L 5 R 2433/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 4046/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2433/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14.05.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1958 geborene Kläger absolvierte von 1974 bis 1977 eine Ausbildung zum Maurer. Er war als Estrichleger (1977 bis 1980), Monteur im Zeltbau (1980 bis 1990), Gebäudereiniger (1990 bis 2005) und danach als Maurer (lt. Arbeitsvertrag) bzw. Bauhelfer (lt. Arbeitgeberauskunft) versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 10.02.2008 ist er arbeitsunfähig krank bzw. seit 22.06.2009 arbeitslos und bezieht seit Dezember 2010 SGB-II-Leistungen. Ein Grad der Behinderung von 50 ist seit 02.11.2010 bei ihm festgestellt.

Unter dem 13.10.2010 (Eingang bei der Beklagten: 15.12.2010) stellte der Kläger einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Zuvor hatte er sich vom 18.03.2010 bis 08.04.2010 in der Rehaklinik H. befunden. Im Reha-Entlassungsbericht vom 19.04.2010 wird ausgeführt, dass der Kläger 6 Stunden und mehr "leichte körperliche Männerarbeiten" verrichten könne. Wegen des LWS-Syndroms seien Einschränkungen zu beachten. In seinem früheren Beruf könne er nicht mehr arbeiten. Anschließend nahm er vom 12.08. bis 29.09.2010 an einer Maßnahme zur Berufsfindung im Beruflichen Trainingszentrum R.-N. in W. teil. Im Bericht des Beruflichen Trainingszentrums R.-N. vom 18.10.2010 wird ausgeführt, dass der Kläger derzeit und auch in absehbarer Zukunft nicht in der Lage sein werde, einer auch leichteren beruflichen Tätigkeit über 3 Stunden täglich nachzugehen. Die psychologische Diagnostik ergab deutlich unterdurchschnittliche Ergebnisse der intellektuellen Leistungskapazität, die Kenntnisfeststellung in Deutsch und Mathematik nur ausreichende Fähigkeiten. Sowohl im Berufsfeld Verkauf als auch im Berufsfeld Küche erwies er sich von seinen Grundarbeitsfähigkeiten als ungeeignet.

Nach Auffassung des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit vom 30.11.2010 ist der Kläger aufgrund des LWS-Syndroms hinsichtlich der Belastbarkeit dauerhaft qualitativ eingeschränkt. Leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten könnten jedoch vollschichtig ausgeführt werden. Die Beklagte holte das Gutachten vom 22.02.2011 beim Chirurgen und Sozialmediziner Dr. G. ein, das die Diagnosen chronisch rezidivierendes LWS-Syndrom ohne wesentliche Funktionseinschränkung bei Zustand nach Versteifungs-OP L5/S1 (10/2009) und Nukleotomie L5/S1 (10/08), insulinpflichtiger Diabetes mellitus (grenzwertig eingestellt), abgeklungene PHS rechtes Schultergelenk ohne Funktionseinschränkung, Schwerhörigkeit links, Nikotinabusus und arterielle Hypertonie (medikamentös unzureichend eingestellt) aufführte. Unter Beachtung der Einschränkungen des Bewegungs- und Haltungsapparats könne der Kläger noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen in Tagesschicht sowie in Früh- und Spätschicht 6 Stunden und mehr verrichten. Seine bisherige Tätigkeit als Maurer/Bauhelfer könne der Kläger nicht mehr verrichten. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht. Auf die Anfrage beim ehemaligen Arbeitgeber teilte dieser am 15.12.2010 mit, dass der Kläger Tätigkeiten eines Bauhelfers verrichtet habe, nicht in einer Vorgesetztenposition tätig gewesen sei, ungelernte Arbeiten mit einer Anlernzeit von weniger als 3 Monaten verrichtet habe und einen Stundenlohn von 11,50 EUR erhalten habe.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag mit Bescheid vom 23.02.2011 ab.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, es bestehe Berufsschutz als Maurer. Laut Arbeitsvertrag sei er zu einem Stundenlohn von 11,50 EUR seit 2005 beschäftigt worden. Darüber hinaus könne er trotz Schmerzmedikation nur kurz sitzen. Die Beklagte holte einen aktuellen Befundbericht beim behandelnden Orthopäden Dr. M. ein, der auch den Entlassbrief des T. M. vom 22.10.2010 (stationäre Behandlung mit intensivierter konservativer Therapie vom 18.10.2010 bis 23.10.2010) vorlegte. Hierauf führte der beratende Chirurg und Orthopäde der Beklagten Dr. St. aus, dass den neuen Unterlagen keine Änderung seit der Begutachtung zu entnehmen sei. Insbesondere liege auch keine fortschreitende degenerative Veränderung vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liege ein vollschichtiges Leistungsvermögen vor. Es sei auch nach Mitteilung des Arbeitgebers davon auszugehen, dass der Kläger zuletzt trotz der Bezeichnung "Maurer" in seinem Arbeitsvertrag überwiegend Hilfstätigkeiten auf dem Bau verrichtet habe. Hierfür spreche auch seine Bezahlung, die unter dem Mindestlohn für angelernte Hilfskräfte gelegen habe. Der Kläger sei daher breit verweisbar. Ein Berufsschutz bestehe nicht.

