Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 4210/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 5360/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. November 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) sowie die Feststellung, dass in ihrer Person die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs der außergewöhnlichen Gehbehinderung ("aG") vorliegen.
Bei der am 22.04.1974 geborenen Klägerin wurde nach einem am 23.08.1990 erlittenen Motorradunfall am 28.08.1990 der linke Unterschenkel amputiert. Wegen des Verlustes des linken Unterschenkels wurde erstmals mit Bescheid des Versorgungsamtes Freiburg (VA) vom 01.03.1991 ein GdB von 50 festgestellt. Ferner ist bei der Klägerin seit diesem Zeitpunkt durchgängig festgestellt, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs der erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ("G") vorliegen.
Mit Bescheid vom 01.08.1995 stellte das VA auf einen Verschlimmerungsantrag hin den GdB der Klägerin ab dem 27.03.1995 mit 60 fest. Es berücksichtigte hierbei neben dem Verlust des linken Unterschenkels, entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. A. vom 17.06.1995, die einen Befundbericht von Dr. B., die ein chronisches LWS-Syndrom bei Skoliose, einen thoracolumbalen Übergangswirbel und Vorderkantenbruch L 1 mitgeteilt hatte, auswertete, ein Wirbelsäulenleiden, mit einem Einzel-GdB von 20.
Anträge der Klägerin, einen höheren GdB sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" festzustellen, vom 13.08.2004 und vom 19.09.2006 blieben jeweils erfolglos (ablehnender Bescheid vom 31.05.2005 und vom 29.11.2006 [Widerspruchsbescheid vom 12.04.2007]).
Am 08.01.2010 beantragte die Klägerin beim Landratsamt Breisgau- Hochschwarzwald (LRA) abermals die Feststellung eines höheren GdB. Eine weitergehende Antragstellung im Rahmen des von der Klägerin genutzten förmlichen Antragsformulars, insb. die der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG", erfolgte nicht. Sie führte aus, an Schmerzen in beiden Armen und Schultern sowie dem Hals und an Bewegungseinschränkungen an Kopf, Rücken und Beinen zu leiden.
Das LRA forderte daraufhin bei den behandelnden Ärzten Dr. C., Dr. D. sowie der Klink E. Befundberichte an und führte diese einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dr. F. bewertete unter dem 19.03.2010 einen "Verlust des linken Beins im Unterschenkel" mit einem Einzel-GdB von 50, eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Spinalkanalstenose" mit einem solchen von 30 sowie eine "Funktionsbehinderung beider Kniegelenke" mit einem Einzel-GdB von 10. Den GdB schätzte er unverändert auf 60 ein. Es lägen weder die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" noch die Voraussetzungen von "aG-light" vor.
Gestützt hierauf lehnte das LRA den Antrag der Klägerin auf Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 23.03.2010 ab. Zur Begründung führt es aus, dass es nach Auswertung der vorliegenden Befunde beim festgestellten GdB verbleibe. Der Bescheid enthielt den "Hinweis", dass über einen Antrag bei der Verkehrsbehörde auf Parkerleichterungen für besondere Gruppen Schwerbehinderter in Baden-Württemberg von dort weitere Nachricht erfolgen werde.
Auf einen Widerspruch der Klägerin hin und nach einer abermaligen versorgungsärztlichen Überprüfung (Dr. G. vom 25.05.2010) half das LRA dem Widerspruch teilweise ab und stellte den GdB der Klägerin ab dem 08.01.2010 mit 70 fest (Teil-Abhilfebescheid vom 14.06.2010). Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die mit dem Teil-Abhilfebescheid vorgenommene Erhöhung des GdB von 60 auf 70 gebe das Ausmaß der tatsächlichen Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin wieder.
