Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 353/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 69/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Sieht ein Honorarvertrag bzw. ein Honorarverteilungsmaßstab vor, dass der Vorstand der KV im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen zum Regelleistungsvolumen beschließen kann, was insb. für Praxisbesonderheiten gilt, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliegt (RLV und QZV), so kommt es maßgeblich auf den Leistungsanteil im aktuellen Abrechnungsquartal (und nicht im Vorjahresquartal) an.
Bemerkung
verb. m. S 12 KA 354, 362, 363, 416/13
I. Die Verfahren mit Az.: S 12 KA 353, 354, 362, 363 und 416/13 werden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Az.: S 12 KA 353/13 miteinander verbunden.
II. 1. Unter Aufhebung des Bescheids über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für die Quartale III/11 bis I/12 vom 13.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2013 für das Quartal I/12, des Honorarbescheids für das Quartal I/12 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2013, des Bescheids über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal II/12 vom 01.08.2012 und des Honorarbescheids für das Quartal II/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2013 sowie des Bescheids über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal III/12 vom 27.09.2012 und des Honorarbescheids für das Quartal III/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013, wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin über ihren Antrag auf Gewährung einer Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen und über ihren Honoraranspruch für die Quartale I bis III/12 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin hat 2/5, die Beklagte 3/5 der Gerichtskosten zu tragen. Die Beklagte hat der Klägerin 3/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Streitwert wird für die verbundenen Verfahren auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Honorarbescheide für die fünf Quartale III/11 bis III/12 und eine Sonderregelung zu den Regelleistungsvolumina insb. wegen der Erbringung von Leistungen des Schlaflabors.
Die Klägerin ist eine seit 1993 bestehende Gemeinschaftspraxis mit zwei Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie mit Praxissitz in A-Stadt.
Die Beklagte setzte in den streitbefangenen Quartalen das Honorar der Klägerin durch Honorarbescheid, wogegen die Klägerin jeweils Widerspruch einlegte, wie folgt fest:
Quartal III/11 IV/11 I/12 II/12 III/12
Honorarbescheid vom 12.01.2012 02.04.2012 19.09.2012 28.09.2012 06.01.2013
Widerspruch eingelegt am 15.03.2012 30.05.2012 08.11.2012 20.11.2012 03.03.2013
Anzahl Praxen(Ärzte 140/180,96 137/179,25 136/179,25 137/179,89
Nettohonorar gesamt in EUR 81.756,61 81.936,38 79.957,84 83.429,36 81.653,43
Bruttohonorar PK + EK in EUR 83.095,78 82.597,49 80.734,10 84.980,70 83.185,92
Fallzahl PK + EK 1.116 1.163 1.266 1.198 1.230
Honoraranteile PK + EK
Regelleistungsvolumen in EUR 65.018,07 63.887,03 61.404,31 67.920,93 66.977,69
Qualifikationsgebundene Zusatzvolumina 10.232,48 10.273,50 9.532,96 10.879,45 11.792,40
Quotiertes Regelleistungs-volumen/QZV in EUR 4.0348,38 4.654,89 4.650,34 4.755,27 5.168,59
Freie Leistungen 0,00 0.00 0,00 0,00 0,00
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (MGV) 2.899,51 2.844,32 3.008,42 2.493,11 3.054,62
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (AMG) 897,34 937,75 2.138,07 1.577,44 581,62
Regelleistungsvolumen
Obergrenze in EUR 63.438,81 67.265,62 62.195,63 67.340,33 60.147,15
Angefordert in EUR 94.219,02 98.304,25 109.416,76 102.590,97 107.635,16
Überschreitung in EUR 30.780,21 31.038,63 47.221,13 35.250,64 47.488,01
Unter-/Überschreitung QZV in EUR + 142, 45 + 6.732,21 + 4.426,30 - 1.320,65 - 2.582,81
Dr. A1
Obergrenze in EUR 42.877,83 44.726,87 41.135,39 42.863,12 38.379,63
Angefordert in EUR 62.995,15 69.165,50 76.134,16 71.883,53 73.669,27
Überschreitung in EUR 20.117,32 24.438,63 34.998,77 29.020,41 35.289,64
Unter-/Überschreitung QZV in EUR
A2
Obergrenze in EUR 20.590,98 22.538,75 41.135,39 24.477,21 21.767,52
Angefordert in EUR 31.223,87 29.138,75 76.134,16 30.707.44 33.965,89
Überschreitung in EUR 10.632,89 6.600 34.998,77 6.273,79 12.198,37
Unter-/Überschreitung QZV in EUR
Nr. 30900 Kardioresp. Poly-graphie, 58,53 EUR
Anzahl der Leistungen 59 65 70 57 75
Wert der Leistungen 3.442,65 3.792,75 4.084,50 3.325,95 4.376,25
Anzahl Praxen 4 4 6 4 6
Nr. 30901 Kardioresp. Polysomnographie, 313,68 EUR
Anzahl der Leistungen 36 39 46 46 49
Wert der Leistungen 11.292,48 12.233,52 14.429,28 14.429,28 15.370,32
Anzahl Praxen 2 2 4 2 4
Die Klägerin wandte sich unter Datum vom 17.10. und 12.12.2011 an die Beklagte und trug vor, die RLV-Mitteilung für die Quartale III/11 bis I/12 sähe kein qualifikationsbezogenes Zusatzvolumen (QZV) oder sonstiges Volumen für die Abrechnungsziffern 30901 vor. Die Polysomnographie sei aber eine sehr kostenaufwendige Untersuchung, die durch ein Regelleistungsvolumen von ca. 50,00 Euro nicht kostendeckend erbracht werden könne. Sie sehe einen besonderen Versorgungsauftrag, da es im Rhein-Main-Gebiet kaum neurologisch ausgerichtete Schlaflabore gebe.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13.04.2012 den Antrag auf Änderung des Regelleistungsvolumens bzw. der QZV für die Quartale III/11 bis I/12 ab. Eine Zuerkennung des QZV 52 GOP 30901 EBM sei für das Fachgebiet der Ärzte der Klägerin nicht vorgesehen. Bei einem Fallwert der Fachgruppe von 54,61 Euro, 54,02 Euro bzw. 53,12 Euro betrage der arztindividuelle Fallwert 63,40 Euro, 67,16 Euro bzw. 68,50 Euro und die Fallwertüberschreitung 16,0 %, 24,33 % bzw. 28,87 %. Für das Quartal III/11 liege der Fallwert unter der 20 %-Grenze, weshalb eine Erhöhung des RLV-Fallwerts nicht gerechtfertigt sei. Der Leistungsanteil für die kardiorespiratorische Polysomnographie nach Nr. 30901 EBM betrage im Quartal IV/11 und I/12 jeweils 1.254,72 Euro bzw. mache dies einen Leistungsanteil von 2,48 % bzw. 2,60 % aus. Damit lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit nicht vor.
