L 8 RA 13/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 15 RA 5618/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 13/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. März 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht eine Rente bereits von einem früheren Zeitpunkt an.

Die Klägerin ist 1929 in L geboren. Sie wohnt in Dänemark und besitzt seit April 1977 die dänische Staatsangehörigkeit.

Sie beantragte am 3. April 1991 die Gewährung eines Altersruhegeldes für Frauen gemäß § 25 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Die Beklagte leitete daraufhin eine Kontenklärung bezüglich der nach Angaben der Klägerin bis 1972 in L und später in Dänemark zurückgelegten Zeiten ein und forderte u.a. die Klägerin auf, Nachweise zu den in Dänemark zurückgelegten Zeiten vorzulegen.

Am 31. März 1992 rief die Klägerin ausweislich eines Aktenvermerks bei der Beklagten an und teilte mit, dass sie mit dem dänischen Versicherungsträger gesprochen und dieser ihr mitgeteilt habe, dass ihr deutscher Rentenantrag dem in Dänemark gewährten „Vorruhestandsgeld (EFTA-Lohn)“ entgegenstehe. Sie müsse daher den Rentenantrag zurücknehmen und werde sich erneut bei der Beklagten melden, sobald sich in ihren persönlichen Verhältnissen etwas ändere. Wahrscheinlich werde sie bei Erreichen des 67. Lebensjahres (Rentenbeginn in Dänemark) erneut einen Antrag stellen.

Mit Schreiben vom 1. April 1992 bestätigte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis des Telefonats, mit dem die Klägerin ihren Rentenantrag vom 3. April 1991 zurücknehme. Sie wies ferner darauf hin, dass aus diesem Antrag keine Rechtsansprüche mehr hergeleitet werden könnten und der dänische Versicherungsträger von der Antragsrücknahme verständigt werde. Weiter empfahl die Beklagte, nach Wegfall des Vorruhestandsgeldes und Bezug einer Rente in Dänemark - voraussichtlich bei Erreichen des 67. Lebensjahres - erneut einen Rentenantrag zu stellen.

Im Rahmen der fortgeführten Kontenklärung bat die Beklagte die Klägerin um weitere Angaben und Unterlagen, blieb aber trotz Erinnerung ohne weitere Antwort. Mit Schreiben vom 13. Januar 1993 wies die Beklagte darauf hin, dass infolge fehlender Mitwirkung eine abschließende Bearbeitung nicht möglich sei und angenommen werde, dass die Klägerin ihre Angelegenheit nicht weiterverfolgen wolle und schloss den Vorgang ab.

Am 28. November 1994 beantragte die Klägerin erneut in der Auskunfts- und Beratungsstelle H die Gewährung einer Altersrente nach den §§ 35 ff des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Nach Klärung des Versicherungskontos bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Januar 1997 eine Regelaltersrente ab 1. Dezember 1994.

Am 19. August 1997 legte die Klägerin Widerspruch ein und bat um Überprüfung. Sie verwies auf den Rentenantrag vom 3. April 1991, der von ihr nie wissentlich zurückgenommen worden sei. Auf Grund der ab 1991 fortwährenden Kommunikation im Rahmen der Kontenklärung sei sie nach wie vor von einer Weiterführung des Rentenverfahrens ausgegangen und bitte deshalb um Überprüfung des Rentenbeginns.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10. Oktober 1997 als unbegründet zurück und verwies auf die Vorschrift des § 99 SGB VI, der eine frühere Rentengewährung auf den Antrag vom 28. November 1994 nicht zulasse. Auf den früheren Rentenantrag vom 3. April 1991 könne nicht mehr abgestellt werden. Während der Durchführung des diesbezüglichen Rentenverfahrens habe die Klägerin am 31. März 1992 telefonisch erklärt, dass der deutsche Rentenantrag dem der Klägerin in Dänemark gewährten Vorruhestandsgeld entgegenstehe. Sie hätte keine andere Möglichkeit, als den deutschen Rentenantrag zurückzunehmen, um weiterhin die Vorruhestandsleistungen aus Dänemark zu beziehen. Weiterhin hätte sie mitgeteilt, dass sie sich erneut mit der Beklagten in Verbindung setzen würde, sobald in ihren persönlichen Verhältnissen eine Änderung eintreten würde. Die Rücknahme des Antrages habe die Beklagte am 1. April 1992 schriftlich bestätigt. Das fortgeführte Kontenklärungsverfahren sei auf Grund der fehlenden Mitwirkung der Klägerin ohne abschließende Bearbeitung beendet und die Klägerin hierüber mit Schreiben vom 13. Januar 1993 informiert worden. Angesichts der erst wieder am 28. November 1994 erfolgten Vorsprache könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin entsprechend ihrem Vorbringen im guten Glauben über ein weiterhin offenes Rentenverfahren gewesen sei. Gegen die klägerische Auffassung spreche auch, dass die Klägerin bei ihrer Vorsprache am 28. November 1994 den früheren Antrag nicht erwähnt habe und ihr Begehren als Rentenantrag aufgenommen worden sei.

Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt und weiterhin unter Bezugnahme auf den ihres Erachtens noch wirksamen Rentenantrag vom 3. April 1991 einen früheren Rentenbeginn beansprucht. Ihr sei von der Beklagten zugesichert worden, dass sie - die Klägerin - für den Zeitraum vom 60. bis zum 67. Lebensjahr von der Beklagten eine Rückzahlung erhalte, wenn sie das dänische Rentenalter erreicht habe. Auf die gerichtliche Anfrage, weshalb sie auf das Schreiben der Beklagten vom 1. April 1992 nicht geantwortet habe, hat die Klägerin nicht reagiert.

Sodann hat das SG nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 2. März 2001 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe der Klägerin mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht eine Regelaltersrente gemäß § 35 SGB VI im Hinblick auf die Vollendung des 65. Lebensjahres am 29. November 1994 und die Rentenantragstellung am 28. November 1994 in Anwendung des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ab dem 1. Dezember 1994 bewilligt. Ein Anspruch auf Gewährung einer Altersrente bzw. eines Altersruhegeldes für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres auf Grund des Antrags der Klägerin vom 3. April 1991 mit der Folge eines früheren Rentenbeginns bestehe dagegen nicht. Auf den ersten Antrag vom 3. April 1991 könne sich die Klägerin nicht mehr berufen. Bei einem Antrag auf eine Sozialleistung handele es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des öffentlichen Rechts, mit welcher der Antragsteller dem Leistungsträger gegenüber zum Ausdruck bringe, eine Sozialleistung in Anspruch nehmen zu wollen. Die Auslegung der Erklärung bzw. des Antrages erfolge gemäß §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der Antrag werde grundsätzlich formfrei gestellt (§ 9 SGB X). Entsprechend sei auch die Rücknahme eines Antrages als empfangsbedürftige Willenserklärung des öffentlichen Rechts anzusehen. Die Auslegung erfolge gleichfalls nach den §§ 133, 157 BGB; Formerfordernisse seien nicht ersichtlich. Der Antrag könne bis zum Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsaktes, mit dem über die begehrte Sozialleistung entschieden worden sei, zurückgenommen werden.

Den am 3. April 1991 gestellten Rentenantrag habe die Klägerin am 31. März 1992 zurückgenommen. An diesem Tage habe sie im Rahmen eines Telefonats wirksam ihren Rentenantrag zurückgenommen. Dies habe die Beklagte zur Klarstellung der Klägerin am folgenden Tag schriftlich mitgeteilt und gleichzeitig deutlich darauf hingewiesen, dass aus diesem Antrag keine Rechtsansprüche mehr hergeleitet werden könnten. Schließlich führe auch der Vortrag der Klägerin, ihr sei zugesichert worden, dass sie von der Beklagten für den Zeitraum vom 60. bis zum 67. Lebensjahr eine Rückzahlung erhalte, wenn sie das dänische Rentenalter erreiche, zu keiner anderen Beurteilung. Es fehle insoweit jedenfalls an der für die Wirksamkeit einer Zusicherung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderlichen Schriftform.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie weiterhin auf der Grundlage des Antrages vom 3. April 1991 die Gewährung einer Rente beansprucht. Sie wiederholt dazu im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen, wonach sie davon ausgegangen sei, dass ihr Rentenverfahren ruhe und ihr gesagt worden sei, sie erhalte nach Erreichen des Rentenalters in Dänemark eine Nachzahlung der deutschen Rente ab vollendetem 60. Lebensjahr.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. März 2001 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 1997 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Altersruhegeld auf Grund ihres Antrages vom 3. April 1991 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Auf den früheren Rentenantrag vom 3. April 2001 könne sich die Klägerin nach wirksamer Rücknahme nicht mehr berufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Rentenakte (Versicherungs-Nummer , die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Ein Anspruch auf Altersruhegeld oder Altersrente auf Grund des Rentenantrages vom 3. April 1991 für Zeiten vor dem 1. Dezember 1994 steht der Klägerin nicht zu.

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass nur der Rentenantrag vom 28. November 1994 Grundlage der Rentengewährung sein kann und die Bewilligung der Regelaltersrente ab 1. Dezember 1994 den gesetzlichen Bestimmungen entspricht (vgl. § 99 SGB VI).

