L 9 R 4690/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 858/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4690/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. September 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Umwandlung der bis dahin bezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit in eine Regelaltersrente für die Zeit ab 01.12.2003 im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs streitig.

Der 1938 in der Ukraine geborene Kläger beantragte am 30.08.2000 die Bewilligung einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit wegen Vollendung des 60. Lebensjahres ab 01.12.2000.

Mit Bescheid vom 28.09.2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.12.2000 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit mit einem Zahlbetrag von monatlich 1705,57 DM. Die Rentenbewilligung erfolgte auf der Basis von 38,0370 persönlichen Entgeltpunkten, eines Zugangsfaktors von 1,0 sowie dem Rentenartfaktor 1,0. Der Bescheid enthält auf der Seite 4 folgenden Hinweis: "Werden nach Bewilligung dieser Rente die Voraussetzungen für eine andere Altersrente erfüllt, wird auf Antrag geprüft, ob die andere Rente zu zahlen ist. Dies gilt auch für eine Regelaltersrente bei Vollendung des 65. Lebensjahres."

Am 09.05.2001 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit dem Ziel der Neuberechnung der Rente ohne Kürzung der Entgeltpunkte für Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG). Das Überprüfungsverfahren wurde aufgrund eines beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens zum Ruhen gebracht.

Am 30.12.2005 stellte der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, erneut einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X mit dem Ziel der Anerkennung von Zeiten als nachgewiesene Beitragszeiten, der Zuordnung der Zeit vom 01.06.1967 bis 15.09.1989 zur Qualifikationsgruppe II und der Überprüfung der Bewertung der FRG-Zeiten mit nur 60 %.

Mit Schriftsatz vom 13.09.2006 machte der Kläger einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend, da er bereits zum 12.11.2003 das 65. Lebensjahr vollendet habe. Die Beklagte habe ihn nicht darüber informiert, dass er die Möglichkeit habe, einen neuen Antrag auf Regelaltersrente zu stellen.

Mit Bescheid vom 29.01.2007 stellte die Beklagte die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit zum 01.12.2000 neu fest. Für die Zeit ab 01.03.2007 betrug die Bruttorente 1024,02 EUR, der monatliche Zahlbetrag 927,76 EUR. Für die Zeit vom 01.01.2001 bis 28.02.2007 erfolgte eine Nachzahlung von 2.057,73 EUR. Eine Umwandlung der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit in eine Regelaltersrente sei nicht möglich, da der Kläger mit Bescheid vom 28.09.2000 darauf hingewiesen worden sei, dass die Umwandlung in eine Regelaltersrente beantragt werden müsse. Damit sei die Beklagte ihrer Informationspflicht in vollem Umfang nachgekommen.

Hiergegen legte der Kläger am 21.02.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass für das Jahr 1984 durchgehend Beitragszeiten anzuerkennen seien. Hinsichtlich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches handele es sich um eine eigene Angelegenheit, so dass er der Auffassung sei, dass dieser Teil des Widerspruchs separat anzusehen sei. Da sich bei Bewilligung einer Regelaltersrente die Rentenleistung erhöhen würde, hätte er von Amts wegen angeschrieben werden müssen. Der Kläger verwies auf vergleichbare Fälle und legte einen Auszug aus dem Rechtshandbuch der Deutschen Rentenversicherung Bund vor, aus dem sich ergibt, dass ein geeigneter Fall im Sinne des § 115 Abs. 6 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) vorliege, wenn eine vorzeitige Altersrente bezogen werde und eine Probeberechnung ergebe, dass die Regelalterstente höher sei als die bisher bezogene Altersrente.

