Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 SO 79/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 107/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid des Beklagten vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2013 wird insoweit abgeändert, als dem Kläger die Kosten für den Pflegeplatz ab 01.02.2013 zu gewähren sind und bei der Einkommensberechnung die Miete für März und April 2013 der alten Wohnung freizulassen ist.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob beim Kläger die Kosten des Pflegeplatzes im Pflegeheim C. auch für den 01. und 02.02.2013 zu übernehmen sind. Streitig ist weiter, ob der Beklagte die Kosten der vormaligen Wohnung des Klägers bis zum 30.04.2013 freizulassen hat.
Der am 1950 geborene Kläger zog am 01.02.2013 in die C. Seniorenresidenz in A-Stadt ein. Am 03.02.2013 ging beim Beklagten per Fax ein Antrag der Betreuerin auf Leistungen von Hilfe in einem Heim ein. Der Kläger befinde sich seit 01.02.2013 in der Kurzzeitpflege. Die Betreuerin war mit Bestellungsurkunde vom 26.07.2004 vom Amtsgericht A-Stadt zur Betreuerin des Klägers bestellt worden. Am 08.02.2013 ging der Formblattantrag beim Beklagten ein.
Mit Schreiben vom 04.02.2013, eingegangen beim Beklagten am 01.03.2013, teilte die Betreuerin mit, dass der Kläger bereits am 17.01.2013 in die Kurzzeitpflege gekommen sei. Am 26.03.2013 übersandte der Beklagte daraufhin der Betreuerin ein Anhörungsschreiben, dass beabsichtigt sei, die Heimkosten und einen Barbetrag ab 03.02.2013 (= Kenntnis der Notlage) zu übernehmen. Daraufhin kündigte die Betreuerin an, dass sie die Miete weiterhin bezahlen werde. Sie berief sich auf die gesetzliche Kündigungsfrist. Des Weiteren teilte sie mit, dass sie in einem anderen Fall einen Bescheid des Beklagten erhalten habe, in welchem die dreimonatige Kündigungsfrist anerkannt worden sei.
Im Schreiben vom 9. April 2013 führte die Klägerbevollmächtigte weiter aus, dass sich der Kläger seit dem 01.02.2013 im Pflegeheim befinde. Es seien die Kosten für den kompletten Monat Februar zu übernehmen. Die Betreuerin habe, sobald es ihr zumutbar war, den Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Der 3. Februar 2013 sei ein Sonntag gewesen. Es sei am 1. Februar noch gar nicht absehbar gewesen, dass es sich letztendlich um einen Daueraufenthalt handeln werde und nicht nur um eine vorübergehende Hilfe für ein paar Tage. Die Miete der vormaligen Wohnung müsse bis zum 30. Juni 2013 bezahlt werden. Der Kläger habe aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr das Ende der Kündigungsfrist abwarten können, um ins Pflegeheim umzusiedeln. Deshalb sei die Miete zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 25.04.2013 bewilligte der Beklagte Leistungen der Grundsicherung ab 03.02.2013. Die Miete wurde lediglich im Einzugsmonat Februar 2013 freigelassen. Des Weiteren wurden die Wohnungsräumungskosten in Höhe von insgesamt 267,50 EUR von der Rente freigelassen.
Gegen den Bescheid erhob die Bevollmächtigte des Klägers am 29.04.2013 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass die Betreuerin den Antrag auf Kostenübernahme so schnell wie möglich gestellt habe. Im Bescheid vom 25.04.2013 sei als Datum des Antrags der 04.01.2013 genannt. Die Mietkosten seien bis zum Ende der Kündigungszeit zu übernehmen, da nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.02.2010 der Bedarf der Unterkunft und Heizung zum physischen Existenzminimum gehöre. Die Verpflichtung zur Mietzahlung bleibe bis zum Ende der Kündigungsfrist zivilrechtlich bestehen. Würde der Vermieter den Kläger auf Zahlung der rechtswidrig eingestellten Mietzahlungen verklagen, müsste der Bezirk sogar im Rahmen des Kostensenkungsverfahrens das Kostenrisiko eines Zivilprozesses tragen. Ein Abwarten in der Wohnung sei aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2013 wies die Regierung von Schwaben den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde auf § 18 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) verwiesen. Des Weiteren wurde wegen der Mietkosten darauf hingewiesen, dass das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 (L 2 SO 2078/10) nicht als Vergleich herangezogen werden könne, da in diesem Fall eine schnellere Kündigung des Mietverhältnisses nicht möglich gewesen sei aufgrund der Einholung einer Genehmigung beim Vormundschaftsgericht. Dies habe dort zur Verzögerung der Wohnungsaufgabe geführt. Es wurde auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom 21.09.1990 verwiesen. Es gehöre nicht zu den Aufgaben des Sozialhilfeträgers, den Vertragspartnern des Leistungsberechtigten das Risiko der Realisierung ihrer Forderung abzunehmen. Der Lebensbedarf des Hilfesuchenden bestehe vorrangig in der Begleichung der Heimkosten und einem Barbetrag zur persönlichen Verfügung, nicht in der Erfüllung mietvertraglicher Verpflichtungen.
