L 5 KR 3091/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 3767/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3091/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.06.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für das Präparat DAOSIN durch die Beklagte.

Die 1938 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten im Februar 2011 die Übernahme der Kosten für die Versorgung mit den Präparaten Kreon und DAOSIN. Sie legte einen Arztbrief der Abteilung für Innere Medizin des B.-K.-Krankenhauses W. vom 07.02.2011 vor, in dem über eine stationäre Behandlung der Klägerin in der Zeit vom 24.01.2011 bis zum 08.02.2011 zur Abklärung chronischer Diarrhoen sowie Bauchschmerzen und Blähungen nach dem Verzehr von Käse, Salat oder Gemüse berichtet wurde. Diagnostiziert wurde unter anderem "chronische Diarrhoe bei leichter Pankreasinsuffizienz und Histaminunverträglichkeit". Als medikamentöse Therapie wurde die Einnahme von Kreon-Kapseln vor den Mahlzeiten und DAOSIN unmittelbar vor den Mahlzeiten empfohlen.

Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst (MDK), der in einer Stellungnahme vom 10.03.2011 ausführte, bei Kreon handele es sich nach Lauertaxe-online um ein apothekenpflichtiges, nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Als solches sei es von der Erbringung als Leistung der Krankenversicherung grundsätzlich ausgeschlossen. Nach den Arzneimittelrichtlinien seien ausnahmsweise Pankreasenzyme zur Behandlung chronischer, exokriner Pankreasinsuffizienz oder Mukoviszidose verordnungsfähig. Bei der Klägerin bestehe eine leichte Pankreasinsuffizienz. Damit erfülle sie diese Voraussetzungen nicht. DAOSIN sei nach Lauertaxe-online als Lebensmittel gelistet. Die Kostenübernahme von diätetischen Lebensmitteln sei nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die hier aber nicht vorlägen. Deshalb bestehe für dieses Präparat ebenfalls keine Leistungspflicht.

Mit Bescheid vom 15.03.2011 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung von Kreon und DAOSIN ab.

Aufgrund einer Intervention der behandelnden Hausärztin Dr. V.-B. befasste die Beklagte erneut den MDK. Die Beklagte ging ausweislich der Anfrage an den MDK vom 08.04.2011 nunmehr von einer Erstattungsfähigkeit von Kreon aus. Der MDK hielt in seinem am 26.04.2011 erstellten Zweitgutachten an seiner Beurteilung fest, dass weder Kreon noch DAOSIN erstattungsfähig seien.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 03.05.2011 das Ergebnis der erneuten Begutachtung durch den MDK mit und lehnte die Kostenübernahme für DAOSIN erneut ab.

Den dagegen von der Klägerin am 23.05.2011 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2011 mit der Begründung zurück, das Präparat DAOSIN könnte nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht beansprucht werden.

Dagegen erhob die Klägerin am 12.07.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg. Zur Begründung macht sie geltend, sie leide unter einer chronischen Histaminunverträglichkeit aufgrund eines Bauchspeicheldrüsendefekts. Diese Erkrankung führe zu chronischen Diarrhöen, starken Bauchschmerzen und Blähungen, die immer wieder nach dem Verzehr von Käse, Salat oder Gemüse aufträten. Verbunden sei dies mit heftigen Kopfschmerzen, Schwindel und Herzrasen. Ärztlicherseits bestehe die dringende Erforderlichkeit der Zuführung von Kreon und DAOSIN. Sie sei dauerhaft auf die Einnahme dieser Präparate angewiesen. Aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse sei sie nicht in der Lage die monatlichen Kosten in Höhe von ca. 100,- EUR zu tragen. Die Klägerin legte eine vertragsärztliche Verordnung für DAOSIN Kapseln vom 09.01.2012 vor und teilte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 16.08.2012 mit, dass sie das Präparat Kreon derzeit erhalte und insoweit eine gerichtliche Klärung nicht mehr erforderlich sei. Sie berief sich auf die Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), wonach bei der ausnahmsweisen Verordnung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen sei. Dies werde bei der Entscheidung über die Kostenübernahme für DAOSIN nicht beachtet. Dieses Präparat verbessere ihre gesundheitliche Situation in erheblichem Maße. Der Fehler des Gesetzgebers bei der Listung der Ausnahmen nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V könne durch das Sozialgericht kompensiert werden.