Mit Bescheid vom 03.11.2008 stelle die Beklagte die Rente ab 01.12.2000 neu fest und bewilligte ab 01.12.2008 eine monatliche Rente von brutto 1042,72 EUR (Auszahlungsbetrag 937,42 EUR). Die Nachzahlung für die Zeit vom 01.01.2001 bis 30.11.2008 betrage 169,09 EUR. Mit dem Neufeststellungsbescheid werde die Zeit vom 01.12.1984 bis 31.12.1984 als Beschäftigungszeit anerkannt, damit sei dem Widerspruch in vollem Umfang entsprochen worden. Der Rentenberechnung lagen 39,2591 persönliche Entgeltpunkte zugrunde. Die Beklagte sah den Widerspruch zunächst als erledigt an und verfügte daher die Übernahme der vollen Kosten des Widerspruchsverfahrens. Auf den Hinweis des Klägers, dass insbesondere die Umwandlung in eine Regelaltersrente noch nicht verbeschieden sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2010 den Widerspruch im Übrigen zurück und erklärte sich bereit, die Hälfte der Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten. Die Umwandlung der vom Kläger bezogenen Altersrente in eine Regelaltersrente könne nicht mehr erfolgen, da nach § 34 Abs. 4 SGB VI (in der seit 01.08.2004 gültigen Fassung) nach der bindenden Bewilligung einer Rente ein solcher Wechsel nicht mehr möglich sei. Zudem sei der Kläger im Rentenbescheid vom 28.09.2000 darauf hingewiesen worden, dass er die Altersrente wegen Altersteilzeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres in eine Regelaltersrente umwandeln könne.

Hiergegen hat der Kläger am 13.03.2010 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zunächst neben der Bewilligung einer Regelaltersrente ab 01.12.2003 auch die Bewilligung einer Einmalzahlung für Dezember 2000 beantragt, diesen Antrag jedoch mit Schriftsatz vom 25.10.2011 zurückgenommen.

Zur Begründung seines Antrags auf Bewilligung einer Regelaltersrente im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hat der Kläger u.a. das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Hessen vom 28.01.2011 (L 5 R 296/10) vorgelegt. Auf Bl. 68 ff der SG-Akte wird insoweit Bezug genommen. Auf Nachfrage des SG, warum er keine Regelaltersrente beantragt habe, hat der Kläger mitgeteilt, er habe im Jahr 2000 Altersrente nach einer Altersteilzeitarbeit beantragt. Er sei davon ausgegangen, dass das Rentenverfahren damit endgültig abgeschlossen gewesen sei. Dass er in die Regelaltersrente hätte wechseln können, sei ihm nicht bekannt gewesen. Da er nach dem 01.12.2000 auch nicht mehr beschäftigt gewesen sei, habe er keinen Grund gesehen, eine weitere Rente zu beantragen. Die nachträgliche Beantragung der Regelaltersrente sei dem Umstand zu verdanken, dass er sich beim Prozessbevollmächtigten im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der festgesetzten Rentenhöhe habe beraten lassen und dort die notwendigen Informationen erhalten habe.

Die Beklagte hat auf Anforderung des SG eine Probeberechnung für die Bewilligung einer Regelaltersrente ab 01.12.2003 für den Kläger durchgeführt. Hiernach wäre dem Kläger eine monatliche Rente von 1.069,81 EUR (Zahlbetrag 961,23 EUR) zu bewilligen. Zugrunde liegt dieser Berechnung die Summe der persönlichen Entgeltpunkte von 39,3312, der Zugangsfaktor 1,0 sowie der Rentenartfaktor 1,0.

