L 11 KR 2864/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 3510/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2864/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Versicherte der GKV, die an einem Keratonus sowie einem Astigmatismus leiden, haben keinen Anspruch auf Implantation einer intraokularen Kontaktlinse.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.06.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Anspruch auf Implantation zweier Intraokularlinsen geltend.

Der am 07.11.1971 geborene Kläger leidet an einem Keratokonus auf beiden Augen (laut Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 261. Auflage, S 977, eine kegelförmige Vorwölbung der Hornhaut) sowie einem Astigmatismus (laut Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 261. Auflage, S 165, Stabsichtigkeit bzw Brennpunktlosigkeit). Im Jahr 1994 erfolgte am rechten Auge und im Jahr 1995 am linken Auge eine Keratoplastik (Hornhauttransplantation). Nach wieder eingetretener Verschlechterung des Astigmatismus erfolgte am 02.04.2007 am rechten Auge und am 03.07.2007 am linken Auge eine Femto Lasik Astigmatismuskorrektur. Nach zwischenzeitlicher Verbesserung der Sehschärfe betrug diese am 25.01.2013 auf beiden Augen 80 % mit Werten rechts -4,5/-5,5/52° und links +1,5/-5/80°. Der Kläger trägt zum Ausgleich der Sehschwäche eine Brille. Er ist bei der Kreissparkasse L. als Angestellter beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Der Kläger beantragte am 22.03.2011 die Übernahme der Kosten für eine beidseitige Implantation einer intraokularen Kontaktlinse (ICL) und legte hierzu einen Kostenvoranschlag des Augenlaserzentrums H., Institut für refraktive Laser- und Augenchirurgie, über einen voraussichtlichen Betrag von 3.938,80 EUR vor. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11.04.2011 ab.

Der Kläger legte hiergegen am 14.04.2011 Widerspruch ein und führte zur Begründung an, dass die begehrte Implantation die einzige Möglichkeit sei, die Hornhautverkrümmungen auszugleichen und eine weitere Hornhauttransplantation zu vermeiden. Der Kläger legte einen Bericht von Prof. Dr. D. vom Augenlaserzentrum H. vor, in dem dieser ausführt, dass eine Vollkorrektur des Astigmatismus durch eine Brille wegen des großen Unterschieds zwischen rechtem und linkem Auge nicht in Betracht komme. Auch Kontaktlinsen seien nicht vertragen worden. Als Vollkorrektur mit einer Sehkraft von 80 - 100 % komme nur die Implantation von implantierbaren Kontaktlinsen (ICL) in Frage. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2011 zurück und führte zur Begründung aus, dass eine Kostenübernahme nicht erfolgen könne, da der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) refraktiv-chirurgische Eingriffe ausdrücklich von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen habe. Die Verfahren der refraktiven Augenchirurgie seien somit den neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zuzuordnen und nach der Ziffer 13 der Anlage II der Richtlinie Methoden der vertragsärztlichen Versorgung ausdrücklich nicht als Untersuchungs- und Behandlungsmethode anerkannt. Die Richtlinien des GBA seien verbindlich. Zudem habe das Bundessozialgericht (BSG) am 05.05.2009 (Aktenzeichen B 1 KR 15/08 R) in einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden, dass kein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe.

Der Kläger hat am 27.09.2011 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass eine erneute Hornhauttransplantation ein Vielfaches mehr kosten würde und außerdem in § 33 Abs 9 SGB V Intraokularlinsen ausdrücklich aufgeführt seien.

Das SG hat Prof. Dr. D. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 24.05.2012 ausgeführt, die Refraktionswerte könnten nicht voll mit einer Brille ausgeglichen werden. Der Versuch des Ausgleichs durch Kontaktlinsen sei aufgrund der Sicca-Symptomatik (trockene Augen) und damit verbundener Schmerzen mehrmals gescheitert und nicht möglich. Die Universitätsklinik und Poliklinik für Augenheilkunde H. (S.) hat auf Anfrage des SG mit Schreiben vom 12.11.2012 mitgeteilt, dass der Kläger im Jahr 2007 und im Jahr 2009 in ambulanter Behandlung gewesen sei, hierüber Befundunterlagen jedoch nicht mehr vorlägen.

