch könne die Tätigkeit des Klägers zu 2. nicht Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleichgestellt werden. Letztlich sei die Höhe der Beitragsforderung falsch, denn der Kläger zu 2. erhalte kein Entgelt, sondern eine pauschale Aufwandsentschädigung.
Mit Schreiben vom 17.06.2010 nahm die Beklagte eine Anhörung des Klägers zu 2. im Hinblick auf die beabsichtigte Feststellung der Versicherungspflichtigkeit seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister vor. Mit Bescheid vom 23.07.2010 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 2. dessen Versicherungspflichtigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister fest und wiederholte in der Begründung die Bescheidausführungen vom 30.09.2009. Am 01.09.2010 erhob der Kläger zu 2. Widerspruch. Mit Bescheid vom 03.08.2011 reduzierte die Beklagte die Rückforderungssumme auf 1.269,57 EUR. Mit Widerspruchsbescheiden vom 27.10.2011 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück.
In ihrer Begründung wiederholte die Beklagte die Bescheidausführungen.
Die Kläger haben ihre Begehren mit den am 14.11.2011 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klagen weiterverfolgt.
In der Begründung wiederholen sie die Ausführungen der Widersprüche und ergänzen, eine Vergleichbarkeit sachsen-anhaltinischer mit sächsischen Bürgermeistern sei nicht gegeben, denn in Sachsen seien Bürgermeister stets Leiter der Gemeindeverwaltung, in Sachsen-Anhalt nur die hauptamtlichen Bürgermeister, daher komme es in Sachsen-Anhalt darauf an, ob die Verwaltungsaufgaben überwögen. Ein Abstellen auf die bloße Möglichkeit, sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten auszuüben, sei nicht gerechtfertigt. Tatsächlich seien die ehrenamtlichen Bürgermeister nicht verwaltend tätig. Auch seien die ehrenamtlichen Bürgermeister nicht Dienstvorgesetzte des Verwaltungsamtsleiters, sondern nach § 79 Abs. 3 GO LSA der Gemeinschaftsausschuss. Die Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sei insoweit nicht nachzuvollziehen. Letztlich diene die Aufwandsentschädigung dem Ausgleich des besonderen Sachaufwandes.
Die Kläger beantragen,
die Bescheide der Beklagten vom 30.09.2009, 23.07.2010 und 03.08.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Das Sozialgericht Halle hat mit Beschluss vom 21.11.2011 die Verfahren S 3 R 1155/11 und S 13 R 1156/11 nach § 113 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten (AZ: 03929031 Gemeinde ...) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und der Kammer bei der Beratung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht durch die Kläger vor dem Sozialgericht Halle erhoben worden, denn durch die Klageerhebungen vom 14.11.2011 gegen die Widerspruchsbescheide vom 27.10.2011 werden die Klagefristen des § 87 SGG gewahrt.
Die Klagen sind jedoch unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 30.09.2009, 23.07.2010 und 03.08.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2011 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, denn die Beklagte hat mit diesen Bescheiden zu Recht die Versicherungspflichtigkeit der Tätigkeit des Klägers zu 2. als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde ... festgestellt und von der Klägerin zu 1. Gesamtsozialversicherungsbeträge in Höhe von 1.269,57 EUR zurückgefordert.
Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten ergibt sich dabei aus § 7 Abs. 1 SGB IV in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch dann gegeben, wenn ein Ehrenbeamter dem allgemeinen Erwerbsleben zugängige Verwaltungsaufgaben wahrnimmt und insoweit den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigungen erhält, wobei weder die Rechtsstellung des Klägers zu 2. als Ehrenbeamter noch die pauschale Aufwandsentschädigung die Annahme eines versicherungspflichtigen und damit auch beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließen. Dabei kommt es zur Überzeugung der Kammer nicht darauf an, ob ein ehrenamtlicher Bürgermeister die ihm rechtlich gegebenen Möglichkeiten tatsächlich selbst wahrnimmt oder ob diese Durchführung der Verwaltungsaufgaben auf den Verwaltungsleiter einer Verwaltungsgemeinschaft delegiert wird. Entscheidend ist insoweit vielmehr der dem ehrenamtlichen Bürgermeister gegebene gesetzliche Rahmen, d.h. die durch das Gesetz gegebenen Möglichkeiten einer Verwaltungstätigkeit; nur so ist die Einschätzung der Versicherungspflicht der Tätigkeit für den Sozialversicherungsträger, wie auch die Kommune und den Arbeitnehmer praktikabel.
