Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1378/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5115/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11.11.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1956 geborene Klägerin - ohne abgeschlossene Berufsausbildung - hat nach der Reifeprüfung 5 Jahre Medizin studiert (ohne Abschluss) und von 2007 bis 2008 eine Ausbildung zur Heilpraktikerin absolviert. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung hatte sie zuletzt von August 2006 bis Mai 2009 als sozialpädagogische Assistentin in der Kinderbetreuung ausgeübt.
Am 26.04.2012 beantragte die Klägerin (nach Ablehnung eines ersten Rentenantrags vom 17.01.2011 durch Bescheid vom 25.02.2011) erneut Rente wegen Erwerbsminderung; sie halte sich wegen der Folgen von Motorrad- bzw. Autounfällen am 30.04.2000, 31.08.2009 und 2.12.2011 und der darauf beruhenden (vor allem) orthopädischen Erkrankungen für erwerbsgemindert.
Die Beklagte zog Arztunterlagen bei (u.a. Aktengutachten für die Agentur für Arbeit R. vom 26.03.2012: vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen) und erhob das Gutachten des Orthopäden Dr. M. vom 30.07.2012. Dieser erhob die Anamnese, befragte die Klägerin insbesondere zu ihren jetzigen Beschwerden (u.a. vermehrt Schmerzen seit einem Verkehrsunfall 12/2011), untersuchte die Klägerin und diagnostizierte eine Cervicobrachialgie beidseits, rechts mehr als links, ohne segmentalen Ausfall, eine chronisch rezidivierende Lumboischialgie rechts ohne segmentalen Ausfall bei Bandscheibenschaden L4/5, L5/S1, Omalgie rechts mit aktiver Teilsteife bei mäßiger Degeneration, Hallux valgus beidseits, rechts mehr als links, bei Senk-Spreizfuß und Adipositas. Die Wirbelsäule sei statisch normal und funktional nahezu altersentsprechend. Für die LWS sei kernspintomographisch ein NPP in den Etagen L4/5 und L5/S1 bekannt, was Beschwerden begründen könne, für die HWS sei im NMR als Pathologie eine Protrusio C6/6 altersentsprechend nicht unüblich. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Einschränkungen (keine Zwangshaltungen, keine Überkopfarbeiten, kein ständiges Beugen und Anheben von Lasten, keine Kälte, Nässe und Zugluft, keine Wechselschicht mit Nachtschicht, bei entsprechendem Pollenflug ggf. keine Arbeit im Freien) 6 Stunden täglich und mehr verrichten und in gleichem Umfang als Heilpraktikerin arbeiten.
Mit Bescheid vom 23.08.2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs machte die Klägerin geltend, sie könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erwerbstätig sein. Mit dem rechten Arm könne sie Lasten nicht halten oder tragen. Außerdem seien nicht alle Diagnosen (HWS-Fraktur, Impingementsyndrom, Bandscheibenvorfall L4/5, L5/S1, chronische Rückenschmerzen, Bein- und Fußschmerzen rechts) berücksichtigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie (ergänzend) aus, Erwerbsminderungsrente stehe der Klägerin nicht zu, da sie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden täglich und mehr verrichten und in gleichem Umfang (wie zuletzt) als sozialpädagogische Assistentin in der Kinderbetreuung arbeiten könne. Für die Gewährung von Erwerbsminderungsrente seien (rentenberechtigende) Leistungseinschränkungen und nicht Diagnosen für sich allein maßgeblich.
Am 03.06.2013 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Konstanz. Eine Klagebegründung wurde (nach Akteneinsicht) nicht vorgelegt; auch eine (vom Sozialgericht mit Verfügung vom 17.06.2013 angeforderte) Erklärung über die Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht legte die Klägerin nicht vor.
Mit Verfügung vom 02.10.2013 teilte das Sozialgericht der Klägerin mit, die Klage sei bislang nicht begründet worden. Außerdem sei eine Erklärung über die Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht nicht übersandt worden. Daher sei die Befragung der behandelnden Ärzte nicht möglich. Es sei beabsichtigt über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Verfügung wurde der Klägerin (ihrem Prozessbevollmächtigten) am 09.10.2013 zugestellt. Die Klägerin äußerte sich hierauf nicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.11.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Klägerin stehe Erwerbsminderungsrente (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) nicht zu. Die bei ihr vorliegenden orthopädischen Erkrankungen stünden einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Das gehe aus dem Verwaltungsgutachten des Dr. M. vom 30.07.2012 überzeugend hervor. Weitere Ermittlungen seien nicht anzustellen. Die Klägerin habe weder aktuelle Arztberichte vorgelegt noch die behandelnden Ärzte benannt und von der Schweigepflicht entbunden; diese hätten deshalb nicht befragt werden können. Eine Klagebegründung sei nicht vorgelegt worden. Die Erhebung eines (orthopädischen) Gutachtens sei ohne vorherige Befragung der behandelnden Ärzte nicht angezeigt. Die entsprechenden Vorermittlungen habe die Klägerin jedoch ohne nachvollziehbaren Grund vereitelt.