Mit Urteil vom 19.09.2013 hat das SG den Bescheid vom 29.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 28.09.2000 in der Fassung des Bescheides vom 03.11.2008 abzuändern und dem Kläger anstelle der zuvor geleisteten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit für die Zeit ab 01.12.2003 eine Regelaltersrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Dem Kläger sei im Rahmen der Überprüfung nach § 44 SGB X eine Regelaltersrente ab dem 01.12.2003 aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches zu gewähren. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Regelaltersrente lägen vor. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur Beratung nach § 115 Abs. 6 SGB VI nicht nachgekommen. In diesem Zusammenhang komme es maßgeblich darauf an, ob für den Versicherungsträger ohne einzelfallbezogene Sachaufklärung erkennbar sei, dass ein abgrenzbarer Kreis von Berechtigten die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung erfülle, die von solchen Personen im Regelfall in Anspruch genommen wird und dass die Berechtigten den Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen. Die Voraussetzungen seien hier gegeben. Die Beklagte sei ihren Beratungspflichten nicht hinreichend nachgekommen, da sie nicht auf die Folgen des Überschreitens der Frist des § 99 SGB VI hingewiesen habe. Der Hinweis im Bescheid vom 28.09.2000 sei zu pauschal abgefasst. Der Kläger sei nicht ausreichend auf seine Gestaltungsmöglichkeiten hingewiesen worden. Es werde nicht hinreichend deutlich, dass trotz der bereits gewährten Altersrente auch eine andere Altersrente in Betracht kommen könne, die für den Versicherten möglicherweise vorteilhaft sei. Zudem sei vorliegend zu beachten, dass der Hinweis in dem Bescheid vom 28.09.2000 erst auf der fünften Seite des Bescheides zu finden sei. Der Kläger sei daher im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob er rechtzeitig im Jahr 2003 die Umwandlung der bezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beantragt hätte. Unerheblich sei, ob der Kläger den Überprüfungsantrag am 31.05.2005 oder erst am 13.09.2006 gestellt habe, da die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X von vier Jahren der begehrten Rente in beiden Fällen nicht entgegenstehe.

Gegen das ihr am 15.10.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.10.2013 Berufung mit der Begründung eingelegt, dass sie ihren Hinweispflichten mit dem auf Seite 4 des Bescheides (nicht wie in dem angefochtenen Urteil ausgeführt auf Seite 5) erteilten Hinweis nachgekommen sei. Außerdem sei auf Seite 2 des Bescheides der Kläger darüber informiert worden, dass gemäß § 99 SGB VI eine Rente von dem Kalendermonat an geleistet werde, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Es sei nicht erheblich, auf welcher Seite im Aufbau des Rentenbescheides die Hinweise erfolgt seien, da von Versicherten erwartet werden müsse, dass sie den gesamten Bescheid lesen. Eine Beratungspflichtverletzung liege nicht vor. Es habe auch keinen Anlass für eine Spontanberatung bestanden. Eine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI bestehe nicht, da der Kläger bereits eine Altersrente bezogen habe und eine Leistungserhöhung beim Wechsel in die Regelaltersrente nur aufgrund einer Probeberechnung habe festgestellt werden können. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 22.10.1998, B 5 RJ 62/R und 13.11.2012, B 8 KN 2/01 R) werde nicht gefolgt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es sei unverständlich, warum die Beklagte den vorliegenden Fall nicht anerkenne. Einzelne Regionalträger, die Deutsche Rentenversicherung Bund wie auch die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See würden ähnlichen Anliegen bereits im Überprüfungsverfahren abhelfen. Es liege ein geeigneter Fall für eine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI vor. Im vorliegenden Fall habe der Berufungskläger bereits eine nach dem SGB VI berechnete Rente bezogen. Es wäre daher für die Beklagte unschwer zu ermitteln gewesen, wie sich die Rentenanwartschaften bei der Vollendung des 65. Lebensjahres darstellen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist nach § 44 SGB X verpflichtet, den Bescheid vom 28.09.2000 in der Fassung des Bescheides vom 03.11.2008 abzuändern und dem Kläger anstelle der zuvor geleisteten Altersrente nach Altersteilzeitarbeit für die Zeit ab 01.12.2003 eine Regelaltersrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die bereits geleisteten Zahlungen sind hierauf anzurechnen.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen der Entscheidung dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger im Rahmen des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X eine Regelaltersrente zu gewähren ist, da die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Regelaltersrente nach § 35 SGB VI ab 01.12.2003 vorlagen und sich die Beklagte vorliegend nicht auf § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI berufen kann, wonach bei verspäteter Antragstellung eine Rente aus eigener Versicherung frühestens vom Antragsmonat an zu leisten ist, da der Kläger aufgrund des Bestehen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, als ob der Antrag auf Regelaltersrente rechtzeitig gestellt worden wäre. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren aus eigener Überzeugung an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass aufgrund des Vorliegens eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs dahinstehen kann, ob beim Wechsel von einer Altersrente in eine andere überhaupt eine Antragstellung nach § 99 SGB VI erforderlich ist (verneinend BSG, Urteil vom 09.04.2002, B 4 RA 58/01 R, in Juris). Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann vorliegend sowohl aus einer nicht ausreichend durchgeführten anlassbezogenen Beratung (§§ 14 f. Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) als auch aus der Verletzung einer Spontanberatungspflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI hergeleitet werden.