Hiergegen legte die Klägerin unter Datum vom 10.05.2012 Widerspruch ein. Sie trug vor, für das Quartal III/11 betrage die zusätzliche Honoraranforderung für 36 Polysomnographien ca. 11.000,00 Euro, das heißt der Fallwert wäre hierdurch um 24 % und nicht um 16,09 % überschritten worden. Herr Dr. A1 betreibe seit dem Quartal III/11 ein Schlaflabor. Nur er verfüge über die Abrechnungsgenehmigung und erbringe die Leistung nach Nr. 30900 (kardiorespiratorische Polygraphie) und 30901 EBM (kardiorespiratorische Polysomnographie). Die Polysomnographie sei zum 01.04.2005 in den EBM aufgenommen worden und bis einschließlich dem Quartal IV/08 extrabudgetär mit festen Punktwerten vergütet worden. Seitdem unterfalle sie auch der Mengenbegrenzung. Nur für die Nr. 30900 EBM sei ein QZV vorgesehen. Ein QZV für Leistungen nach Nr. 30901 EBM sei nur anderen Fachgruppen zugewiesen, wofür es einen sachlichen Grund nicht gäbe. Es handele sich um eine arztgruppenübergreifende spezielle Gebührenordnungsposition, deren fachliche Voraussetzungen nicht an eine spezielle Facharztausbildung, sondern an die Erfüllung der Qualitätssicherungsvereinbarung geknüpft würden. Für eine Sonderregelung könne die Beklagte nicht einzelne Quartale isoliert betrachten. Es sei vielmehr ein Durchschnittswert für vier aufeinanderfolgende Quartale zu ermitteln. Für die ersten vier Quartale ab III/11 ergäbe sich bereits nach Berechnung der Beklagten eine Überschreitung des Fachgruppenwerts von 16,09 %, 24,33 %, 28,87 % und 60,20 %. Dies entspreche einer durchschnittlichen Überschreitung des Fallwerts von 32,32 %. Das Aufgreifkriterium von 20 % sei damit deutlich überschritten. Der tatsächliche Aufwand sei höher, da nur Herr Dr. A1 diese Leistungen erbringe. Die Berechnung des arztindividuellen Fallwerts werde nicht erläutert. Für das Quartal III/11 sei dieser erheblich höher. Die Praxisbesonderheit müsse im aktuellen Quartal vorliegen. Hilfsweise weise sie für das Quartal III/11 auf Sicherstellungsgründe hin, denn sie sei die einzige Leistungserbringerin im C. Raum. Bei der Prüfung stelle die Beklagte offensichtlich auf das Vorjahresquartal ab. Sie habe die kardiorespiratorische Polysomnographie im Quartal IV/11 in 39 Fällen abgerechnet, dies ergebe ein Volumen von 12.233,52 Euro (39 x 313,68 Euro). Dies entspreche etwa 20 % des angeforderten Regelleistungsvolumens. Hinzu kämen die Leistungen nach Nr. 30900 EBM. Im Quartal IV/11 betrage das Abrechnungsvolumen 11.292,48 Euro und liege der Anteil ebenfalls über 20 %. Mit ihrer Spezialisierung verfüge sie über einen besonderen Versorgungsauftrag.
Die Beklagte verband die Verfahren bzgl. der Quartale III/11 bis I/12 und wies mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2013 die Widersprüche als unbegründet zurück. Es könne nicht ausnahmsweise auf ein anderes Quartal als das Vorjahresquartal als Referenzquartal zurückgegriffen werden. Dass die Klägerin ihren Praxisumzug erst zum Quartal III/11 vollzogen habe, stelle nach der Rechtsprechung des BSG (B 6 KA 44/03 R) sowie des SG Marburg (S 11 KA 332/08; S 11 KA 405/10) einen Umstand dar, der ein unternehmerisches Risiko begründe, welches in den eigenen Verantwortungsbereich der Klägerin falle. Die Zuteilung des QZV 52 (Polysomnographie) sei für die Arztgruppe der Klägerin nicht vorgesehen. Ferner erläuterte sie den Ausgleichsindex 100 sowie den Wirtschaftlichkeitsbonus.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.06.2013 zum Az.: S 12 KA 353/13 die Klage erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss vom 04.06.2013 die Verfahren bzgl. der Quartale IV/11 und I/12 zunächst unter den Az.: S 12 KA 362 und 363/13 abgetrennt.
Für das Quartal II/12 rügte die Klägerin unter Datum vom 29.04.2012 wiederum die ungenügende Berücksichtigung der Leistungen nach Ziff. 30901.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Änderung der Regelleistungsvolumens bzw. der QZV mit Bescheid vom 01.08.2012 ab. Zwar überschreite der arztindividuelle Fallwert für Herrn Dr. A1 mit 87,23 Euro den Fachgruppenfallwert mit 54,45 Euro um 60,20 %. Die Leistungen nach Nr. 30901 EBM machten mit 6.587,28 Euro nur einen Leistungsanteil von 10,53 % des Regelleistungsvolumens aus.
Hiergegen legte der Kläger am 09.08.2012 Widerspruch ein.
Die Beklagte verband das Widerspruchsverfahren mit dem Widerspruchsverfahren gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/12 und gab den Widersprüchen mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2013 insoweit statt, als sie für Herrn Dr. A1 den Fallwert für das QZV 9 von 3,80 Euro auf 4,80 Euro erhöhte. Im Übrigen wies sie die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie u. a. aus, der arztindividuelle RLV-Fallwert überschreite mit 91,07 Euro den RLV-Fallwert der Arztgruppe mit 54,45 Euro um 67,25 %. Eine Sonderregelung käme jedoch nicht in Betracht, weil sich für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM lediglich ein Fallwert in Höhe von 9,19 Euro ergebe, der weniger als 20 % des eigenen RLV-Fallwerts in Höhe von 91,07 Euro betrage. Das QZV 9 mit Leistungen nach Nr. 30900 EBM betrage 2.724,60 Euro, abgerechnet habe die Klägerin 3.442,65 Euro, was eine Überschreitung von 26,35 % ergebe. Der Fallwert sei daher auf 4,80 Euro zu erhöhen. Es könne auch nicht auf ein anderes Quartal als das Vorjahresquartal zurückgegriffen werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.05.2013 zum Az.: S 12 KA 354/13 die Klage erhoben.
Einem weiteren Antrag auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für das Quartal III/12 mit Datum vom 13.07.2012 gab die Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2012 hinsichtlich des QZV 9 insoweit statt, als sie den Fallwert auf 4,85 Euro erhöhte. Im Übrigen wies sie den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, für Herrn Dr. A1 ergebe sich bzgl. des QZV 9 mit einem Volumen von 3.442,65 Euro eine Überschreitung des zugewiesenen Volumens von 2.527,60 Euro in Höhe von 36,20 %. Hieraus ergebe sich die Erhöhung des alten Fallwerts von 3,56 Euro um 1,29 Euro auf 4,85 Euro. Den RLV-Fallwert der Fachgruppe von 49,25 Euro überschreite Herr Dr. A1 mit einem Fallwert von 88,73 Euro um 80,15 %. Eine Sonderregelung komme jedoch nicht in Betracht, da das Abrechnungsvolumen mit 11.292,48 Euro bei den Leistungen nach Nr. 30901 EBM nur 17,93 % des Regelleistungsvolumens betrage.