Auf den ihr am 20.11.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.11.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, sie leide unter Cervicobrachialgie, Lumbalgie und Omalgie, wodurch ihre Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt sei. Am 31.08.2009 habe sie eine Motorradunfall erlitten, bei dem es zu Bandscheibenvorfällen mit operativ entfernten Sequestern gekommen sei. Bei einem weiteren Verkehrsunfall im Jahr 2011 habe sie eine HWS-Distorsion, eine Gehirnerschütterung, eine Handgelenksprellung rechts, eine Knieprellung rechts, ein Impingement-Syndrom und einen Schultergelenkserguss erlitten. Dr. M. sei auf ihre Beschwerden nicht ausreichend eingegangen und habe lediglich ohne nähere Begründung ausgeführt, sie könne vollschichtig arbeiten. Außerdem handele es sich bei seinem Gutachten um ein Parteigutachten und es müsse an der Objektivität des Dr. M. gezweifelt werden. Das Sozialgericht hätte prüfen müssen, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege; dazu hätte Anlass bestanden und es wären entsprechende Ermittlungen durchzuführen gewesen. Entsprechendes gelte für die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) und für die Frage der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11.11.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.05.2013 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch.
Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 43 SGB VI) das Rentenbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:
Aus dem Verwaltungsgutachten des Orthopäden Dr. M. vom 30.07.2012 geht auch für den Senat überzeugend hervor, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Dr. M. hat die Klägerin eingehend untersucht und die erhobenen Befunde und die gestellten Diagnosen in seinem Gutachten festgehalten. Die Folgen der Verkehrsunfälle der Klägerin - auch des Unfalls im Dezember 2011 - hat der Gutachter berücksichtigt und hinsichtlich ihrer sozialmedizinischen (rentenrechtlichen) Beachtlichkeit gewürdigt. Eine rentenberechtigende quantitative (zeitliche) Leistungseinschränkung hat er nicht festgestellt. Auch bei der Arbeitsverwaltung war in einem Aktengutachten vom 26.03.2012 vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten festgestellt worden; das untermauert die Einschätzung des Dr. M. zusätzlich. Dass es sich bei dem Gutachten des Dr. M. um ein Verwaltungsgutachten handelt, steht der Verwertung des Gutachtens im Gerichtsverfahren (im Wege des Urkundenbeweises) nicht entgegen (vgl. etwa Meyer/Ladewig, SGG § 128 Rdnr. 7f ). Entsprechendes gilt für die von der Klägerin - ohne nähere Begründung, insbesondere ohne Geltendmachung eines Ablehnungsgrunds (§ 21 Abs. 3 Satz 3 SGB X i. V. m. § 406 ZPO) - geäußerten (bloßen) Zweifel an der Objektivität des Gutachters (vgl. auch etwa - für Gerichtsgutachter - LSG Bayern, Beschl., v. 29.04.2014, L 15 SF 60/14 AB). Anhaltspunkte für das - ebenfalls ohne nähere Begründung (etwa aus - neuen -Befunden) pauschal behauptete - Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sind nicht festgestellt, insbesondere dem Gutachten des Dr. M. nicht zu entnehmen. Die in diesem Gutachten postulierten qualitativen Leistungseinschränkungen kennzeichnen (lediglich) die der Klägerin noch möglichen leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts. Hinweise auf eine Einschränkung der Wegefähigkeit oder die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen sind weder ersichtlich noch dargetan (vgl. dazu etwa Senatsurteil vom 04.09.2013, L 5 R 3174/12 m N.).