Hiergegen hat die Klägerin am 18.08.2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, mit der sie die Feststellung eines höheren GdB als 70 beantragt hat. Zur Begründung hat die Klägerin vorgebracht, die Feststellung des GdB mit 70 trage nicht dem vollen Umfang der tatsächlichen Einschränkungen Rechnung. Auch müsse der Nachteilsausgleich "aG" festgestellt werden. Da sie kein Fußgelenk mehr habe, könne sie nur unter erschwerten Bedingungen aus einem Kraftfahrzeug aussteigen.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Er hat vorgebracht, für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" reiche ein erhöhter Platzbedarf beim Aussteigen nicht aus. Seine Einschätzung des GdB der Klägerin werde durch die Aussagen der behandelnden Ärzte und das gerichtliche Sachverständigengutachten bestätigt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. H., Facharzt für Orthopädie, hat unter dem 11.10.2010 mitgeteilt, die Klägerin u.a. wegen Wirbelsäulenerkrankungen behandelt zu haben. Diese seien als mittelgradig zu beschreiben und mit einem GdB von 30 - 40 zu bewerten. Die Fortbewegung der Klägerin erfordere wegen der Unterschenkelamputation zwar eine höhere körperliche Anstrengung als bei einer gesunden Personen, jedoch sei die Gehfähigkeit der Klägerin nicht in einem ungewöhnlich hohen Maße eingeschränkt. Dr. C., Facharzt für Allgemeinmedizin, hat unter dem 19.10.2010 ausgeführt, bei der Klägerin bestünden vorwiegend Beschwerden seitens des Unterschenkelstumpfes. Im Bereich der Amputationsnarbe träten Entzündungen, teilweise mit Abszessen, auf. Eine spezielle Therapie sei im Jahr 2010 deswegen nicht erforderlich geworden. Ferner bestünden bei der Klägerin Wirbelsäulenbeschwerden. Durch die Dres. K., L., M. wurde unter dem 21.10.2010 mitgeteilt, bei der Klägerin bestünde ein chronisches WS-Syndrom, eine Bandscheibenprotrusion L4/5 rechts, eine Spondylarthrose lumbal und ein Zustand nach (Z.n.) traumatischer Unterschenkelamputation links. Der GdB auf orthopädischem Fachgebiet sei mit 70 angemessen bewertet. Dr. N., Facharzt für Neurochirurgie, hat in seiner schriftlichen Aussage vom 14.07.2011 mitgeteilt, dass sich die Klägerin einmalig bei ihm vorgestellt habe. Er habe eine ausgeprägte Osteochondrose der mittleren HWS mit Einengungen des Rückenmarkskanals und erkennbarer Rückenmarksdeformation sowie Schädigungszeichen am Rückenmark diagnostiziert.
Das SG hat sodann Dr. O. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem fachorthopädischen Gutachten vom 23.08.2011 hat Dr. O., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, bei der Klägerin einen Z.n. traumatischer Unterschenkelamputation links mit rezidivierenden Stumpfproblemen und Hautabzedierungen sowie einer Einschränkung der Wegstrecke bei Status nach Stumpfkorrektur, ein chronisches Schmerzsyndrom der HWS mit Cervikobrachalgien beidseits bei Bandscheibenvorfall HWK 5/6 und HWK 6/7 ohne neurologische Ausfallerscheinungen, rezidivierende Lumboischialgien links ohne neurologische Ausfallerscheinungen, eine diskrete mediale Gonarthrose links ohne Funktionseinschränkungen, sowie einen ausgeprägten Spreizfuß, eine mittelschwere Großzehengrundgelenksarthrose rechts mit deutlicher Bewegungseinschränkung des Großenzehengrundgelenks diagnostiziert. Dr. O. hat hierzu ausgeführt, die Röntgenuntersuchung des linken Kniegelenks habe nur einen leicht vermehrten subchondralen Sklerosierungsraum gezeigt. Im Bereich des medialen Tibiaplateaus zeigten sich keine wesentlichen knöchernen Ausziehungen. Von Seiten des Kniegelenks finde sich aktuell kein Erguss und kein Meniskuszeichen. Ein GdB von 50 für den Z.n. traumatischer Unterschenkelamputation sei daher angemessen. Das bei der Klägerin bestehende chronische Schmerzsyndrom strahle in beide Arme aus, die Funktionsfähigkeit der Hände sei jedoch nicht beeinträchtigt. Auch zeigten sich keine neurologischen Ausfallerscheinungen. Im Bereich der Lendenwirbelsäule finde sich ein regredienter Bandscheibenvorfall BWK 11/12 mit linksseitiger Einengung des Neuroformans gleichfalls ohne neurologische Ausfallerscheinungen. Insg. sei die Beeinträchtigung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 zu bewerten. Für die Erkrankung des Kniegelenks sei in Ermangelung einer Funktionsbehinderung kein, für die Erkrankung des Großzehengrundgelenks ein GdB von 10 anzusetzen. Insg. sei der GdB der Klägerin mit 70 angemessen bewertet. Dr. O. hat ferner ausgeführt, bei der Klägerin bestehe zwar eine relevante Einschränkung der Gehstrecke, die Fortbewegung sei jedoch nicht mit den gleichen körperlichen Anstrengungen, die ein Querschnittsgelähmter mit der Fortbewegung habe, vergleichbar.