Am 29.11.2011 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim. Er trug vor, aufgrund seiner orthopädisch begründeten Schmerzen, wegen derer er Morphinpräparate einnehmen müsse, sei ihm auch eine leichte Tätigkeit nur noch unter 6 Stunden täglich möglich. Auch sein Blutdruck habe zwischendurch "verrückt gespielt". Das Sozialgericht befragte die behandelnden Ärzte (Allgemeinmediziner S., Orthopäde Dr. M.) als sachverständige Zeugen. Der Allgemeinmediziner S. (Bericht vom 14.02.2012) äußerte sich zum quantitativen Leistungsvermögen nicht. Er führte aus, dass aufgrund der orthopädischen Beschwerden (LWS) langes Sitzen und Liegen sowie Heben von Gewichten über 10 kg "nicht sinnvoll" sei. Der Orthopäde Dr. M. hielt im Schreiben vom 19.03.2012 zunächst ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für gegeben. Als Maurer könne er nur noch unter 3 Stunden arbeiten. Einschränkungen der Wegefähigkeit lägen nicht vor. Der behandelnde Orthopäde legte später (Schreiben vom 30.04.2012) eine weitere Stellungnahme vor, wonach das Leistungsvermögen des Klägers 3 bis unter 6 Stunden betrage. Das Sozialgericht holte danach das orthopädische Gutachten vom 11.10.2012 bei Dr. Th. ein. Er diagnostizierte eine mittelgradig ausgeprägte degenerative Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule, eine degenerative Verschleißerkrankung des Talonaviculargelenks links mittelgradig, rechts geringgradig ausgeprägt sowie eine mittelgradig ausgeprägte degenerative Verschleißerkrankung des Schulter- und des Ellenbogengelenks auf orthopädischem Gebiet sowie insulinabhängigen Diabetes, Hypertonie, Hypercholesterinämie und die Hörminderung links. Als Maurer könne der Kläger nur noch unter 3 Stunden täglich arbeiten. Die festgestellten Gesundheitsstörungen hinderten vollschichtige leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts jedoch nicht. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Wegen der Verschleißerkrankung der LWS seien nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten möglich. Zwangshaltungen wie ständiges Bücken oder Knien sowie das Tragen von Lasten über 10 kg seien zu vermeiden. Wegen der Verschleißerkrankungen der Schultereckgelenke seien permanente Arbeiten über Kopf nicht mehr durchführbar. Gelegentlich seien diese aber möglich. Permanente Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr zumutbar. Aber gelegentlich seien sie zumutbar. Ständige Arbeiten im Freien seien aufgrund der degenerativen Verschleißerkrankung nicht mehr zumutbar, die Arbeit müsse aber auch nicht ständig in geschlossenen und wohltemperierten Räumen stattfinden. Arbeiten mit vermehrter Lärmexposition seien wegen der Hörminderung nicht mehr durchführbar. Die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 06.03.2013 teilte der Gutachter mit, dass die Einnahme eines morphinhaltigen Schmerzmittels die Konzentrationsfähigkeit nicht dauerhaft beeinträchtige, weil ein Gewöhnungseffekt eintrete. Der Kläger könne etwa im Verkauf von Baustoffen tätig sein.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.05.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger könne Erwerbsminderungsrente nicht beanspruchen, da er mindestens 6 Stunden täglich (unter qualitativen Einschränkungen) erwerbstätig sein könne; Erwerbsminderung liege daher nicht vor (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Rentenberechtigende (zeitliche) Leistungseinschränkungen folgten aus den orthopädischen Erkrankungen nicht. Das gehe aus dem Gerichtsgutachten des Dr. Th. und dem damit übereinstimmenden Verwaltungsgutachten des Dr. G. hervor. Die Auskünfte der behandelnden Ärzte belegten nichts anderes. Die Wegefähigkeit sei von allen bejaht worden. Die Änderung der Leistungsbeurteilung des behandelnden Orthopäden sei nicht nachvollziehbar.

