L 8 SO 1034/13 KL

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 1034/13 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Schiedssprüche der Schiedsstelle des Beklagten vom 21. Mai 2013 sowie ihre Gebüh-renbeschlüsse vom 29. Mai 2013 werden aufgehoben. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu 2/3, die Klägerin zu 1/3 zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klagen richten sich vorrangig gegen Schiedssprüche der Schiedsstelle des Beklagten nach § 80 SGB XII zur Höhe der Leistungsvergütungen für zwei Einrichtungen der Klägerin für den Zeitraum vom 26. März 2013 bis 31. Mai 2013. Daneben sind mit ihnen auch die Gebüh-renfestsetzungen für die Verfahren angefochten.

Die Klägerin betreibt Einrichtungen zur Eingliederungshilfe i.S.d. 13 SGB XII im ... Gegenständlich betroffen sind einerseits die Werkstatt für behinderte Menschen (.) in ( ...) sowie das Wohnheim für Menschen mit Behinderungen " - " in. (Wohnheim). Das Wohnheim umfasst einerseits behinderte Menschen, welche "werkstattfähig" sind (Tagesbesucher) als auch solche, welche ganztägig in dem Heim betreut werden (Heimbetreuung).

Für das Wohnheim - Heimbetreuung - galt zuletzt eine Leistungs-, Vergütungs- und Prü-fungsvereinbarung (Vereinbarung) vom 9. Mai 2012 für den Zeitraum vom 14. Mai 2012 bis 30. April 2013, aufgrund derer folgende Vergütungssätze vereinbart wurden (Grundpauschale: 24,64 Euro/BT, Maßnahmepauschale 57,49 Euro/BT, Investitionsbeitrag 7,14 Euro/BT, insgesamt 89,27 Euro/BT). Für Tagesbesucher galt hingegen die Vereinbarung vom 9. März 2010 fort, weil die zunächst beantragte Erhöhung der Vergütung im Einverständnis mit der Klägerin abgelehnt wurde (Grundpauschale: 16,58 Euro/BT, Maßnahmepauschale 38,70 Eu-ro/BT, Investitionsbeitrag 8,96 Euro/BT, insgesamt 64,24 Euro/BT).

Für die ... richtete sich die Vergütung noch nach der Vereinbarung vom 20. Juni 2008 (zuletzt: Grundpauschale: 11,77 Euro/BT, Maßnahmepauschale 27,46 Euro/BT, Investi-tionsbeitrag 3,47 Euro/BT, insgesamt 42,70 Euro/BT).

Die Anträge der Klägerin auf Neuverhandlungen vom 5. November 2012 gegenüber dem Be-klagten für den Zeitraum ab 1. Januar 2013 begründete sie vor allem mit einer Auslastung von nur 95 % der Betreuungstage sowie erheblichen Steigerungen der Personalkosten, welche auf die Tarifbindung und damit verbundenen Umstellungen zurückzuführen seien. Daneben würden die Sachkosten vor allem durch Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel erhöht. Ihren Anträgen fügte sie ihre prospektiven Kostenkalkulationen bei (Bl. 57 ff., 110 ff. Verwaltungsakte).

Auf das Angebot des - ... - als überörtlichen Sozialhilfeträger des Beklagten mit einer Gesamtvergütung ab dem 1. Januar 2013 von 66,36 Euro/BT bzw. zuletzt 66,52 Euro/BT für das Wohnheim - Tagesbesucher -, 43,20 Euro/BT bzw. zuletzt 43,58 Euro/BT für die ... und ab dem 1. Mai 2013 91,41 Euro/BT bzw. zuletzt 91,64 Euro/BT für das Wohnheim - Heimbetreuung - konnten sich die Beteiligten nicht verständigen.

Deshalb leitete die Klägerin am 26. März 2013 bei dem Schiedsverfahren für das Wohnheim (Az. 64.407.0-150) und die ... (64.407.0-151) ein. Sie beantragte ab dem 1. Januar 2013, hilfsweise ab Zugang des Antrags bei der Schiedsstelle bis zum 31. Dezember 2013 eine Gesamtvergütung in Höhe von 100,38 Euro/BT für das Wohnheim - Heimbetreuung-, 72,19 Euro/BT für das Wohnheim - Tagesbesucher - sowie 55 Euro/BT für die ...

