L 4 KR 2887/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 199/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2887/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. April 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung eines kassenindividuellen Zusatzbeitrags in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 31. März 2012 in Höhe von monatlich EUR 8,00.

Der Kläger bezog im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und war deswegen Mitglied der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Der Verwaltungsrat der Beklagten stimmte am 28. Januar 2010 dem 1. Nachtrag zur Satzung der Beklagten vom 1. Januar 2010 zu, der in Art. 1 Ziff. 1 folgende Änderung vorsah: "§ 14 Zusatzbeitrag - Für Mitglieder beträgt der Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V monatlich 8,00 EUR." Nach § 17 (Fälligkeit und Zahlung der Beiträge) der - ursprünglich und insoweit nicht geänderten - genannten Satzung der Beklagten sind die Zusatzbeiträge spätestens am 15. des Monats (Zahltag) fällig, der dem Monat folgt, für den der Zusatzbeitrag gilt. Die Satzungsänderung wurde durch das Bundesversicherungsamt am 29. Januar 2010 genehmigt und am 3. Februar 2010 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Sie ist am 1. Februar 2010 in Kraft getreten. Am 15. Dezember 2010 beschloss der Verwaltungsrat der Beklagten mit dem 7. Nachtrag zur Satzung vom 1. Januar 2010 mit Wirkung vom 1. Januar 2011 eine Ergänzung des § 14 um einen Abs. 2, wonach die in § 242 Abs. 4 Satz 1 SGB V genannten Mitglieder gemäß § 242 Abs. 4 Satz 2 SGB V die Differenz zwischen dem kassenindividuellen Zusatzbeitrag der Beklagten und dem GKV-durchschnittlichen Zusatzbeitrag nach § 242a SGB V zahlen. Dieser Nachtrag wurde vom Bundesversicherungsamt am 24. Januar 2011 genehmigt. Für die Zeit vom 1. Januar bis einschließlich 31. März 2012 übernahm die Beklagte in ihrer ab 1. Januar 2012 maßgebenden Satzung in § 12 Abs. 2 die Regelung des § 14 Abs. 2 der Satzung vom 1. Januar 2010 in der Fassung des 7. Nachtrags wortgleich.

Mit (undatiertem) vom Kläger vorgelegten Schreiben vom Februar 2010 informierte die Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Erhebung des Zusatzbeitrags ab Februar 2010 in Höhe von 8,00 EUR monatlich. Auf der Rückseite dieses Schreibens führte die Beklagte unter der Überschrift "Weitere allgemeine Hinweise" mit einem etwas kleineren Schriftbild wie folgt aus:

• Die Höhe des Zusatzbeitrags ist in der Satzung (§ 14) festgelegt. • Die aktuelle Satzung der DAK finden Sie unter www.dak.de und zur Einsicht in einem Servicezentrum in Ihrer Nähe. • Der Zusatzbeitrag ist für alle Mitglieder gleich. Es ist gesetzlich nicht vorgesehen, dass der Zusatzbeitrag reduziert oder erlassen werden kann. • Für Bezieher von Arbeitslosengeld II kann der Leistungsträger (Arbeitsgemeinschaft, Jobcenter, Kommune) den Zusatzbeitrag übernehmen. Nähere Auskünfte erteilt der Leistungsträger. • Wenn der Finanzbedarf nicht durch andere Instrumente gedeckt werden kann, ist die Krankenkasse verpflichtet, den Zusatzbeitrag zu erheben. Darlehensaufnahmen sind unzulässig. • Rechtsgrundlagen (Auszüge) §242 Abs. 1 Satz 1 SGB V: Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem Fond nicht gedeckt ist, hat sie in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird. § 242 Abs. 3 SGB V: Die Krankenkassen haben den Zusatzbeitrag nach Abs. 1 so zu bemessen, dass er zusammen mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfond und den sonstigen Einnahmen die im Haushaltsjahr voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und die vorgeschriebene Auffüllung der Rücklage deckt. Ergibt sich während des Haushaltsjahres, dass die Betriebsmittel der Krankenkasse einschließlich der Zuführung aus der Rücklage zur Deckung der Ausgaben nicht ausreichen, ist der Zusatzbeitrag durch Änderung der Satzung zu erhöhen. Muss eine Kasse kurzfristig ihre Leistungsfähigkeit erhalten, so hat der Vorstand zu beschließen, dass der Zusatzbeitrag bis zur satzungsmäßigen Neuregelung erhöht wird; der Beschluss bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Kommt kein Beschluss zustande, ordnet die Aufsichtsbehörde die notwendige Erhöhung des Zusatzbeitrags an. Klagen gegen die Anordnung nach Satz 4 haben keine aufschiebende Wirkung. § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V: Erhebt die Krankenkasse ab dem 1. Januar 2009 einen Zusatzbeitrag, erhöht sie ihren Zusatzbeitrag oder verringert sie ihre Prämienzahlung, kann die Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung, der Beitragserhöhung oder der Prämienverringerung gekündigt werden (Hinweis: erstmalige Fälligkeit am 15. März 2010). § 53 Abs. 8 Satz 1 SGB V: Die Mindestbindungsfrist für Wahltarife mit Ausnahme der Tarife nach Abs. 3 beträgt 3 Jahre. § 53 Abs. 8 Satz 2 SGB V: Abweichend von § 175 Abs. 4 kann die Mitgliedschaft frühestens zum Ablauf der 3-jährigen Mindestbindungsfrist gekündigt werden.

