L 15 VK 5/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VK 7/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VK 5/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 V 59/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur Entscheidung über einen Befangenheitsantrag in der mündlichen Verhandlung bei Abwesenheit des Klägers
2. § 53 a BVG ermöglicht auch eine Erstattung von Beiträgen zur (privaten) Pflegeversicherung, die in der Vergangenheit gezahlt worden sind.
3. § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG kommt bei der Erstattung von Beiträgen zur (privaten) Pflegeversicherung weder direkt noch analog zur Anwendung.
I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 7. März 2013 und der Bescheid vom 10. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2004 werden insoweit abgeändert, als der Beklagte verpflichtet wird, über den Antrag des Klägers vom 30. September 2002 wegen der Erstattung der Beiträge zur Pflegeversicherung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

II. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten als Träger der Versorgungsverwaltung die Erstattung von Beiträgen zur Pflegeversicherung, die er in der Zeit vom 01.01.1995 bis zum 30.09.2002 an seine private Pflegeversicherung geleistet hat.

Der im Jahre 1932 geborene Kläger wurde am 28.01.1944 durch einen Sprengkörper verletzt. Mit Bescheid vom 12.06.1954 wurden als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) der Verlust der Finger I bis IV der linken Hand und winzige Weichteilstecksplitter im Gesicht anerkannt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde mit Bescheid vom 12.06.1954 ab dem 01.06.1951 auf 40 v.H. geschätzt.

Ein Antrag des Klägers vom 06.03.1994 auf Änderung des Bescheids vom 12.06.1954 wurde abgelehnt. In dem sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren wurde der Beklagte durch Urteil des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 27.11.2003, Az.: L 15 V 55/99, dazu verurteilt, dem Kläger ab dem 01.01.1990 "Versorgungsrente" nach einer MdE von 50 v.H. zu gewähren.

Als sich im vorgenannten Verfahren vor dem Bayer. LSG abgezeichnet hatte, dass eine MdE in Höhe von 50 v.H. anzuerkennen sei, stellte das damals noch zuständige Versorgungsamt Düsseldorf unter Hinweis auf § 10 Abs. 8 BVG mit Bescheid vom 16.07.2002 fest, dass die Voraussetzungen vorlägen, dem Kläger Heilbehandlung nach § 10 Abs. 1 und 2 BVG zu gewähren, und wies ihn einer gesetzlichen Krankenversicherung zu. Die bis dahin bestehende private Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers bei der Landeskrankenhilfe endete infolge seiner Kündigung zum 30.09.2002.

Am 30.09.2002 beantragte der Kläger beim damals zuständigen Versorgungsamt Düsseldorf u.a die Erstattung der vom 01.01.1995 bis zum 30.09.2002 gezahlten Beiträge zur Pflegeversicherung.

Mit Umsetzungsbescheiden vom 02.04.2004 und 05.04.2004 zum Urteil des Bayer. LSG vom 27.11.2003 wurde dem Kläger Grundrente nach einer MdE von 50 v.H. gewährt. Ausgleichsrente wurde dem Kläger wegen der Höhe seines Einkommens nicht zugesprochen, ebenso nicht ein Berufsschadensausgleich oder ein Ehegattenzuschlag. Dagegen legte dieser Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 10.05.2004 lehnte es der aufgrund Wohnortwechsel des Klägers zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte ab, Beiträge zur Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 01.01.1995 bis zum 30.09.2002 zu erstatten. Dies wurde damit begründet, dass die gesetzliche Regelung des § 53 a BVG eine Erstattung nur dann zulasse, wenn der Beschädigte Ausgleichsrente, Ehegattenzuschlag oder Berufsschadenausgleich beziehe. Dies sei beim Kläger nicht der Fall.

Dagegen erhob der Kläger am 17.05.2004 Widerspruch und begründete diesen damit, dass § 53 a Abs. 2 BVG lediglich die Höhe der Erstattungsbeträge festlege.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2004 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Grundsätzlich - so der Beklagte - lägen die Voraussetzungen des § 53 a Abs. 1 BVG zwar vor. Nach der Vorschrift des § 53 a BVG sei eine Beitragserstattung aber nur dann möglich, wenn der Beschädigte Ausgleichsrente, Ehegattenzuschlag oder Berufsschadenausgleich beziehe. Denn es würden nur die auf Ausgleichsrente, Ehegattenzuschlag oder Berufsschadenausgleich gezahlten Beiträge erstattet. Da der Kläger diese Leistungen nicht beziehe, errechne sich keine Erstattung.