Anlässlich der Bewilligung der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit durch Bescheid vom 28.09.2000 bestand eine Beratungspflicht im Hinblick auf die Möglichkeit des Wechsels in die Regelaltersrente. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt war konkret absehbar, wann der Kläger die Regelaltersgrenze erreichen wird und dass nach der damaligen Rechtslage (vor Einführung des § 34 Abs. 4 SGB VI zum 01.08.2004) dann ein Wechsel der Altersrente möglich wird. Die der Beklagten obliegende Pflicht zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I) ist verletzt, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung nach objektiven Kriterien eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit zu Tage tritt, die ein verständiger Leistungsberechtigter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (vgl. u.a. BSG Urteil vom 18.01.2011, B 4 AS 29/10 R, in Juris). Vorliegend bestand eine solche für die Beklagte naheliegende Gestaltungsmöglichkeit, die für den Kläger als Laien nicht erkennbar war und über die daher umfassend zu beraten war. Diese Beratungspflicht hat die Beklagte letztlich selbst gesehen und im Bescheid vom 28.09.2000 auf Seite 4 einen Hinweis zum Altersrentenwechsel erteilt. Dieser Hinweis ist jedoch nicht ausreichend. Die Beklagte hat im Bescheid vom 28.09.2000 den Hinweis erteilt, dass dann, wenn nach Bewilligung dieser Rente die Voraussetzungen für eine andere Altersrente erfüllt werden, auf Antrag geprüft wird, ob die andere Rente zu zahlen ist. "Dies gilt auch für eine Regelaltersrente bei Vollendung des 65. Lebensjahres". Damit wurde der Kläger zwar auf die Möglichkeit eines Rentenwechsels nach Antragstellung hingewiesen, dies ist jedoch nicht ausreichend, da sich der Hinweis auch auf die Dreimonatsfrist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erstrecken muss (BSG, Urteil vom 22.10.1996, 13 RJ 23/95, in Juris). Der Hinweis des Versicherungsträgers muss auch eine Mitteilung dieser Frist umfassen, da bei Unkenntnis und Nichtbeachtung der endgültige Verlust des Anspruchs auf die nicht beantragte Rente für den zurückliegenden Zeitraum droht (BSG a.a.O.). Dies gilt insbesondere, da der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 115 Abs. 6 SGB VI eine besondere Beratungspflicht der Rentenversicherungsträger gerade mit dem Ziel eingeführt hat, die Versicherten vor Nachteilen aus dem Antragsprinzip zu bewahren (BSG, Urteil vom 22.10.1996 a.a.O.). Auch der von der Beklagten auf Seite 2 des Bescheides vom 28.09.2000 erteilte Hinweis, dass die Rente ab dem Kalendermonat geleistet wird, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (§ 99 SGB VI), ist nicht ausreichend. Zum einen ist für einen Laien und ohne Kenntnis des Gesetzestextes nicht erkennbar, dass nach § 99 Abs. 1 SGB VI bei nicht rechtzeitiger Antragstellung der Anspruch für zurückliegende Zeiten nicht mehr geltend gemacht werden kann. Zum anderen ist aus dem Hinweis nicht ersichtlich, dass auch für einen Rentenwechsel - nach Ansicht der Beklagen - ein Antrag zwingend erforderlich ist. Auch ist dem Hinweis nicht zu entnehmen, dass ein Wechsel von einer Altersrente in eine andere im Einzelfall zu einem höheren Zahlungsanspruch führen kann. Auch dies ist für den Laien nicht ohne weiteres erkennbar. Da insoweit ein ausreichender Hinweis nicht vorlag, ist eine Verletzung von Hinweispflichten im Rahmen des §§ 14 f. SGB I anzunehmen.