Die Beklagte entgegnete hierzu, der MDK habe bestätigt, dass DAOSIN (Wirkstoff Protein-Extrakt mit Diaminoxidase) als Lebensmittel zu bewerten sei. Die Versorgung mit Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und anderen diätetischen Lebensmitteln gehöre grundsätzlich nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, Dies gelte auch dann, wenn der Versicherte aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht dazu in der Lage sei, die Kosten einer entsprechenden Versorgung zu tragen. Die Absicherung des wirtschaftlichen Grundbedarfs gehöre nicht zum Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Die fehlende Einbeziehung von Lebensmitteln in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung sei auch mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar. Das SGB V habe Lebensmittel grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen und sie dem Bereich der Eigenverantwortung der Versicherten zugeordnet. Eine verfassungsrechtlich gebotene Notwendigkeit für die Kostenübernahme von DAOSIN werde nicht gesehen.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 27.06.2013 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrten Präparate Kreon und DAOSIN. Versicherte hätten Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen seien, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen (§ 31 Abs. 1 S. 1 SGB V). Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel seien von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen (§ 34 Abs. 1 S. 1 SGB V). Der Gemeinsame Bundesausschuss lege in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten würden, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden könnten (§ 34 Abs. 1 S. 2 SGB V). Kreon sei ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel und wäre deshalb nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 S. 2 SGB V von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst. Nach Nr. 36 der Anl. I zum Abschnitt F der vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach §§ 34, Abs. 1 S. 2, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V erlassenen Arzneimittelrichtlinien (Arzneimittelrichtlinien vom 18.12.2008, BAnz 2009 Nr. 49 a) seien Pankreasenzyme zur Behandlung der chronischen, exokrinen Pankreasinsuffizienz oder Mukoviszidose sowie zur Behandlung der funktionellen Pankreasinsuffizienz nach Gastrektomie bei Vorliegen einer Steatorrorrhoe zugelassen. Eine derartige Indikation liege jedoch unter Berücksichtigung der sich im Arztbrief des B.-K.-Krankenhauses findenden Diagnosen, wie im Gutachten des MDK für die Kammer nachvollziehbar dargelegt sei, nicht vor. Bei DAOSIN handele es sich um ein als Lebensmittel zu qualifizierendes Produkt. Das SGB V habe Lebensmittel jedoch grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen und dem Bereich der Eigenverantwortung zugeordnet. Die Krankenkassen seien weder nach dem SGB V noch aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar sei (BVerfGE 115, 25;BVerfG NJW 1997, 3085; BSGE 96, 153; BSGE 100, 103; BSGE 109, 218). Nach § 31 Abs. 5 S. 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung, wenn eine diätetische Intervention mit bilanzierten Diäten medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Der Gemeinsame Bundesausschuss lege in Richtlinien nach § 92 Absatz 1 S. 2 Nr. 6 SGB V fest, unter welchen Voraussetzungen welche bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung vom Vertragsarzt verordnet werden könnten und veröffentliche im Bundesanzeiger eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Produkte. Nach § 6 S. 1 der Arzneimittelrichtlinien seien Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, sogenannte Krankenkost und diätische Lebensmittel einschließlich Produkte für Säuglinge oder Kleinkinder von der Versorgung ausgeschlossen. Das Nähere regelten die §§ 19 ff. der Arzneimittelrichtlinien (§ 6 S. 3 Arzneimittelrichtlinien). Da jedoch eine Ausnahmeindikation nach § 19 Arzneimittelrichtlinien für die Verordnung von DAOSIN nicht in Betracht komme, scheide eine Leistungsverpflichtung der Beklagten aus.

Gegen das ihrer Bevollmächtigten am 04.07.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.07.2013 Berufung einlegen lassen. Sie lässt darauf hinweisen, dass das Sozialgericht zu Unrecht auch über das Präparat Kreon entschieden habe, obwohl die Klage insoweit zurückgenommen worden sei. Der Tenor hierzu sei aufzuheben. Sie lässt weiter vortragen, dass DAOSIN für sie ein Arzneimittel sei und für sie die Bedeutung eines solchen habe. Deshalb sei eine Ausnahme vom Leistungskatalog der Krankenkassen notwendigerweise indiziert. Ohne die Behandlung mit DAOSIN würden ihre gesundheitlichen Beschwerden so erheblich zunehmen, dass eine stationäre Behandlung erforderlich werde. Sie hat ein ärztliches Attest des Arztes für Innere Medizin Dr. S. vom 16.08.2013 vorgelegt, wonach als Ursache für die rezidivierenden Bauchschmerzen eine exokrine Pankreasinsuffizienz und eine Histaminintoleranz in Frage komme. Eine Substitution mit DAOSIN oder eine dauerhafte Behandlung mit einem H1 und H2 Blocker sei medizinisch dringend indiziert. Unter der Einnahme von DAOSIN und Pankreasenzymen sei die Klägerin beschwerdefrei. Eine Kostenzusage sollte daher erfolgen. Ferner hat die Klägerin eine ärztliche Erklärung der Allgemeinärztin Dr. V.-B. vom 08.10.2013 vorgelegt, wonach es für das Präparat DAOSIN kein entsprechendes Äquivalent gebe. Die Klägerin lässt ferner darauf verweisen, dass im Rahmen von zivilgerichtlichen Klagen bereits entschieden worden sei, dass die Kostenübernahme für DAOSIN zu erfolgen habe, und legt ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt vom 12.05.2003 vor.