Auf den am 21.05.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.06.2013 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Schmerzleiden sei unzureichend berücksichtigt und auch der Diabetes sei nur schwer einzustellen. Der Kläger sei überdies auch als Facharbeiter - Maurer - tätig gewesen, sodass ihm jedenfalls eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren sei.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14.05.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.02.2011 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 08.11.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Für den Fall, dass der Kläger entgegen der Angabe des Arbeitgebers als gelernter Maurer im Status eines Facharbeiters beschäftigt gewesen sein sollte, sei er jedenfalls auf den Beruf des Registrators bzw. eine Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter zu verweisen.

Am 14.02.2014 hat ein nichtöffentlicher Erörterungstermin stattgefunden. Der Kläger gab an, dass er vollumfänglich als Maurer gearbeitet habe, aber in dem Kleinbetrieb dennoch wenig verdient habe. Er habe die anderen Arbeitnehmer angeleitet. Seit 2010 habe er keine Schmerztherapie mehr gemacht. Er mache Reha-Sport und Wirbelsäulengymnastik, habe die Schmerzmedikation eingenommen, wobei er aber die Medikation reduziere, seit er gesagt bekommen habe, dass diese zur Abhängigkeit führe. Der Senat hat den früheren Arbeitgeber des Klägers zur Tätigkeit des Klägers an seiner letzten Arbeitsstelle erneut befragt. Der Arbeitgeber teilte mit Schreiben vom 20.03.2014 mit, dass der Kläger diverse am Bau anfallende Arbeiten als Maurer bzw. Bauhelfer durchgeführt habe. Weiter hat der Kläger den Arztbrief des orthopädischen Praxiszentrums S. (Dr. Sch. vom 17.02.2014) vorgelegt, bei dem er sich wegen Schmerzen im BWS-Bereich im Januar 2014 in Behandlung befand. Aus der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. Sch. vom 17.07.2004 ergibt sich, dass das MRT keinen handlungsrelevanten Befund gezeigt habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Er hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid in seinem Gerichtsbescheid zutreffend und vollständig dargestellt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist. der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