Dabei ist festzuhalten, dass nach § 57 Abs. 2 GO LSA der Bürgermeister die Gemeinde vertritt und repräsentiert. Dies allein führt bei einer bloßen Repräsentation noch nicht zu einer Versicherungspflichtigkeit des Klägers zu 2., denn soweit ein ehrenamtlicher Bürgermeister nur Repräsentationsaufgaben wahrnehmen darf, liegt eine versicherungspflichtige Tätigkeit im Sinne der §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI nicht vor. Im Land Sachsen-Anhalt ist der Bürgermeister aber nach § 62 GO LSA für die Vorbereitung der Beschlüsse des Gemeinderates und seiner Ausschüsse sowie den Vollzug dieser Beschlüsse verantwortlich; auch hat er den Gemeinderat über alle wichtigen die Gemeinde betreffenden Angelegenheiten zu unterrichten und muss Beschlüssen des Gemeinderates widersprechen, wenn er der Auffassung ist, dass diese gesetzwidrig sind. Darüber hinaus kann er in dringenden Angelegenheiten anstelle des Gemeinderates allein entscheiden. Auch ist er nach § 63 GO LSA für die Ordnung der Verwaltung verantwortlich und nach § 63 Abs. 5 GO LSA Dienstvorgesetzter der Mitarbeiter der Gemeinde. Letztlich sind nach § 70 Abs. 1 GO LSA Erklärungen der Gemeinde nur rechtsverbindlich, wenn sie handschriftlich vom Bürgermeister unterzeichnet und mit dem Dienstsiegel versehen sind. Da es in Anbetracht dieser Aufgaben nur darauf ankommt, ob der Bürgermeister rechtlich die Möglichkeit hat, diese wahrzunehmen, ist die Übertragung auf die Verwaltungsgemeinschaft insoweit unschädlich. In Anbetracht dieser einem Bürgermeister grundsätzlich obliegenden Aufgaben und der Tatsache, dass die Gemeinde ... Arbeitnehmer beschäftigt, deren Dienstvorgesetzter der ehrenamtliche Bürgermeister ist, ist vorliegend offensichtlich, von der rein rechtlichen Möglichkeit, eine dem allgemeinen Erwerbsleben zugängige Verwaltungsaufgabe wahrzunehmen, auszugehen. Es handelt sich daher bei der Tätigkeit des ehrenamtlichen Bürgermeisters zur Überzeugung der Kammer um eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV, welche nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung eintreten lässt.
Bei der den ehrenamtlichen Bürgermeistern gezahlten Aufwandsentschädigung handelt es sich auch um Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, denn es handelt sich bei dieser pauschalierten Aufwandsentschädigung nicht um eine nachweisbar reine Entschädigung für Verdienstausfall oder Zeitverlust bzw. den dem ehrenamtlichen Bürgermeister entstehenden Aufwand. Nur diese Beträge wären zur Überzeugung der Kammer nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zu deklarieren. Dabei hat die Beklagte richtigerweise einen Teil der Aufwandsentschädigung des Klägers zu 2. unberücksichtigt gelassen und insoweit der Tatsache, dass bei dem Kläger natürlich tatsächliche Aufwendungen entstehen, Rechnung getragen. Soweit dieser höhere tatsächliche Kosten nachweisen würde, wäre die Beklagte zur Überzeugung der Kammer auch verpflichtet, diese in höherem Umfang zu berücksichtigen. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Die durch die Beklagte vorgenommene Berücksichtigung eines Teils der Aufwandsentschädigung begegnet daher seitens der Kammer keinen Bedenken.
Letztlich begegnet auch die durch die Beklagte vorgenommene Anhörung im Sinne des § 24 SGB X keinen Bedenken, denn die Beklagte hat den Klägern Gelegenheit gegeben, sich zu den relevanten Umständen zu äußern und die Äußerungsfrist wurde in nicht zu beanstandender Weise festgesetzt. Auch hat die Beklagte dargelegt, die Argumente der Kläger zur Kenntnis genommen und in ihren Bescheiden gewürdigt zu haben. Dies ist zur Überzeugung der Kammer ausreichend.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 143 SGG die Berufung zum Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zulässig, denn die Berufungsausschlussgründe des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG liegen hier nicht vor.
Die Kostenentscheidung ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus § 193 SGG, denn einer der Kläger war vorliegend im Fall einer positiven Entscheidung Versicherter, sodass die entsprechende gesetzliche Regelung des § 193 SGG hier Anwendung zu finden hat und nicht die gesetzlichen Regelungen des § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung.
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