Trotz wiederholter Erinnerungen zahlte der Kläger den Zusatzbeitrag nicht. Einem Vermerk in den von der Beklagten gespeicherten Daten zufolge teilte er am 21. Oktober 2010 telefonisch mit, er zahle den Zusatzbeitrag nicht, er habe das Geld nicht. Mit nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenem "Beitragsbescheid - Zusatzbeitrag" vom 9. Mai 2011 forderte die Beklagte vom Kläger die vom 1. Februar 2010 bis 31. März 2011 offenen Beiträge (EUR 112,00) zuzüglich Mahngebühren (EUR 0,80) von insgesamt EUR 112,80. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er trug vor, er beziehe seit 1. Januar 2005 ununterbrochen "Hartz IV" zu 90% des Regelsatzes und sei daher außerstande, irgendwelche Geldmittel "zusätzlich" aufzubringen. Eine Zwangsvollstreckung wäre komplett sinnlos und teuer für die Beklagte. Im Übrigen könnten derartige Forderungen nicht rückwirkend per "Bescheid" vom 9. Mai 2011 zum 1. Februar 2010 festgesetzt werden. Mangels Bescheides fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Forderung der Beklagten. Ein diesen Widerspruch betreffender Widerspruchsbescheid befindet sich nicht in den Akten.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2011 setzte die Beklagte den monatlichen Zusatzbeitrag des Klägers ab 1. Februar 2010 auf EUR 8,00 fest und teilte gleichzeitig mit, dass der Beitrag am 15. des Folgemonats fällig sei. Auf der Rückseite des Bescheids führte die Beklagte unter Hinweise aus, dass der Zusatzbeitrag für alle Mitglieder gleich sei. Die Höhe sei in § 14 ihrer Satzung geregelt.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2011 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, der Zusatzbeitrag könne im Juni 2011 nicht rückwirkend ab Februar 2010 festgesetzt werden. Ein Hinweis auf einen möglichen Wechsel der Krankenkasse sei nicht erfolgt (Verweis auf Urteile des Sozialgerichts Berlin vom 10. August 2011 - S 73 KR 2306/10 und S 73 KR 15/11 -, in juris). Die Zahlung des Zusatzbeitrags sei nicht möglich bzw. eine übergroße Härte, da in seinem "90%-Regelsatz Hartz IV (SGB II)" von EUR 323,00/328,00 im Monat weder im Jahr 2010 noch in der Neufestsetzung 2011 dafür Geld vorgesehen sei. Es könne nicht angehen, dass nach der Streichung des Rentenversicherungsbeitrags und neben den Zuzahlungen in der Krankenversicherung nun auch noch Schritt für Schritt die Beitragszahlung zur Krankenversicherung auf die Beziehung der Regelleistungen nach dem SGB II abgewälzt werde, ohne dass im Regelsatz dafür auch nur ein Cent vorgesehen werde. Es könne den Beziehern der Leistungen nach dem SGB II auch kein Krankenkassen-Hopping zugemutet werden, da immer mehr Krankenkassen immer höhere Zusatzbeiträge einführten.