Die Klägerin beantragt.

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.06.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 15.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.06.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr das Präparat DAOSIN zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts hinsichtlich der Ablehnung der Kostenübernahme von DAOSIN für zutreffend. Soweit auch über Kreon entschieden worden sei, sei die Klägerin dadurch, auch unter Kostengesichtspunkten, nicht beeinträchtigt. Das vorgelegte Urteil des Amtsgerichts Frankfurt betreffe nicht das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit am 12.09.2014 mit den Beteiligten erörtert. Die Beteiligten haben in diesem Termin zu Protokoll erklärt, dass sie auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Soweit im Urteil des Sozialgerichts auch über das Präparat Kreon entschieden wurde, geht die Entscheidung des Sozialgerichts ins Leere, da die Frage der Kostenübernahme für dieses Präparat nach Rücknahme der Klage insoweit nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits war. Die Klägerin ist dadurch aber weder in der Sache noch kostenmäßig beschwert, so dass es einer Korrektur des erstinstanzlichen Urteils bei einem insgesamt klageabweisenden Tenor nicht bedarf.

Streitgegenständlich ist daher auch im Berufungsverfahren allein die Frage der Kostenübernahme für DAOSIN durch die Beklagte. Einen Anspruch hierauf hat die Klägerin nicht. Das Sozialgericht hat die Klage insoweit zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts und nimmt auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren ist ergänzend noch Folgendes auszuführen:

Es ist für die Frage der Kostenübernahme nicht von Bedeutung, dass die Klägerin selbst das Präparat DAOSIN als Arzneimittel ansieht. DAOSIN ist nach Auskunft des MDK in den Stellungnahmen vom 10.03.2011 und vom 26.04.2011 als Lebensmittel gelistet.

Die Klägerin hat gemäß § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Anspruch auf Krankenbehandlung. Dazu gehört nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Hierzu bestimmt § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V, dass Versicherte Anspruch auf die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln haben, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB V, der durch Art. 1 Ziff. 1a. Buchst. c) des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG, BGBl I S. 2426) mit Wirkung zum 01.01.2009 eingefügt wurde, haben Versicherte Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Versorgung, wenn die diätische Intervention mit bilanzierten Diäten medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist.

Das Präparat DAOSIN ist aber weder als Arzneimittel im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V erstattungsfähig, noch handelt es sich um eine bilanzierte Diät zur enteralen Versorgung i. S. v. § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB V.

Entgegen der Auffassung der Klägerin gehört DAOSIN nicht zu den erstattungsfähigen Arzneimitteln. Nach der Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im und am menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Diese weit gefasste Begriffsdefinition erfasst unter dem Gesichtspunkt der Verhütung von Krankheiten grundsätzlich auch jegliche Stoffe, die der Ernährung des Menschen dienen. Eine Eingrenzung erfährt der Arzneimittelbegriff daher in § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG, wonach Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LBFG) keine Arzneimittel sind. § 2 Abs. 2 LBFG verweist auf den Lebensmittelbegriff des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Danach sind "Lebensmittel" alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Nicht zu den Lebensmitteln gehören Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG des Rates. Die begriffliche Abgrenzung zwischen Lebens- und Arzneimittel kann hier aber letztlich dahinstehen, denn das Bundessozialgericht hat vor dem Hintergrund dieser Rechtslage in seinen Urteilen vom 28.02.2008 - B 1 KR 16/07 - und vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/07 KR R - (jeweils Juris) ausgeführt, dass für den Fall, dass nach der europarechtlichen Begriffsbestimmung bei dem dort streitgegenständlichen "Lorenzos Öl" von einem Arzneimittel auszugehen wäre, dieses als Fertigarzneimittel nach § 4 Abs. 1 AMG der Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG bedürfte (daran festhaltend: BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - in Juris, zu eiweißreduzierter Diätnahrung). Entsprechendes gilt auch für DAOSIN. Selbst wenn es sich dabei um Arzneimittel i.S.d. § 2 des AMG handeln sollte, bedürfte es, um erstattungsfähig zu sein, einer arzneimittelrechtlichen Zulassung, die aber ersichtlich nicht vorliegt.