Das SG hat Dr. von B. mit der Erstellung eines augenfachärztlichen Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragt. In seinem am 30.01.2013 erstellten Gutachten hat Dr. von B. ausgeführt, dass es sich bei dem Krankheitsbild des Klägers um ein sehr seltenes Krankheitsbild handele. Für einen Ausgleich der Sehschwäche mit einer Brille oder Kontaktlinsen sei der Astigmatismus mit mehr als 10 Dioptrien (dtp) beidseits zu hoch und das trockene Auge mache eine Kontaktlinsenverordnung für Berufstätige am PC unmöglich. Es sei zunächst die Stabilität der Hornhaut durch eine so genannte Vernetzungsbehandlung herzustellen. Sobald die Verkrümmung der Hornhaut sich als stabil erweise, sei die Implantation von implantierbaren Kontaktlinsen die beste Möglichkeit, um die Rehabilitation am Arbeitsplatz zu ermöglichen. Da die Lasik Astigmatismuskorrektur bereits ausgeschöpft sei, komme nur noch diese Methode in Frage. Die Risiken dieser ICL-Implantation bestehe darin, dass sich später ein Grauer Star oder Glaukom ergeben könne. Ein weiterer Nachteil könne sein, dass sich die Hornhautverkrümmung trotz einer Vernetzungsbehandlung erneut verschlechtere.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.06.2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Implantation von Intraokularlinsen bei einem Keratokonus bzw bei starkem Astigmatismus nicht zu den vertragsärztlichen Leistungen gehöre. Die Einpflanzung einer Intraokularlinse habe nur zur Behandlung des sogenannten Grünen oder Grauen Stars Eingang in den einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) gefunden. Im Übrigen sei die Intraokularlinsenimplantation als neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V anzusehen und als Verfahren der refraktiven Augenchirurgie nach Ziffer 13 der Anlage II der Richtlinie Methoden Vertragsärztliche Versorgung des GBA von der vertragsärztlichen Leistung, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürften, ausgeschlossen. Ein Ausnahmefall, ein Seltenheitsfall oder ein sogenanntes Systemversagen, in denen es keiner positiven Empfehlung des GBA bedürfe, lägen nicht vor. Auch seien keine Anhaltspunkte für eine gebotene grundrechtsorientierte Auslegung ersichtlich. Die Sehfähigkeit des Klägers sei erheblich beeinträchtigt, entspreche aber nicht einer Erblindung. Auch sei die Implantation intraokularer Kontaktlinsen nicht die einzige Methode, um einen starken Astigmatismus erfolgreich zu behandeln. Hier stehe nach wie vor auch eine Hornhauttransplantation zur Verfügung. Eine notstandsähnliche Extremsituation liege danach nicht vor.

Der Kläger hat gegen das am 10.07.2013 zugestellte Urteil am 12.07.2013 Berufung eingelegt und zur Begründung angeführt, dass das SG verkannt habe, dass die Versorgung mit einer beidseitigen Implantation von intraokularen Kontaktlinsen beim Kläger die einzig zweckmäßige und wirtschaftliche Vorgehensweise sei. Es liege eine hochgradige Sehstörung vor. Eine Hornhauttransplantation sei teuer und risikobehaftet und aus diesem Grunde nicht geboten. Eine Korrektur durch eine Brille oder Kontaktlinsen sei aufgrund des starken Astigmatismus und der Sicca-Symptomatik nicht möglich. Es handele sich insoweit auch um einen Seltenheitsfall, sodass der Kläger seinen Anspruch auch auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BVR 347/98) stützen könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.06.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 11.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einer beidseitigen Implantation einer intraokularen Kontaktlinse (ICL) als Sachleistung zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf ihr Vorbringen in erster Instanz sowie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs 1 SGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, 1. Alt, Abs 4 SGG) ist der die Kostenübernahme für eine Implantation zweier Intraokularlinsen ablehnende Bescheid der Beklagten vom 11.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.09.2011. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm diese Behandlung als Sachleistung gewährt.

Da der Kläger die begehrte Behandlung noch nicht begonnen bzw beschafft hat, richtet sich sein Begehren nicht auf Kostenerstattung iSd § 13 Abs 3 SGB V. Vielmehr macht der Kläger einen Sachleistungsverschaffungsanspruch geltend. Ein solcher steht ihm hinsichtlich der begehrten Implantation zweier Intraokularlinsen nicht zu.

Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V auch die Krankenhausbehandlung. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, BSG 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 14 = juris; (BSG 30.09.1999, B 8 KN 9/98 KR R, BSGE 85, 36, 38 = juris; BSG 10.02.1993, 1 RK 14/92, BSGE 72, 96, 98 = juris). Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert zu. Eine Krankheit liegt insoweit nur dann vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 3 = jurs).

Der Kläger leidet an einer Krankheit - einem Keratokonus auf beiden Augen mit starkem Astigmatismus. Die von ihm begehrte Behandlungsmethode - Implantation von ICL - ist vom Leistungskatalog des SGB V in der ambulanten Versorgung allerdings nicht umfasst.

Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12 mwN). "Neu" ist eine Methode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (vgl BSG 05.05.2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16, RdNr 17 mwN). Die Intraokularlinsenimplantation zur Behandlung eines Keratokonus und Astigmatismus ist nicht als abrechenbare Leistung im EBM enthalten und daher eine neue Behandlungsmethode. Eine positive Empfehlung des GBA zu dieser Methode liegt nicht vor. Wertet man die Implantation der ICL als Verfahren der refraktiven Augenchirurgie ist sie sogar nach der Ziffer 13 der Anlage II der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung des GBA von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen.

Auch aus § 33 Abs 9 SGB V folgt keine anderweitige Bewertung des Sachverhalts, da ein Zuschuss nur dann erfolgen kann, wenn eine Mehrleistung innerhalb einer Vertragsleistung vorliegt. Durch die Regelung wird klargestellt, dass ein Anspruch bei medizinisch notwendigen Katarakt-Operationen zur Behandlung des Grauen Stars nicht gänzlich ausgeschlossen wird, falls Versicherte statt der standardmäßig monofokalen Intraokularlinsen solche mit Zusatznutzen, wie beispielsweise Multifokallinsen, einsetzen lassen. In diesem Fall sollen die Versicherten lediglich die Mehrkosten für das hochwertigere Linsenmaterial, einschließlich etwaiger Folgekosten, übernehmen. Die Mehrkostenregelung ist gerechtfertigt, da es nicht zu einer grundlegend anderen therapeutischen Weichenstellung kommt, sondern lediglich im Rahmen einer unzweifelhaft zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörenden Leistung ein höherwertiges Hilfsmittel eingesetzt wird, dessen Mehrkosten klar spezifizierbar sind (Beck in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 33 SGB V unter Verweis auf die Gesetzesbegründung vgl BT - Drs 17/6906 S. 54).

Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, 05.05.2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16) liegt auch kein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, vor. Ein Seltenheitsfall, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte (vgl dazu BSG, 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 1) oder ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode (vgl dazu BSG, 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12) sind nicht ersichtlich. Ein Sachleistungsanspruch kann nach den Grundsätzen des sogenannten Systemversagens dann in Betracht kommen, wenn das Verfahren vor dem GBA trotz Vorliegens der für die Prüfung erforderlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Maßstab für die Leistungspflicht nach dem SGB V nicht in der Gewährleistung von "Spitzenmedizin um jeden Preis" bis an ihre medizinisch-technischen Grenzen besteht, sondern sich stets an den zentralen Prinzipien der §§ 2, 12 SGB V zu orientieren besteht. Das bedeutet, dass jeweils zu beachten und sicherzustellen ist, dass nur solche Leistungen von den Krankenkassen gewährt werden, die wirtschaftlich sind und insbesondere dem "allgemein" anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 8). Wenn der GBA eine neue Behandlungsmethode geprüft und den nicht anerkannten Methoden zugeordnet hat, ist hierdurch ein Systemversagen ausgeschlossen (vgl LSG Brandenburg 26.02.2003, L 4 KR 6/02 zur hyperbaren Sauerstofftherapie bei Hörsturz und Tinnitus).

Selbst wenn man vorliegend davon ausginge, dass die Implantation vom Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (Rechtsvorgänger des GBA) vom 11.05.1993 nicht erfasst wird, da sie nach der Auskunft des GBA gegenüber dem Senat nicht ausdrücklich Gegenstand der Beratungen war (vgl die Stellungnahme vom 13.03.2014, Blatt 37 f d LSG-Akte), so fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der GBA ein Prüfverfahren trotz Vorliegens der für die Prüfung erforderlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt hat. Dies ergibt sich aus der vom Senat durchgeführten Anfrage beim GBA, der Anfrage beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und der Kommission Refraktive Chirurgie des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands eV und der Deutschen Ophtalmlogischen Gesellschaft (Auskunft vom 28.05.2014).

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch keine einzigartige Erkrankung vor, die die Sperrwirkung des § 135 SGB V überwindet. Die Sperrwirkung des in § 135 SGB V vorgeschriebenen Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt erfasst "Methoden", das sind Maßnahmen, die bei einem bestimmten Krankheitsbild "systematisch" angewandt werden (so bereits BSGE 82, 233, 237). Die Aufgabe des GBA, vor der Einbeziehung neuer medizinischer Verfahren in die ambulante vertragsärztliche Versorgung, deren Qualität und Wirtschaftlichkeit zu prüfen und gegebenenfalls persönliche und apparative Voraussetzungen für eine sachgerechte Anwendung festzulegen, bezieht sich nicht auf einzelne ärztliche Maßnahmen, sondern nur auf leistungsübergreifende methodische Konzepte, die auf ein bestimmtes diagnostisches oder therapeutisches Ziel ausgerichtet sind. Grundlage für die Beurteilung des therapeutischen Nutzens einer Behandlungsmethode nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sind wissenschaftliche, auf einwandfrei geführte Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der jeweiligen Methode gestützten Aussage. Da es wissenschaftlich fundierte Aussagen in diesem Sinn zur Vorgehensweise bei einzigartigen Erkrankungen, die weltweit nur extrem selten auftreten und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden können, per se nicht geben kann, hat der GBA in einem solchen Fall auch keine Befugnis, Generalisierung zur Qualität der Behandlung Stellung zu nehmen (BSG 19.10.2006, B 1 KR 27/02 R, BSGE 93, 236).