Hiergegen erhob der Kläger am 21.08.2013 Klage beim Sozialgericht Augsburg. Zur Begründung führte er aus, dass es gegen Treu und Glauben verstoße, wenn man von der Betreuerin fordere, sie müsse quasi zu jeder Tages- und Nachtzeit Anträge stellen. Deshalb sei dem Kläger ab Aufnahme im Pflegeheim am 01.02.2013 Hilfe zu gewähren. Die Kosten der vormaligen Wohnung seien zu übernehmen. Die ursprüngliche Untätigkeitsklage wurde für erledigt erklärt, nachdem der Widerspruchsbescheid am 09.09.2013 zugegangen war. Gleichzeitig wurde Antrag auf Klageänderung gestellt. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund des Einsatzes der Betreuerin die Wohnung bereits früher übergeben werden konnte und somit die Mietzinse für Mai und Juni 2013 gespart wurden. Der Beklagte blieb dabei, dass die Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg nicht anwendbar sei, da der Sachverhalt dort ein anderer gewesen sei, da nämlich in dem 2010 entschiedenen Fall die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung Voraussetzung für die Kündigung der Mietwohnung war. Der Kurzzeitpflegevertrag für die Zeit vom 01.02.2013 bis 28.02.2013 wurde vorgelegt. Es wurde nochmals darauf hingewiesen, dass in anderen Fällen der Beklagte die Kosten der vormaligen Wohnung für den kompletten Zeitraum der Kündigungsfrist übernommen habe.
In der mündlichen Verhandlung beantragt die Bevollmächtigte des Klägers,
den Bescheid des Beklagten vom 25.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2013 insoweit abzuändern, als dem Kläger das Einkommen in Höhe der Miete für Monate März und April in der N. Straße freizulassen ist und dem Kläger die Kosten des Pflegeplatzes ab 01.02.2013 zu gewähren sind.
Die Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und begründet. Der Klageantrag wurde in der mündlichen Verhandlung eingeschränkt, da der Barbetrag für 1. und 2. Februar gewährt worden war.
Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung der Sozialhilfe bereits ab 01.02.2013. An diesem Tag wurde der Kläger in das Pflegeheim C. aufgenommen. Es war ein Freitag. Gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 SGB XII setzt die Sozialhilfe ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. § 18 ist im Kontext des Grundsatzes zu sehen, dass Sozialhilfe für die Vergangenheit (regelmäßig) nicht zu gewähren ist. Der Anspruch auf Sozialhilfe kann regelmäßig nur auf die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage gerichtet sein. Auf Leistungen für die Vergangenheit besteht grundsätzlich kein Anspruch. Es ist nicht Aufgabe des Sozialhilfeträgers, Schulden des um Leistungen Nachsuchenden abzudecken. Gegenwart in diesem Sinne bedeutet Bekanntwerden der Notlage gegebenenfalls durch Beantragung der Leistungen beim Träger der Sozialhilfe.