Mit Beschluss vom 9. November 2011 wies das Sozialgericht Reutlingen (SG) den Antrag des Klägers auf einstweiligen Rechtsschutz ab (S 1 KR 3092/11 ER). Mit Beschluss vom 27. März 2012 wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) die vom Kläger dagegen erhobene Beschwerde zurück (L 5 KR 5557/11 ER-B).

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2011 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 10. Juni 2011 zurück. Der Zusatzbeitrag sei gestützt auf § 242 SGB V und ihre Satzung zu Recht erhoben worden.

Gegen den nach seinen Angaben ihm am 20. Dezember 2011 zugegangenen Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 19. Januar 2012 unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen Klage zum SG. Vertiefend führte er aus, bei dem von der Beklagten nicht unterzeichneten Formularschreiben vom Februar 2010 handele es sich um keinen Beitragsbescheid und keinen Verwaltungsakt. Der Beitragsbescheid vom 10. Juni 2011 sei ein unzulässiger rückwirkend belastender Verwaltungsakt. Im Übrigen sei der Gesetzgeber und ihm folgend die Beklagte nicht berechtigt, den Beziehern von "Hartz IV" Zusatzbeiträge zur Krankenkasse zur Zahlung aus dem offensichtlich unzureichenden Regelsatz aufzugeben. Abgesehen davon sei die Erhebung des Zusatzbeitrags angesichts des von der Beklagten und dem Gesundheitsfonds erwirtschafteten enormen Überschusses nicht notwendig gewesen. Er verwies ergänzend auf die Gegenstandswertfestsetzungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. und 30. November 2011 (1 BvR 665/10; 1 BvR 3269/08 und 1 BvR 656/10). Das BVerfG habe mit diesen Entscheidungen die Befreiung von Rundfunkgebühren für Menschen mit geringem Einkommen erweitert. Lägen Sozialhilfeempfänger und Geringverdiener nur knapp über dem Existenzminimum, dürfe sie die Rundfunkgebühr nicht unter das Existenzminimum drücken.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf ihren Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2011 entgegen. Ergänzend verwies sie zur Rechtmäßigkeit der Erhebung eines Zusatzbeitrags auch bei Beziehern von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. März 2011 (L 1 KR 24/11, in juris).