Die Beklagte hat zudem ihre aus § 115 Abs. 6 SGB VI resultierende Beratungspflicht dadurch verletzt, dass sie den Kläger nicht bei Erreichen der Regelaltersrente auf die Möglichkeit des Wechsels der Altersrente hingewiesen hat. Das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug eine Regelaltersrente ist grundsätzlich ein geeigneter Fall, der ein Hinweispflicht der Beklagten nach § 115 Abs. 6 SGB VI auslösen kann (BSG, Urteil vom 22.10.1996, 13 RJ 23/95, BSGE 79, 168-177). Denn es handelt sich um Fälle, in denen das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen vom Versicherungsträger aufgrund des Versicherungskontos ohne Befragung des Versicherten festgestellt werden kann, und es ist eine Leistung, die im Regelfall von den Versicherten in Anspruch genommen wird, so dass davon auszugehen ist, dass die Berechtigten den Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die erstmalige Beantragung einer Altersrente, sondern auch beim Wechsel von einer bereits bezogenen Altersrente zur Regelaltersrente. Auch in diesem Fall ist ein geeigneter Fall im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI gegeben, der eine Hinweispflicht des Rentenversicherungsträgers auslöst (LSG Hessen, Urteil vom 28.01.2011, L 5 R 296/10). Denn auch beim Wechsel von der bisher bezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bzw. nach Altersteilzeitarbeit zur Regelaltersrente kann der Versicherungsträger ohne auf den Einzelfall bezogene Sachaufklärung erkennen, dass ein abgrenzbarer Kreis vom Berechtigten die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung erfüllt. Soweit das BSG zeitweise als zusätzliches Kriterium vorausgesetzt hat, dass eine abgrenzbare Versichertengruppe vorliegen muss, bei der der Wechsel der Rentenart "in der Regel, d.h. in der überwiegenden Zahl der Fälle" zu einer Leistungserhöhung führt (BSG, Urteil vom 09.12.1997, 8 KN 1/97, BSGE 81, 251-259), ist diese Zusatzvoraussetzung nicht mehr zugrunde zu legen, da diese vom BSG zwischenzeitlich aufgegeben wurde (BSG, Urteil vom 13.11.2002, B 8 KN 2/01 R, in Juris). Die Aufgabe des Zusatzerfordernisses, dass der Rentenwechsel in der überwiegenden Zahl der Fälle auch tatsächlich zu einer Leistungserhöhung führt, gilt nach Ansicht des Senats nicht nur für die vom BSG in der genannten Entscheidung konkret betroffene Fallgruppe, bei der die Möglichkeit zum Rentenwechsel erstmals ab 01.01.1992 mit Einführung des SGB VI eröffnet wurde. Hintergrund der Entwicklung des Zusatzerfordernisses war, dass keine überflüssigen Verwaltungsverfahren initiiert werden sollten (BSG a.a.O). Allerdings soll die Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI gerade auch dazu dienen, schwer erkennbare Gestaltungsmöglichkeiten für die Versicherten nutzbar zu machen (BSG, Urteil vom 22.10.1998, B 5 RJ 56/97 R, in Juris). Bei dem Wechsel von einer Altersrente in eine andere handelt es sich um eine für den Ungeschulten schwer erkennbare Gestaltungsmöglichkeit. Zumindest bei Erfüllen der Anspruchsvoraussetzungen auf eine Regelaltersrente besteht eine für die Beklagte einfach zu ermittelnde Versichertengruppe, die durch den Hinweis die Möglichkeit erhält, die im Rahmen des SGB VI bestehenden Gestaltungsrechte wahrzunehmen. Es ist nicht ersichtlich, warum diese Hinweispflicht nur für Versicherte bestehen soll, die noch keine Rente beziehen oder wenn feststeht, dass zumindest eine bestimmte Gruppe durch die Antragstellung eine Rentenerhöhung erhalten kann. Das BSG hat im Urteil vom 13.11.2002 (a.a.O.) das Erfordernis der Bestimmung einer Versichertengruppe, die durch den Antrag mehrheitlich zu einer Rentenerhöhung kommt, aufgrund der Erkenntnis aufgegeben, dass die Bildung solcher Vergleichsgruppen wegen der Notwendigkeit der Berücksichtigung zahlreicher sich günstig oder ungünstig auswirkender Neuregelungen erheblich erschwert ist. So liegt der Fall auch hier. Denn die Bildung von Vergleichsgruppen, für die aufgrund von Gesetzesänderungen die Regelaltersrente zu einem höheren Leistungsanspruch führen würde, wäre mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden. Ausreichend ist vorliegend, dass die Möglichkeit eines Rentenwechsels und damit zumindest potentiell auch die einer Rentenerhöhung gegeben war. Entscheidend für die Annahme einer Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI ist insoweit gerade, dass den Versicherten in aller Regel überhaupt erst durch einen Hinweis auf die Antragsabhängigkeit des Rentenwechsels die Möglichkeit eröffnet wird, die im Einzelfall erforderliche Klärung herbeizuführen, ob ihnen bei Inanspruchnahme der Regelaltersrente höhere Leistungen zustehen und ob sie daher von ihrem Antragsrecht Gebrauch machen wollen (LSG Hessen a.a.O.).