In Anbetracht dieser Zweckrichtung erscheint es gerechtfertigt, dem Kläger auch für den 01. und 02.02.2013 die Kosten des Pflegeplatzes zu gewähren. Der Kläger kam an einem Freitag ins Pflegeheim. An diesem Tag ging die Betreuerin davon aus, dass der Kläger lediglich in die Kurzzeitpflege aufgenommen worden sei. Für diese wäre ein Antrag beim Beklagten nicht erforderlich gewesen. Erst im Laufe des Wochenendes stellte sich heraus, dass der Kläger in die Langzeitpflege und damit in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufgenommen werden musste. Die Betreuerin hat unverzüglich, nachdem sie hiervon erfahren hatte, den Antrag noch am Sonntag den 03.02.2013 per Fax an den Beklagten versandt. Sie hat damit alles getan, um dem Beklagten unverzüglich Kenntnis über den Bedarf des Klägers zu übermitteln. Der Beginn der Leistung kann nicht von dem zufälligen Beginn des Aufenthaltes in dem Pflegeheim ab Anfang oder Ende der Woche abhängig gemacht werden. § 18 SGB XII schließt nach seinem Sinn und Zweck die Übernahme der beiden Tage nicht aus.
Wegen der Mietkosten für die alte Wohnung wird auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.12.2010 (L 2 SO 2078/10) verwiesen. Diese ist auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Die Überschneidungskosten sind zwar keine Kosten des notwendigen Lebensunterhalts in einer Einrichtung. Der Anspruch findet seine Rechtsgrundlage jedoch weiterhin in § 42 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 35 Abs. 2 S. 5 SGB XII n.F ... Die Unterkunftskosten für die alte Wohnung sind neben den Kosten für die neue Unterkunft dann zu übernehmen, wenn es notwendig gewesen ist, dass der Hilfeempfänger die neue Wohnung zu diesem Zeitpunkt gemietet und bezogen hat. Zudem muss der Hilfeempfänger alles ihm Mögliche und Zumutbare getan haben, die Aufwendungen für die frühere Wohnung so gering wie möglich zu halten, wozu etwa die Suche nach einem Nachmieter gehört. Somit handelt es sich auch in Bezug auf die Miete für die alte Wohnung um eine aktuelle Notlage und einen notwendigen Unterkunftsbedarf.
Der Beklagte sieht sich auch hier zu Unrecht an einer Übernahme der Mietaufwendungen für die alte Wohnung gehindert. Das oben Ausgeführte gilt auch für den Wechsel von einer Mietwohnung in ein Pflegeheim, auch wenn der Unterkunftsbedarf im Heim über § 35 SGB XII, gewährt wird.
Bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte für den Fall von Mietzinsverpflichtungen, die dadurch entstanden sind, dass die Kündigung der bisherigen Wohnung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurfte, das Genehmigungsverfahren nach § 1907 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht früher abgeschlossen werden konnte, entschieden, dass dem Sozialhilferecht kein Strukturprinzip zu entnehmen ist, dass es rechtfertigen könnte, das wirtschaftliche Risiko für die aus dieser staatlichen Inschutznahme resultierenden Mietbelastungen auf den Vermieter abzuwälzen (BVerwG, Beschluss vom 30.12.1997, Az: 5 B 21/97). Hierdurch ist die wirtschaftliche Risikozuordnung allgemein für Fälle der vorliegenden Art höchstrichterlich festgelegt worden. Zwar ist im vorliegenden Rechtsstreit eine solche Genehmigung nicht erforderlich Entscheidend ist aber, dass der Kläger alles getan hat, um die Aufwendungen für die frühere Wohnung so gering wie möglich zu halten. Der Auszug aus der bisherigen Wohnung war notwendig und der Ablauf der Kündigungsfrist konnte nicht abgewartet werden, weil es dem Kläger aufgrund seiner Behinderung unmöglich war, seine im 2. Stock gelegene Wohnung zu erreichen. Er war seit seinem Sturz Ende Januar 2013 auf den Rollstuhl angewiesen. Die Kosten wurden so niedrig wie möglich gehalten, da es die Betreuerin übernommen hatte, noch im April einem Interessenten die Wohnung zu zeigen sowie die Räumung durchführen zu lassen. Auch war der Kläger zunächst in die Kurzzeitpflege aufgenommen worden.
Entscheidend ist stets der Einzelfall. Es war dem Kläger nicht möglich, früher einen Nachmieter zu finden. Dies wurde in der Widerspruchsentscheidung offensichtlich nicht berücksichtigt. Dort heißt es ausdrücklich, "dass Bemühungen nicht festzustellen seien, um die Kosten zu senken". Dies entspricht nach der glaubwürdigen Einlassung der Betreuerin in der mündlichen Verhandlung und der Mietzahlung nur bis 4/2013 nicht den Tatsachen.