Hiergegen legte die Klägerin am 15.10.2012 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen wie in den Vorquartalen begründete.
Die Beklagte verband die Widerspruchsverfahren gegen den Honorarbescheid und den Bescheid bzgl. einer Sonderregelung und wies beide Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2013 als unbegründet zurück. Darin führte sie u. a. aus, für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM habe sie einen Fallwert in Höhe von 15,90 Euro ermittelt. Dieser betrage weniger als 20 % des eigenen RLV-Fallwertes.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.07.2013 zum Az.: S 12 KA 416/13 die Klage erhoben.
Zur Begründung ihrer Klagen trägt die Klägerin unter weitgehender Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren vor, sie sei weiterhin der Auffassung, dass die Beklagte in begründeten Ausnahmefällen an Stelle des entsprechenden Vergleichsquartals des Vorjahres ein anderes Quartal als Referenzquartal zu Grunde legen könne. Soweit die Klägerin nicht auf das aktuelle Quartal abgestellt habe, liege ein Ermessensnichtgebrauch vor. Auch komme es auf die Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet an, weshalb die Leistungen nach Nr. 30901 EBM bei der Frage des Vorliegens eines Aufgreifkriteriums zu berücksichtigen sei, wenn auch nicht bei der Bemessung der Sonderregelung. Für das Moratorium bei Fallzahlerhöhungen sei ausdrücklich eine Rechtsgrundlage geschaffen worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für die Quartale III/11 bis I/12 vom 13.04.2012 sowie die Honorarbescheide für die Quartale III/11 bis I/12, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2013,
den Bescheid über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal II/12 vom 01.08.2012 und den Honorarbescheid für das Quartal II/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2013 und
den Bescheid über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal III/12 vom 27.09.2012 und den Honorarbescheid für das Quartal II/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie über ihre Anträge auf Erhöhung des Regelleistungsvolumens und über ihr Honorar für die Quartale III/11 bis III/12 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie trägt vor, die Einbeziehung der Ziff. 30901 EBM in das RLV für die Fachgruppe der Klägerin sei eine Vorgabe des Bewertungsausschusses. Daran sei sie gebunden. Dementsprechend sei es auch rechtmäßig, die Ziff. 30901 EBM innerhalb des RLV zu vergüten und nicht in der Form eines QZV. Da diese Ziffer dem RLV unterliege und für die Ziff. 30900 das QZV 9 vorgesehen sei, das der Klägerin auch vergütet worden sei, sei die Ziff. 30900 (QZV 9) nicht in die Prüfung, ob eine Praxisbesonderheit im Rahmen des RLV vorliege, einzubeziehen. Eine Praxisbesonderheit im Rahmen des RLV habe nach den genannten Prüfkriterien nicht vorgelegen. Für eine Anwendung der Regelungen für "junge Praxen" bestehe für die seit 1993 bestehende Praxis kein Raum. Auch sei der Rechtsgedanke nicht auf die Gewährung einer Sonderregelung übertragbar. Sie müsse nicht den Durchschnittswert von vier aufeinanderfolgenden Quartalen ermitteln. Das entsprechende Urteil des BSG betreffe den Anteil an Spezialleistungen am Gesamtpunktzahlvolumen und nicht den arztindividuellen Fallwert. Andernfalls könne ein Arzt seinen arztindividuellen Fallwert in einem Quartal extrem steigern, was sich dann auf die übrigen vier Quartale auswirken würde. Dies wäre allerdings nicht sachgerecht. Maßgeblich sei auf das Vorjahresquartal abzustellen, da auch das RLV hierauf zu beziehen sei. Auch werde dadurch einer seit längerem bestehenden Praxisbesonderheit Rechnung getragen und werde möglichen Steigerungen im aktuellen Quartal entgegengewirkt. Auch Fallzahlerhöhungen wirkten sich erst ein Jahr später aus. Das BSG (Az.: B 6 KA 44/12 R) führe aus, dass Bestimmungen, die ein Honorarwachstum innerhalb eines gewissen Zeitraums unterbänden, nicht ausgeschlossen seien, sofern die Praxen in der nach Ablauf des Moratoriums verbleibenden Zeit noch die "effektive, d.h. realistische, Möglichkeit" hätten, den Durchschnittsumsatz zu erreichen. Eine Praxis dürfe grundsätzlich eine Zeit lang an ihrem Praxis- und Honorierungsumfang festgehalten werden, und dass das Moratorium von einem Jahr, soweit es nach Abschluss der Aufbauphase greife, nicht zu beanstanden sei. Auch wenn es um die Zuweisung der Fallzahl gegangen sei, sei diese Rechtsprechung hier anzuwenden. Dass die Klägerin ihre Praxistätigkeit geändert habe, um Schlaflaborleistungen in größerem Umfang anbieten zu können, sei eine unternehmerische Entscheidung und ihrem Risiko zuzurechnen. Über Anträge auf eine Sonderregelung müsse auch zeitnah entschieden werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu wird vom Gesetz nicht verlangt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 28.07.2014 angehört. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt dem Verfahren auch deshalb nicht zu, weil um eine Einzelfallentscheidung für die klägerische Praxis gestritten wird.
Die Klagen ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch z.T. begründet. Die angefochtenen Bescheide für die Quartale I bis III/12 sind rechtswidrig. Sie waren aufzuheben. Die angefochtenen Bescheide für die Quartale III und IV/11 sind rechtmäßig und daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat nur für die Quartale I bis III/12 einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Im Übrigen - für die Quartale III und IV/11 - war die Klage abzuweisen.
Die angefochtenen Bescheide für die Quartale I bis III/12 sind rechtswidrig. Die Beklagte hat verkannt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen vorliegen. Insofern hat sie ihr Ermessen nicht ausgeübt (Ermessensnichtgebrauch).
Anspruchsgrundlage ist Abschnitt II Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 des ab Januar 2011 geltenden Honorarvertrags 2011. Danach kann der Vorstand der KV Hessen im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gilt insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliegt (RLV und QZV). Diese Vorschriften wurden unverändert im Honorarverteilungsmaßstab 2012 (Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3) fortgeführt. Sie beruhen auf den Vorgaben des Bewertungsausschusses. Ziff. 3.5 des Beschlusses des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010 zu Teil F gibt Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung vor, nach Ziff. 3.7 beschließen die Partner der Gesamtverträge für Neuzulassungen von Vertragsärzten, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge. Die Regelungen wurden durch die weiteren Beschlüsse des Bewertungsausschusses nicht geändert, insb. nicht durch den Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 239. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung) und in seiner 242. Sitzung am 24. November 2010. Mit Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 248. Sitzung am 25. Januar 2011 zur Sicherung der Versorgung in besonderen Situationen wurde mit Wirkung zum 1. April 2011 Abschnitt I., Nr. 3.5, erster Spiegelstrich Abschnitt I., Nr. 3.7 durch hier nicht weiter relevante Regelungen ergänzt.