Am 18.08.2004 hat der Kläger dagegen Klage zum Sozialgericht München erhoben. Aus dem ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 29 V 27/04 geführten Verfahren, das neben der Erstattung von Beiträgen zur Pflegeversicherung auch die Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge umfasst hatte, ist mit Trennungsbeschluss vom 10.06.2009 das streitgegenständliche Verfahren betreffend die Erstattung von Beiträgen zur Pflegeversicherung abgetrennt worden.

Mit Bescheid vom 13.07.2009 sind dem Kläger rückwirkend ab Mai 1993 Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag bewilligt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.03.2013 ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: § 53 a BVG sehe eine Erstattung von Pflegebeiträgen nur während eines laufenden Leistungsbezugs vor, nicht jedoch für die Vergangenheit aufgrund nachträglicher Zusprache des Schwerbeschädigtenstatus. Hinsichtlich einer rückwirkenden Zuerkennung sei das Urteil des Bayer. LSG vom 28.11.2012, Az.: L 15 VK 9/09, anwendbar, das dem Kläger eine nachträgliche Erstattung von Beiträgen zur Krankenversicherung verweigert habe. Das Urteil habe den Vorrang des Sachleistungsprinzips vor dem Geldleistungsprinzip betont. Die Versorgungsverwaltung habe Naturalleistungen zu erbringen, nicht Geldleistungen. Die wenigen Ausnahmen des § 18 Abs. 3 und 4 BVG lägen nicht vor. § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG sei dem Wortlaut nach auf Fälle beschränkt, in denen der Berechtigte zunächst einen Anspruch auf Heil- und Krankenbehandlung gehabt habe, dieser dann rechtswidrig weggefallen und später rückwirkend wieder zuerkannt worden sei. Allein die rückwirkende Anerkennung eines Anspruchs auf Heil- und Krankenbehandlung ohne einen vorher bereits bestehenden Anspruch reiche nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht zur Begründung eines Erstattungsanspruchs aus. § 53 a BVG treffe bezüglich der Beiträge zur Pflegeversicherung eine noch strengere Regelung. Hier werde eine nachträgliche Erstattung unter keinen Bedingungen ermöglicht. Umso weniger werde für die Erstattung von Beiträgen zur Pflegeversicherung eine großzügigere Regelung möglich sein als nach dem für den Kläger schon nicht hilfreichen § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG.

Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 10.04.2013 Berufung eingelegt und auf 25 Seiten im Wesentlichen verfahrensrechtliche Rügen erhoben, wobei er die verschiedenen anhängigen Rechtsstreitigkeiten nicht differenziert hat. Er hat die Beiladung der Bundesrepublik Deutschland beantragt.

Die vom Kläger mit Schreiben vom 20.09.2014 gestellten Befangenheitsanträge gegen den Berichterstatter und den früheren Vorsitzenden des Senats sind mit Beschluss des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2014 zurückgewiesen worden.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 07.03.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 10.05.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2004 zu verurteilen, die Beiträge des Klägers zur Pflegeversicherung vom 01.01.1995 bis zum 30.09.2002 zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und die Akten des SG München, auch zum Aktenzeichen S 29/33 V 27/04, beigezogen. Vorgelegen haben zudem die Akten des Bayer. LSG zum Aktenzeichen L 15 V 55/99. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden können, da dieser über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auch auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 SGG).

