S 6 KR 529/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 529/12
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2070,84 EUR festgesetzt.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 2070,84 EUR streitig.

Die Klägerin betreibt die W. in A-Stadt.

Dort wurde die Versicherte der Beklagten, Frau C., stationär in der Zeit vom 13.04.2011 bis 29.04.2011 behandelt.

Dafür stellte die Klägerin der Beklagten unter Zugrundelegung der DRG U 42 Z insgesamt 5086,00 EUR in Rechnung am 06.06.2011.
Die Rechnung beglich die Beklagte zunächst vollständig.

Mit Schreiben vom 22.06.2011 zeigte der MDK der Klägerin an, dass er mit der Überprüfung der Rechnung von der Beklagten beauftragt worden sei.
In seinem Gutachten vom 03.05.2012 kam er schließlich zu dem Ergebnis, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des abgerechneten OPS 8-918.14 "multimodale Schmerztherapie" aus den vorgelegten Akten nicht nachvollziehbar sei.
Insbesondere fehle der Nachweis zweimal wöchentlicher interdisziplinärer Teambesprechungen im Sinne des OPS.
Hierauf verrechnete die Beklagte den streitigen Betrag mit anderen laufenden Rechnungen der Klägerin.

Am 16.10.2012 hat die Klägerin Zahlungsklage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.
Zur Klagebegründung ist vorgetragen worden, dass zwar der Klägerin mit Schreiben vom 22.06.2011 mitgeteilt worden ist, dass der MDK von der Beklagten einen Prüfauftrag erhalten habe. Eine konkrete Anforderung der zu übersendenden Unterlagen sei der Klägerin aber erst am 29.11.2011 zugestellt worden. Die Klägerin habe daraufhin die notwendigen Unterlagen am 11.01.2012 übersandt. Zu einem gutachterlichen Ergebnis ist der MDK aber erst am 03.05.2012 gekommen, das der Klägerin auch erst am 08.05.2012 bekannt gegeben worden sei. Von einer zeitnahen gutachterlichen Stellungnahme im Sinne des § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V sei daher nicht auszugehen.
Auch seien im vorliegenden Fall angesichts des Zeitraums zwischen Rechnungstellung am 06.06.2011 und Abschluss des Prüfverfahrens am 03.05.2012 11 Monate vergangen. Diese überlange Bearbeitungszeit sei mit dem Grundgedanken von Treu und Glauben, wonach die Klägerin ab einem gewissen verstrichenen Zeitraum nicht mehr mit einer Nachforderung rechnen müsse, nicht zu vereinbaren. Insoweit stehe der Klägerin ein Leistungsverweigerungsrecht zu.
Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die in der gutachterlichen Stellungnahme des MDK in Bezug genommenen zwei interdisziplinären Teambesprechungen nicht dem Anforderungskatalog des OPS entsprächen. In diesem werde eine interdisziplinäre Teambesprechung pro Woche gefordert. Die Teilnehmer dieser Besprechungen gingen aus der Unterschriftenzeile der Protokolle hervor.

Hierauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 06.11.2012 erwidert.
Auf den mit der Klage eingereichten Protokollen seien zwar einige Unterschriften zu erkennen, allerdings weder welchem Patienten diese Protokolle zuzuordnen seien noch an welchen Tagen diese Besprechungen stattgefunden hätten. Darüber hinaus stelle sich die Frage, weshalb diese Protokolle, sofern sie tatsächlich zu den betroffenen Patienten gehörten, nicht zur Erstellung des Gutachtens an den MDK übermittelt worden seien.
Hilfsweise sei noch zu erwähnen, dass der MDK in seinem Gutachten ebenso die Hauptdiagnose als nicht korrekt angesehen habe und die von der Klägerin abgerechneten F 45.40 durch den 52.2 ersetzt habe.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 12.11.2013 hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch ein Sachverständigengutachten des Dr. D. vom 05.05.2014.
Dieser ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass entgegen der Auffassung der Beklagten die von der Klägerin vorgenommene Kodierung korrekt gewesen sei.
Hierzu hat die Beklagte mit Schreiben vom 12.09.2014 Stellung genommen und ausgeführt, dass auch nach dem vorliegenden Gutachten des Dr. D. weiter nicht nachvollziehbar sei, dass die Eingangsvoraussetzungen für den OPS 8-918 erfüllt gewesen seien. Insofern werde zu den psychopathologischen Sachverhalten eine Nachbegutachtung der Unterlagen durch einen Facharzt für Psychiatrie angeregt.
Ebenfalls sei nicht nachvollziehbar wie der Sachverständige mit dem Hinweis auf Seite 33 der Patientenakte drei interdisziplinäre Teambesprechungen nachvollzogen haben will. Blatt 33 weise lediglich auf das Datum 14.04. und 19.04.2011 hin, wobei noch zu klären sei, ob die Teilnehmer dieser Besprechungen sich am gleichen Ort zur gleichen Zeit befunden hätten. Dem äußeren Anschein nach scheine es sich um eine Abzeichnung eines einmal angefertigten Schriftstücks zu handeln. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass eine derartige Sammelerklärung von mehreren Teambesprechungen dem darin begründeten Sinn und Zweck zuwiderlaufen. Für die Woche 2 (24.04.2011) sei dies aber nicht einmal aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen zu entnehmen.
Wer letztendlich die Behandlungsleitung innehatte und in welchem Umfang diese ausgeführt worden sei, sei weiterhin ungeklärt.