Unstreitig zwischen den Beteiligten ist, dass es sich bei den Leistungen nach Nr. 30900 und 30901 EBM um fachgruppenatypische Leistungen handelt, für die grundsätzlich eine Sonderregelung in Betracht kommt.
Soweit letztlich ein "besonderer Versorgungsbedarf" vorliegen muss, ist nicht auf vergangene Zeiträume abzustellen, da es sich gerade um eine Sonderregelung handelt. So hat die Kammer bereits mit Urteil vom 16.11.2011 - S 12 KA 614/10 - NZS 2012, 358, juris Rdnr. 38 (Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Urt. v. 28.11.2012 - L 4 KA 73/11 - juris) hinsichtlich einer Ausnahmeregelung der Beklagten für die Quartale I/09 bis II/10 ausgeführt, die Bezugnahme auf das aktuelle Quartal sei nur dann rechtmäßig, wenn sie bereits in der Vorgabe des Bewertungsausschusses bzw. des HVV enthalten sei. Hierfür spreche der Umstand, dass die Praxisbesonderheit im jeweils aktuellen Quartal vorliegen müsse. Auch das Bundessozialgericht stellt in seinem Urteil vom 29.06.2011 - B 6 KA 17/10 R - SozR4-2005 § 85 Nr. 66 für das Jahr 2005 auf die Werte des aktuellen Quartals ab, ohne diese Frage weiter zu thematisieren (zitiert nach juris Rdnr. 24). Das von der Beklagten reklamierte Urteil des Bundessozialgerichts v. 17.07.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 2 = NZS 2013, 952 = GesR 2013, 739 = USK 2013-37 betrifft die Zuweisung des Regelleistungsvolumens und gerade nicht die Frage einer - einzelfallabhängigen - Sonderregelung. Eine Sonderregelung ermöglicht auch dem Vertragsarzt, auf aktuelle Entwicklungen hinzuweisen bzw. diese geltend zu machen, die sachgerecht erst im Rahmen der Honorarfestsetzung vorgebracht werden können, z.B. weil die den Einwänden zugrunde liegenden Tatsachen bei Bekanntgabe des RLV-Bescheids noch nicht bekannt oder absehbar waren, insbesondere wenn sich ein Überschreiten des Regelleistungsvolumens erst im Zusammenhang mit der Honorarabrechnung ergibt (vgl., wenn auch in anderem Zusammenhang, LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.02.2014 - L 7 KA 68/12 - juris Rdnr. 18).
Die Anspruchsgrundlage nach Abschnitt II Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 HVV 2011 bzw. Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 HVM 2012 ist auch im Kontext der vorhergehenden Absätze für eine Ausnahme bzgl. der Fallzahlen zu sehen, wofür gerade auf das aktuelle Quartal abzustellen ist.
Soweit ein QZV für die kardiorespiratorische Polygraphie nach Nr. 30900 EBM zugebilligt wird, scheidet eine Einbeziehung in eine Sonderregelung aus. Insofern liegt eine vergleichbare Lage mit der Fallkonstellation vor, in der ein bestimmter Praxisschwerpunkt mit atypischen Leistungen mit Leistungen, die im Regelleistungsvolumen auch von der Fachgruppe erbracht werden, einhergeht. Insofern wird nach der Systematik des Bundessozialgerichts nicht auf Krankheitsbilder, sondern auf Leistungen abgestellt, denen in der Regel wieder besondere Krankheitsbilder zugrunde liegen. Soweit aber ein QZV eingeräumt wird, wird bereits eine Sonderregelung getroffen.
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben steht fest, dass die Klägerin mit ihrem arztindividuellen Fallwert den Fallwert der Fachgruppe in den Quartalen IV/11 bis III/12 um über 20 % überschreitet. Die Überschreitungen betragen nach den Angaben der Beklagten 24,33 %, 28,87 %, 60,20 % bzw. 80,15 %. Lediglich im Quartal III/11 beträgt die Überschreitung mit 16,0 % weniger als 20 %. Für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM (kardiorespiratorische Polysomnographie) ergeben sich folgende Leistungsanteile:
Quartal IV/11 I/12 II/12 III/12
Nr. 30901 EBM
Anzahl 39 46 46 49
Wert aller Leistungen in EUR 12.233,52 14.429,28 14.429 15.370,32
Durchschnitt je Behandlungsfall in EUR 10,52 11,40 12,04 12,50
Fallwert der Fachgruppe in EUR 54,02 53,12 54,45 49,25
Leistungsanteil d. Kl. in % 19,5 21,5 22,1 25,4
Damit beträgt der Leistungsanteil der Leistungen nach Nr. 30901 EBM nur in den Quartalen I bis III/12 mehr als 20 % und liegen im Quartal IV/11 die Voraussetzungen nicht vor.
Es kann hier dahinstehen, ob generell eine Praxisbesonderheit über mindestens vier Quartale zu beurteilen ist. Soweit wie vorliegend von fünf Quartalen die ersten beiden Quartale die 20 %-Grenze nicht erreichen, zeigt dies, dass eine Praxisbesonderheit im Sinne der genannten Regelungen noch nicht bestanden hat. Ein Ausgleich bzw. die Vernachlässigung eines Quartals bei Unterschreiten der 20 %-Grenze kommt nur im Sinne einer Schwankungsbreite in Betracht, wenn also das Quartal der Unterschreitung von den Vor- und Nachquartal mit einer Überschreitung der 20 %-Grenze flankiert wird.
Nach allem war der Klage für die Quartale I bis III/12 stattzugeben. Bei einer Neubescheidung hat die Beklagte hinsichtlich einer Sonderregelung ihr Ermessen auszuüben und die Leistungen nach Nr. 30901 EBM auf der Grundlage der aktuellen Abrechnungsquartale I bis III/12v zu berücksichtigen. Entsprechend ist die Klägerin über ihren Honoraranspruch für diese Quartale neu zu bescheiden.
Die Klage war aber im Übrigen - für die Quartale III und IV/11 - abzuweisen.
Die angefochtenen Bescheide für die Quartale III und IV/11 sind im Ergebnis rechtmäßig.
Die Beklagte hat im Ergebnis zutreffend das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen aus den von der Kammer genannten Gründen verneint. Insofern hat sie auch das Honorar für diese Quartale nicht fehlerhaft festgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Der Streitwert für eine Klage auf höheres Honorar ist pro Quartal auf den Regelstreitwert festzusetzen, soweit - was vorliegend der Fall ist - keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete Abschätzung des wirtschaftlichen Werts des Begehrens ersichtlich sind (vgl. BSG, Beschl. v. 28.01.2009 - B 6 KA 66/07 B - juris). Der Regelstreitwert war mit der Anzahl der streitigen Quartale zu multiplizieren. Dies ergab den festgesetzten Wert.