Auf die frühere Antragstellung vom 3. April 1991 zur Begründung eines Rentenanspruchs vor dem 1. Dezember 1994 kann entgegen der klägerischen Auffassung nicht abgestellt werden. Das SG hat dazu zutreffend die Gesichtspunkte angeführt, die die Annahme einer Rücknahme rechtfertigen, so dass der Senat darauf zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Dass das Verfahren entgegen dem Schreiben vom 1. April 1992 ruhen sollte und der Klägerin zugesichert worden sei, dass sie „für den Zeitraum vom 60. bis zum 67. Lebensjahr von der BfA eine Rückzahlung erhalte“, lässt sich der Verwaltungsakte nicht einmal andeutungsweise entnehmen. Die von der Klägerin ausweislich des Vermerks gegebene Begründung erscheint plausibel. Deshalb ist der Beklagten auch keine fehlerhafte Bearbeitung vorzuwerfen, wenn sie sich auf die von der Klägerin mitgeteilte Auskunft des dänischen Versicherungsträgers nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst sah. Sollte sich die Klägerin später anders besonnen haben oder ihrer Erklärung nicht (mehr) den von der Beklagten mitgeteilten Inhalt habe beimessen wollen, so hätte es angesichts der eindeutigen Aussage des Schreibens vom 1. April 1992 an der Klägerin gelegen, bei der Beklagten erneut vorstellig zu werden. Dass sie dies getan hat, ist jedoch nicht belegt; auch hat sie trotz gerichtlicher Nachfrage nicht erläutert, weshalb sie dies unterlassen hat. Fest steht auf Grund der von ihr eingereichten Kopie des an sie gerichteten Schreibens vom 1. April 1992 lediglich, dass die Klägerin - was von ihr auch nie bestritten worden ist - dieses Schreiben tatsächlich erhalten hat und somit wusste, welchen rechtlich bedeutsamen Inhalt die Beklagte dem telefonischen Gespräch vom Vortage entnommen hatte. Der interne - zeitlich allerdings nicht zuordenbare - Vermerk der Klägerin („BfA bestätigt mir, dass mein Antrag ruht“) auf dem Schreiben führt jedenfalls zu keiner anderen Bewertung ihrer ausweislich der Akten vorliegenden Untätigkeit. Die Aktenlage spricht eindeutig gegen eine nachfolgend erklärte Aufrechterhaltung des Rentenantrages. Auch die persönliche Anhörung der Klägerin ist nicht geeignet gewesen, Klarheit in den Geschehensablauf im Sinne des klägerischen Vorbringens zu bringen. In dieses Bild passt auch die Beendigung der Kontenklärung ohne abschließende Entscheidung wegen fehlender Mitwirkung, die ihr ebenfalls schriftlich am 13. Januar 1993 mitgeteilt wurde. Woraus die Klägerin dennoch eine „fortwährende Kommunikation im Rahmen der Kontenklärung“ (so ihr Widerspruch) und gleichzeitig eine Weiterführung des Rentenverfahrens ableiten will, bleibt angesichts dessen nicht nachvollziehbar. Dass es nach dem Antrag vom 28. November 1994 eine fortwährende Kommunikation gegeben hat, was die Klägerin, wie die persönliche Anhörung vermuten lässt, möglicherweise meint, ist hingegen für die streitige Frage unerheblich, weil es sich nicht auf den hier maßgeblichen Zeitraum bezieht.

Im Übrigen ist ergänzend auszuführen, dass ungeachtet der Frage, ob die Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung eines Altersruhegeldes für Frauen gemäß § 25 Abs. 3 AVG seinerzeit erfüllte und ob der Antrag vom 3. April 1991 noch Wirkung entfalten kann, das dem Hinweis auf eine zugesicherte „Rückzahlung“ ab dem 60. Lebensjahr zu entnehmende und zeitweise vorgetragene Begehren der Klägerin, bereits für die Zeit seit Vollendung des 60. Lebensjahres Altersruhegeld zu erhalten, schon wegen der Regelung des Rentenbeginns in § 67 Abs. 1 Satz 2 AVG unbegründet ist. Denn das Altersruhegeld nach § 25 Abs. 3 AVG ist danach vom Ablauf des Monats an zu gewähren, in dem seine Voraussetzungen erfüllt sind, jedoch vom Beginn des Antragsmonats an, wenn der Antrag später als drei Monate nach Erfüllung der Voraussetzungen gestellt wird. Auch wären die Vorschriften über Rentenzahlungen ins Ausland (§§ 94 ff AVG) zu beachten, die die Zahlung von Renten aus außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes zurückgelegten Beitragszeiten (also auch aus den hier allein vorliegenden Zeiten in L) nur unter zusätzlichen hier nicht erfüllten Bedingungen (vgl. § 98 Abs. 1 AVG) zulassen. Erst das ab 1. Januar 1992 geltende SGB VI hat insoweit eine günstigere Regelung gebracht (vgl. §§ 113, 248 Abs. 3 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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