Der Vorsitzende der Schiedsstelle wies mit Schreiben vom 5. April 2013 die Klägerin darauf hin, der Beschleunigungsgrundsatz gebiete eine Entscheidung binnen sechs Wochen, so dass ein Termin zur mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2013 anberaumt sei. Die gestellten Anträge seien inhaltlich zu überprüfen, weil sie der von der Rechtsprechung des BSG geforderten plausiblen Darlegung der Gestehungskosten nicht genügten. Das ergebe sich schon daraus, dass die Kalkulationsunterlagen nicht beigefügt seien und das maßgebliche Tarifwerk nicht ausreichend erläutert sei. Bei Zweifeln über die voraussichtlichen Gestehungskosten könne verlangt werden, die in der Vergangenheit tatsächlich angefallenen nachzuweisen. Deshalb habe die Klägerin die tatsächlichen Kosten für 2012 darzulegen und nachzuweisen.

Mit weiterem Schreiben vom 23. April 2013, welches der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erst nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub am 29. April 2013 erhalten haben will, setzte der Vorsitzende der Schiedsstelle eine Frist bis 29. April 2013, 12:00 Uhr zur Vorlage der geforderten Unterlagen.

Mit seiner Stellungnahme vom 24. April 2013 übersandte das. an die Schiedsstelle unter anderem auch die Kalkulationen der Klägerin für die ... und das Wohnheim nebst Prüfberichten und externen Vergleichsprüfungen. Auf Anforderung des Vorsitzenden der Schiedsstelle reichte sie zudem mit Schreiben vom 29. April 2013 die Vereinbarung für das Wohnheim - Tagesbesucher - nach.

Mit Schriftsätzen vom 6. Mai 2013 und 7. Mai 2013 änderte die Klägerin den begehrten Ge-samtvergütungssatz für die auf 59,59 Euro/BT ab. Zugleich rügte sie die kurze Fristsetzung mit dem Antrag, eine angemessene Frist von zwei Wochen zur Erfüllung der Auflagen der Schiedsstelle zu gewähren. Auch sei die angestrebte Entscheidung innerhalb von sechs Wochen von keiner gesetzlichen Grundlage gedeckt. Zugleich bat sie um Konkretisierung des Hinweises, die Anträge inhaltlich zu konkretisieren.

Sie regte an, ein Sachverständigengutachten zum Nachweis der seit 2008 erfolgten und ab dem 1. Januar 20013 anstehenden Tariferhöhungen einzuholen. Der Arbeitgeberanteil sei in Höhe von 28 % der Bruttolohnkosten zu berücksichtigen, weil die Umlage zur gesetzlichen Unfallversicherung, Weiterbildungskosten und ein Sanierungsgeld einzubeziehen seien. Auch sei die lineare Abschreibung nach AfA und nicht die von dem Beklagten favorisierte "Platzwertabschreibung" zugrunde zu legen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Verhandlungstermin vom 7. Mai 2013 wurde wegen Beschlussunfähigkeit der Schiedsstelle mit nochmaliger Ladung auf den 21. Mai 2013 unter Verkürzung der Ladungsfrist auf acht Tage vertagt. Die Ladung erhielt die Klägerin am 10. Mai 2013.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2013 lehnte der Vorsitzende der Schiedsstelle die Einholung von Sachverständigengutachten ab. Nach § 8 Abs. 3 ThürSchiedsVO-SGB XII dürften Sachver-ständigengutachten nur auf einvernehmlichen Antrag der Parteien eingeholt werden.

Den Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 14. Mai 2013 auf Terminsaufhebung, um ein faires Verfahren zu gewährleisten, lehnte der Vorsitzende mit Antwortschreiben vom 17. Mai 2013 mit der Begründung ab, darüber müsse die Schiedsstelle entscheiden.

Aus der Niederschrift über den Verhandlungstermin vom 21. Mai 2013 ersichtlich, verlangte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nochmals die Terminsaufhebung. Das lehnte die Schiedsstelle in der Verhandlung mit der Begründung ab, die Klägerin habe auf die Aufklä-rungsverfügung vom 5. April 2013 nicht rechtzeitig reagiert. Auch sei nicht nachvollziehbar, wieso ein Termin aufgehoben werden solle, für den zugleich Beweisanträge gestellt würden. Weiter rügte die Klägerin, in dem externen Vergleich seien Einrichtungen aufgenommen, welche nicht vergleichbar seien. Zudem stellte sie nochmals den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, dem das widersprach.