Die Klage hatte deshalb Erfolg und die Bescheide des Beklagten sind entsprechend abzuändern.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob beim Kläger die Kosten des Pflegeplatzes im Pflegeheim C. auch für den 01. und 02.02.2013 zu übernehmen sind. Streitig ist weiter, ob der Beklagte die Kosten der vormaligen Wohnung des Klägers bis zum 30.04.2013 freizulassen hat.
Der am 1950 geborene Kläger zog am 01.02.2013 in die C. Seniorenresidenz in A-Stadt ein. Am 03.02.2013 ging beim Beklagten per Fax ein Antrag der Betreuerin auf Leistungen von Hilfe in einem Heim ein. Der Kläger befinde sich seit 01.02.2013 in der Kurzzeitpflege. Die Betreuerin war mit Bestellungsurkunde vom 26.07.2004 vom Amtsgericht A-Stadt zur Betreuerin des Klägers bestellt worden. Am 08.02.2013 ging der Formblattantrag beim Beklagten ein.
Mit Schreiben vom 04.02.2013, eingegangen beim Beklagten am 01.03.2013, teilte die Betreuerin mit, dass der Kläger bereits am 17.01.2013 in die Kurzzeitpflege gekommen sei. Am 26.03.2013 übersandte der Beklagte daraufhin der Betreuerin ein Anhörungsschreiben, dass beabsichtigt sei, die Heimkosten und einen Barbetrag ab 03.02.2013 (= Kenntnis der Notlage) zu übernehmen. Daraufhin kündigte die Betreuerin an, dass sie die Miete weiterhin bezahlen werde. Sie berief sich auf die gesetzliche Kündigungsfrist. Des Weiteren teilte sie mit, dass sie in einem anderen Fall einen Bescheid des Beklagten erhalten habe, in welchem die dreimonatige Kündigungsfrist anerkannt worden sei.
Im Schreiben vom 9. April 2013 führte die Klägerbevollmächtigte weiter aus, dass sich der Kläger seit dem 01.02.2013 im Pflegeheim befinde. Es seien die Kosten für den kompletten Monat Februar zu übernehmen. Die Betreuerin habe, sobald es ihr zumutbar war, den Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Der 3. Februar 2013 sei ein Sonntag gewesen. Es sei am 1. Februar noch gar nicht absehbar gewesen, dass es sich letztendlich um einen Daueraufenthalt handeln werde und nicht nur um eine vorübergehende Hilfe für ein paar Tage. Die Miete der vormaligen Wohnung müsse bis zum 30. Juni 2013 bezahlt werden. Der Kläger habe aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr das Ende der Kündigungsfrist abwarten können, um ins Pflegeheim umzusiedeln. Deshalb sei die Miete zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 25.04.2013 bewilligte der Beklagte Leistungen der Grundsicherung ab 03.02.2013. Die Miete wurde lediglich im Einzugsmonat Februar 2013 freigelassen. Des Weiteren wurden die Wohnungsräumungskosten in Höhe von insgesamt 267,50 EUR von der Rente freigelassen.
Gegen den Bescheid erhob die Bevollmächtigte des Klägers am 29.04.2013 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass die Betreuerin den Antrag auf Kostenübernahme so schnell wie möglich gestellt habe. Im Bescheid vom 25.04.2013 sei als Datum des Antrags der 04.01.2013 genannt. Die Mietkosten seien bis zum Ende der Kündigungszeit zu übernehmen, da nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.02.2010 der Bedarf der Unterkunft und Heizung zum physischen Existenzminimum gehöre. Die Verpflichtung zur Mietzahlung bleibe bis zum Ende der Kündigungsfrist zivilrechtlich bestehen. Würde der Vermieter den Kläger auf Zahlung der rechtswidrig eingestellten Mietzahlungen verklagen, müsste der Bezirk sogar im Rahmen des Kostensenkungsverfahrens das Kostenrisiko eines Zivilprozesses tragen. Ein Abwarten in der Wohnung sei aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2013 wies die Regierung von Schwaben den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde auf § 18 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) verwiesen. Des Weiteren wurde wegen der Mietkosten darauf hingewiesen, dass das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 (L 2 SO 2078/10) nicht als Vergleich herangezogen werden könne, da in diesem Fall eine schnellere Kündigung des Mietverhältnisses nicht möglich gewesen sei aufgrund der Einholung einer Genehmigung beim Vormundschaftsgericht. Dies habe dort zur Verzögerung der Wohnungsaufgabe geführt. Es wurde auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom 21.09.1990 verwiesen. Es gehöre nicht zu den Aufgaben des Sozialhilfeträgers, den Vertragspartnern des Leistungsberechtigten das Risiko der Realisierung ihrer Forderung abzunehmen. Der Lebensbedarf des Hilfesuchenden bestehe vorrangig in der Begleichung der Heimkosten und einem Barbetrag zur persönlichen Verfügung, nicht in der Erfüllung mietvertraglicher Verpflichtungen.