Die Klägerin ist der Einschätzung von Dr. O. entgegen getreten und hat unter Vorlage eines Operationsberichts vom 28.09.2011 mitgeteilt, sie sei zwischenzeitlich an der Wirbelsäule operiert worden. Das SG hat daraufhin den Facharzt für Neurochirurgie P. schriftlich als sachverständigen Zeugen einvernommen, der in seiner Stellungnahme vom 15.02.2012 ausgeführt hat, bei der Klägerin sei am 26.09.2011 eine ventrale Discektomie in den Segmenten HWK 5/6 und HWK 6/7 mit Implantation eines Bandscheibenersatzes durchgeführt worden. Der GdB sei zutreffend festgestellt worden. Das SG hat ferner Dr. Q., Allgemeinmedizin und Anästhesie, als sachverständigen Zeugen einvernommen. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 08.05.2012 hat Dr. Q. ausgeführt, die HWS- Erkrankung sei mit einem GdB von 80 zu bewerten. Schließlich hat das SG Dr. R. schriftlich als sachverständigen Zeugen einvernommen, der unter dem 21.05.2012 von einer einmaligen Vorstellung der Klägerin am 28.02.2012, anlässlich derer ein psychosomatisches-psychotherapeutisches Gespräch geführt worden sei, berichtet hat.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.11.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. O. die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 70 zu bewerten seien und die Voraussetzungen der Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" nicht vorlägen. Der Verlust des linken Beines im Unterschenkel sei bei der genügenden Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke mit einem Einzel-GdB von 50, die Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem solchen von 30 zu bewerten. Für die Funktionsbehinderung beider Kniegelenke sei, so das SG, ein Einzel-GdB von 10 angemessen. Dr. O. habe unter Auswertung der von ihm erhobenen Befunde auch nachvollziehbar und in sich schlüssig ausgeführt, dass bei der Klägerin keine Erkrankung bestehe, die die Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße einschränke. Für die Anerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" sei es nicht erheblich, ob die Klägerin beim Ein- und Aussteigen aus dem Auto eine weitgeöffnete Wagentür benötige.