Mit Schiedssprüchen vom 21. Mai 2013 setzte die Schiedsstelle entsprechend dem Angebot des. die Gesamtvergütungen fest. Zur Begründung führte sie aus, auf die Aufklärungsverfügung vom 5. April 2013 habe die Klägerin zunächst nicht reagiert. Hinsichtlich der Vorlage von Ist-Daten habe die Klägerin zunächst eingewandt, das sei nicht erforderlich, zugleich in der mündlichen Verhandlung sich dahingehend eingelassen, die Daten lägen bereits vor. Es ginge zu Lasten der Klägerin, dass ihre Anträge für eine Festsetzung durch die Schiedsstelle nicht geeignet seien. Dem Angebot des. sei ohne eigene Prüfung zu folgen, da es von keiner Seite als zu hoch bestritten würde. Der Festsetzungszeitraum würde nur vom 26. März 2013 bis 31. Mai 2013 reichen, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, umgehend erneute Verhandlungen einzufordern und hierfür hinreichende Kalkulationsgrundlagen einzubringen.

Zugleich setzte die Schiedsstelle mit Beschlüssen vom 29. Mai 2013 die Gebühren fest.

Hiergegen hat die Klägerin am 1. Juli 2013 bei dem Thüringer Landessozialgericht Klage zunächst neben dem Anfechtungsbegehren mit dem weiteren Verpflichtungsbegehren für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 erhoben, die im Schiedsstellenverfahren verlangten Vergütungssätze festzusetzen, hilfsweise die Schiedsstelle zur Neubescheidung zu verpflichten.

Die Klägerin gibt an, die Schiedssprüche am 30. Mai 2013 sowie die Gebührenfestsetzungs-beschlüsse am 3. Juni 2013 erhalten zu haben.

Die vorbenannten Entscheidungen seien bereits aufzuheben, weil wesentliche Fristen nicht gewahrt worden seien. So habe entgegen gesetzlicher Bestimmungen die Ladungsfrist weniger als zwei Wochen betragen. Auch habe nicht genügend Zeit bestanden, den Vorgaben der Schiedsstelle entsprechend die eigene Kalkulation plausibel zu machen. Zudem habe die Schiedsstelle verkannt, dass sie den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und ggf. von sich aus Sachverständigengutachten einzuholen habe. Entgegen der Entscheidungsgründe hätten ihre Kalkulationen vorgelegen.

Die Klägerin beantragt aufgrund der teilweisen Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung nur noch,

die Schiedssprüche der Schiedsstelle des Beklagten vom 21. Mai 2013 sowie ihre Ge-bührenbeschlüsse vom 29. Mai 2013 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Der Beklagte weist darauf hin, dass die Klagen keinen Erfolg haben dürften, soweit sie darauf gerichtet seien, dass das Gericht anstelle der Schiedsstelle die Vergütung festsetze. Auch sei zu beachten, dass für das Wohnheim - Heimbetreuung - die Laufzeit der letzten Vereinbarung erst zum 30. April 2013 abgelaufen sei. Ohne eine unvorhersehbare wesentliche Änderung könne daher eine abweichende Festsetzung vor dem 1. Mai 2013 ohnehin nicht erfolgen.

Soweit die Klägerin zu kurze Fristen rüge, sei darauf hinzuweisen, dass das Schiedsstellenver-fahren dem Beschleunigungsgebot unterliege. Soweit innerhalb einer danach angemessenen Zeit im Rahmen der 2-Stufen-Prüfung der Einrichtungsträger die Gestehungskosten nicht plausibel darlege und nachweise, ginge das zu seinen Lasten. Die Ladungsfrist habe verkürzt werden dürfen, da es sich ohnehin um eine Vertagung des bereits zwei Wochen früher vorgesehenen Termins gehandelt habe.

Aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Kalkulationsgrundlagen sei nicht zu erkennen gewesen, welche Mitarbeiter welches Arbeitsentgelt erhalten und ob dieses angemessen sei. Zwar sei der Klägerin zuzugeben, dass nach der Rechtsprechung des BSG die Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Arbeitsentgelte grundsätzlich als wirtschaftlich i.S.d. § 77 Abs. 3 S. 2 SGB XII anzusehen sei. Deshalb habe er in einem weiteren Schiedsstellenverfahren die Personalkosten anhand des AVR aufgrund einer nunmehr individualisierten Kalkulation der Klägerin berechnet. Doch seien dabei die Einstufungen durch die Klägerin fraglich geblieben, so dass auch insoweit die Kostenkalkulation nicht voll umfänglich plausibel sei. Schließlich sei zu beachten, dass die Vergütung sich nicht nach dem Kostendeckungsprinzip rechne, so dass sie zusätzlich einer externen Vergleichsberechnung genügen müsse, um eine wirtschaftliche Betriebsführung überprüfen zu können. Auch insoweit bewegten sich die Kostenansätze der Klägerin oberhalb aller vergleichbaren Einrichtungen.

Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten (Haupt- und Nebenakte) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klagen haben im verbliebenen Umfang in der Sache Erfolg.

Gegen die Zulässigkeit der Klagen bestehen keine Bedenken.

Die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit folgt aus §§ 77 Abs. 1 S. 3 und 4 SGB XII, $ 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG, die instanzielle Zuständigkeit des Senats als erste Instanz aus § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

Die Schiedsstelle ist nicht beizuladen. Zwar kann eine Entscheidung des Senats auf die Schiedskompetenz der Schiedsstelle einwirken. Sie ist gleichwohl nicht als sogenannter Dritter in eigener Rechtssphäre betroffen, sondern wirkt als hoheitliches Vertragshilfeorgan des Beklagten (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 24. April 2013 - L 8 SO 18/12 KL, juris m.w.N.).

Soweit die Klägerin sich gegen die Entscheidungen der Schiedsstelle wendet, ohne eine ge-richtliche Festsetzung der Vergütung oder eine Verpflichtung der Schiedsstelle hierzu erwirken zu wollen, ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 1. Alt. SGG die statthafte Klageart. Nach mittlerweile herrschender Rechtsprechung (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Februar 2011 - L 7 SO 237/10 KL, juris Rn. 44; Bayerisches LSG, Urteil vom 24. November 2011 - L 8 SO 223/09 KL, juris Rn. 45; Bayerisches LSG, Beschluss vom 24. No-vember 2011 - L 8 SO 135/10 KL, juris Rn. 22, jeweils m.w.N.) handelt es sich bei der Schiedsstellenentscheidung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 28. Februar 2002 - 5 C 25/01, juris Rn. 10) um einen gerichtlich - wenn auch nur eingeschränkt- überprüfbaren Verwaltungsakt. Der Schiedsstelle kommt dabei Behördenqualität im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu, welche zudem im Einzelfall auf den Gebiet des öffentlichen Rechts eine Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung trifft. Auch spricht hierfür die Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 6 SGB XII, wonach die Entscheidung der Schiedsstelle einer Überprüfung in einem Vorverfahren nicht bedarf.

Einer ausdrücklichen Rückverweisung an die Schiedsstelle bedarf es nicht, da mit der Aufhebung das Schiedsverfahren wieder eröffnet ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Oktober 2011 - L 2 SO 5659/08 KL; LSG Hamburg, Urteil vom 30. Oktober 2012 - L 4 SO 33/10 KL; beide juris).

Die von Klägerseite behauptete Einhaltung der Monatsfrist für die Klageerhebung ist nicht zu bezweifeln. Ein abweichender Zeitpunkt der Zustellung bzw. der Bekanntgabe der Entschei-dungen der Schiedsstelle ist weder aktenkundig noch vorgetragen.

Der Beklagte ist nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (ThürAG SGB XII) vom 17. Dezember 2004 (GVBL Seite 891) zuständig für die begehrte Vergütungsvereinbarung. Nach dieser Vorschrift besteht die Zuständigkeit für den Abschluss von Leistung-, Vergütungs- sowie Prüfvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII für teil- und vollstationärer Pflegeeinrichtungen. Bei der hier gewünschten Vereinbarung von Investitionskostenzuschüssen handelt es sich um eine Vergütungsvereinbarung im Sinne dieser Vorschrift. Zuständige Behörde ist das Landesverwaltungsamt (§ 2 ThürAGSGB XII).