Stichhaltige Einwendungen gegen die Feststellungen des Gutachters Dr. M. hat die Klägerin nicht vorgetragen und auch neue medizinische Befunde oder Erkenntnisse, die Anlass für weitere Ermittlungen geben könnten, nicht geltend gemacht. Im sozialgerichtlichen Verfahren hat die Klägerin schon (Vor-)Ermittlungen durch das Sozialgericht nicht ermöglicht, da sie eine Erklärung über die Entbindung der behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht nicht abgegeben hat, obwohl das Sozialgericht sie durch Verfügungen vom 17.06.2013 und vom 02.10.2013 dazu aufgefordert und in der Verfügung vom 02.10.2013 außerdem darauf hingewiesen hatte, ohne Schweigepflichtentbindungserklärung könnten die behandelnden Ärzte nicht befragt werden und es sei beabsichtigt, über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Auch eine Klagebegründung hatte die Klägerin nicht abgegeben. Im Berufungsverfahren drängen sich dem Senat bei gegebener Sachlage insbesondere angesichts des Gutachtens des Dr. M. weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht, wie die Befragung behandelnder Ärzte (eine nach wie vor nicht vorliegende Schweigepflichtentbindungserklärung vorausgesetzt) oder die Erhebung von Gerichtsgutachten, nicht auf. Die Klägerin hat zur Begründung der Berufung lediglich auf die bereits von Dr. M. im Verwaltungsverfahren in sozialmedizinischer Hinsicht - aus ihrer Sicht fehlerhaft - gewürdigten (orthopädischen) Erkrankungen hingewiesen, Neues jedoch nicht vorgetragen und auch neue Befunde oder neue ärztliche Erkenntnisse nicht angeführt und substantiierte Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. M. nicht erhoben. Auch im Berufungsverfahren ist eine Schweigepflichtentbindungserklärung nicht vorgelegt worden. Vielmehr hat sich die Klägerin mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt und damit auch zum Ausdruck gebracht, dass auf Grund des bisherigen Sach- und Streitstands entschieden werden kann. Sie hat, freilich pauschal und ohne nähere Substantiierung, die (vom Sozialgericht aus ihrer Sicht zu Unrecht) unterlassene Prüfung des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung bzw. des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gerügt und (berufskundliche) Ermittlungen zur Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts gefordert. Für beides bestand und besteht indessen kein Anlass, da die von Dr. M. erhobenen Befunde und die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen das der Klägerin zugängliche Arbeitsfeld für leichte Tätigkeiten nicht (zusätzlich) erheblich einengen (vgl. dazu etwa KassKomm/Gürtner, SGB VI § 43 Rdnr. 47) und es angesichts des festgestellten sechsstündigen Leistungsvermögens auf die Verhältnisse des Teilzeitarbeitsmarkts nicht ankommt. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kommt für die auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbare Klägerin nicht in Betracht. Berufsschutz (etwa als Facharbeiterin) ist weder substantiiert geltend gemacht noch ersichtlich.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1956 geborene Klägerin - ohne abgeschlossene Berufsausbildung - hat nach der Reifeprüfung 5 Jahre Medizin studiert (ohne Abschluss) und von 2007 bis 2008 eine Ausbildung zur Heilpraktikerin absolviert. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung hatte sie zuletzt von August 2006 bis Mai 2009 als sozialpädagogische Assistentin in der Kinderbetreuung ausgeübt.
Am 26.04.2012 beantragte die Klägerin (nach Ablehnung eines ersten Rentenantrags vom 17.01.2011 durch Bescheid vom 25.02.2011) erneut Rente wegen Erwerbsminderung; sie halte sich wegen der Folgen von Motorrad- bzw. Autounfällen am 30.04.2000, 31.08.2009 und 2.12.2011 und der darauf beruhenden (vor allem) orthopädischen Erkrankungen für erwerbsgemindert.
Die Beklagte zog Arztunterlagen bei (u.a. Aktengutachten für die Agentur für Arbeit R. vom 26.03.2012: vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen) und erhob das Gutachten des Orthopäden Dr. M. vom 30.07.2012. Dieser erhob die Anamnese, befragte die Klägerin insbesondere zu ihren jetzigen Beschwerden (u.a. vermehrt Schmerzen seit einem Verkehrsunfall 12/2011), untersuchte die Klägerin und diagnostizierte eine Cervicobrachialgie beidseits, rechts mehr als links, ohne segmentalen Ausfall, eine chronisch rezidivierende Lumboischialgie rechts ohne segmentalen Ausfall bei Bandscheibenschaden L4/5, L5/S1, Omalgie rechts mit aktiver Teilsteife bei mäßiger Degeneration, Hallux valgus beidseits, rechts mehr als links, bei Senk-Spreizfuß und Adipositas. Die Wirbelsäule sei statisch normal und funktional nahezu altersentsprechend. Für die LWS sei kernspintomographisch ein NPP in den Etagen L4/5 und L5/S1 bekannt, was Beschwerden begründen könne, für die HWS sei im NMR als Pathologie eine Protrusio C6/6 altersentsprechend nicht unüblich. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Einschränkungen (keine Zwangshaltungen, keine Überkopfarbeiten, kein ständiges Beugen und Anheben von Lasten, keine Kälte, Nässe und Zugluft, keine Wechselschicht mit Nachtschicht, bei entsprechendem Pollenflug ggf. keine Arbeit im Freien) 6 Stunden täglich und mehr verrichten und in gleichem Umfang als Heilpraktikerin arbeiten.