In der mündlichen Verhandlung vom 23.09.2014 beantragt die Bevollmächtigte der Klägerin,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2070,84 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe
von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 31.07.2012 zu zahlen.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die Gerichtsakte Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Vergütungsanspruch in Höhe von 2070,84 EUR für die stationäre Behandlung der Versicherten, Frau C., in der Zeit vom 13.04.2011 bis 29.04.2011.
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch scheitert nämlich daran, dass nach Überzeugung des Gerichts im vorliegenden Fall die Strukturvoraussetzungen des OPS 8-918 nicht erfüllt waren.

Der OPS-Kode 8-918 "multimodale Schmerztherapie" verlangt nämlich unstreitig eine siebentägige interdisziplinäre Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzzuständen unter Einbeziehung von mindestens zwei Fachdisziplinen nach Behandlungsplan mit ärztlicher Behandlungsleitung. Die Anwendung dieses Kodes setzt weiter voraus die Zusatzbezeichnung "spezielle Schmerztherapie" bei der/dem Verantwortlichen.
Nach Zusammenschau dieser beiden Merkmale ist also Voraussetzung für die Abrechnung des OPS 8-918 eine fachärztliche Behandlungsleitung.
Aus der Patientenakte der Klägerin ergibt sich, dass vorliegend mit der Behandlungsleitung der Facharzt für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie Dr. W. betraut war (Seite 32 der Patientenakte).
Dieser verfügt nach den Erkenntnissen des Gerichts (siehe auch Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25.03.2014 - S 6 KR 239/13 -) zwar über die erforderliche Zusatzbezeichnung "spezielle Schmerztherapie", er war aber im streitigen Zeitraum nicht in dem erforderlichen Zeitumfang in dem Haus der Klägerin anwesend, um eine Behandlungsleitung entsprechend dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.07.2013 - B 3 KR 7/12 R - zu übernehmen.
Danach ist aus schmerztherapeutischer ärztlicher Sicht der verantwortliche Arzt für eine multimodale Schmerztherapie derjenige, "der die Krankengeschichte erhebt, den Patienten körperlich untersucht und einen Behandlungsplan für die Patienten erstellt. Er ist weiter derjenige, der den Behandlungsplan mit dem Patienten bespricht, weitere diagnostisch-therapeutische Gespräche mit dem Patienten führt und den Behandlungsplan gegebenenfalls an den Schmerzverlauf adaptiert. Nur wenn der für die multimodale Schmerztherapie verantwortliche Arzt diese Kenntnisse über seinen Patienten besitzt, kann er planend, überwachend und steuernd im Team mit den Kollegen aus den anderen Abteilungen - z.B. der Physiotherapie, der Psychologie etc. - die Ziele der multimodalen Schmerztherapie erfüllen".
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, bedarf es nach dem genannten Urteil des BSG einer regelmäßigen Anwesenheit des Verantwortlichen von montags bis freitags jeweils mindestens halbtags.
Dieser Rechtsansicht ist nach Auffassung der 6. Kammer zuzustimmen, da nicht vorstellbar ist, dass bei einer geringeren Anwesenheit des Verantwortlichen die genannten Aufgaben, also die Leitung der Schmerztherapie in ihrer gesamten Bandbreite und Überwachung, tatsächlich umfassend erfüllt werden können.
Die von Dr. W. damit zu erbringende halbtägliche Anwesenheit von Montag bis Freitag im Haus der Klägerin konnte jedoch von dieser nicht dargelegt oder nachgewiesen werden. Unabhängig davon, dass sich aus der Patientenakte tatsächlich zudem nur ergibt, dass Dr. W. die Visiten am 15.04., 19.04. und 26.04. durchgeführt hat, ist eine halbtägliche Anwesenheit von Dr. W. schon deshalb nicht vorstellbar, da dieser neben der eigenen Praxis in M. auch noch eine Tätigkeit als Anästhesist im V. in A. ausübt.
Auch eine wirksame Übertragung der Behandlungsleitung an einen weiteren qualifizierten Schmerztherapeuten ist im Fall der Versicherten Frau C. nicht erfolgt.
Insgesamt lässt sich damit keine ausreichende Behandlungsleitung für den abgerechneten OPS Kode 8-918 feststellen.
Dass die Anforderungsmerkmale für den abgerechneten OPS Kode 8-918 auch für das Haus der Klägerin gelten, ergibt sich bereits aus den Entscheidungsgründen der Urteile des SG Augsburg vom 25.03.2014 - S 6 KR 239/13 - und vom 05.02.2014 - S 12 KR 543/12 -, auf die insoweit verwiesen wird (§ 136 Abs. 3 SGG).

Da der streitige Zahlungsanspruch der Klägerin somit nach Überzeugung des Gerichts wegen der fehlenden Strukturvoraussetzungen für den abgerechneten OPS 8-918 scheitert, kam es letztlich nicht darauf an, ob die Beklagte dem MDK zeitnah im Sinn des § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V einen Prüfauftrag erteilt hat. Da der Klägerin jedoch mit Schreiben vom 22.06.2011 der Prüfauftrag des MDK angezeigt worden ist, wäre ohnehin auch von einem fristgerechten Auftrag gemäß § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V auszugehen gewesen (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 18.12.2013 - B 1 KR 52/12 R -).

Der von der Beklagten durchgeführten Verrechnung steht auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen, weil dieser voraussetzt, dass Umstände vorliegen, die das Verhalten des Abrechnungspartners als illoyal erscheinen lassen (siehe hierzu Urteil des BSG vom 02.07.2014 - B 1 KR 2/13 R -). Hiervon kann aber deshalb nicht die Rede sein, da mit der Kenntnis des Prüfauftrags des MDK im Juni 2011 der Klägerin bekannt war, dass die Beklagte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der gestellten Rechnung hatte.

Insgesamt war daher die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klageantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
Saved