L 3 AS 2839/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 3912/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 2839/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungs-verfahren wird abgelehnt.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

3. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

1. Der Kläger wendet sich gegen eine Aufforderung zur Mitwirkung bzw. gegen eine zeitweilige Einstellung von Leistungen.

Er bezieht laufend Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Dieses war ihm zuletzt mit Bescheid vom 03.05.2013 für die Zeit vom 01.05.2013 bis 31.10.2013 bewilligt worden.

Wegen Zweifeln an der Leistungsfähigkeit (Erwerbsfähigkeit) des Klägers forderte der Beklagte den Kläger mit mehreren Schreiben, zuletzt vom 21.08.2013 auf, bis zum 14.09.2013 eine Schweigepflichtentbindung der ihn in Deutschland behandelnden Ärzte vorzulegen sowie den übersandten Gesundheitsfragebogen ausgefüllt wieder einzureichen.

Nachdem der Kläger dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, setzte der Beklagte mit Schreiben vom 16.09.2013 letztmalig eine Frist zur Vorlage der benötigten Unterlagen bis zum 24.09.2013. Weiter wies der Beklagte darauf hin, nach erfolglosem Fristablauf werde er die Leistungsgewährung wegen fehlender Mitwirkung gemäß §§ 60, 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) einstellen. Der Kläger legte gegen dieses Schreiben Widerspruch ein. Diesen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2013 als unzulässig zurück, da kein Verwaltungsakt vorliege.

Hiergegen hat der Kläger am 03.12.2013 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, das Schreiben vom 16.09.2013 stelle einen Verwaltungsakt dar.

2. Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 24.09.2013 hin bewilligte der Beklagte zunächst keine Leistungen. Der Kläger suchte insoweit bei dem SG um einstweiligen Rechtsschutz nach (S 8 AS 3649/13 ER). In dem Erörterungstermin am 20.12.2013 gab der Beklagte ein Anerkenntnis derart ab, dass er dem Kläger ab dem 01.11.2013 vorläufig Alg II bis zu einer anfechtbaren Entscheidung über den Fortzahlungsantrag gewähre. Der Kläger nahm dieses Anerkenntnis nicht an. Das SG erließ daher unter dem 28.12.2013 einen stattgebenden Beschluss mit einer dem Anerkenntnis entsprechenden Verpflichtung des Beklagten bei Abweisung des Antrags im Übrigen.

Der Beklagte hat - nach dem genannten Erörterungstermin in dem Eilverfahren - mit Bescheid vom 23.12.2013 Leistungen nach dem SGB II wegen fehlender Mitwirkung ab dem 01.11.2013 ganz versagt. Der Kläger weigere sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen an der Überprüfung seiner Erwerbsfähigkeit mitzuwirken. Dies hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 30.12.2013 dem SG mitgeteilt, wobei er die Einschätzung geäußert hat, der Bescheid sei nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des laufenden Klageverfahrens geworden. Der Kläger hat aber gegen die Versagung von Leistungen ab November auf Grund des Bescheids vom 23.12.2013 gesondert Klage zum SG erhoben (S 8 AS 4237/13).

Ferner hat der Beklagte ab Erlass dieses Versagungsbescheids keine Leistungen mehr an den Kläger ausgezahlt. Der Kläger hat daraufhin in dem Verfahren S 8 AS 3649/13 ER eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses vom 28.12.2013 beantragt, um gegen den Beklagten vollstrecken zu können. Der Beklagte hat daraufhin unter dem 23.01.2014 mitgeteilt, er nehme die Leistungsgewährung vorläufig wieder auf. Mit Bescheid vom 12.02.2014 hat er sodann Alg II für die Monate November 2013 bis April 2014 in gesetzlicher Höhe endgültig bewilligt. Dies hat er in dem Verfahren über die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss vom 28.12.2013 (L 3 AS 515/14 ER-B) mitgeteilt.

3. In dem hiesigen Klageverfahren hat das SG in dem Beschluss vom 30.01.2014, mit dem es den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren abgelehnt hat, sinngemäß ausgeführt, dass sich das Verfahren nur gegen das Schreiben vom 16.09.2013 richte. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat dort ausgeführt, seine Klage richte sich nicht gegen jenes Schreiben. Er hat weiterhin Ausführungen zu einer Eingliederungsvereinbarung bzw. einem diese ersetzenden Verwaltungsakt gemacht. Auf die Nachfrage des erkennenden Senats, welchen Antrag er in dem Klageverfahren vor dem SG stelle, hat er nicht geantwortet. Der Senat hat daraufhin die Beschwerde mit Beschluss vom 11.03.2014 zurückgewiesen (L 3 AS 772/14 B).

Zu der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 28.05.2014 ist der Kläger nicht erschienen. Er hatte am Tag zuvor mitgeteilt, er habe Rückenschmerzen, könne aber wegen eines diskriminierenden Verhaltens aller Ärzte im Bezirk ihm gegenüber kein Attest dafür vorlegen.

Mit Urteil vom selben Tage hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Klage sei nur zulässig, wenn der Kläger behaupte, durch ein Handeln des Beklagten beschwert zu sein. Dies sei hier nicht der Fall. Der Kläger habe nicht einmal dargelegt, welche Handlung des Beklagten seine Rechte verletzen solle. Zwar habe der Kläger seine Klage zunächst gegen das Schreiben vom 16.09.2013 und den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid vom 21.11.2013 gerichtet. Im Rahmen der Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH habe er dann aber ausgeführt, dass er nicht die Aufhebung jenes Schreibens begehre. Auf die Frage des LSG, welchen Antrag er stattdessen stelle, habe er nicht geantwortet. Schließlich sei er auch nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Es sei daher nicht zu erkennen, was der Kläger begehre.