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt bei ihm freilich keine entsprechende einzigartige Erkrankung vor. So lassen weder die Aussagen der behandelnden Ärzte noch das Gutachten von Dr. von B. erkennen, dass die genannten Voraussetzungen beim Kläger vorliegen, auch wenn Dr. von B. die Krankheit als sehr selten bezeichnet. So zeigt die Stellungnahme der Kommission für refraktive Chirurgie sowie die Bewertung und Qualitätssicherung refraktiv-chururgischer Eingriffe durch die Deutsche Ophtalmologische Gesellschaft und den Berufsverband der Augenärzte Deutschland e.V., dass das vom Kläger begehrte Verfahren bei der vorliegenden Erkrankung einer überprüfbaren Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zugänglich ist (http://www.aad.to/krc/qualit.pdf). Auch die zugelassene Behandlungsmethode der Netzhauttransplantation zeigt, dass die Erkrankung des Klägers weltweit nicht nur extrem selten auftritt, sondern systematisch behandelbar ist.

Der Antragsteller kann seinen Anspruch auch nicht auf den in Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 25 Nr 12) eingeführten § 2 Abs 1a SGB V stützen. Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen § 2 Abs 1a SGB V (Gesetz vom 22.11.2011, BGBl I 22983) Rechnung getragen. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine neue ärztliche Behandlungsmethode sei ausgeschlossen, weil der GBA diese nicht anerkannt habe, verstößt dann gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: 1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor; 2. bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung und 3. bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist nach der Rechtsprechung des BSG eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des sog Off-Label-Use (vgl dazu BSG 19.03.2002, B 1 KR 37/00 R, SozR 3-2500 § 31 Nr 8 - Sandoglobulin) formuliert ist. Das BSG hat das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit und eine Gleichstellung mit solchen notstandsähnlichen Situation auch in dem Fall verneint, in dem dies dem Betroffenen das Ausscheiden aus dem Beruf und den Bezug von Rente bewirkt hatte (BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 7 - D-Ribose bei MAD-Mangel). Die vom Kläger vorgebrachten Einschränkungen bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit reichen daher zur Annahme einer notstandsähnlichen Situation nicht aus. Die Erkrankung hat zwar durchaus gravierende Folgen, verursacht aber nicht eine notstandsähnliche Extremsituationen, in denen das Leistungsrecht der GKV aus verfassungsrechtlichen Gründen gegenüber den allgemein geltenden Regeln zu modifizieren wäre. Zwar hat das BSG es für erwägenswert gehalten, den Fall drohender Erblindung als mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar anzusehen. Es hat zugleich aber betont, dass kein Anlass besteht, die Rechtsgedanken einer grundrechtsorientierten Auslegung auf weitläufigere Bereiche auszudehnen, in denen der Gesetzgeber aus wohl erwogenen Gründen den Leistungsumfang der GKV bewusst eingeschränkt hat (vgl insgesamt BSG 04.04.2006, aaO.)

Der Kläger leidet nach den Feststellungen des Senats an einer erheblichen Beeinträchtigung der Sehfähigkeit, welche jedoch nach den mitgeteilten Befunden von Prof. Dr. D. und Dr. von B. nicht mit einer Erblindung gleichzustellen ist. Die am 25.01.2013 von Dr. von B. ermittelten Werte von rechts -4,5/-5,5/52 Grad und links +1,5/-5,0/52 Grad und einer Sehschärfte von beidseits 80 Prozent belegen im Zusammenspiel mit den von Dr. B. mit ) 10 dtp angegeben Astigmatismuswerten und der Kontaktlinsenunverträglichkeit zwar eine erhebliche Beeinträchtigung der Sehfähigkeit, entsprechen aber nicht einer Erblindung. Darüber hinaus ist aber auch zu beachten, dass als Leistung der vertragsärztlichen Versorgung eine Hornhauttransplantation als Alternative zur begehrten Implantation von Intraokularlinsen zur Verfügung steht. Auch insoweit fehlt es an der weiteren notwendigen Bedingung für eine Erweiterung des Leistungskatalogs des SGB V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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