II. 1. Unter Aufhebung des Bescheids über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für die Quartale III/11 bis I/12 vom 13.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2013 für das Quartal I/12, des Honorarbescheids für das Quartal I/12 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2013, des Bescheids über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal II/12 vom 01.08.2012 und des Honorarbescheids für das Quartal II/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2013 sowie des Bescheids über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal III/12 vom 27.09.2012 und des Honorarbescheids für das Quartal III/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013, wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin über ihren Antrag auf Gewährung einer Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen und über ihren Honoraranspruch für die Quartale I bis III/12 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin hat 2/5, die Beklagte 3/5 der Gerichtskosten zu tragen. Die Beklagte hat der Klägerin 3/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Streitwert wird für die verbundenen Verfahren auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Honorarbescheide für die fünf Quartale III/11 bis III/12 und eine Sonderregelung zu den Regelleistungsvolumina insb. wegen der Erbringung von Leistungen des Schlaflabors.
Die Klägerin ist eine seit 1993 bestehende Gemeinschaftspraxis mit zwei Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie mit Praxissitz in A-Stadt.
Die Beklagte setzte in den streitbefangenen Quartalen das Honorar der Klägerin durch Honorarbescheid, wogegen die Klägerin jeweils Widerspruch einlegte, wie folgt fest:
Quartal III/11 IV/11 I/12 II/12 III/12
Honorarbescheid vom 12.01.2012 02.04.2012 19.09.2012 28.09.2012 06.01.2013
Widerspruch eingelegt am 15.03.2012 30.05.2012 08.11.2012 20.11.2012 03.03.2013
Anzahl Praxen(Ärzte 140/180,96 137/179,25 136/179,25 137/179,89
Nettohonorar gesamt in EUR 81.756,61 81.936,38 79.957,84 83.429,36 81.653,43
Bruttohonorar PK + EK in EUR 83.095,78 82.597,49 80.734,10 84.980,70 83.185,92
Fallzahl PK + EK 1.116 1.163 1.266 1.198 1.230
Honoraranteile PK + EK
Regelleistungsvolumen in EUR 65.018,07 63.887,03 61.404,31 67.920,93 66.977,69
Qualifikationsgebundene Zusatzvolumina 10.232,48 10.273,50 9.532,96 10.879,45 11.792,40
Quotiertes Regelleistungs-volumen/QZV in EUR 4.0348,38 4.654,89 4.650,34 4.755,27 5.168,59
Freie Leistungen 0,00 0.00 0,00 0,00 0,00
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (MGV) 2.899,51 2.844,32 3.008,42 2.493,11 3.054,62
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (AMG) 897,34 937,75 2.138,07 1.577,44 581,62
Regelleistungsvolumen
Obergrenze in EUR 63.438,81 67.265,62 62.195,63 67.340,33 60.147,15
Angefordert in EUR 94.219,02 98.304,25 109.416,76 102.590,97 107.635,16
Überschreitung in EUR 30.780,21 31.038,63 47.221,13 35.250,64 47.488,01
Unter-/Überschreitung QZV in EUR + 142, 45 + 6.732,21 + 4.426,30 - 1.320,65 - 2.582,81
Dr. A1
Obergrenze in EUR 42.877,83 44.726,87 41.135,39 42.863,12 38.379,63
Angefordert in EUR 62.995,15 69.165,50 76.134,16 71.883,53 73.669,27
Überschreitung in EUR 20.117,32 24.438,63 34.998,77 29.020,41 35.289,64
Unter-/Überschreitung QZV in EUR
A2
Obergrenze in EUR 20.590,98 22.538,75 41.135,39 24.477,21 21.767,52
Angefordert in EUR 31.223,87 29.138,75 76.134,16 30.707.44 33.965,89
Überschreitung in EUR 10.632,89 6.600 34.998,77 6.273,79 12.198,37
Unter-/Überschreitung QZV in EUR
Nr. 30900 Kardioresp. Poly-graphie, 58,53 EUR
Anzahl der Leistungen 59 65 70 57 75
Wert der Leistungen 3.442,65 3.792,75 4.084,50 3.325,95 4.376,25
Anzahl Praxen 4 4 6 4 6
Nr. 30901 Kardioresp. Polysomnographie, 313,68 EUR
Anzahl der Leistungen 36 39 46 46 49
Wert der Leistungen 11.292,48 12.233,52 14.429,28 14.429,28 15.370,32
Anzahl Praxen 2 2 4 2 4
Die Klägerin wandte sich unter Datum vom 17.10. und 12.12.2011 an die Beklagte und trug vor, die RLV-Mitteilung für die Quartale III/11 bis I/12 sähe kein qualifikationsbezogenes Zusatzvolumen (QZV) oder sonstiges Volumen für die Abrechnungsziffern 30901 vor. Die Polysomnographie sei aber eine sehr kostenaufwendige Untersuchung, die durch ein Regelleistungsvolumen von ca. 50,00 Euro nicht kostendeckend erbracht werden könne. Sie sehe einen besonderen Versorgungsauftrag, da es im Rhein-Main-Gebiet kaum neurologisch ausgerichtete Schlaflabore gebe.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13.04.2012 den Antrag auf Änderung des Regelleistungsvolumens bzw. der QZV für die Quartale III/11 bis I/12 ab. Eine Zuerkennung des QZV 52 GOP 30901 EBM sei für das Fachgebiet der Ärzte der Klägerin nicht vorgesehen. Bei einem Fallwert der Fachgruppe von 54,61 Euro, 54,02 Euro bzw. 53,12 Euro betrage der arztindividuelle Fallwert 63,40 Euro, 67,16 Euro bzw. 68,50 Euro und die Fallwertüberschreitung 16,0 %, 24,33 % bzw. 28,87 %. Für das Quartal III/11 liege der Fallwert unter der 20 %-Grenze, weshalb eine Erhöhung des RLV-Fallwerts nicht gerechtfertigt sei. Der Leistungsanteil für die kardiorespiratorische Polysomnographie nach Nr. 30901 EBM betrage im Quartal IV/11 und I/12 jeweils 1.254,72 Euro bzw. mache dies einen Leistungsanteil von 2,48 % bzw. 2,60 % aus. Damit lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit nicht vor.