Mit Urteil vom 16. April 2014 wies das SG die Klage ab. Für den streitigen Zeitraum ab 1. Februar 2010 beruhe die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung des kassenindividuellen Zusatzbeitrags in Höhe von EUR 8,00 monatlich auf § 242 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGB V in der ab dem 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes vom 26. März 2007 i.V.m. § 14 der Satzung der Beklagten vom 1. Januar 2010 in der Fassung des am 1. Februar 2010 in Kraft getretenen 1. Nachtrags. Den Zusatzbeitrag habe der Kläger als Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB II gemäß §§ 250 Abs. 1, 251 Abs. 6 Satz 1 SGB V allein zu tragen und nach § 252 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB V zu zahlen. Durch die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetzesänderung habe sich an dieser Zahlungsverpflichtung des Klägers nichts geändert. Dies gelte auch für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2012. Die Erhebung des kassenindividuellen Zusatzbeitrags nach § 242 SGB V verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Auch der Einwand des Klägers, die Erhebung des Zusatzbeitrags sei wegen des in den Jahren 2010 und 2011 erwirtschafteten enormen Überschusses der gesetzlichen Krankenversicherung nicht notwendig, sei ohne durchschlagende Relevanz. Die Genehmigung der Satzungen bzw. Satzungsänderungen durch die Beklagte sei durch das Bundesversicherungsamt erfolgt. Durch die Erhebung des Zusatzbeitrages werde der Grundsatz der Solidarität nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Einen allgemeinen Grundsatz, dass die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu finanzieren seien, gebe es nicht. Auch sei es mit dem Grundgesetz vereinbar, dass Mitglieder verschiedener Krankenkassen trotz gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich belastet würden (Anschluss an Sozialgericht Stralsund, Urteil vom 28. Oktober 2011 - S 3 KR 58/10 -, in juris). Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger Leistungen nach dem SGB II beziehe, sei kein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip festzustellen. Die Obergrenze von EUR 8,00 und die Möglichkeit, zu einer Krankenkasse zu wechseln, die einen niedrigeren oder keinen Zusatzbeitrag erhebe, stelle einen ausreichenden Schutzmechanismus zu Gunsten der Versicherten dar, um diese vor individuellen sozialen Härten zu schützen (Verweis auf SG Stralsund, Urteil vom 28. Oktober 2011 - S 3 KR 58/10 -, a.a.O. und Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. März 2011 - L 1 KR 24/11 - a.a.O.). Die vom Kläger zitierten Entscheidungen des BVerfG beträfen einen anderen Sachverhalt und könnten auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragen werden. Der Einwand des Klägers, eine rückwirkende Beitragserhebung ab 1. Februar 2010 mit dem Bescheid vom 10. Juni 2011 sei nicht rechtmäßig, greife ebenfalls nicht durch. Eine rückwirkende Beitragserhebung sei rechtlich zulässig und verstoße nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, sofern sie - was hier der Fall sei - nicht verjährt oder verwirkt sei (vgl. LSG, Urteil vom 14. April 2005 - L 7 R 952/04 - und Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. September 2011 - L 16 R 121/11 -, beide in juris). Der Kläger sei auch durch das Informationsschreiben vom Februar 2010 auf das ihm zustehende Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 7 SGB V ausreichend und zutreffend aufgeklärt worden. Die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts genüge der gesetzlichen Hinweispflicht nach § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V (LSG, Urteil vom 15. November 2011 - L 11 KR 3607/10 -, in juris - unter ausdrücklicher Abweichung von den Urteilen des Sozialgerichts Berlin vom 22. Juni 2011 - S 73 KR 1635/10 -, in juris und vom 10. August 2011 - S 73 KR 2306/10 -, a.a.O.). Auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes des Klägers habe das LSG in seinem Beschluss vom 27. März 2012 (L 5 KR 5557/11 ER-B) entschieden, dass der Inhalt des Informationsschreibens der gesetzlichen Hinweispflicht nach § 175 Abs. 4 Satz 6 SGBV genüge. Das SG hat dem Urteil die Rechtsmittelbelehrung beigefügt, wonach den Beteiligten gegen dieses Urteil die Berufung nur zustehe, wenn sie nachträglich zugelassen werde.

Gegen das ihm am 5. Mai 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. Juni 2014 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Urteil des SG habe wesentliche Teile seines Sachvertrags nicht erwähnt, übergangen und nicht gewürdigt. Er hat insoweit unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens noch einmal darauf verwiesen, dass es sich bei dem Formularschreiben der Beklagten vom Februar 2010 um keinen Beitragsbescheid und keinen Verwaltungsakt gehandelt habe. In völlig unnötiger, überflüssiger und überlanger Form hätten sich die Entscheidungsgründe mit Erörterungen zur Rechtslage nach Gesetzesänderungen vom 1. November 2011 befasst. Nicht auseinandergesetzt habe sich das Urteil mit seinem Vortrag, dass der Gesetzgeber und ihm folgend die Beklagte nicht berechtigt seien, den Beziehern von "Hartz IV" Zusatzbeiträge zur Krankenkasse zur Zahlung aus dem offensichtlich unzureichenden Regelsatz aufzugeben. Völlig neben der Sache seien die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils zu den Entscheidungen des BVerfG vom Dezember (richtig November) 2011 mit den Aktenzeichen 1 BvR 3279/08, 1 BvR 665/10 und 1 BvR 656/10.