Nach § 6 Abs. 1 der Thüringer Verordnung über die Schiedsstelle nach § 80 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (ThürSchiedsVO-SGB XII) vom 21. Oktober 1994 in der Fassung vom 8. Dezember 2009 (GVBL Seite 777) ist das Schiedsverfahren schriftlich einzuleiten. Dies ist hier geschehen. Weitere Voraussetzung ist nach § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII ein Einsetzen von Verhandlungen mindestens sechs Wochen vor Anrufung der Schiedsstelle. Dies ist ebenfalls der Fall.

Nach § 77 Abs. 1 Satz 6 SGB XII ist ein Vorverfahren vor Klageerhebung entbehrlich.

Für eine falsche Besetzung der Schiedsstelle bei ihrer Entscheidungsfindung im Sinne des § 1 ThürSchiedsVO-SGB XII finden sich keine Anhaltspunkte.

Soweit die Klägerin die gesetzten Fristen rügt, sind diese für sich genommen rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Ladungsfrist trotz der abweichenden Soll-Vorschrift in § 7 Abs. 2 S. 1 ThürSchiedsVO-SGB XII gewahrt. Ausnahmsweise abgewichen werden durfte schon deshalb von der Zwei-Wochen-Frist, weil die Ladung allein auf der Aufhebung des für den am 7. Mai 2013 vorgesehenen Termin beruht hat, von dem die Klägerin ohnehin bereits Kenntnis gehabt hat. Auch die kurze Frist zur weiteren Stellungnahme bis 29. April 2013 ist ebenfalls unschädlich gewesen, selbst wenn sie zu kurz gesetzt gewesen sein sollte, weil der Termin ohnehin erst am 21. Mai 2013 wegen der vorherigen Beschlussunfähigkeit stattgefunden hat und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin selber mit Schriftsatz vom 6. Mai 2013 eingeräumt hat, binnen zwei Wochen die Auflagen der Schiedsstelle erfüllen zu können.

Gleichwohl sind die Entscheidungen rechtswidrig und verletzen die Klägerin in eigenen Rechten, weil sie einer gerichtlichen Überprüfung materiellrechtlich nicht standhalten.

Auch wenn die gerichtliche Prüfungskompetenz eingeschränkt ist, weil die Schiedsstelle in ihrer paritätischen Besetzung aus Vertretern der Einrichtungen sowie der Sozialhilfeträger eine besondere Beurteilungskompetenz zugemessen wird, bleibt zu prüfen, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien ermittelt und alle für die Abwägung erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen hat, ihre Abwägung frei von einseitiger Betrachtung gewesen ist sowie die Abwägung in einem fairen und willkürfreien Verfahren sowie inhaltlich orientiert an den materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts vorgenommen hat (Hessisches LSG, Urteil vom 25. Februar 2011 - L 7 SO 237/10 KL, juris Rn. 47; Bayerisches LSG, Beschluss vom 24. November 2011 - L 8 SO 135/10 KL, juris Rn. 27 sowie Urteil vom 24. November 2011 - L 8 SO 223/09 KL, juris Rn. 52).

Der positiv-rechtliche Rahmen dieser Einschätzungsprärogative wird durch § 75 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB XII bestimmt, wonach der Sozialhilfeträger zur Übernahme der Vergütung für die Leistung nur verpflichtet ist, wenn die Vergütungsvereinbarung den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entspricht. Dasselbe gilt für eine diese Vereinbarung nach § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII ergänzende oder ggf. ersetzende Entscheidung der Schiedsstelle, deren Einschätzungsprärogative insbesondere den Bereich der unbestimmten Rechtsbegriffe Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Leistungsfähigkeit betrifft (BVerwG, Urteil vom 1.12.1998 - 5 C 17/97). Die Rechtsprechung hat hierzu eine Methodik entwickelt, wonach zunächst in einem sog. internen Vergleich die Plausibilität der einzelnen Kostenansätze (einschließlich jedenfalls der nachgewiesenen Gestehungskosten insbesondere im Vergleich zu den bisherigen Kosten) geprüft wird und anschließend eine Feststellung der Leistungsgerechtigkeit durch sog. externen Vergleich mit anderen, im Wesentlichen gleichartigen Einrichtungen erfolgt (BVerwG, Urteil vom 1.12.1998 - 5 C 17/97; zur sozialen Pflegeversicherung insbesondere BSG, Urteil vom 29.1.2009 - B 3 P 7/08 R; zum Recht des SGB XII etwa Bayerisches LSG, Urteile vom 24.11.2011 - L 8 SO 135/10 KL, und vom 24.11.2011 - L 8 SO 223/09 KL).