Der Kläger ist daher so zu stellen, als hätte die Beklagte ihre Auskunft und Beratungspflichten ordnungsgemäß erfüllt. Nach den schriftlichen Darlegungen des Klägers im Gerichtsverfahren hat der Senat keine Zweifel, dass er bei entsprechender Kenntnis von der Möglichkeit der fristgerechten Beantragung der Regelaltersrente Gebrauch gemacht hätte. Nach einer entsprechenden Beratung durch den Prozessbevollmächtigten wurde eine solche Antragstellung unverzüglich nachgeholt.

Der Rentengewährung steht auch nicht die Regelung des § 34 Abs. 4 SGB VI entgegen. Danach ist nach bindender Bewilligung eine Rente wegen Alters der Wechsel in eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Nr. 1), Erziehungsrente (Nr. 2) oder eine andere Rente wegen Alters (Nr. 3) ausgeschlossen. Darunter würde zwar der vom Kläger begehrte Wechsel zur Regelaltersrente fallen, allerdings ist diese Vorschrift erst zum 01.08.2004 und damit nach Beginn der vorliegend streitigen Regelaltersrente zum 01.12.2003 in Kraft getreten. Zwar ist nach § 300 Abs. 1 SGB VI grundsätzlich davon auszugehen, dass neues Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden ist, auch wenn es sich auf einen Sachverhalt oder einen Anspruch bezieht, der bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden hat. Ausnahmen hiervon gelten jedoch im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, bei dessen Vorliegen das früher geltende Recht noch Anwendung findet (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2014, L 10 R 5468/13 m.w.N.). Denn zum Wesen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gehört es gerade, dass er die Möglichkeit eröffnet, auf die Sach- und Rechtslage abzustellen, die zum Zeitpunkt der vorliegend fingierten Antragstellung bei ordnungsgemäßer Beratung und somit im November 2003 bestand.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere ist die Revision nicht nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da die vorliegend streitige Konstellation des Altersrentenwechsels aufgrund der Einführung des § 34 Abs. 4 SGB VI zum 01.08.2004 seit diesem Zeitpunkt ausgeschlossen ist und damit ausgelaufenes Recht betrifft.
Rechtskraft
Aus
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