Die Beklagte ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten. Die Beschwerdebegründung genüge nicht den Anforderungen für das Vorliegen des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung. Den Krankenkassen sei gemäß § 242 Abs. 4 Satz 2 SGB V durch den Gesetzgeber ermöglicht worden, in ihrer Satzung zu regeln, dass die Differenz des kassenindividuellen Zusatzbeitrags zum durchschnittlichen Zusatzbeitrag vom Mitglied zu tragen sei. Von dieser Ermächtigung habe sie in § 14 ihrer Satzung Gebrauch gemacht. Daraus ergebe sich die Rechtsgrundlage dafür, dass vorliegend die Differenz in Höhe des gesamten Zusatzbeitrags von EUR 8,00 von ihr, der Beklagten, zu erheben gewesen sei. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger Leistungen nach dem SGB II beziehe, sei für sie kein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip festzustellen. Die Rechtmäßigkeit der Erhebung eines Zusatzbeitrags sei auch von Leistungsbeziehern nach dem SGB II durch verschiedene Urteile bestätigt worden (u.a. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. März 2011 - L 1 KR 24/11 -, Sozialgericht Stralsund, Urteil vom 28. Oktober 2011 - S 3 KR 58/10 -, jeweils a.a.O. und Sozialgericht Berlin, Urteil vom 28. April 2014 - S 166 KR 1767/11 -).

Mit Beschluss vom 7. Juli 2014 hat der Senat festgestellt, dass die Berufung gegen das Urteil des SG vom 16. April 2014 zulässig ist. Im Streit sei eine laufende Leistung für 26 Monate und damit für mehr als ein Jahr. Damit sei die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Gesetzes wegen zulässig und bedürfe keiner Zulassung. Das Beschwerdeverfahren werde als Berufungsverfahren fortgesetzt. Der Kläger hat an seiner bisherigen Auffassung festgehalten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. April 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG S 1 KR 3092/11 ER und S 1 KR 199/12 sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten nach einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts durch die Berichterstatterin auch in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten.

1. Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2011. In diesen Bescheiden erhob die Beklagte vom Kläger den Zusatzbeitrag ab 1. Februar 2010.

Nicht Streitgegenstand ist der Bescheid vom 9. Mai 2011. Mit diesem Bescheid machte die Beklagte rückständige Beiträge für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 31. März 2011 geltend und setzte nicht ausdrücklich den monatlichen Beitrag in Höhe von EUR 8,00 ab 1. Februar 2010 fest.

Ob es sich bei dem Informationsschreiben vom Februar 2010 um einen bestandskräftig gewordenen Bescheid handelt, lässt der Senat offen (verneinend LSG, Urteil vom 15. November 2011 - L 11 KR 3607/11 -, offengelassen Sozialgericht Stralsund, Urteil vom 28. Oktober 2011 - S 3 KR 58/10 -, jeweils a.a.O.) Jedenfalls hat die Beklagte dem Kläger mit dem Bescheid vom 10. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2011 den Klageweg - neu - eröffnet.

2. Die so gefasste zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat unter Darstellung der maßgeblichen Rechtsgrundlage des § 242 SGB V (zunächst in der Fassung des Art. 1 Nr. 161 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [ GKV-WSG] vom 26. März 2007, ab 1. Januar 2011 in der Fassung des Art. 1 Nr. 18 Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-FinG] vom 22. Dezember 2010) i.V.m. der Satzung der Beklagten und den hierzu beschlossenen Nachträgen sowie §§ 251 Abs. 6 Satz 1, 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V zutreffend entschieden, dass der Kläger in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 31. März 2012 den Zusatzbeitrag in Höhe von EUR 8,00 monatlich an die Beklagte zu zahlen hat und dies auch bei einem Bezieher von Leistungen nach dem SGB II verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die umfassenden und zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Eine Ausnahme von der Erhebung des Zusatzbeitrags nach § 242 Abs. 5 SGB V ist nicht gegeben, weil der Kläger keine der dort genannten Voraussetzungen erfüllt. Der Kläger beruft sich auch auf keine dieser Ausnahmen.

Der Kläger hatte die Möglichkeit, seine Mitgliedschaft in der betreffenden Krankenkasse nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V zu kündigen und zu einer anderen Krankenkasse zu wechseln, die keinen Zusatzbeitrag erhob. Über dieses Kündigungsrecht war der Kläger auch informiert. Zwar enthielt der Bescheid vom 10. Juni 2011 keinen Hinweis auf das Kündigungsrecht. Doch war der Kläger ausweislich des von ihm selbst im Klageverfahren vorgelegten undatierten Informationsschreibens der Beklagten vom Februar 2010 über die Möglichkeit der Ausübung des Sonderkündigungsrechts in Kenntnis gesetzt worden. Mit diesem Informationsschreiben ist die Beklagte ihrer Hinweispflicht hinreichend nachgekommen. Der angeführte Gesetzeswortlaut des § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V ist eindeutig und verständlich. Der Beklagten war es deshalb nicht verwehrt, diesen Gesetzestext zu verwenden, um ihrer Hinweispflicht zu genügen (LSG, Urteil vom 15. November 2011 - L 11 KR 3607/10 -, a.a.O.; verneinend Sozialgericht Berlin, Urteile vom 22. Juni 2011 - S 73 KR 1635/10 - und 10. August 2011 - S 73 KR 2306/10 und S 73 KR 15/11 -, jeweils a.a.O.; letzteres aufgehoben durch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. April 2012 - L 1 KR 231/11 -, in juris; Sozialgericht Stralsund, Urteil vom 28. Oktober 2011 - S 3 KR 58/10 -, a.a.O.). Abgesehen davon war dem Kläger das Kündigungsrecht auch bekannt. Dies ergibt sich aus seinem Widerspruchsvorbringen vom 15. Juli 2011, in dem er darauf hingewiesen hat, dass den Beziehern der Leistungen nach dem SGB II kein Krankenkassen-Hopping zugemutet werden könne.

Wegen des bestehenden Kündigungsrechts führt der Verweis des Klägers auf die Beschlüsse des BVerfG vom 9. und 30. November 2011 (1 BvR 665/10; 1 BvR 3269/08 und 1 BvR 656/10, in juris) zur Befreiung von der Rundfunkgebühr nicht weiter. Denn sowohl das Kündigungsrecht der Mitgliedschaft in der Krankenkasse als auch die Befreiung von der Rundfunkgebühr führen im Ergebnis dazu, dass der entsprechende Beitrag nicht zu zahlen ist.

Die Frage, ob der Regelsatz des SGB II unzureichend ist, wenn auch noch Zusatzbeiträge zur Krankenkasse gezahlt werden müssen, stellt sich gegenüber dem SGB II-Leistungsträger, nicht jedoch gegenüber der Beklagten.

Anhaltspunkte (etwa entsprechende Veröffentlichungen in der Tagespresse oder in der Fachliteratur), die vorliegend an der Voraussetzung der finanziellen Unterdeckung der Beklagten zweifeln ließen, bestehen nicht (LSG, Urteil vom 15. November 2011 - L 11 KR 3607/10 -, a.a.O.). Der Kläger hat dies nur unter Benennung der Abschlussbilanzen der Beklagten und des Gesundheitsfonds der Krankenkassen für 2010 und 2011 behauptet. Damit ist nicht belegt, dass der Finanzbedarf der Beklagten durch die Zuweisung aus dem Gesundheitsfonds gedeckt ist. Zu Ermittlungen ins Blaue ist der Senat nicht verpflichtet. Abgesehen davon obliegt die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Erhebung des Zusatzbeitrags im Sinne eines Finanzbedarfs vorgelegen haben, allein der für die betroffenen Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde (hier dem Bundesversicherungsamt), die die vom Verwaltungsrat beschlossene Satzungsänderung zu genehmigen hat (Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 16. August 2010 - S 18 KR 327/10 ER -, Sozialgericht Freiburg, Urteil vom 21. September 2010 - S 14 KR 3396/10 -, jeweils in juris und Sozialgericht Stralsund, Urteil vom 28. Oktober 2010 - S 3 KR 58/10 - a.a.O.). Die Genehmigung der Satzung und der Satzungsänderungen ist hier erfolgt.

Auch der Einwand des Klägers, dass eine unzulässige rückwirkende Festsetzung des Beitrags erfolge, greift nicht durch. Der Erhebung von Beiträgen für die Vergangenheit stehen nur die Verjährungsvorschriften gemäß § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bzw. die Verwirkung entgegen. Beides greift hier nicht ein, nachdem Beiträge nur rückwirkend für 16 Monate erhoben werden und Ansprüche auf Beiträge frühestens in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, verjähren (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Eine Verwirkung scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte den Kläger über die Erhebung der Zusatzbeiträge bereits im Februar 2010 informiert und ihn in der Folge mehrfach gemahnt hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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