Hiergegen erhob der Kläger am 21.08.2013 Klage beim Sozialgericht Augsburg. Zur Begründung führte er aus, dass es gegen Treu und Glauben verstoße, wenn man von der Betreuerin fordere, sie müsse quasi zu jeder Tages- und Nachtzeit Anträge stellen. Deshalb sei dem Kläger ab Aufnahme im Pflegeheim am 01.02.2013 Hilfe zu gewähren. Die Kosten der vormaligen Wohnung seien zu übernehmen. Die ursprüngliche Untätigkeitsklage wurde für erledigt erklärt, nachdem der Widerspruchsbescheid am 09.09.2013 zugegangen war. Gleichzeitig wurde Antrag auf Klageänderung gestellt. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund des Einsatzes der Betreuerin die Wohnung bereits früher übergeben werden konnte und somit die Mietzinse für Mai und Juni 2013 gespart wurden. Der Beklagte blieb dabei, dass die Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg nicht anwendbar sei, da der Sachverhalt dort ein anderer gewesen sei, da nämlich in dem 2010 entschiedenen Fall die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung Voraussetzung für die Kündigung der Mietwohnung war. Der Kurzzeitpflegevertrag für die Zeit vom 01.02.2013 bis 28.02.2013 wurde vorgelegt. Es wurde nochmals darauf hingewiesen, dass in anderen Fällen der Beklagte die Kosten der vormaligen Wohnung für den kompletten Zeitraum der Kündigungsfrist übernommen habe.
In der mündlichen Verhandlung beantragt die Bevollmächtigte des Klägers,
den Bescheid des Beklagten vom 25.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2013 insoweit abzuändern, als dem Kläger das Einkommen in Höhe der Miete für Monate März und April in der N. Straße freizulassen ist und dem Kläger die Kosten des Pflegeplatzes ab 01.02.2013 zu gewähren sind.
Die Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und begründet. Der Klageantrag wurde in der mündlichen Verhandlung eingeschränkt, da der Barbetrag für 1. und 2. Februar gewährt worden war.
Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung der Sozialhilfe bereits ab 01.02.2013. An diesem Tag wurde der Kläger in das Pflegeheim C. aufgenommen. Es war ein Freitag. Gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 SGB XII setzt die Sozialhilfe ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. § 18 ist im Kontext des Grundsatzes zu sehen, dass Sozialhilfe für die Vergangenheit (regelmäßig) nicht zu gewähren ist. Der Anspruch auf Sozialhilfe kann regelmäßig nur auf die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage gerichtet sein. Auf Leistungen für die Vergangenheit besteht grundsätzlich kein Anspruch. Es ist nicht Aufgabe des Sozialhilfeträgers, Schulden des um Leistungen Nachsuchenden abzudecken. Gegenwart in diesem Sinne bedeutet Bekanntwerden der Notlage gegebenenfalls durch Beantragung der Leistungen beim Träger der Sozialhilfe.
In Anbetracht dieser Zweckrichtung erscheint es gerechtfertigt, dem Kläger auch für den 01. und 02.02.2013 die Kosten des Pflegeplatzes zu gewähren. Der Kläger kam an einem Freitag ins Pflegeheim. An diesem Tag ging die Betreuerin davon aus, dass der Kläger lediglich in die Kurzzeitpflege aufgenommen worden sei. Für diese wäre ein Antrag beim Beklagten nicht erforderlich gewesen. Erst im Laufe des Wochenendes stellte sich heraus, dass der Kläger in die Langzeitpflege und damit in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufgenommen werden musste. Die Betreuerin hat unverzüglich, nachdem sie hiervon erfahren hatte, den Antrag noch am Sonntag den 03.02.2013 per Fax an den Beklagten versandt. Sie hat damit alles getan, um dem Beklagten unverzüglich Kenntnis über den Bedarf des Klägers zu übermitteln. Der Beginn der Leistung kann nicht von dem zufälligen Beginn des Aufenthaltes in dem Pflegeheim ab Anfang oder Ende der Woche abhängig gemacht werden. § 18 SGB XII schließt nach seinem Sinn und Zweck die Übernahme der beiden Tage nicht aus.