Gegen den am 26.11.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22.12.2012 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, dass entgegen der Einschätzung des SG keine dauerhafte Funktionstüchtigkeit des Stumpfes bestehe. So träten häufig nässende Ekzeme im Bereich des Stumpfes auf, durch die das Tragen der Prothese verunmöglicht werde. Sie müsse in diesen Phasen Unterarmgehstützen nutzen, die ein weites Öffnen der Türen des Kraftfahrzeuges erforderlich machten. Sie sei daher auf die Nutzung von Behindertenparkplätzen angewiesen. Dies werde von Dr. Q. bestätigt. Dieser habe ferner ausgeführt, dass die ihr mögliche Wegstrecke auf 100 - 200 m begrenzt sei. Die Abszesse seien mehrfach operativ behandelt worden. Aktuell werde zur Behandlung eine Creme benutzt. Ihr sei wegen der bestehenden Beeinträchtigungen von der (jeweils zuständigen) Krankenkasse eine Haushaltshilfe bewilligt worden. Da die bestehende Behinderung durch die prothetische Versorgung nicht mehr adäquat möglich sei, seien die Kosten für die Versorgung mit einem Rollstuhl von der Krankenkasse übernommen worden. Hierzu hat die Klägerin ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Baden-Württemberg vom 05.03.2014 vorgelegt, in dem Dr. S. die Versorgung mit einem Rollstuhl für nachvollziehbar gehalten hat. Am 18.04. und am 01.07.2014 hat die Klägerin beim LRA weitere Anträge auf Erhöhung des GdB und Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" gestellt.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. November 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23. März 2010 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 14. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010 zu verurteilen, die bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung als 70 festzustellen und festzustellen, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs der außergewöhnlichen Gehbehinderung vorliegen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung seines Antrages auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. T., Hautarzt, hat unter dem 05.07.2013 ausgeführt, die Klägerin habe sich am 27.06.2011 und am 31.03.2012 wegen einer schmerzhaften Stumpfnarbe vorgestellt. Unter einer Lokaltherapie sei eine Abheilung eingetreten. Dr. K., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie hat unter dem 01.11.2013 mitgeteilt, dass wegen eines Weichteilinfekts mit subdermaler Ausbildung eine operative Revision erforderlich gewesen sei. Auch danach sei die Gehfähigkeit im Rahmen der Benutzung der Unterschenkelprothese erheblich eingeschränkt gewesen. Seitens des Kreiskrankenhauses Lindau ist der Bericht der am 03.09.2004 wegen des Verdachts auf einen eingeschmolzenen Abszess durchgeführten Operation vorgelegt worden.
Mit Verfügung vom 18.08.2014 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass weder das LRA im angefochtenen Bescheid vom 23.03.2010 oder im Teil-Abhilfebescheid vom 14.06.2010 noch der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 11.08.2010 über die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" entschieden hätten und insofern keine anfechtbare Verwaltungsentscheidung vorliege, weswegen die Klage diesbezüglich bereits unzulässig gewesen sein sollte. Klägerseits wurde hierzu ausgeführt, der Antrag vom 08.01.2010 sei zwar unvollständig, der Beklagte sei jedoch verpflichtet gewesen, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und auch ohne einen entsprechenden Antrag den Nachteilsausgleich zuzuerkennen.
Mit Schriftsatz vom 20.08.2014 hat der Beklagte, mit solchem vom 11.09.2014
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung wurden, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung, über die der Senat nach dem erteilten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, führt jedoch für die Klägerin nicht zum Erfolg
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat weder Anspruch darauf, dass die bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren GdB als 70 bewertet werden noch ist ihrem Begehren, bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" festzustellen, stattzugeben.
Der Bescheid vom 23.03.2010 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 14.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2010, mit dem der GdB der Klägerin mit 70 festgestellt wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Nach § 48 Abs. 1 Satz Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 01.08.1995 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen - d.h. den Verhältnissen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.09.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).
Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen ist die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen. Damit hat das Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung, die ursprünglich in § 30 Abs. 17 des BVG, mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20.06.2011 (BGBl. I 1114) seit dem 01.07.2011 in § 30 Abs. 16 BVG erteilt ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte - von wenigen Ausnahmen abgesehen - hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
Bei der Klägerin besteht nach den Feststellungen des im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Dr. O. ein Z.n. traumatischer Unterschenkelamputation links mit rezidivierenden Stumpfproblemen und Hautabzedierungen bei Status nach Stumpfkorrektur. Nach Nr. 18.14 (S. 114) der VG ist für den Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke ein Einzel-GdB von 50, bei ungenügender Funktionstüchtigkeit ein solcher von 60 anzusetzen. Dr. O. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass das linke Kniegelenk der Klägerin keiner funktionellen Einschränkung unterliegt. In diesem Sinne hat auch die röntgenologische Untersuchung des Kniegelenks der Klägerin durch den Gutachter lediglich einen leicht vermehrten Sklerosierungsraum und keine wesentlichen knöchernen Ausziehungen des Kniegelenks gezeigt. Das linke Kniegelenk hat bei der Untersuchung auch keinen Erguss und kein Meniskuszeichen aufgewiesen.