(Fertig-)Arzneimittel (§§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 AMG) bedürfen gem. § 21 Abs. 1 AMG grundsätzlich der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Ist die arzneimittelrechtliche Zulassung erteilt und sind damit Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach § 1 AMG im dafür vorgesehenen Verwaltungsverfahren nachgewiesen, ist von der gesetzlich geforderten Arzneimittelsicherheit bzw. krankenversicherungsrechtlich von der Qualität und Wirksamkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) und regelmäßig (wenngleich nicht immer: vgl. etwa BSG Urt. v. 01.03.2011 – B 1 KR 7/10 R) auch von der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 12 Abs. 1 SGB V) des Arzneimittels auszugehen. Ist die arzneimittelrechtliche Zulassung hingegen nicht erteilt, ist das Arzneimittel vom Leistungsanspruch des Versicherten grundsätzlich nicht umfasst. Zu Qualität und Wirkungsweise eines Arzneimittels müssen nämlich zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne vorliegen, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Dieser Wirksamkeitsnachweis ist im Rahmen eines Arzneimittelzulassungsverfahrens zu erbringen, so dass aus einer nicht bestehenden Zulassung auf eine nicht vorhandene Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit geschlossen werden kann (vgl. BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R; Urt. v. 18.05.2004 – B 1 KR 21/02 R; Urt. v. 27.09.2005 – B 1 KR 6/04 R).

Ist das streitgegenständliche Präparat DAOSIN mangels arzneimittelrechtlicher Zulassung nicht als Arzneimittel, sondern stattdessen als Lebensmittel zu qualifizieren, unterfällt die Versorgung hiermit nicht dem Leistungskatalog der GKV. Die Versorgung mit Lebensmitteln gehört grundsätzlich nicht zu den Aufgaben der GKV. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt, dass dieser Leistungsausschluss mit höherrangigem Recht vereinbar ist (BSG, Urteil vom 08.11.2011, a.a.O. m.w.N.). Auch ein Ausnahmefall einer bilanzierten Diät zur enteralen Ernährung i.S.v. § 31 Abs. 5 SGB V liegt nicht vor. In § 6 der Arzneimittelrichtlinien (AMRL) in der Fassung vom 18.12.2008/22.1.2009, zuletzt geändert am 17.12.2009, in Kraft getreten am 12.3.2010 (BAnZ 2010 Nr. 39 S. 996) wird hierzu ausgeführt, dass Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, sog. Krankenkost und diätetische Lebensmittel, einschließlich Produkten für Säuglinge oder Kleinkinder von der Versorgung nach § 27 SGB V ausgeschlossen sind (Satz 1). Versicherte haben einen Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung, wenn eine diätetische Intervention mit bilanzierten Diäten medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist (Satz 2). Nach § 31 Abs. 5 Satz 2 SGB V legt hierzu der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V fest, unter welchen Voraussetzungen welche bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung vom Vertragsarzt verordnet werden können und veröffentlicht im Bundesanzeiger eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Produkte. Der GBA hat diesen Auftrag des Gesetzgebers in seiner Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung umgesetzt (vgl. AM-RL idF vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009, Nr. 49a, in Kraft getreten am 01.04.2009, Kapitel I.: Gesetzlich zugelassene Ausnahmen zur Verordnungsfähigkeit von Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysaten, Elementardiäten (Trinknahrung) und Sondennahrung - Enterale Ernährung -). Zu diesen speziellen Ausnahmefällen der enteralen (künstlichen) Ernährung nach § 31 Abs. 5 SGB V, in denen die Versorgung mit Lebensmitteln ausnahmsweise in den Leistungskatalog der GKV fällt, gehört DAOSIN nicht. Es ist weder eine Aminosäuremischung noch ein Eiweißhydrolysat, noch eine Elementardiät (Trinknahrung) oder Sondennahrung.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt vom 12.05.2003 berufen, da dieses - worauf die Beklagte bereits hingewiesen hat - nicht zum Recht der GKV, sondern zur beamtenrechtlichen Fürsorge ergangen ist. Der strenge Maßstab des SGB V zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln kommt dort nicht zum Tragen. Darauf kann sich die Klägerin in ihrem Rechtsverhältnis zur Beklagten jedoch nicht berufen.

Das BSG hat in seinem Urteil vom 08.11.2011 (a.a.O.) schließlich nochmals ausdrücklich festgestellt, dass die gesetzliche Konzeption, Lebensmittel innerhalb der GKV der Eigenverantwortung des Versicherten zuzuweisen, nicht zu unzumutbaren, verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Belastungen des Versicherten führt. Ein Anspruch gegen die GKV besteht danach selbst dann nicht, wenn ein Versicherter nicht hinreichend leistungsfähig ist, sich selbst mit Lebensmitteln und einfacher Diätnahrung zu versorgen, wenn dies zur Vermeidung schwerwiegender Störungen oder des Todes unverzichtbar ist. Das BSG verweist auch für diese Fälle auf die gesetzlichen Ansprüche gegen die Sozialleistungsträger, zu deren Aufgaben die Existenzsicherung des Einzelnen im Falle der Bedürftigkeit zähle.

Die Berufung der Klägerin konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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