Auch bei Berücksichtigung des Umstands, dass über den kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsantrag des Klägers vor der mündlichen Verhandlung noch nicht entschieden war, hat unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Grundgesetz (GG) kein Anlass bestanden, in der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2014 wegen des Nichterscheinens des Klägers nicht durch Urteil zu entscheiden, sondern zu vertagen. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in einem ähnlich gelagerten Fall, in dem sogar zusätzlich zum Befangenheitsantrag ein Terminsverlegungsantrag gestellt worden war, im Beschluss vom 01.08.2000, Az.: B 9 SB 24/00, wie folgt begründet:

"Entgegen seinem Vorbringen durfte der Kläger nicht schon aufgrund seines Ablehnungsgesuchs mit einer Verlegung des Termins rechnen. Er musste vielmehr die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß das LSG über dieses noch am Terminstag - ggf in anderer Besetzung - durch verkündeten und sofort rechtskräftigen (§ 177 SGG) Beschluss aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden würde. Bei einem Erfolg des Ablehnungsgesuchs hätte dann eine mündliche Verhandlung der Hauptsache unter Leitung des stellvertretenden Senatsvorsitzenden stattfinden können. Für den Fall der Zurückweisung oder Verwerfung (wie geschehen) des Gesuchs durfte das LSG sogar in unveränderter Besetzung zur Hauptsache mündlich verhandeln und entscheiden (die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs hätte es sogar ebenfalls in gleicher Besetzung vornehmen können vgl Zöller aaO RdNr 4 zu § 45 ZPO mwN). Darum konnte der Kläger auch nicht damit rechnen, dass seinem Terminsverlegungsantrag stattgegeben werden würde. Denn das hätte das Vorliegen eines erheblichen Grundes erfordert (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, RdNr 4b zu § 110). Ein solcher erheblicher Grund war aus den oben dargelegten Gründen in dem Ablehnungsgesuch nicht zu sehen."

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der Berichterstatter des Senats, den der Kläger mit auf den 20.09.2014 datierten und am 21. bzw. 22.09.2014 jeweils abends bei Gericht eingegangenen Schreiben wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatte, hat an der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2014 und dem Urteil vom selben Tag mitwirken können, weil der Befangenheitsantrag bereits zuvor in der mündlichen Verhandlung mit Beschluss des Senats rechtskräftig abgelehnt worden war. Das den als befangen abgelehnten Richter treffende Handlungsverbot gemäß § 47 Abs. 1 Zivilprozessordnung endete mit der rechtskräftigen zurückweisenden Erledigung des Befangenheitsantrags durch den in der mündlichen Verhandlung am 25.09.2014 verkündeten Beschluss.

Die Frage, ob der Kläger von diesem Beschluss Kenntnis gehabt hat, ist rechtlich irrelevant (vgl. BSG, Beschluss vom 30.06.2008, Az.: B 2 U 1/08 RH - dort zur Kenntnis des abgelehnten Richters). Er könnte sich nicht darauf berufen, dass er zum Zeitpunkt der Entscheidung durch Urteil mangels Kenntnis von dem in der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2014 getroffenen Beschluss zur Befangenheit davon ausgegangen sei, dass der Befangenheitsantrag noch offen sei und dies einer abschließenden Entscheidung durch Urteil entgegen stehe. Auf seine Kenntnis des vor Erlass des Urteils ergangenen Beschlusses zum Befangenheitsantrag kommt es nicht an. Dieser Beschluss ist bereits mit der Verkündung in der mündlichen Verhandlung wirksam und mangels Rechtsbehelfsmöglichkeit auch rechtskräftig geworden - und zwar unabhängig von der Kenntnis des Klägers. Zwar werden Beschlüsse ohne mündliche Verhandlung nach § 142 Abs. 1 i.V.m. § 133 SGG erst mit Zustellung wirksam. Eine derartige Situation liegt aber hier nicht vor. Vielmehr hat der Senat angesichts des vom Kläger zu vertretenden Zeitdrucks von der dem Senat durch § 142 Abs. 1 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, über den Befangenheitsantrag in der mündlichen Verhandlung zu entscheiden und den Beschluss dort gemäß § 142 Abs. 1 i.V.m. § 132 SGG zu verkünden. Ein solcher, in der mündlichen Verhandlung verkündeter Beschluss wird mit der Verkündung existent und damit wirksam (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 142, Rdnr. 3c, § 135, Rdnr. 3, § 132, Rdnr. 1a, § 125, Rdnr. 4). Auf die Frage, wann der Kläger vom Beschluss zur Befangenheit Kenntnis erlangt, kommt es nicht an, da eine personenbezogene und kenntnisbegründete Teilwirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen dem Grundsatz der durch Verkündung begründeten Öffentlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung fremd ist. Die gemäß § 142 Abs. 1 i.V.m. § 135 SGG gebotene Zustellung des Protokolls mit dem Beschluss zur Befangenheit an den Kläger hat dabei keine Bedeutung für die Wirksamkeit des gerichtlichen Beschlusses, sondern ist vom Gesetzgeber wegen des Beginns etwaiger Rechtsmittelfristen - die es hier nicht gibt - vorgesehen worden (vgl. Keller, a.a.O., § 135, Rdnr. 3). Mit dem Wirksamwerden des Beschlusses zur Befangenheit im ersten Teil der mündlichen Verhandlung am 25.09.2014 ist auch dessen Rechtskraft eingetreten, da gemäß § 177 SGG eine Beschwerde ausgeschlossen ist.

Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass, auch wenn die Frage des Wirksamwerdens eines Beschlusses in einer mündlichen Verhandlung offen gelassen würde, die Mitwirkung des abgelehnten Berichterstatters in der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2014 und beim Urteil vom selben Tag nicht zu einem angreifbaren Rechtsfehler führen würde. Denn ein derartiger Verfahrensfehler würde nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die Zustellung des vor Erlass des Urteils gefassten Beschlusses über die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs geheilt (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 19.05.1953, Az.: 2 StR 445/52, und vom 15.07.2004, Az.: IX ZB 280/03; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.10.1996, Az.: XI R 13/96; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.12.1999, Az.: 9 AZN 739/99; BSG, Beschluss vom 01.08.2000, Az.: B 9 SB 24/00 B).

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der von ihm im Zeitraum vom 01.01.1995 bis zum 30.09.2002 zur Pflegeversicherung gezahlten Beiträge dem Grunde nach. Der Anspruch geht aber nicht soweit, dass dem Kläger die von ihm im Zeitraum vom 01.01.1995 bis zum 30.09.2002 zur Pflegeversicherung geleisteten Beiträge vollständig zu erstatten wären. Denn eine Erstattung ist nur in dem von § 53 a Abs. 2 BVG eröffneten Umfang möglich.

1. Streitgegenstand

Angefochten ist der Bescheid vom 10.05.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2004. Streitgegenstand ist damit die Frage, ob dem Kläger die von ihm zur Pflegeversicherung in der Zeit vom 01.01.1995 bis zum 30.09.2002 gezahlten Beiträge zu erstatten sind.

2. Rechtsgrundlage für einen Erstattungsanspruch

Rechtsgrundlage für eine Erstattung der an die Pflegeversicherung gezahlten Beiträge ist § 53 a BVG. Dieser lautet wie folgt:

"§ 53 a Beiträge zur Pflegeversicherung

(1) Rentenberechtigten Beschädigten und Hinterbliebenen, die einen Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung haben und die bei einem privaten Versicherungsunternehmen oder bei einer Pflegekasse nach § 20 Abs. 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch versichert sind, wird der Beitrag zur Pflegeversicherung erstattet.
(2) Der Erstattungsbetrag nach Absatz 1 darf den Betrag nicht übersteigen, der sich bei Zugrundelegung des Beitragssatzes nach § 55 Abs. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch bei Beschädigten aus der Ausgleichsrente, dem Ehegattenzuschlag und dem Berufsschadensausgleich, bei Hinterbliebenen aus allen Rentenleistungen nach diesem Gesetz ergibt.
(3) § 61 Abs. 6 und 7 des Elften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend."