Hiergegen legte die Klägerin unter Datum vom 10.05.2012 Widerspruch ein. Sie trug vor, für das Quartal III/11 betrage die zusätzliche Honoraranforderung für 36 Polysomnographien ca. 11.000,00 Euro, das heißt der Fallwert wäre hierdurch um 24 % und nicht um 16,09 % überschritten worden. Herr Dr. A1 betreibe seit dem Quartal III/11 ein Schlaflabor. Nur er verfüge über die Abrechnungsgenehmigung und erbringe die Leistung nach Nr. 30900 (kardiorespiratorische Polygraphie) und 30901 EBM (kardiorespiratorische Polysomnographie). Die Polysomnographie sei zum 01.04.2005 in den EBM aufgenommen worden und bis einschließlich dem Quartal IV/08 extrabudgetär mit festen Punktwerten vergütet worden. Seitdem unterfalle sie auch der Mengenbegrenzung. Nur für die Nr. 30900 EBM sei ein QZV vorgesehen. Ein QZV für Leistungen nach Nr. 30901 EBM sei nur anderen Fachgruppen zugewiesen, wofür es einen sachlichen Grund nicht gäbe. Es handele sich um eine arztgruppenübergreifende spezielle Gebührenordnungsposition, deren fachliche Voraussetzungen nicht an eine spezielle Facharztausbildung, sondern an die Erfüllung der Qualitätssicherungsvereinbarung geknüpft würden. Für eine Sonderregelung könne die Beklagte nicht einzelne Quartale isoliert betrachten. Es sei vielmehr ein Durchschnittswert für vier aufeinanderfolgende Quartale zu ermitteln. Für die ersten vier Quartale ab III/11 ergäbe sich bereits nach Berechnung der Beklagten eine Überschreitung des Fachgruppenwerts von 16,09 %, 24,33 %, 28,87 % und 60,20 %. Dies entspreche einer durchschnittlichen Überschreitung des Fallwerts von 32,32 %. Das Aufgreifkriterium von 20 % sei damit deutlich überschritten. Der tatsächliche Aufwand sei höher, da nur Herr Dr. A1 diese Leistungen erbringe. Die Berechnung des arztindividuellen Fallwerts werde nicht erläutert. Für das Quartal III/11 sei dieser erheblich höher. Die Praxisbesonderheit müsse im aktuellen Quartal vorliegen. Hilfsweise weise sie für das Quartal III/11 auf Sicherstellungsgründe hin, denn sie sei die einzige Leistungserbringerin im C. Raum. Bei der Prüfung stelle die Beklagte offensichtlich auf das Vorjahresquartal ab. Sie habe die kardiorespiratorische Polysomnographie im Quartal IV/11 in 39 Fällen abgerechnet, dies ergebe ein Volumen von 12.233,52 Euro (39 x 313,68 Euro). Dies entspreche etwa 20 % des angeforderten Regelleistungsvolumens. Hinzu kämen die Leistungen nach Nr. 30900 EBM. Im Quartal IV/11 betrage das Abrechnungsvolumen 11.292,48 Euro und liege der Anteil ebenfalls über 20 %. Mit ihrer Spezialisierung verfüge sie über einen besonderen Versorgungsauftrag.
Die Beklagte verband die Verfahren bzgl. der Quartale III/11 bis I/12 und wies mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2013 die Widersprüche als unbegründet zurück. Es könne nicht ausnahmsweise auf ein anderes Quartal als das Vorjahresquartal als Referenzquartal zurückgegriffen werden. Dass die Klägerin ihren Praxisumzug erst zum Quartal III/11 vollzogen habe, stelle nach der Rechtsprechung des BSG (B 6 KA 44/03 R) sowie des SG Marburg (S 11 KA 332/08; S 11 KA 405/10) einen Umstand dar, der ein unternehmerisches Risiko begründe, welches in den eigenen Verantwortungsbereich der Klägerin falle. Die Zuteilung des QZV 52 (Polysomnographie) sei für die Arztgruppe der Klägerin nicht vorgesehen. Ferner erläuterte sie den Ausgleichsindex 100 sowie den Wirtschaftlichkeitsbonus.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.06.2013 zum Az.: S 12 KA 353/13 die Klage erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss vom 04.06.2013 die Verfahren bzgl. der Quartale IV/11 und I/12 zunächst unter den Az.: S 12 KA 362 und 363/13 abgetrennt.
Für das Quartal II/12 rügte die Klägerin unter Datum vom 29.04.2012 wiederum die ungenügende Berücksichtigung der Leistungen nach Ziff. 30901.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Änderung der Regelleistungsvolumens bzw. der QZV mit Bescheid vom 01.08.2012 ab. Zwar überschreite der arztindividuelle Fallwert für Herrn Dr. A1 mit 87,23 Euro den Fachgruppenfallwert mit 54,45 Euro um 60,20 %. Die Leistungen nach Nr. 30901 EBM machten mit 6.587,28 Euro nur einen Leistungsanteil von 10,53 % des Regelleistungsvolumens aus.
Hiergegen legte der Kläger am 09.08.2012 Widerspruch ein.
Die Beklagte verband das Widerspruchsverfahren mit dem Widerspruchsverfahren gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/12 und gab den Widersprüchen mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2013 insoweit statt, als sie für Herrn Dr. A1 den Fallwert für das QZV 9 von 3,80 Euro auf 4,80 Euro erhöhte. Im Übrigen wies sie die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie u. a. aus, der arztindividuelle RLV-Fallwert überschreite mit 91,07 Euro den RLV-Fallwert der Arztgruppe mit 54,45 Euro um 67,25 %. Eine Sonderregelung käme jedoch nicht in Betracht, weil sich für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM lediglich ein Fallwert in Höhe von 9,19 Euro ergebe, der weniger als 20 % des eigenen RLV-Fallwerts in Höhe von 91,07 Euro betrage. Das QZV 9 mit Leistungen nach Nr. 30900 EBM betrage 2.724,60 Euro, abgerechnet habe die Klägerin 3.442,65 Euro, was eine Überschreitung von 26,35 % ergebe. Der Fallwert sei daher auf 4,80 Euro zu erhöhen. Es könne auch nicht auf ein anderes Quartal als das Vorjahresquartal zurückgegriffen werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.05.2013 zum Az.: S 12 KA 354/13 die Klage erhoben.
Einem weiteren Antrag auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für das Quartal III/12 mit Datum vom 13.07.2012 gab die Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2012 hinsichtlich des QZV 9 insoweit statt, als sie den Fallwert auf 4,85 Euro erhöhte. Im Übrigen wies sie den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, für Herrn Dr. A1 ergebe sich bzgl. des QZV 9 mit einem Volumen von 3.442,65 Euro eine Überschreitung des zugewiesenen Volumens von 2.527,60 Euro in Höhe von 36,20 %. Hieraus ergebe sich die Erhöhung des alten Fallwerts von 3,56 Euro um 1,29 Euro auf 4,85 Euro. Den RLV-Fallwert der Fachgruppe von 49,25 Euro überschreite Herr Dr. A1 mit einem Fallwert von 88,73 Euro um 80,15 %. Eine Sonderregelung komme jedoch nicht in Betracht, da das Abrechnungsvolumen mit 11.292,48 Euro bei den Leistungen nach Nr. 30901 EBM nur 17,93 % des Regelleistungsvolumens betrage.