Die bei der Klägerin bestehenden rezidivierenden Abszesse des Stumpfes werden nach Auskunft des Dermatologen Dr. T. bei Bedarf medikamentös mittels Cremes bzw. eines Gels behandelt. Unter dieser Lokaltherapie seien, so Dr. T. weiter, die Rezidive abgeheilt. Da Dr. T. überdies nur punktuelle Konsultationen der Klägerin benannt hat und sich überdies im Rahmen der Untersuchung der Klägerin durch Dr. O. keine Druckempfindlichkeit gezeigt hat, ist zur Überzeugung des Senats jedenfalls keine dauerhafte, d.h. eine länger als sechs Monate (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) andauernde ungenügende Funktionstüchtigkeit des Stumpfes anzunehmen. Eine ungenügende Stumpfversorgung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin zwischenzeitlich mit einem Aktiv-Rollstuhl versorgt ist. Insb. aus dem MDK-Gutachten von Dr. S. ergeben sich keine Befunde, die dies belegen. Vielmehr wird dort auf die "Gesamtproblematik" abgestellt und eine Versorgung der Klägerin lediglich für "nachvollziehbar" erachtet. Konkrete abszessbedingte Einschränkungen benennt Dr. S. jedoch nicht. Auch daraus, dass die Krankenkasse für bestimmte Zeiträume die Kosten einer Haushaltshilfe übernommen hat, können keine Rückschlüsse darauf hergeleitet werden, dass eine ungenügende Funktionstüchtigkeit des Stumpfes vorliegt. Mithin ist der Zustand der Klägerin nach einer traumatischen Unterschenkelamputation mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten.
Die Bewertung von Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule bestimmt sich nach Nr. 18.9 (S. 107) der VG in erster Linie aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, selten und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bedingen danach einen GdB von 10. Bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) wird ein GdB von 20 erreicht. Bei Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein GdB von 30 gerechtfertigt. Liegen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, ist ein GdB von 30 bis 40 festzustellen. Bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose - ab ca. 70 Grad nach Cobb -) wird ein GdB von 50-70 festgestellt. Bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ist ein GdB von 80-100 gerechtfertigt. In Anlegung dieser Maßstäbe sind die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend und angemessen berücksichtigt. Die Klägerin leidet nach den gutachterlichen Ausführungen von Dr. O. an einem chronischen Schmerzsyndrom der HWS mit Cervikobrachalgien beidseits bei Bandscheibenvorfall HWK 5/6 und HWK 6/7 und rezidivierenden Lumboischialgien links. Da nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. O. jedenfalls keine stärker beeinträchtigenden neurologischen Ausfallerscheinungen vorliegen und auch die Beweglichkeit bzw. Entfaltbarkeit der Wirbelsäule nicht maßgeblich eingeschränkt ist, gehen die mit der Erkrankung einhergehenden Beeinträchtigungen nicht über einen mittleren Schweregrad hinaus, so dass ein Einzel-GdB von 30 anzusetzen ist.
Die bei der Klägerin ferner bestehende diskrete mediale Gonarthrose bedingt nach den Ausführungen von Dr. O. keine funktionellen Einschränkungen, weswegen keine GdB-pflichtige Beeinträchtigung vorliegt. Dies gilt gleichermaßen für die rechten Sprunggelenke der Klägerin, die nach den Ausführungen von Dr. O. frei beweglich sind. Die mittelschwere Großzehengrundgelenksarthrose führt zwar zu Bewegungseinschränkungen, diese können jedoch nach Nr. 18.14 (S. 114) der VG jedenfalls nicht mit einem höheren GdB als 10 bewertet werden.
In Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 70, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. Nr. 3 [S. 22 f] Teil A der VG). Die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind zur Überzeugung des Senats weder gänzlich voneinander unabhängig, noch wirken sie sich besonders nachteilig aufeinander aus. Die Auswirkungen überschneiden sich vielmehr. Eine Zusammenschau der bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ergibt vielmehr, dass diese mit funktionellen Einschränkungen, die bei der Versteifung beider Kniegelenke auftreten, die einen GdB von 80 begründen, nicht vergleichbar sind.
Die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mithin mit einem GdB von 70 angemessen und ausreichend bewertet. Der Bescheid vom 23.03.2010 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 14.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2010, mit dem der GdB der Klägerin mit 70 festgestellt wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Auch soweit die Klägerin die Feststellung, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" vorliegen, begehrt, führt die Berufung für die Klägerin im Ergebnis nicht zum Erfolg. Die erstinstanzliche Klage war bereits unzulässig, so dass nicht entscheidend ist, ob die Klägerin tatsächlich außergewöhnlich gehbehindert ist.
Eine Klage, mit welcher die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen eines Nachteilsausgleichs betreibt, ist, da die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen eines Nachteilsausgleichs durch die Behörden der Versorgungsverwaltung zu erfolgen hat, eine mit der Anfechtung des Verwaltungsaktes des Beklagten einhergehende Verpflichtungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2000 - B 9 SB 3/99 R - veröffentlicht in juris dort Rn. 10 m.w.N.). Die gerichtliche Geltendmachung setzt voraus, dass zuvor über einen entsprechenden Antrag im Wege eines Verwaltungsaktes nach § 31 SGB X entschieden wurde (vgl. § 78 SGG). Dies ist vorliegend jedoch nicht erfolgt. Weder im angefochtenen Bescheid vom 23.03.2010 noch im Teil-Abhilfebescheid vom 14.06.2010 hat das LRA über die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" entschieden. Auch der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 11.08.2010 keine dahingehende Entscheidung getroffen. Im Bescheid vom 23.03.2010 hat das LRA vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass über einen Antrag bei der Verkehrsbehörde auf Parkerleichterungen für besondere Gruppen Schwerbehinderter in Baden-Württemberg von dort weitere Nachricht erfolgen wird. Mithin liegt keine anfechtbare Behördenentscheidung vor, so dass die dem Grunde nach statthafte Anfechtungs- und Leistungsklage in Ermangelung eines anfechtbaren Verwaltungsaktes unzulässig ist. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 114 Abs. 2 SGG kommt, da bereits kein Ausgangsbescheid vorliegt, nicht in Betracht.
Soweit klägerseits hierzu ausgeführt wird, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und auch ohne einen entsprechenden Antrag den Nachteilsausgleich zuzuerkennen, verkennt dies, dass die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX im Verfahren nach Abs. 1 (§ 69 SGB IX) erfolgt und die dortigen Feststellungen ausdrücklich nur auf einen Antrag des behinderten Menschen hin erfolgen. Eine Verpflichtung, ohne einen Antrag hin zu entscheiden, bestand mithin nicht, so dass eine Verletzung der klägerseits geltend gemachten Entscheidungsverpflichtung nicht im Wege der Auslegung des Klagebegehrens i.S. einer Untätigkeitsklage einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich wird.
Das Begehren, festzustellen, dass in der Person der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" vorliegen, war mithin bereits unzulässig; die Klage war auch insofern abzuweisen.
Der Gerichtsbescheid des SG vom 22.11.2012 ist mithin im Ergebnis nicht zu beanstanden; die Berufung der Klägerin ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) sowie die Feststellung, dass in ihrer Person die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs der außergewöhnlichen Gehbehinderung ("aG") vorliegen.