Gegen dieses Urteil, das ihm am 11.06.2014 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 07.07.2014 Berufung zum LSG eingelegt. Er trägt vor, der Widerspruchsbescheid vom 23.11.2013 bzw. die damit verbundene Ersetzung der Eingliederungsvereinbarung durch Bescheid sei die eigentliche Ursache für die Aussetzung der Leistungen vom 01.11.2013 bis zum 16.02.2014 gewesen. Er behauptet, eine Nachfrage des LSG in dem Beschwerdeverfahren habe er nicht erhalten. In der Sache sei es eine Verleumdung, dass er nicht ausreichend mitwirke. Er habe am 15.03.2013 seine italienischen Ärzte von der Schweigepflicht entbunden. Diese hätten auch bestätigt, dass er ein Opfer ärztlicher Kunstfehler deutscher Ärzte sei. Er könne nicht die deutschen Ärzte und Krankenhäuser von der Schweigepflicht entbinden, die eine nicht-objektive Diagnose gestellt hätten.

Einen konkreten Antrag in der Hauptsache hat der Kläger nicht gestellt.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, er habe die Zahlungen auf Grund des Beschlusses des SG vom 28.12.2013 ab dem 01.11.2013 wieder aufgenommen und durchgehend geleistet. Eine Beschwer sei daher nicht erkennbar.

In dem PKH-Verfahren zu dieser Berufung hat der Kläger den Bescheid des Beklagten vom 10.04.2014 zur Akte gereicht. Damit wurde dem Kläger Alg II für die Zeit von Mai bis Oktober 2014 bewilligt.

Der Senat hat die Beteiligten unter dem 25.09.2014 darauf hingewiesen, dass er ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden wolle, und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.10.2014 gegeben. Der Kläger hat am 21.10.2014 mitgeteilt, er würde gern eine mündliche Verhandlung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers beantragen, könne aber wegen seines Bandscheibenvorfalls nicht erscheinen.

II.

1. Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 4 SGG über die Berufung des Klägers. Er hält sie einstimmig für unbegründet. Auch ist eine mündliche Verhandlung nicht notwendig, da die Sach- und Rechtslage geklärt ist. Daran ändert auch das Schreiben vom 21.10.2014 nichts. Der Kläger hat dort selbst mitgeteilt, er werde zu einer mündlichen Verhandlung nicht erscheinen. Die Schreiben des Klägers, die auf Probleme mit der deutschen Sprache nicht schließen lassen, machen auch sein Begehren hinreichend klar, sodass eine mündliche Erörterung verzichtbar ist.

2. Der Kläger hat in seiner Berufungsschrift ausreichend deutlich gemacht, dass er sich hauptsächlich gegen die Versagung von Leistungen ab dem 01.11.2013 durch den Bescheid vom 23.12.2013 wendet und das Schreiben vom 16.09.2013 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 23.11.2013 nur mittelbar angreift, weil er meint, diese seien die eigentliche Ursache für die Versagung der Leistungen.

3. Die so verstandene Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

4. Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage des Klägers als unzulässig abgewiesen.

Soweit der Kläger das genannte Schreiben vom 16.09.2013 angreift, kommt eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG nicht in Betracht, da es sich bei der Aufforderung zur Mitwirkung nach § 60 Abs. 1 SGB I nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Insoweit wird auf die Ausführungen des SG in dem Beschluss über die Versagung von PKH vom 30.01.2014 verwiesen, die diesen Punkt ausführlich begründet haben. Eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, etwa auf Unterlassung oder Widerruf, scheidet mangels ausreichender Klagebefugnis (§ 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGG analog) ebenfalls aus. Es ist nicht ersichtlich, dass das Schreiben den Kläger in irgendeiner Weise beschwert hat. Dies hat das SG in dem angegriffenen Urteil ausführlich begründet, auch darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen ist lediglich, dass auch die anschließende Versagung von Leistungen ab November 2013 nicht zu einer Klagebefugnis im Hinblick auf das Mitwirkungsschreiben führt. Es handelt sich lediglich um einen mittelbaren Zusammenhang. Die Beschwer selbst lag zunächst in der faktischen Nichtgewährung von Leistungen, die der Kläger nur im Eilverfahren rügen konnte, was er auch - erfolgreich - getan hat. Weiterhin war der Kläger durch den Versagungsbescheid vom 23.12.2013 beschwert. Gegen diesen konnte er Anfechtungsklage erheben, was er auch getan hat (S 8 AS 4237/13). Die diesbezügliche Beschwer ist allerdings dann durch den Erlass des Bewilligungsbescheids vom 12.02.2014 wieder entfallen.

Soweit der Kläger die genannte Leistungsversagung direkt angreift - darauf deuten seine Ausführungen in der Berufungsschrift hin -, ist die Klage ebenfalls unzulässig. Sofern das Klageverfahren S 8 AS 4237/13 vor dem SG noch anhängig ist, besteht doppelte Rechtshängigkeit. Und selbst wenn der Kläger die Versagung in dem Verfahren hier durch Klageerweiterung (§ 99 Abs. 1 SGG) zunächst zulässigerweise hätte geltend machen können, wäre die Beschwer - wie ausgeführt - spätestens mit Erlass des Bewilligungsbescheids wieder entfallen.

5. Aus diesen Gründen war auch der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH für das Berufungsverfahren abzulehnen. Seine Berufung bot bereits bei ihrer Einlegung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung). Aus diesem Grunde ist es auch statthaft, dass der Senat über das PKH-Gesuch nicht vorab entschieden hat.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

7. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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