Hiergegen legte die Klägerin am 15.10.2012 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen wie in den Vorquartalen begründete.
Die Beklagte verband die Widerspruchsverfahren gegen den Honorarbescheid und den Bescheid bzgl. einer Sonderregelung und wies beide Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2013 als unbegründet zurück. Darin führte sie u. a. aus, für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM habe sie einen Fallwert in Höhe von 15,90 Euro ermittelt. Dieser betrage weniger als 20 % des eigenen RLV-Fallwertes.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.07.2013 zum Az.: S 12 KA 416/13 die Klage erhoben.
Zur Begründung ihrer Klagen trägt die Klägerin unter weitgehender Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren vor, sie sei weiterhin der Auffassung, dass die Beklagte in begründeten Ausnahmefällen an Stelle des entsprechenden Vergleichsquartals des Vorjahres ein anderes Quartal als Referenzquartal zu Grunde legen könne. Soweit die Klägerin nicht auf das aktuelle Quartal abgestellt habe, liege ein Ermessensnichtgebrauch vor. Auch komme es auf die Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet an, weshalb die Leistungen nach Nr. 30901 EBM bei der Frage des Vorliegens eines Aufgreifkriteriums zu berücksichtigen sei, wenn auch nicht bei der Bemessung der Sonderregelung. Für das Moratorium bei Fallzahlerhöhungen sei ausdrücklich eine Rechtsgrundlage geschaffen worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für die Quartale III/11 bis I/12 vom 13.04.2012 sowie die Honorarbescheide für die Quartale III/11 bis I/12, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2013,
den Bescheid über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal II/12 vom 01.08.2012 und den Honorarbescheid für das Quartal II/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2013 und
den Bescheid über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal III/12 vom 27.09.2012 und den Honorarbescheid für das Quartal II/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie über ihre Anträge auf Erhöhung des Regelleistungsvolumens und über ihr Honorar für die Quartale III/11 bis III/12 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie trägt vor, die Einbeziehung der Ziff. 30901 EBM in das RLV für die Fachgruppe der Klägerin sei eine Vorgabe des Bewertungsausschusses. Daran sei sie gebunden. Dementsprechend sei es auch rechtmäßig, die Ziff. 30901 EBM innerhalb des RLV zu vergüten und nicht in der Form eines QZV. Da diese Ziffer dem RLV unterliege und für die Ziff. 30900 das QZV 9 vorgesehen sei, das der Klägerin auch vergütet worden sei, sei die Ziff. 30900 (QZV 9) nicht in die Prüfung, ob eine Praxisbesonderheit im Rahmen des RLV vorliege, einzubeziehen. Eine Praxisbesonderheit im Rahmen des RLV habe nach den genannten Prüfkriterien nicht vorgelegen. Für eine Anwendung der Regelungen für "junge Praxen" bestehe für die seit 1993 bestehende Praxis kein Raum. Auch sei der Rechtsgedanke nicht auf die Gewährung einer Sonderregelung übertragbar. Sie müsse nicht den Durchschnittswert von vier aufeinanderfolgenden Quartalen ermitteln. Das entsprechende Urteil des BSG betreffe den Anteil an Spezialleistungen am Gesamtpunktzahlvolumen und nicht den arztindividuellen Fallwert. Andernfalls könne ein Arzt seinen arztindividuellen Fallwert in einem Quartal extrem steigern, was sich dann auf die übrigen vier Quartale auswirken würde. Dies wäre allerdings nicht sachgerecht. Maßgeblich sei auf das Vorjahresquartal abzustellen, da auch das RLV hierauf zu beziehen sei. Auch werde dadurch einer seit längerem bestehenden Praxisbesonderheit Rechnung getragen und werde möglichen Steigerungen im aktuellen Quartal entgegengewirkt. Auch Fallzahlerhöhungen wirkten sich erst ein Jahr später aus. Das BSG (Az.: B 6 KA 44/12 R) führe aus, dass Bestimmungen, die ein Honorarwachstum innerhalb eines gewissen Zeitraums unterbänden, nicht ausgeschlossen seien, sofern die Praxen in der nach Ablauf des Moratoriums verbleibenden Zeit noch die "effektive, d.h. realistische, Möglichkeit" hätten, den Durchschnittsumsatz zu erreichen. Eine Praxis dürfe grundsätzlich eine Zeit lang an ihrem Praxis- und Honorierungsumfang festgehalten werden, und dass das Moratorium von einem Jahr, soweit es nach Abschluss der Aufbauphase greife, nicht zu beanstanden sei. Auch wenn es um die Zuweisung der Fallzahl gegangen sei, sei diese Rechtsprechung hier anzuwenden. Dass die Klägerin ihre Praxistätigkeit geändert habe, um Schlaflaborleistungen in größerem Umfang anbieten zu können, sei eine unternehmerische Entscheidung und ihrem Risiko zuzurechnen. Über Anträge auf eine Sonderregelung müsse auch zeitnah entschieden werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu wird vom Gesetz nicht verlangt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 28.07.2014 angehört. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt dem Verfahren auch deshalb nicht zu, weil um eine Einzelfallentscheidung für die klägerische Praxis gestritten wird.
Die Klagen ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch z.T. begründet. Die angefochtenen Bescheide für die Quartale I bis III/12 sind rechtswidrig. Sie waren aufzuheben. Die angefochtenen Bescheide für die Quartale III und IV/11 sind rechtmäßig und daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat nur für die Quartale I bis III/12 einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Im Übrigen - für die Quartale III und IV/11 - war die Klage abzuweisen.
Die angefochtenen Bescheide für die Quartale I bis III/12 sind rechtswidrig. Die Beklagte hat verkannt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen vorliegen. Insofern hat sie ihr Ermessen nicht ausgeübt (Ermessensnichtgebrauch).
Anspruchsgrundlage ist Abschnitt II Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 des ab Januar 2011 geltenden Honorarvertrags 2011. Danach kann der Vorstand der KV Hessen im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gilt insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliegt (RLV und QZV). Diese Vorschriften wurden unverändert im Honorarverteilungsmaßstab 2012 (Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3) fortgeführt. Sie beruhen auf den Vorgaben des Bewertungsausschusses. Ziff. 3.5 des Beschlusses des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010 zu Teil F gibt Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung vor, nach Ziff. 3.7 beschließen die Partner der Gesamtverträge für Neuzulassungen von Vertragsärzten, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge. Die Regelungen wurden durch die weiteren Beschlüsse des Bewertungsausschusses nicht geändert, insb. nicht durch den Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 239. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung) und in seiner 242. Sitzung am 24. November 2010. Mit Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 248. Sitzung am 25. Januar 2011 zur Sicherung der Versorgung in besonderen Situationen wurde mit Wirkung zum 1. April 2011 Abschnitt I., Nr. 3.5, erster Spiegelstrich Abschnitt I., Nr. 3.7 durch hier nicht weiter relevante Regelungen ergänzt.
Unstreitig zwischen den Beteiligten ist, dass es sich bei den Leistungen nach Nr. 30900 und 30901 EBM um fachgruppenatypische Leistungen handelt, für die grundsätzlich eine Sonderregelung in Betracht kommt.
Soweit letztlich ein "besonderer Versorgungsbedarf" vorliegen muss, ist nicht auf vergangene Zeiträume abzustellen, da es sich gerade um eine Sonderregelung handelt. So hat die Kammer bereits mit Urteil vom 16.11.2011 - S 12 KA 614/10 - NZS 2012, 358, juris Rdnr. 38 (Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Urt. v. 28.11.2012 - L 4 KA 73/11 - juris) hinsichtlich einer Ausnahmeregelung der Beklagten für die Quartale I/09 bis II/10 ausgeführt, die Bezugnahme auf das aktuelle Quartal sei nur dann rechtmäßig, wenn sie bereits in der Vorgabe des Bewertungsausschusses bzw. des HVV enthalten sei. Hierfür spreche der Umstand, dass die Praxisbesonderheit im jeweils aktuellen Quartal vorliegen müsse. Auch das Bundessozialgericht stellt in seinem Urteil vom 29.06.2011 - B 6 KA 17/10 R - SozR4-2005 § 85 Nr. 66 für das Jahr 2005 auf die Werte des aktuellen Quartals ab, ohne diese Frage weiter zu thematisieren (zitiert nach juris Rdnr. 24). Das von der Beklagten reklamierte Urteil des Bundessozialgerichts v. 17.07.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 2 = NZS 2013, 952 = GesR 2013, 739 = USK 2013-37 betrifft die Zuweisung des Regelleistungsvolumens und gerade nicht die Frage einer - einzelfallabhängigen - Sonderregelung. Eine Sonderregelung ermöglicht auch dem Vertragsarzt, auf aktuelle Entwicklungen hinzuweisen bzw. diese geltend zu machen, die sachgerecht erst im Rahmen der Honorarfestsetzung vorgebracht werden können, z.B. weil die den Einwänden zugrunde liegenden Tatsachen bei Bekanntgabe des RLV-Bescheids noch nicht bekannt oder absehbar waren, insbesondere wenn sich ein Überschreiten des Regelleistungsvolumens erst im Zusammenhang mit der Honorarabrechnung ergibt (vgl., wenn auch in anderem Zusammenhang, LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.02.2014 - L 7 KA 68/12 - juris Rdnr. 18).
Die Anspruchsgrundlage nach Abschnitt II Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 HVV 2011 bzw. Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 HVM 2012 ist auch im Kontext der vorhergehenden Absätze für eine Ausnahme bzgl. der Fallzahlen zu sehen, wofür gerade auf das aktuelle Quartal abzustellen ist.
Soweit ein QZV für die kardiorespiratorische Polygraphie nach Nr. 30900 EBM zugebilligt wird, scheidet eine Einbeziehung in eine Sonderregelung aus. Insofern liegt eine vergleichbare Lage mit der Fallkonstellation vor, in der ein bestimmter Praxisschwerpunkt mit atypischen Leistungen mit Leistungen, die im Regelleistungsvolumen auch von der Fachgruppe erbracht werden, einhergeht. Insofern wird nach der Systematik des Bundessozialgerichts nicht auf Krankheitsbilder, sondern auf Leistungen abgestellt, denen in der Regel wieder besondere Krankheitsbilder zugrunde liegen. Soweit aber ein QZV eingeräumt wird, wird bereits eine Sonderregelung getroffen.
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben steht fest, dass die Klägerin mit ihrem arztindividuellen Fallwert den Fallwert der Fachgruppe in den Quartalen IV/11 bis III/12 um über 20 % überschreitet. Die Überschreitungen betragen nach den Angaben der Beklagten 24,33 %, 28,87 %, 60,20 % bzw. 80,15 %. Lediglich im Quartal III/11 beträgt die Überschreitung mit 16,0 % weniger als 20 %. Für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM (kardiorespiratorische Polysomnographie) ergeben sich folgende Leistungsanteile:
Quartal IV/11 I/12 II/12 III/12
Nr. 30901 EBM
Anzahl 39 46 46 49
Wert aller Leistungen in EUR 12.233,52 14.429,28 14.429 15.370,32
Durchschnitt je Behandlungsfall in EUR 10,52 11,40 12,04 12,50
Fallwert der Fachgruppe in EUR 54,02 53,12 54,45 49,25
Leistungsanteil d. Kl. in % 19,5 21,5 22,1 25,4
Damit beträgt der Leistungsanteil der Leistungen nach Nr. 30901 EBM nur in den Quartalen I bis III/12 mehr als 20 % und liegen im Quartal IV/11 die Voraussetzungen nicht vor.
Es kann hier dahinstehen, ob generell eine Praxisbesonderheit über mindestens vier Quartale zu beurteilen ist. Soweit wie vorliegend von fünf Quartalen die ersten beiden Quartale die 20 %-Grenze nicht erreichen, zeigt dies, dass eine Praxisbesonderheit im Sinne der genannten Regelungen noch nicht bestanden hat. Ein Ausgleich bzw. die Vernachlässigung eines Quartals bei Unterschreiten der 20 %-Grenze kommt nur im Sinne einer Schwankungsbreite in Betracht, wenn also das Quartal der Unterschreitung von den Vor- und Nachquartal mit einer Überschreitung der 20 %-Grenze flankiert wird.
Nach allem war der Klage für die Quartale I bis III/12 stattzugeben. Bei einer Neubescheidung hat die Beklagte hinsichtlich einer Sonderregelung ihr Ermessen auszuüben und die Leistungen nach Nr. 30901 EBM auf der Grundlage der aktuellen Abrechnungsquartale I bis III/12v zu berücksichtigen. Entsprechend ist die Klägerin über ihren Honoraranspruch für diese Quartale neu zu bescheiden.
Die Klage war aber im Übrigen - für die Quartale III und IV/11 - abzuweisen.
Die angefochtenen Bescheide für die Quartale III und IV/11 sind im Ergebnis rechtmäßig.
Die Beklagte hat im Ergebnis zutreffend das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen aus den von der Kammer genannten Gründen verneint. Insofern hat sie auch das Honorar für diese Quartale nicht fehlerhaft festgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Der Streitwert für eine Klage auf höheres Honorar ist pro Quartal auf den Regelstreitwert festzusetzen, soweit - was vorliegend der Fall ist - keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete Abschätzung des wirtschaftlichen Werts des Begehrens ersichtlich sind (vgl. BSG, Beschl. v. 28.01.2009 - B 6 KA 66/07 B - juris). Der Regelstreitwert war mit der Anzahl der streitigen Quartale zu multiplizieren. Dies ergab den festgesetzten Wert.
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