Wegen der Mietkosten für die alte Wohnung wird auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.12.2010 (L 2 SO 2078/10) verwiesen. Diese ist auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Die Überschneidungskosten sind zwar keine Kosten des notwendigen Lebensunterhalts in einer Einrichtung. Der Anspruch findet seine Rechtsgrundlage jedoch weiterhin in § 42 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 35 Abs. 2 S. 5 SGB XII n.F ... Die Unterkunftskosten für die alte Wohnung sind neben den Kosten für die neue Unterkunft dann zu übernehmen, wenn es notwendig gewesen ist, dass der Hilfeempfänger die neue Wohnung zu diesem Zeitpunkt gemietet und bezogen hat. Zudem muss der Hilfeempfänger alles ihm Mögliche und Zumutbare getan haben, die Aufwendungen für die frühere Wohnung so gering wie möglich zu halten, wozu etwa die Suche nach einem Nachmieter gehört. Somit handelt es sich auch in Bezug auf die Miete für die alte Wohnung um eine aktuelle Notlage und einen notwendigen Unterkunftsbedarf.
Der Beklagte sieht sich auch hier zu Unrecht an einer Übernahme der Mietaufwendungen für die alte Wohnung gehindert. Das oben Ausgeführte gilt auch für den Wechsel von einer Mietwohnung in ein Pflegeheim, auch wenn der Unterkunftsbedarf im Heim über § 35 SGB XII, gewährt wird.
Bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte für den Fall von Mietzinsverpflichtungen, die dadurch entstanden sind, dass die Kündigung der bisherigen Wohnung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurfte, das Genehmigungsverfahren nach § 1907 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht früher abgeschlossen werden konnte, entschieden, dass dem Sozialhilferecht kein Strukturprinzip zu entnehmen ist, dass es rechtfertigen könnte, das wirtschaftliche Risiko für die aus dieser staatlichen Inschutznahme resultierenden Mietbelastungen auf den Vermieter abzuwälzen (BVerwG, Beschluss vom 30.12.1997, Az: 5 B 21/97). Hierdurch ist die wirtschaftliche Risikozuordnung allgemein für Fälle der vorliegenden Art höchstrichterlich festgelegt worden. Zwar ist im vorliegenden Rechtsstreit eine solche Genehmigung nicht erforderlich Entscheidend ist aber, dass der Kläger alles getan hat, um die Aufwendungen für die frühere Wohnung so gering wie möglich zu halten. Der Auszug aus der bisherigen Wohnung war notwendig und der Ablauf der Kündigungsfrist konnte nicht abgewartet werden, weil es dem Kläger aufgrund seiner Behinderung unmöglich war, seine im 2. Stock gelegene Wohnung zu erreichen. Er war seit seinem Sturz Ende Januar 2013 auf den Rollstuhl angewiesen. Die Kosten wurden so niedrig wie möglich gehalten, da es die Betreuerin übernommen hatte, noch im April einem Interessenten die Wohnung zu zeigen sowie die Räumung durchführen zu lassen. Auch war der Kläger zunächst in die Kurzzeitpflege aufgenommen worden.
Entscheidend ist stets der Einzelfall. Es war dem Kläger nicht möglich, früher einen Nachmieter zu finden. Dies wurde in der Widerspruchsentscheidung offensichtlich nicht berücksichtigt. Dort heißt es ausdrücklich, "dass Bemühungen nicht festzustellen seien, um die Kosten zu senken". Dies entspricht nach der glaubwürdigen Einlassung der Betreuerin in der mündlichen Verhandlung und der Mietzahlung nur bis 4/2013 nicht den Tatsachen.
Die Klage hatte deshalb Erfolg und die Bescheide des Beklagten sind entsprechend abzuändern.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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