Regelungsgehalt des § 53 a BVG ist die Erstattung von Beiträgen zur privaten Pflicht-Pflegeversicherung bei rentenberechtigten Beschädigten und Hinterbliebenen (vgl. Bundestags-Drucksache 12/5262, S. 164). Das § 53 a BVG zugrunde liegende Regelungsbedürfnis ist darin zu sehen, dass in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversicherte Beschädigte aus der Beschädigtenrente nach dem BVG keine Beiträge zur Pflegeversicherung zahlen, weil es sich bei den Leistungen der Beschädigtenversorgung nicht um beitragspflichtige Einnahmen gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB Elftes Buch (SGB XI) i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch handelt. Privat Pflegeversicherte hingegen haben in aller Regel Beiträge aus ihren gesamten Einkünften, unabhängig von der Art, zu entrichten. Dieser Ungleichbehandlung wird durch § 53 a BVG und die damit bewirkte wirtschaftliche Entlastung entgegen gewirkt, wobei jedoch wegen der Einschränkungen in § 53 a Abs. 2 und 3 BVG eine volle Gleichstellung nicht erfolgt (vgl. Vogl, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 53 a BVG, Rdnr. 3). Denn den privat Pflegeversicherten werden nicht die gesamten, aus der Beschädigtenrente gezahlten Beiträge zu ihrer privaten Pflegeversicherung erstattet, sondern gemäß § 53 a Abs. 2 BVG nur insofern, als dies einem Beitrag unter Zugrundlegung des Beitragssatzes nach
§ 55 Abs. 1 SGB XI aus der Ausgleichsrente, dem Ehegattenzuschlag und dem Berufsschadensausgleich entspricht. Eine Erstattung der sich aus der (einkommensunabhängigen) Grundrente gemäß § 31 BVG ergebenden Beiträge zur privaten Pflegeversicherung sieht das BVG nicht vor.

3. Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch in der Person des Klägers

Der Kläger hat einen Erstattungsanspruch, wobei dessen genaue Höhe noch vom Beklagten zu ermitteln sein wird. Der Anspruch geht jedenfalls nicht so weit, wie ihn der Kläger in seinem Schreiben vom 30.09.2002 beziffert hat, da er dabei für sämtliche von ihm zur privaten Pflegeversicherung gezahlten Beiträge, unabhängig, woraus sie sich errechnen, eine Erstattung begehrt hat. Dieses Begehren würde auf eine komplette Freistellung von den Pflegeversicherungsbeiträgen hinauslaufen, wie sie nicht einmal den gesetzlich pflegeversicherten (Schwer-)Beschädigten zugute kommt und für das eine gesetzliche Grundlage auch bei privat Pflegeversicherten fehlt.

3.1. Anspruch dem Grunde nach

Dem Kläger steht dem Grunde nach ein Anspruch auf Beitragserstattung zu.

Die kumulativ erforderlichen Voraussetzungen für eine Beitragserstattung sind in der Person des Klägers seit dem 01.01.1995 erfüllt:

* Er ist ein rentenberechtigter Beschädigter im Sinn des § 53 a Abs. 1 BVG, da er wegen einer anerkannten MdE (jetzt: Grad der Schädigung - GdS) in Höhe von 50 (v.H.) seit dem 01.01.1990 zum Bezug von Grundrente im Sinn des § 31 Abs. 1 BVG berechtigt ist.

* Er hat seit jeher einen Anspruch auf Heilbehandlung zumindest im Sinn des
§ 10 Abs. 1 BVG. Die Regelung des § 53 a Abs. 1 BVG differenziert nicht danach, ob sich der Heilbehandlungsanspruch gemäß § 10 Abs. 1 BVG nur auf Schädigungsfolgen beschränkt oder gemäß § 10 Abs. 2 BVG umfassend ist, weil der GdS mindestens 50 beträgt. Insofern kann es für den Senat dahingestellt bleiben, wie die Auswirkung des Urteils des Senats vom 27.11.2003, mit dem der GdS rückwirkend ab dem 01.01.1990 auf 50 hochgesetzt worden ist, auf den Heilbehandlungsanspruch zu diskutieren wären.

* Er hat Beiträge zur privaten Pflegeversicherung gezahlt.

* Er hat Leistungen im Sinn des § 53 a Abs. 2 BVG bezogen.