Mit Bescheid vom 23.08.2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs machte die Klägerin geltend, sie könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erwerbstätig sein. Mit dem rechten Arm könne sie Lasten nicht halten oder tragen. Außerdem seien nicht alle Diagnosen (HWS-Fraktur, Impingementsyndrom, Bandscheibenvorfall L4/5, L5/S1, chronische Rückenschmerzen, Bein- und Fußschmerzen rechts) berücksichtigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie (ergänzend) aus, Erwerbsminderungsrente stehe der Klägerin nicht zu, da sie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden täglich und mehr verrichten und in gleichem Umfang (wie zuletzt) als sozialpädagogische Assistentin in der Kinderbetreuung arbeiten könne. Für die Gewährung von Erwerbsminderungsrente seien (rentenberechtigende) Leistungseinschränkungen und nicht Diagnosen für sich allein maßgeblich.
Am 03.06.2013 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Konstanz. Eine Klagebegründung wurde (nach Akteneinsicht) nicht vorgelegt; auch eine (vom Sozialgericht mit Verfügung vom 17.06.2013 angeforderte) Erklärung über die Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht legte die Klägerin nicht vor.
Mit Verfügung vom 02.10.2013 teilte das Sozialgericht der Klägerin mit, die Klage sei bislang nicht begründet worden. Außerdem sei eine Erklärung über die Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht nicht übersandt worden. Daher sei die Befragung der behandelnden Ärzte nicht möglich. Es sei beabsichtigt über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Verfügung wurde der Klägerin (ihrem Prozessbevollmächtigten) am 09.10.2013 zugestellt. Die Klägerin äußerte sich hierauf nicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.11.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Klägerin stehe Erwerbsminderungsrente (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) nicht zu. Die bei ihr vorliegenden orthopädischen Erkrankungen stünden einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Das gehe aus dem Verwaltungsgutachten des Dr. M. vom 30.07.2012 überzeugend hervor. Weitere Ermittlungen seien nicht anzustellen. Die Klägerin habe weder aktuelle Arztberichte vorgelegt noch die behandelnden Ärzte benannt und von der Schweigepflicht entbunden; diese hätten deshalb nicht befragt werden können. Eine Klagebegründung sei nicht vorgelegt worden. Die Erhebung eines (orthopädischen) Gutachtens sei ohne vorherige Befragung der behandelnden Ärzte nicht angezeigt. Die entsprechenden Vorermittlungen habe die Klägerin jedoch ohne nachvollziehbaren Grund vereitelt.
Auf den ihr am 20.11.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.11.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, sie leide unter Cervicobrachialgie, Lumbalgie und Omalgie, wodurch ihre Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt sei. Am 31.08.2009 habe sie eine Motorradunfall erlitten, bei dem es zu Bandscheibenvorfällen mit operativ entfernten Sequestern gekommen sei. Bei einem weiteren Verkehrsunfall im Jahr 2011 habe sie eine HWS-Distorsion, eine Gehirnerschütterung, eine Handgelenksprellung rechts, eine Knieprellung rechts, ein Impingement-Syndrom und einen Schultergelenkserguss erlitten. Dr. M. sei auf ihre Beschwerden nicht ausreichend eingegangen und habe lediglich ohne nähere Begründung ausgeführt, sie könne vollschichtig arbeiten. Außerdem handele es sich bei seinem Gutachten um ein Parteigutachten und es müsse an der Objektivität des Dr. M. gezweifelt werden. Das Sozialgericht hätte prüfen müssen, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege; dazu hätte Anlass bestanden und es wären entsprechende Ermittlungen durchzuführen gewesen. Entsprechendes gelte für die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) und für die Frage der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11.11.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.05.2013 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch.
Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 43 SGB VI) das Rentenbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:
Aus dem Verwaltungsgutachten des Orthopäden Dr. M. vom 30.07.2012 geht auch für den Senat überzeugend hervor, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Dr. M. hat die Klägerin eingehend untersucht und die erhobenen Befunde und die gestellten Diagnosen in seinem Gutachten festgehalten. Die Folgen der Verkehrsunfälle der Klägerin - auch des Unfalls im Dezember 2011 - hat der Gutachter berücksichtigt und hinsichtlich ihrer sozialmedizinischen (rentenrechtlichen) Beachtlichkeit gewürdigt. Eine rentenberechtigende quantitative (zeitliche) Leistungseinschränkung hat er nicht festgestellt. Auch bei der Arbeitsverwaltung war in einem Aktengutachten vom 26.03.2012 vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten festgestellt worden; das untermauert die Einschätzung des Dr. M. zusätzlich. Dass es sich bei dem Gutachten des Dr. M. um ein Verwaltungsgutachten handelt, steht der Verwertung des Gutachtens im Gerichtsverfahren (im Wege des Urkundenbeweises) nicht entgegen (vgl. etwa Meyer/Ladewig, SGG § 128 Rdnr. 7f ). Entsprechendes gilt für die von der Klägerin - ohne nähere Begründung, insbesondere ohne Geltendmachung eines Ablehnungsgrunds (§ 21 Abs. 3 Satz 3 SGB X i. V. m. § 406 ZPO) - geäußerten (bloßen) Zweifel an der Objektivität des Gutachters (vgl. auch etwa - für Gerichtsgutachter - LSG Bayern, Beschl., v. 29.04.2014, L 15 SF 60/14 AB). Anhaltspunkte für das - ebenfalls ohne nähere Begründung (etwa aus - neuen -Befunden) pauschal behauptete - Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sind nicht festgestellt, insbesondere dem Gutachten des Dr. M. nicht zu entnehmen. Die in diesem Gutachten postulierten qualitativen Leistungseinschränkungen kennzeichnen (lediglich) die der Klägerin noch möglichen leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts. Hinweise auf eine Einschränkung der Wegefähigkeit oder die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen sind weder ersichtlich noch dargetan (vgl. dazu etwa Senatsurteil vom 04.09.2013, L 5 R 3174/12 m N.).
Stichhaltige Einwendungen gegen die Feststellungen des Gutachters Dr. M. hat die Klägerin nicht vorgetragen und auch neue medizinische Befunde oder Erkenntnisse, die Anlass für weitere Ermittlungen geben könnten, nicht geltend gemacht. Im sozialgerichtlichen Verfahren hat die Klägerin schon (Vor-)Ermittlungen durch das Sozialgericht nicht ermöglicht, da sie eine Erklärung über die Entbindung der behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht nicht abgegeben hat, obwohl das Sozialgericht sie durch Verfügungen vom 17.06.2013 und vom 02.10.2013 dazu aufgefordert und in der Verfügung vom 02.10.2013 außerdem darauf hingewiesen hatte, ohne Schweigepflichtentbindungserklärung könnten die behandelnden Ärzte nicht befragt werden und es sei beabsichtigt, über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Auch eine Klagebegründung hatte die Klägerin nicht abgegeben. Im Berufungsverfahren drängen sich dem Senat bei gegebener Sachlage insbesondere angesichts des Gutachtens des Dr. M. weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht, wie die Befragung behandelnder Ärzte (eine nach wie vor nicht vorliegende Schweigepflichtentbindungserklärung vorausgesetzt) oder die Erhebung von Gerichtsgutachten, nicht auf. Die Klägerin hat zur Begründung der Berufung lediglich auf die bereits von Dr. M. im Verwaltungsverfahren in sozialmedizinischer Hinsicht - aus ihrer Sicht fehlerhaft - gewürdigten (orthopädischen) Erkrankungen hingewiesen, Neues jedoch nicht vorgetragen und auch neue Befunde oder neue ärztliche Erkenntnisse nicht angeführt und substantiierte Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. M. nicht erhoben. Auch im Berufungsverfahren ist eine Schweigepflichtentbindungserklärung nicht vorgelegt worden. Vielmehr hat sich die Klägerin mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt und damit auch zum Ausdruck gebracht, dass auf Grund des bisherigen Sach- und Streitstands entschieden werden kann. Sie hat, freilich pauschal und ohne nähere Substantiierung, die (vom Sozialgericht aus ihrer Sicht zu Unrecht) unterlassene Prüfung des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung bzw. des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gerügt und (berufskundliche) Ermittlungen zur Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts gefordert. Für beides bestand und besteht indessen kein Anlass, da die von Dr. M. erhobenen Befunde und die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen das der Klägerin zugängliche Arbeitsfeld für leichte Tätigkeiten nicht (zusätzlich) erheblich einengen (vgl. dazu etwa KassKomm/Gürtner, SGB VI § 43 Rdnr. 47) und es angesichts des festgestellten sechsstündigen Leistungsvermögens auf die Verhältnisse des Teilzeitarbeitsmarkts nicht ankommt. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kommt für die auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbare Klägerin nicht in Betracht. Berufsschutz (etwa als Facharbeiterin) ist weder substantiiert geltend gemacht noch ersichtlich.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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