1.) Aus den im Verwaltungsverfahren und im vorausgegangenen Gerichtsverfahren erhobenen Rentengutachten geht überzeugend hervor, dass der Kläger (jedenfalls) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, so dass eine Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht vorliegt. Das orthopädische Gutachten des Dr. Th. legt schlüssig dar, welche Tätigkeiten des Klägers nicht mehr in Betracht kommen. Seine Leistungseinschätzung deckt sich mit dem Gutachten im Verwaltungsverfahren des Dr. G ... Stichhaltige Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. Th. sind nicht erhoben. Die Behauptung einer Verschlechterung ist durch Befunde nicht hinreichend belegt. So hat der Kläger zwar Angaben zu einer notwendigen orthopädischen Behandlung wegen Beschwerden des BWS-Bereichs gemacht. Aus den von Dr. Sch. unter dem 17.02.2004 mitgeteilten Befunden ergibt sich jedoch keine Änderung seines Leistungsvermögens. Hier teilt der Senat die Auffassung des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten. Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen, etwa weitere Begutachtungen, nicht auf. Für die Rentengewährung sind nicht (eine Vielzahl von) Diagnosen, sondern sozialmedizinisch (rentenrechtlich) beachtliche - zeitliche - Leistungseinschränkungen maßgeblich, die beim Kläger nicht festgestellt sind. Bei ihm liegt auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor noch ist ihm der Arbeitsmarkt wegen einer außergewöhnlichen Häufung von Arbeitsunfähigkeitszeiten verschlossen (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 26.10.2010, - L 5 R 2916/10 - m. w. N.). Die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen begrenzen die Leistungsfähigkeit des Klägers - lediglich - auf (jedenfalls) leichte Tätigkeiten. Für außergewöhnlich häufige Arbeitsunfähigkeitszeiten ist nichts ersichtlich; eine Fallgestaltung dieser Art geht weder aus den Rentengutachten noch aus den Berichten der behandelnden Ärzte hervor. Der Kläger hat überdies im Erörterungstermin angegeben, aktuell keine Schmerztherapie mehr zu machen, was eher auf eine Verbesserung schließen lässt.

2.) Der Kläger kann auch Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) nicht beanspruchen.

Gem. § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte gem. § 240 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VI, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nach § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB VI ist eine Tätigkeit stets zumutbar, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Gemäß § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI ist nicht berufsunfähig, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Berufsunfähigkeitsrente wird damit nicht schon dann gewährt, wenn der Versicherte seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Der Gesetzgeber verlangt von ihm vielmehr, dass er, bezogen auf seinen bisherigen Beruf, einen sozial zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf nimmt und sich vor Inanspruchnahme einer Rente mit einer geringwertigeren Erwerbstätigkeit zufrieden gibt.

Das Bundessozialgericht hat die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente in seiner Rechtsprechung zu § 43 SGB VI a.F. näher konkretisiert; die dort entwickelten Rechtsgrundsätze sind auch für Auslegung und Anwendung des § 240 Abs. 2 SGB VI maßgeblich (BSG, Urteil vom 20.7.2005, - B 13 RJ 19/04 R -).

Danach ist die Prüfung, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, in einem dreistufigen Verfahren durchzuführen. Zunächst sind die rechtsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen des Versicherungsfalls Berufsunfähigkeit festzustellen. Das Leistungsvermögen des Versicherten muss allein wesentlich bedingt durch Krankheit oder Behinderung ab einem bestimmten Zeitpunkt dauerhaft, d. h. für mehr als 26 Wochen, derart herabgesunken sein, dass er seinen rentenversicherten bisherigen Beruf (den Hauptberuf) nicht mehr vollwertig und vollschichtig (mindestens 6 Stunden täglich) ausüben kann. Hierfür trägt der Versicherte die Darlegungs- und (objektive) Beweislast. Sind die rechtsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen durch Vollbeweis festgestellt, muss die von Amts wegen zu beachtende materiell rechtliche rechtshindernde Einwendung des sozial zumutbaren Vergleichsberufs (Verweisungsberuf) geprüft, also geklärt werden, ob der Versicherte einen Beruf, der seinem bisherigen Beruf qualitativ gleichwertig ist, gesundheitlich noch vollwertig und vollschichtig ausüben kann. Hierfür trägt der Versicherungsträger die Darlegungs- und die objektive Beweislast. Kann der Versicherte die typischen Aufgaben eines ihm sozial zumutbaren Verweisungsberufs (fachliches Anforderungsprofil) und den mit diesen fachlichen Anforderungen üblicherweise verbundenen gesundheitlichen Belastungen (gesundheitliches Belastungsprofil) genügen, ist er grundsätzlich nicht berufsunfähig. Ausnahmsweise, also nur dann, wenn das Verfahrensergebnis dazu drängt, ist sodann das in so genannten "Katalogfällen" (Unüblichkeits- und Seltenheitsfällen) abschließend zusammengefasste, von Amts wegen zu beachtende Gegenrecht des Versicherten im Sinne eines materiell-rechtlichen Einwendungsausschlusses zu prüfen und zu klären, ob der Versicherte im (zumutbaren) Verweisungsberuf sonstigen Belastungen ausgesetzt ist, die sich auf Grund allgemeiner, d. h. nicht von den berufstypischen fachlichen Anforderungen abhängiger Arbeitsbedingungen üblicherweise ergeben und ob er diesen gewachsen ist (Unüblichkeitsfälle). Ferner kann zu prüfen sein, ob der in der Arbeitswelt wirklich vorhandene Vergleichsberuf an Arbeitsplätzen ausgeübt wird, die nicht arbeitsmarktgängig (zugänglich) sind, weil sie nahezu ausschließlich betriebsintern besetzt oder aus anderen Gründen nur selten auf dem Arbeitsmarkt angeboten werden (Seltenheitsfälle). Für die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Einwendungsausschlusses trägt der Versicherte die Darlegungs- und die objektive Beweislast (dazu etwa BSG, Urteil vom 23.10.1996, - 4 RA 1/96 - in Fortführung des Urteils vom 14.5.1996, - 4 RA 60/94 -, BSGE 78,207 sowie Urteil vom 29.7.2004, - B 4 RA 5/04 R -).