Zwar regelt, wie der Kläger angemerkt hat, § 53 a Abs. 2 BVG dem Wortlaut nach nur die Begrenzung der Höhe des sich aus § 53 a Abs. 1 BVG ergebenden Anspruchs auf Beitragserstattung. Daraus ist aber, wie dies der Beklagte zutreffend dargelegt hat, der Rückschluss zu ziehen, dass eine Beitragserstattung zur privaten Pflegeversicherung nur dann in Betracht kommt, wenn der Beschädigte Ausgleichsrente, Ehegattenzuschlag oder Berufsschadensausgleich bezieht oder bezogen hat (vgl. auch oben Ziff. 2. a.E.). Denn wenn er keine dieser drei Leistungen bezogen hätte, wäre der sich aus diesen Leistungen ergebende Beitrag gleich Null, was ein Anspruchshindernis darstellen würde, da der Erstattungsbetrag dann zwingend Null wäre.

Zwar bezog der Kläger zum Zeitpunkt der angefochtenen Verwaltungsentscheidung noch keine derartigen Leistungen. Ihm sind aber mit Bescheid vom 13.07.2009 rückwirkend ab Mai 1993 Ausgleichsrente - diese nur vorübergehend - und Ehegattenzuschlag bewilligt worden.

Warum der Bescheid vom 13.07.2009 im bisherigen Verfahren nicht berücksichtigt worden ist, kann der Senat nur teilweise nachvollziehen. Dass der Beklagte im Rahmen des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens eine Beitragserstattung abgelehnt hat, ist damit zu erklären, dass der Kläger zur damaligen Zeit nur eine Grundrente bezogen hat. Erst während des laufenden sozialgerichtlichen Verfahrens sind dem Kläger mit Bescheid vom 13.07.2009 rückwirkend ab Mai 1993 auch eine Ausgleichsrente und ein Ehegattenzuschlag gewährt worden. Dass das SG die rückwirkende Gewährung von Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag unberücksichtigt gelassen hat, kann allenfalls dadurch begründet sein, dass das SG eine rückwirkende Erstattung grundsätzlich für ausgeschlossen zu halten scheint - eine rechtlich aber nicht haltbare Begründung (vgl. unten Ziff. 4.).

3.2. Zur Höhe des Anspruchs

Der Beklagte ist gehalten, im Gefolge dieses Urteils eine Beitragserstattung wie folgt vorzunehmen: Es sind die vom Kläger von Januar 1995 bis September 2002 erbrachten Zahlungen für Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag mit dem Beitragssatz nach § 55 Abs. 1 SGB XI zu multiplizieren und der sich daraus ergebende Betrag dem Kläger zu erstatten (vgl. Vogl, a.a.O., § 53 a BVG, Rdnr. 11).

Lediglich informationshalber weist der Senat der Kläger darauf hin, dass die zu erwartende Beitragserstattung weit unter den von ihm zur Erstattung geltend gemachten Beiträgen von über 8.000,- EUR zu seiner privaten Pflegeversicherung liegen wird, die sich aus seinen gesamten Einnahmen ergeben haben.

Eine zeitliche Beschränkung der Erstattung im Sinn einer Verjährung ist in § 53 a BVG nicht vorgesehen. Für eine entsprechende Anwendung des § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sieht der Senat im vorliegenden Verfahren schon deswegen keinen Raum, weil er mit Blick auf die rückwirkenden Feststellungen im Verfahren vor dem Bayer. LSG mit dem Aktenzeichen L 15 VK 9/09 (höhere Versorgung ab dem 01.01.1990!) und der Tatsache, dass es sich bei der Beitragserstattung gemäß § 53 a BVG nicht um eine Antragsleistung handelt, den Rechtsgedanken des § 44 Abs. 4 SGB X nicht für einschlägig hält. Die Erstattung der Beiträge zur Pflegeversicherung ist Teil dieser seit 1990 zustehenden Versorgung.

4. Anmerkung zum angefochtenen Gerichtsbescheid vom 07.03.2013

Sofern das SG die Ablehnung des Erstattungsanspruchs mit Hinweis auf § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG und darauf, dass die Regelung des § 53 a BVG noch strenger als § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG sei und eine Erstattung nur während eines laufenden Leistungsbezugs vorsehe, begründet hat, kann der Senat dem nicht folgen. Der Regelung des § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG baut, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, auf dem Grundsatz des Sachleistungsprinzips auf. Die Vorschrift des § 53 a BVG hat hingegen einen ganz anderen Hintergrund. Das Sachleistungsprinzip spielt dabei keine Rolle. Mit § 53 a BVG soll vielmehr nur der unterschiedlichen Beitragszahlung bei gesetzlich pflegeversicherten Beschädigten einerseits und solchen mit privater Pflegeversicherung andererseits Rechnung getragen werden.

Irgendeinen Anlass, den sich aus § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG ergebenden Rechtsgedanken, wonach eine Kostenerstattung von Beiträgen zur Krankversicherung ausschließlich auf die Fälle, dass der Berechtigte zunächst einen umfassenden Anspruch auf Heil- und Krankenbehandlung gehabt hat, dieser dann (rechtswidrig) weggefallen ist und später wieder rückwirkend zuerkannt wird, beschränkt ist und eine Möglichkeit zur Kostenerstattung immer dann ausscheidet, wenn in der Vergangenheit noch gar kein Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung zuerkannt gewesen ist (vgl. Vogl, a.a.O., § 18 BVG, Rdnr. 16; Fehl, in: Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 18 BVG, Rdnr. 18; Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsgesetz, Stand 06/2012, § 18, Ziff. 6), in analoger Anwendung auf die Frage der Erstattung von Beiträgen zur privaten Pflegeversicherung zu übertragen, gibt es nicht. Insbesondere gibt die Tatsache, dass in § 53 a BVG nicht danach differenziert wird, ob es sich um eine rückwirkende Beitragserstattung oder um eine solche für die Zukunft handelt, keinen Grund, eine analoge Anwendung des sich aus § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG ergebenden Rechtsgedankens in Betracht zu ziehen. Der Senat kann weder in § 53 a BVG eine einer analogen Anwendung zugängliche Lücke finden noch sieht er angesichts der speziellen Regelung in § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG darin eine der Analogie fähige Regelung, zumal die zugrunde liegenden Konstellationen nicht vergleichbar sind (§ 18 Abs. 4 Satz 3 BVG ist unter dem Gedanken des Sachleistungsprinzips zu sehen, § 53 a BVG unter dem Aspekt einer systembedingt nicht vermeidbaren Beitragszahlung privat Pflegeversicherter).

Sollte der Gesetzgeber - was der Senat bezweifelt - tatsächlich eine restriktivere Erstattung, als sie der Senat vornimmt, wollen, wäre es allein Sache des Gesetzgebers, dies durch ein entsprechendes gesetzgeberisches Tätigwerden zu korrigieren. Den Gerichten wäre eine solche Korrektur versagt, da sie sich damit zum Gesetzgeber aufschwingen und gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GG verstoßen würden.

Der (ungeschriebene) Grundsatz der Parallelität des Rechts der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung ist aufgrund der unterschiedlichen Konstellationen und Regelungszwecke vorliegend nicht betroffen.

Eine Beiladung der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 SGG hatte nicht zu erfolgen, da dies die Bundesrepublik Deutschland selbst hätte beantragen müssen (vgl. Urteile des Senats vom 28.11.2012, Az.: L 15 VK 3/09 und L 15 VK 9/09). Mit der gesetzlichen Regelung soll lediglich der Bundesrepublik Deutschland, die die Kosten des sozialen Entschädigungsrechts trägt, die Möglichkeit gegeben werden, Einfluss auf den Prozess zu nehmen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl. 2012, § 75, Rdnr. 9). Beantragt nur ein Beteiligter, nicht aber die Bundesrepublik Deutschland die Beiladung, muss eine Beiladung nicht erfolgen (vgl. Leitherer, a.a.O., § 75, Rdnr. 9a). Bei einem Antrag des Klägers oder des Beklagten steht es im Ermessen des Gerichts, die Bundesrepublik Deutschland gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG (einfach) beizuladen (vgl. BSG, Urteil vom 22.04.1965, Az.: 10 RV 375/63). Für eine solche Beiladung hat der Senat keinen Bedarf gesehen. Ein Fall der notwendigen Beiladung im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG war nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass zwar die Ablehnung einer Beitragserstattung an sich aufzuheben war, die vom Kläger für die Erstattung geltend gemachten Beiträge aber über das nach den gesetzlichen Vorgaben zu Erstattende deutlich hinausgehen.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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