Hierfür sind die detaillierten Regelungen für die Schiedsstellen in der sozialen Pflegeversicherung entsprechend heranzuziehen. Dabei obliegt es zunächst dem Einrichtungsträger die voraussichtlichen Gestehungskosten plausibel und nachvollziehbar darzulegen (vgl. zu § 85 Abs. 3 SGB XI: BSG, Urteil v. 29. Januar 2009 - B 3 P 7/08 R, juris). Ggf. hat er weitere Unterlagen auf Verlangen der Schiedsstelle vorzulegen (§ 7 Abs. 3 ThürSchiedsVO-SGB XII). Mit dieser Last korrespondiert jedoch die ebenfalls grundsätzlich bestehende Amtsermittlungspflicht der Schiedsstelle nach § 20 SGB X, auch wenn sie durch die Substantiierungslasten der Parteien Einschränkungen unterworfen ist.

Insbesondere wenn, wie hier, die Schiedsstelle die Darlegung der Gestehungskosten nicht nur nicht überzeugt, weil sie ihrer Auffassung nach auf falschen Tatsachenbehauptungen oder Schlussfolgerungen beruht, sondern sie von vornherein der Auffassung ist, dass die Darlegung des Einrichtungsträgers einer Plausibilitätsprüfung von Amts wegen nicht zugänglich ist, muss sie dem Einrichtungsträger die Möglichkeit einräumen, auf einen hinreichend konkreten Hinweis fehlende Unterlagen oder Daten nachzureichen.

Dem ist die Schiedsstelle nicht hinreichend nachgekommen. Zwar hat ihr Vorsitzender mit Schreiben vom 5. April 2013 den Hinweis erteilt, den Anträgen seien die Kalkulationsunterlagen nicht beigefügt gewesen und das maßgebliche Tarifwerk nicht erläutert worden, so dass bei Zweifeln an den Gestehungskosten sogar die in der Vergangenheit tatsächlich angefallenen nachzuweisen seien. Doch hat auf diesen allgemeinen Hinweis sowohl das die Kalkulationen der Klägerin als auch letztere weitere Erläuterungen und Unterlagen zum Tarifwerk nachgereicht. Aufgrund dessen hätte sich die Schiedsstelle veranlasst sehen müssen, die nachgereichten Unterlagen zu prüfen und ggf. die Klägerin darauf hinzuweisen, welche Unterlagen oder Daten weiterhin fehlen (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 24. April 2013 - L 8 SO 18/12 KL, juris Rn. 55). So hat bei der späteren, von dem Beklagten vorgelegten Schiedsspruch vom 18. Februar 2014 aufgrund eines Folgeantrags es augenscheinlich auch für die Schiedsstelle genügt, eine Entscheidung in der Sache treffen zu können. Weiter hat der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 6. März 2014 selber darauf hingewiesen, dass die Klägerin ihre Kalkulationsgrundlagen nachgebessert, insbesondere eine individuelle Überprüfung der Eingruppierung ermöglicht hat.

Sind bereits deshalb die Entscheidungen der Schiedsstelle aufzuheben, um es der Klägerin zu ermöglichen, von der Schiedsstelle erkannte Darlegungslasten zu erfüllen, bedarf es keiner Klärung des Senats, ob sich die Schiedsstelle bereits im bisherigen Verfahrensstand zur Ein-holung eines Sachverständigengutachtens hätte gedrängt sehen müssen und die Regelung in § 8 Abs. 3 ThürSchiedsVO-SGB XII einen einvernehmlichen Beweisantrag beider Parteien fordert.

Die Gebührenfestsetzungen sind aufzuheben, weil sich aufgrund der erforderlichen Fortführung des Schiedsstellenverfahrens eine abweichende Gebührenfestsetzung ergeben kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits und der teilweisen Rück-nahme der Klage gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. Abs. 2 VwGO. Soweit der Beklagte nach § 2 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) von Verfahrenskosten befreit ist, ist das allein im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 2 Abs. 5 GKG zu berücksichtigen.

Gründe die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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