Für die (auf der zweiten Stufe zu prüfende) Einwendung des zumutbaren Verweisungsberufs gelten weitere materielle und formelle Voraussetzungen.

In materieller Hinsicht hat das Bundessozialgericht zur Prüfung der sozialen Zumutbarkeit eines Verweisungsberufs ein sog, "Mehrstufenschema" entwickelt und die Berufe der Versicherten in Berufsgruppen zusammengefasst. Die Berufsgruppen sind nach der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf (Hauptberuf) auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe verwiesen werden. Die (hier maßgeblichen) Arbeiterberufe sind in Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, in der Regel drei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters eingeteilt (dazu BSG, Urteil vom 18.02.1998 - B 5 RJ 34/97 R -, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61; BSG, Urteil vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/96 -, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; jeweils m.w.N.). Die Zuordnung zu den Berufsgruppen richtet sich nicht ausschließlich nach der absolvierten Berufsausbildung des Versicherten, sondern nach den Qualitätsanforderungen der verrichteten Arbeit insgesamt, also nach dem im Rahmen eines Gesamtbildes zu ermittelnden Wert der Arbeit für den Betrieb (näher etwa BSG, Urteil vom 20.7.2005, a. a. O.). So kann der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters auch zugeordnet werden, wer einen anerkannten Ausbildungsberuf mit mehr als zweijähriger Ausbildung zwar nicht erlernt hat, dessen Tätigkeit für den Betrieb aber insbesondere hinsichtlich der tarifvertraglichen Bewertung bzw. der tariflichen Einordnung durch den Arbeitgeber als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist (näher zur "Tarifrechtsprechung" BSG, Urteil vom 20.7.2005, a. a. O.); der Versicherte muss in einem anerkannten Ausbildungsberuf gearbeitet und sich durch praktische Berufsausübung die Kenntnisse angeeignet haben, die ihn befähigen, sich unter gelernten Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig und damit vollwertig zu behaupten (BSGE 65, 169). Was die Verweisbarkeit auf die nächst niedrigere Berufsgruppe des Mehrstufenschemas angeht, hat das Bundessozialgericht hinsichtlich der Facharbeiterberufe konkretisierend festgelegt, dass Facharbeiter nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden dürfen, die eine betriebliche Anlernzeit von wenigstens 3 Monaten erfordern oder sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten nach der tariflichen Eingruppierung durch den Arbeitgeber bzw. der tarifvertraglichen Eingruppierung oder auf Grund besonderer qualitativer Merkmale hervorheben und deshalb einer Anlerntätigkeit gleichstehen (vgl. näher BSG, Urteil vom 25.7.2001, - B 8 KN 14/00 R -).

Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze steht dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht zu. Zwar kann er den Beruf des Maurers, den er erlernt hat, mit dem ihm verbliebenen gesundheitlichen Restleistungsvermögen nicht mehr vollwertig und vollschichtig ausüben, wie sich aus dem Gutachten des Dr. Th. ergibt und was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. Mit dem ihm nach den Feststellungen von Dr. Th. noch verbliebenen Leistungsvermögen, das der Senat - wie oben dargelegt - für zutreffend hält, vermag der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber noch sechs Stunden und mehr bei Beachtung qualitativer Einschränkungen tätig werden.

Bisherige Tätigkeit im Sinne des Mehrstufenschemas des BSG ist die zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers. Dies ist die Beschäftigung bei der Firma Janke und Bär in Altlußheim, wo der Kläger von 11.03.2005 bis 31.08.2005 beruflich tätig war. Entgegen seiner Auffassung ist der Kläger mit dieser Tätigkeit nicht der Gruppe mit dem Leitbild des Facharbeiters zu zuordnen. Bei seiner zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit in einem kleineren Betrieb als "Maurer bzw. Bauhelfer" handelte es sich allenfalls um eine einfach angelernte Tätigkeit. Zwar spricht der Umstand, dass der Kläger von 1974 bis 1977 nach eigenen Angaben eine Maurerlehre erfolgreich abgeschlossen hat und er nach seinem Arbeitsvertrag vom 31.03.2005 als Maurer eingestellt wurde, dafür, dass der Kläger eine höherwertige Tätigkeit ausgeführt hat, dagegen spricht jedoch die Auskunft seines Arbeitgebers vom 15.12.2010 (Bl. 89 Verw.-Akte), dass er als Bauhelfer nur ungelernte Arbeiten mit weniger als drei Monaten Anlernzeit verrichtet hat. Die Nachfrage des Senats hat keine Klärung im Sinne des Klägers gebracht. Der frühere Arbeitgeber hat dem Kläger im Schreiben vom 20.03.2004 nicht eine vollwertige Tätigkeit als Facharbeiter bescheinigt, sondern nur bestätigt, dass er diverse am Bau anfallenden Arbeiten als Mauer bzw. Bauhelfer ausgeführt hat. Auch die Bezahlung mit 11,50 EUR in der Stunde spricht für eine angelernte oder sogar eine ungelernte Tätigkeit. Mit diesem Stundenlohn liegt er in der Mitte zwischen der Lohngruppe 1 der Mindestlöhne im Baugewerbe von 10,70 EUR und der Lohngruppe 2 mit 12,85 EUR (vgl. Bl. 427 Verw.-Akte). Die Lohngruppe 1 wird für die Ausführung einfacher Bau- und Montagetätigkeiten nach Anweisung gezahlt, die Lohngruppe 2 erfasst die Ausführung fachlich begrenzter Arbeiten (Teilleistung eines Berufsbildes ) nach Anweisung. Gegen eine Einstufung als Facharbeiter spricht weiterhin, dass der Kläger nach Abschluss seiner Lehre im Jahre 1977 bis März 2005 den gelernten Beruf nicht ausgeübt hat, sondern Helfertätigkeiten in der Zeltbaumontage und als Gebäudereiniger ausgeübt hat. Nach so langer Zeit können die Kenntnisse eines gelernten Baufacharbeiters nicht mehr unterstellt werden, zumal es sich bei der Psychologischen Diagnostik im Rahmen der Berufsfindungsmaßnahme im Trainingszentrum R.-N. im August 2010 herausgestellt hat, dass der Kläger nur bei der figuralen Intelligenz über eine durchschnittliche intellektuelle Leistungskapazität verfügt, bei der Prüfung der verbalen Intelligenz, der numerischen Intelligenz, der Merkfähigkeit und des schlussfolgernden Denkens aber nur unterdurchschnittliche Leistungen und damit die schlechteste Note auf einer 5 Gruppen umfassenden Scala erzielte (vgl. Bl. 117 Verw.-Akte).

Die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit auf dem Bau kann nach alledem weder als Facharbeitertätigkeit noch als die Tätigkeit eines oberen Angelernten eingestuft werden. Der Kläger ist vielmehr innerhalb des Mehrstufenschemas des BSG der Gruppe der einfachen angelernten Arbeiter zuzuordnen. Als solcher ist er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbar. Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit besteht deshalb nicht.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved