Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 3518/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 332/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12.12.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.07.2012.
Die 1966 geborene Klägerin ist seit 16.12.2004 freiwilliges Mitglied bei der Beklagten zu 1) und bei der Beklagten zu 2) pflichtversichert. Sie ist als Honorarkraft bei der Privat-Musikschule B. D. und beim Nachhilfeinstitut A.! in V.-S. tätig. Zuletzt vor dem hier streitigen Zeitraum setzte die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 15.12.2011 die Beiträge für die Zeit ab 01.01.2012 auf insgesamt 654,08 EUR fest (Krankenversicherung 569,93 EUR, Pflegeversicherung 84,15 EUR).
Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 25.04.2012 pfändete die Beklagte als Vollstreckungsbehörde Forderungen der Klägerin gegenüber dem A.! Nachhilfeinstitut V.-S. wegen rückständiger Beiträge für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.03.2012 zuzüglich Säumniszuschläge und Pfändungsgebühren in Höhe von insgesamt 28.074,91 EUR.
Mit formularmäßiger Erklärung gab die Klägerin am 26.06.2012 gegenüber der Beklagten zu 1) an, ihre Arbeitszeit in beiden Tätigkeiten umfasse durchschnittlich 38 bis 41 Wochenstunden, die Einkünfte hieraus beliefen sich auf monatlich 650,00 bis 730,00 EUR. Ergänzend legte die Klägerin Honorarbescheinigungen vor, aus denen sich für das Jahr 2011 ein Durchschnittseinkommen von 343,42 EUR im Monat ergab.
Mit Bescheid vom 20.07.2012 setzte die Beklagte zu 1) – auch im Namen der Pflegekasse - den monatlichen Gesamtbetrag zur Kranken- und Pflegeversicherung auf 336,65 EUR fest. Sie führte aus, das Einkommen liege unter der Mindestbemessungsgrenze für Selbstständige, so dass auf Antrag eine Beitragsentlastung geprüft werde.
Die Klägerin legte am 23.07.2012 Widerspruch ein und beantragte zudem die Beitragsentlastung. Sie machte geltend, die tatsächlichen Einnahmen seien als Bezugsgröße heranzuziehen.
Mit Bescheid vom 08.08.2012 setzte die Beklagte zu 1) – auch im Namen der Pflegekasse – die Beiträge unter Durchführung der Beitragsentlastung auf insgesamt 224,44 EUR fest (Krankenversicherung 195, 56 EUR, Pflegeversicherung 28,88 EUR). Zudem verwies die Beklagte zu 1) auf einen bis 31.07.2012 bestehenden Beitragsrückstand iHv 32.190,61 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2012 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 1) – auch im Namen der Pflegekasse - den Widerspruch zurück. Die Klägerin übe ab 01.07.2012 eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit aus. Als beitragspflichtige Einnahme gelte nach § 240 Abs 4 Satz 2 und 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) iVm § 19 Abs 2c der Satzung der AOK Baden-Württemberg als beitragspflichtige Einnahme die Beitragsbemessungsgrenze, bei niedrigeren Einnahmen mindestens der vierzigste Teil der Bezugsgröße. Die Beiträge könnten uU ermäßigt werden, mindestens sei jedoch der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (2012 = 1.312,50 EUR) zugrunde zu legen. Bei der Klägerin sei ab 01.07.2012 bereits von der absoluten Mindestbemessungsgrundlage ausgegangen worden. Eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit liege vor, wenn die freiwillig Versicherte ihrer selbstständigen Tätigkeit an mehr als 30 Wochenstunden nachgehe. Dies sei nach den Angaben der Klägerin der Fall.
Gegen den am 13.11.2012 zugestellten Widerspruchsbescheid richtet sich die am 13.12.2012 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage. Die Klägerin sei nicht in der Lage, den geforderten Beitrag zu entrichten. Zudem werde die Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Beklagten vom 25.04.2012 angegriffen. Der Beitragsrückstand betreffe den gleichen Lebenssachverhalt. Es handele sich um dieselbe Person und dasselbe, nur einmal vorhandene Einkommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet, soweit sie sich gegen die Festsetzung der laufenden Beiträge ab 01.07.2012 wende. Die Beklagte gehe zutreffend davon aus, dass die Klägerin hauptberuflich selbstständig tätig sei. Die Klägerin habe offenbar mit der privaten Musikschule B. D. bzw dem A.! Nachhilfeinstitut V.-S. keine Arbeits- sondern Honorarverträge geschlossen. Im Einkommensfragebogen habe sie die Tätigkeit als freiberuflich bezeichnet. Eine freiberufliche Tätigkeit als Dozent sei sozialversicherungsrechtlich als selbstständige Tätigkeit und nicht als abhängige Beschäftigung anzusehen. Es handele sich um eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit, da sie über 30 Stunden in der Woche ausgeübt werde und die Klägerin aus den Einnahmen ihren Lebensunterhalt bestreite. Ausgehend davon richteten sich die Beiträge nach § 240 SGB V iVm den Beitragsverfahrensgrundsätzen für Selbstzahler. Nach § 3 Abs 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler gelte als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige gelte als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens ein Sechzigstel der monatlichen Bezugsgröße, sofern das Mitglied die Beitragsentlastung beantrage (§ 7 Abs 3 und 4). Eine weitere Beitragsentlastung für hauptberuflich selbstständig erwerbstätige Personen sehe das Gesetz bzw die auf der Grundlage des SGB V einheitlich für alle Krankenkassen erlassenen Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler nicht vor.
Soweit sich die Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 25.04.2012 richte, sei sie unzulässig. Für Klagen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung seien die Sozialgerichte nicht zuständig. Die Beiträge für die Zeit bis 30.06.2012 seien von der Beklagten bestandskräftig festgesetzt. Habe die Klägerin Einwendungen gegen die Forderung, könne sie die Höhe der Beiträge durch einen Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) überprüfen lassen. Da ein solches Verfahren nicht vorausgegangen sei, könne die bestandskräftige Festsetzung der Beiträge nicht gerichtlich angefochten werden. Einwendungen, die erst nach Festsetzung der Forderung entstanden seien und im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden könnten, trage die Klägerin nicht vor.
Gegen den ihrer damaligen Bevollmächtigten am 23.12.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 23.01.2014 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie führt aus, dass die Festsetzung der Beiträge aus ihrer Sicht nicht zutreffend sei, da der Beitrag aus einem Betrag von 1.320,50 EUR berechnet werde, der das monatliche Einkommen der Klägerin übersteige. Sie sehe sich daher nicht in der Lage, die Beiträge aufzubringen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12.12.2013 aufzuheben und die Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 20.07.2012, abgeändert durch Bescheid vom 08.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2012 zu verurteilen, unter Berücksichtigung des tatsächlichen Einkommens niedriger Beiträge zur Kranken –und Pflegeversicherung festzusetzen und die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 25.04.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berichterstatterin hat am 01.07.2014 einen Erörterungstermin durchgeführt, zu dem die Klägerin unentschuldigt nicht erschienen ist. Der Vertreter der Beklagten hat klargestellt, dass die Regelung des § 256a SGB V (eingeführt mWv 01.08.2013 durch Gesetz vom 15.07.2013, BGBl I 2423) beachtet worden sei und die Änderung bei den Säumniszuschlägen (von 5% auf 1%) berücksichtigt und der entsprechende Betrag bei der Forderung bereits ausgebucht worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte sowie statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 20.07.2012, abgeändert durch Bescheid vom 08.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte zu 1) hat – auch im Namen der Pflegekasse – die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zutreffend festgesetzt.
Die Klägerin ist als freiwilliges Mitglied der Beklagten beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 223 SGB V). Aus der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung folgt die versicherungspflichtige Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, (SGB XI)) sowie die Pflicht, Beiträge hierzu entrichten (§ 54 Abs 2 SGB XI). Die Höhe der Beiträge richtet sich bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten nach § 240 SGB V (idF vom 20.12.2011, BGBl I 2854 mit Wirkung vom 01.04.2012). Nach § 240 Abs 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt (im Folgenden nur: Spitzenverband). Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB V). Als beitragspflichtige Einnahmen gilt für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs 4 Satz 1 SGB V). Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig tätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 des Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16b des Zweiten Buches erhalten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs 4 Satz 2 SGB V). Der Spitzenverband bestimmt, unter welchen Voraussetzungen darüber hinaus der Beitragsbemessung hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger niedrigere Einnahmen, mindestens jedoch der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße zugrunde gelegt werden (§ 240 Abs 4 Satz 3 SGB V).
Der Spitzenverband hat "Einheitliche Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" mit Wirkung zum 01.01.2009 (sog Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27.10.2008, zuletzt geändert am 27.11.2013) erlassen. § 7 Abs 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bestimmt, dass für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige auf Antrag die Beiträge für Mitglieder, deren beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag ein Vierzigstel der monatlichen Bezugsgröße unterschreiten, nach den tatsächlichen Einnahmen, mindestens jedoch nach einem Sechzigstel der monatlichen Bezugsgröße für den Kalendertag bemessen werden. Ausschlussgründe für die Beitragsermäßigung sind in Satz 2 der Vorschrift geregelt.
Die Beklagte hat ab 01.07.2012 bereits die absolute Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige von einem Sechzigstel der Bezugsgröße berücksichtigt. Zum Vorliegen einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen und die Berufung insoweit aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurückgewiesen (§ 153 Abs 2 SGG). Für eine Bemessung auf der Grundlage der noch niedrigeren tatsächlichen Einnahmen gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Regelungen der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bieten ab 01.01.2009 eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 17) und verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht (vgl Senatsurteile vom 18.06.2013 – L 11 KR 300/12; 14.05.2013 - L 11 KR 1553/11).
Für die Berechnung des Pflegeversicherungsbeitrages gilt gemäß § 57 Abs 4 Satz 1 SGB XI iVm § 240 SGB V Entsprechendes.
Soweit sich die Klägerin gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Beklagten vom 25.4.2012 wendet, bleibt die Berufung ebenfalls erfolglos. Es ist schon nicht klar, mit welcher Begründung sich die Klägerin überhaupt gegen die Zwangsvollstreckung wendet. Die frühere Bevollmächtigte der Klägerin – die inzwischen das Mandat niedergelegt hat – konnte hierzu keine Angaben machen, da sie mit der Klägerin trotz umfangreicher Bemühungen keinen Kontakt aufnehmen konnte; die Klägerin selbst hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. Soweit ersichtlich, wendet sich die Klägerin weder gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, noch gibt es Anhaltspunkte für Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch, die erst nach Festsetzung der Forderung entstanden sind, wie etwa Erfüllung der Forderung. Die Klägerin wendet sich der Sache nach allein gegen die Beitragsforderung an sich. Einwendungen gegen die bestandskräftig festgestellte Beitragsforderung selbst können im Vollstreckungsverfahren jedoch nicht geltend gemacht werden, hierzu wäre zunächst eine Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide nach § 44 SGB X erforderlich. Ein derartiges Überprüfungsverfahren hat bislang nicht stattgefunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.07.2012.
Die 1966 geborene Klägerin ist seit 16.12.2004 freiwilliges Mitglied bei der Beklagten zu 1) und bei der Beklagten zu 2) pflichtversichert. Sie ist als Honorarkraft bei der Privat-Musikschule B. D. und beim Nachhilfeinstitut A.! in V.-S. tätig. Zuletzt vor dem hier streitigen Zeitraum setzte die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 15.12.2011 die Beiträge für die Zeit ab 01.01.2012 auf insgesamt 654,08 EUR fest (Krankenversicherung 569,93 EUR, Pflegeversicherung 84,15 EUR).
Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 25.04.2012 pfändete die Beklagte als Vollstreckungsbehörde Forderungen der Klägerin gegenüber dem A.! Nachhilfeinstitut V.-S. wegen rückständiger Beiträge für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.03.2012 zuzüglich Säumniszuschläge und Pfändungsgebühren in Höhe von insgesamt 28.074,91 EUR.
Mit formularmäßiger Erklärung gab die Klägerin am 26.06.2012 gegenüber der Beklagten zu 1) an, ihre Arbeitszeit in beiden Tätigkeiten umfasse durchschnittlich 38 bis 41 Wochenstunden, die Einkünfte hieraus beliefen sich auf monatlich 650,00 bis 730,00 EUR. Ergänzend legte die Klägerin Honorarbescheinigungen vor, aus denen sich für das Jahr 2011 ein Durchschnittseinkommen von 343,42 EUR im Monat ergab.
Mit Bescheid vom 20.07.2012 setzte die Beklagte zu 1) – auch im Namen der Pflegekasse - den monatlichen Gesamtbetrag zur Kranken- und Pflegeversicherung auf 336,65 EUR fest. Sie führte aus, das Einkommen liege unter der Mindestbemessungsgrenze für Selbstständige, so dass auf Antrag eine Beitragsentlastung geprüft werde.
Die Klägerin legte am 23.07.2012 Widerspruch ein und beantragte zudem die Beitragsentlastung. Sie machte geltend, die tatsächlichen Einnahmen seien als Bezugsgröße heranzuziehen.
Mit Bescheid vom 08.08.2012 setzte die Beklagte zu 1) – auch im Namen der Pflegekasse – die Beiträge unter Durchführung der Beitragsentlastung auf insgesamt 224,44 EUR fest (Krankenversicherung 195, 56 EUR, Pflegeversicherung 28,88 EUR). Zudem verwies die Beklagte zu 1) auf einen bis 31.07.2012 bestehenden Beitragsrückstand iHv 32.190,61 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2012 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 1) – auch im Namen der Pflegekasse - den Widerspruch zurück. Die Klägerin übe ab 01.07.2012 eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit aus. Als beitragspflichtige Einnahme gelte nach § 240 Abs 4 Satz 2 und 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) iVm § 19 Abs 2c der Satzung der AOK Baden-Württemberg als beitragspflichtige Einnahme die Beitragsbemessungsgrenze, bei niedrigeren Einnahmen mindestens der vierzigste Teil der Bezugsgröße. Die Beiträge könnten uU ermäßigt werden, mindestens sei jedoch der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (2012 = 1.312,50 EUR) zugrunde zu legen. Bei der Klägerin sei ab 01.07.2012 bereits von der absoluten Mindestbemessungsgrundlage ausgegangen worden. Eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit liege vor, wenn die freiwillig Versicherte ihrer selbstständigen Tätigkeit an mehr als 30 Wochenstunden nachgehe. Dies sei nach den Angaben der Klägerin der Fall.
Gegen den am 13.11.2012 zugestellten Widerspruchsbescheid richtet sich die am 13.12.2012 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage. Die Klägerin sei nicht in der Lage, den geforderten Beitrag zu entrichten. Zudem werde die Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Beklagten vom 25.04.2012 angegriffen. Der Beitragsrückstand betreffe den gleichen Lebenssachverhalt. Es handele sich um dieselbe Person und dasselbe, nur einmal vorhandene Einkommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet, soweit sie sich gegen die Festsetzung der laufenden Beiträge ab 01.07.2012 wende. Die Beklagte gehe zutreffend davon aus, dass die Klägerin hauptberuflich selbstständig tätig sei. Die Klägerin habe offenbar mit der privaten Musikschule B. D. bzw dem A.! Nachhilfeinstitut V.-S. keine Arbeits- sondern Honorarverträge geschlossen. Im Einkommensfragebogen habe sie die Tätigkeit als freiberuflich bezeichnet. Eine freiberufliche Tätigkeit als Dozent sei sozialversicherungsrechtlich als selbstständige Tätigkeit und nicht als abhängige Beschäftigung anzusehen. Es handele sich um eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit, da sie über 30 Stunden in der Woche ausgeübt werde und die Klägerin aus den Einnahmen ihren Lebensunterhalt bestreite. Ausgehend davon richteten sich die Beiträge nach § 240 SGB V iVm den Beitragsverfahrensgrundsätzen für Selbstzahler. Nach § 3 Abs 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler gelte als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige gelte als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens ein Sechzigstel der monatlichen Bezugsgröße, sofern das Mitglied die Beitragsentlastung beantrage (§ 7 Abs 3 und 4). Eine weitere Beitragsentlastung für hauptberuflich selbstständig erwerbstätige Personen sehe das Gesetz bzw die auf der Grundlage des SGB V einheitlich für alle Krankenkassen erlassenen Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler nicht vor.
Soweit sich die Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 25.04.2012 richte, sei sie unzulässig. Für Klagen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung seien die Sozialgerichte nicht zuständig. Die Beiträge für die Zeit bis 30.06.2012 seien von der Beklagten bestandskräftig festgesetzt. Habe die Klägerin Einwendungen gegen die Forderung, könne sie die Höhe der Beiträge durch einen Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) überprüfen lassen. Da ein solches Verfahren nicht vorausgegangen sei, könne die bestandskräftige Festsetzung der Beiträge nicht gerichtlich angefochten werden. Einwendungen, die erst nach Festsetzung der Forderung entstanden seien und im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden könnten, trage die Klägerin nicht vor.
Gegen den ihrer damaligen Bevollmächtigten am 23.12.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 23.01.2014 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie führt aus, dass die Festsetzung der Beiträge aus ihrer Sicht nicht zutreffend sei, da der Beitrag aus einem Betrag von 1.320,50 EUR berechnet werde, der das monatliche Einkommen der Klägerin übersteige. Sie sehe sich daher nicht in der Lage, die Beiträge aufzubringen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12.12.2013 aufzuheben und die Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 20.07.2012, abgeändert durch Bescheid vom 08.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2012 zu verurteilen, unter Berücksichtigung des tatsächlichen Einkommens niedriger Beiträge zur Kranken –und Pflegeversicherung festzusetzen und die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 25.04.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berichterstatterin hat am 01.07.2014 einen Erörterungstermin durchgeführt, zu dem die Klägerin unentschuldigt nicht erschienen ist. Der Vertreter der Beklagten hat klargestellt, dass die Regelung des § 256a SGB V (eingeführt mWv 01.08.2013 durch Gesetz vom 15.07.2013, BGBl I 2423) beachtet worden sei und die Änderung bei den Säumniszuschlägen (von 5% auf 1%) berücksichtigt und der entsprechende Betrag bei der Forderung bereits ausgebucht worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte sowie statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 20.07.2012, abgeändert durch Bescheid vom 08.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte zu 1) hat – auch im Namen der Pflegekasse – die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zutreffend festgesetzt.
Die Klägerin ist als freiwilliges Mitglied der Beklagten beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 223 SGB V). Aus der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung folgt die versicherungspflichtige Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, (SGB XI)) sowie die Pflicht, Beiträge hierzu entrichten (§ 54 Abs 2 SGB XI). Die Höhe der Beiträge richtet sich bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten nach § 240 SGB V (idF vom 20.12.2011, BGBl I 2854 mit Wirkung vom 01.04.2012). Nach § 240 Abs 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt (im Folgenden nur: Spitzenverband). Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB V). Als beitragspflichtige Einnahmen gilt für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs 4 Satz 1 SGB V). Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig tätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 des Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16b des Zweiten Buches erhalten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs 4 Satz 2 SGB V). Der Spitzenverband bestimmt, unter welchen Voraussetzungen darüber hinaus der Beitragsbemessung hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger niedrigere Einnahmen, mindestens jedoch der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße zugrunde gelegt werden (§ 240 Abs 4 Satz 3 SGB V).
Der Spitzenverband hat "Einheitliche Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" mit Wirkung zum 01.01.2009 (sog Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27.10.2008, zuletzt geändert am 27.11.2013) erlassen. § 7 Abs 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bestimmt, dass für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige auf Antrag die Beiträge für Mitglieder, deren beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag ein Vierzigstel der monatlichen Bezugsgröße unterschreiten, nach den tatsächlichen Einnahmen, mindestens jedoch nach einem Sechzigstel der monatlichen Bezugsgröße für den Kalendertag bemessen werden. Ausschlussgründe für die Beitragsermäßigung sind in Satz 2 der Vorschrift geregelt.
Die Beklagte hat ab 01.07.2012 bereits die absolute Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige von einem Sechzigstel der Bezugsgröße berücksichtigt. Zum Vorliegen einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen und die Berufung insoweit aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurückgewiesen (§ 153 Abs 2 SGG). Für eine Bemessung auf der Grundlage der noch niedrigeren tatsächlichen Einnahmen gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Regelungen der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bieten ab 01.01.2009 eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 17) und verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht (vgl Senatsurteile vom 18.06.2013 – L 11 KR 300/12; 14.05.2013 - L 11 KR 1553/11).
Für die Berechnung des Pflegeversicherungsbeitrages gilt gemäß § 57 Abs 4 Satz 1 SGB XI iVm § 240 SGB V Entsprechendes.
Soweit sich die Klägerin gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Beklagten vom 25.4.2012 wendet, bleibt die Berufung ebenfalls erfolglos. Es ist schon nicht klar, mit welcher Begründung sich die Klägerin überhaupt gegen die Zwangsvollstreckung wendet. Die frühere Bevollmächtigte der Klägerin – die inzwischen das Mandat niedergelegt hat – konnte hierzu keine Angaben machen, da sie mit der Klägerin trotz umfangreicher Bemühungen keinen Kontakt aufnehmen konnte; die Klägerin selbst hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. Soweit ersichtlich, wendet sich die Klägerin weder gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, noch gibt es Anhaltspunkte für Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch, die erst nach Festsetzung der Forderung entstanden sind, wie etwa Erfüllung der Forderung. Die Klägerin wendet sich der Sache nach allein gegen die Beitragsforderung an sich. Einwendungen gegen die bestandskräftig festgestellte Beitragsforderung selbst können im Vollstreckungsverfahren jedoch nicht geltend gemacht werden, hierzu wäre zunächst eine Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide nach § 44 SGB X erforderlich. Ein derartiges Überprüfungsverfahren hat bislang nicht stattgefunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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