Bei der am 22.04.1974 geborenen Klägerin wurde nach einem am 23.08.1990 erlittenen Motorradunfall am 28.08.1990 der linke Unterschenkel amputiert. Wegen des Verlustes des linken Unterschenkels wurde erstmals mit Bescheid des Versorgungsamtes Freiburg (VA) vom 01.03.1991 ein GdB von 50 festgestellt. Ferner ist bei der Klägerin seit diesem Zeitpunkt durchgängig festgestellt, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs der erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ("G") vorliegen.
Mit Bescheid vom 01.08.1995 stellte das VA auf einen Verschlimmerungsantrag hin den GdB der Klägerin ab dem 27.03.1995 mit 60 fest. Es berücksichtigte hierbei neben dem Verlust des linken Unterschenkels, entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. A. vom 17.06.1995, die einen Befundbericht von Dr. B., die ein chronisches LWS-Syndrom bei Skoliose, einen thoracolumbalen Übergangswirbel und Vorderkantenbruch L 1 mitgeteilt hatte, auswertete, ein Wirbelsäulenleiden, mit einem Einzel-GdB von 20.
Anträge der Klägerin, einen höheren GdB sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" festzustellen, vom 13.08.2004 und vom 19.09.2006 blieben jeweils erfolglos (ablehnender Bescheid vom 31.05.2005 und vom 29.11.2006 [Widerspruchsbescheid vom 12.04.2007]).
Am 08.01.2010 beantragte die Klägerin beim Landratsamt Breisgau- Hochschwarzwald (LRA) abermals die Feststellung eines höheren GdB. Eine weitergehende Antragstellung im Rahmen des von der Klägerin genutzten förmlichen Antragsformulars, insb. die der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG", erfolgte nicht. Sie führte aus, an Schmerzen in beiden Armen und Schultern sowie dem Hals und an Bewegungseinschränkungen an Kopf, Rücken und Beinen zu leiden.
Das LRA forderte daraufhin bei den behandelnden Ärzten Dr. C., Dr. D. sowie der Klink E. Befundberichte an und führte diese einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dr. F. bewertete unter dem 19.03.2010 einen "Verlust des linken Beins im Unterschenkel" mit einem Einzel-GdB von 50, eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Spinalkanalstenose" mit einem solchen von 30 sowie eine "Funktionsbehinderung beider Kniegelenke" mit einem Einzel-GdB von 10. Den GdB schätzte er unverändert auf 60 ein. Es lägen weder die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" noch die Voraussetzungen von "aG-light" vor.
Gestützt hierauf lehnte das LRA den Antrag der Klägerin auf Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 23.03.2010 ab. Zur Begründung führt es aus, dass es nach Auswertung der vorliegenden Befunde beim festgestellten GdB verbleibe. Der Bescheid enthielt den "Hinweis", dass über einen Antrag bei der Verkehrsbehörde auf Parkerleichterungen für besondere Gruppen Schwerbehinderter in Baden-Württemberg von dort weitere Nachricht erfolgen werde.
Auf einen Widerspruch der Klägerin hin und nach einer abermaligen versorgungsärztlichen Überprüfung (Dr. G. vom 25.05.2010) half das LRA dem Widerspruch teilweise ab und stellte den GdB der Klägerin ab dem 08.01.2010 mit 70 fest (Teil-Abhilfebescheid vom 14.06.2010). Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die mit dem Teil-Abhilfebescheid vorgenommene Erhöhung des GdB von 60 auf 70 gebe das Ausmaß der tatsächlichen Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin wieder.
Hiergegen hat die Klägerin am 18.08.2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, mit der sie die Feststellung eines höheren GdB als 70 beantragt hat. Zur Begründung hat die Klägerin vorgebracht, die Feststellung des GdB mit 70 trage nicht dem vollen Umfang der tatsächlichen Einschränkungen Rechnung. Auch müsse der Nachteilsausgleich "aG" festgestellt werden. Da sie kein Fußgelenk mehr habe, könne sie nur unter erschwerten Bedingungen aus einem Kraftfahrzeug aussteigen.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Er hat vorgebracht, für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" reiche ein erhöhter Platzbedarf beim Aussteigen nicht aus. Seine Einschätzung des GdB der Klägerin werde durch die Aussagen der behandelnden Ärzte und das gerichtliche Sachverständigengutachten bestätigt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. H., Facharzt für Orthopädie, hat unter dem 11.10.2010 mitgeteilt, die Klägerin u.a. wegen Wirbelsäulenerkrankungen behandelt zu haben. Diese seien als mittelgradig zu beschreiben und mit einem GdB von 30 - 40 zu bewerten. Die Fortbewegung der Klägerin erfordere wegen der Unterschenkelamputation zwar eine höhere körperliche Anstrengung als bei einer gesunden Personen, jedoch sei die Gehfähigkeit der Klägerin nicht in einem ungewöhnlich hohen Maße eingeschränkt. Dr. C., Facharzt für Allgemeinmedizin, hat unter dem 19.10.2010 ausgeführt, bei der Klägerin bestünden vorwiegend Beschwerden seitens des Unterschenkelstumpfes. Im Bereich der Amputationsnarbe träten Entzündungen, teilweise mit Abszessen, auf. Eine spezielle Therapie sei im Jahr 2010 deswegen nicht erforderlich geworden. Ferner bestünden bei der Klägerin Wirbelsäulenbeschwerden. Durch die Dres. K., L., M. wurde unter dem 21.10.2010 mitgeteilt, bei der Klägerin bestünde ein chronisches WS-Syndrom, eine Bandscheibenprotrusion L4/5 rechts, eine Spondylarthrose lumbal und ein Zustand nach (Z.n.) traumatischer Unterschenkelamputation links. Der GdB auf orthopädischem Fachgebiet sei mit 70 angemessen bewertet. Dr. N., Facharzt für Neurochirurgie, hat in seiner schriftlichen Aussage vom 14.07.2011 mitgeteilt, dass sich die Klägerin einmalig bei ihm vorgestellt habe. Er habe eine ausgeprägte Osteochondrose der mittleren HWS mit Einengungen des Rückenmarkskanals und erkennbarer Rückenmarksdeformation sowie Schädigungszeichen am Rückenmark diagnostiziert.
Das SG hat sodann Dr. O. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem fachorthopädischen Gutachten vom 23.08.2011 hat Dr. O., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, bei der Klägerin einen Z.n. traumatischer Unterschenkelamputation links mit rezidivierenden Stumpfproblemen und Hautabzedierungen sowie einer Einschränkung der Wegstrecke bei Status nach Stumpfkorrektur, ein chronisches Schmerzsyndrom der HWS mit Cervikobrachalgien beidseits bei Bandscheibenvorfall HWK 5/6 und HWK 6/7 ohne neurologische Ausfallerscheinungen, rezidivierende Lumboischialgien links ohne neurologische Ausfallerscheinungen, eine diskrete mediale Gonarthrose links ohne Funktionseinschränkungen, sowie einen ausgeprägten Spreizfuß, eine mittelschwere Großzehengrundgelenksarthrose rechts mit deutlicher Bewegungseinschränkung des Großenzehengrundgelenks diagnostiziert. Dr. O. hat hierzu ausgeführt, die Röntgenuntersuchung des linken Kniegelenks habe nur einen leicht vermehrten subchondralen Sklerosierungsraum gezeigt. Im Bereich des medialen Tibiaplateaus zeigten sich keine wesentlichen knöchernen Ausziehungen. Von Seiten des Kniegelenks finde sich aktuell kein Erguss und kein Meniskuszeichen. Ein GdB von 50 für den Z.n. traumatischer Unterschenkelamputation sei daher angemessen. Das bei der Klägerin bestehende chronische Schmerzsyndrom strahle in beide Arme aus, die Funktionsfähigkeit der Hände sei jedoch nicht beeinträchtigt. Auch zeigten sich keine neurologischen Ausfallerscheinungen. Im Bereich der Lendenwirbelsäule finde sich ein regredienter Bandscheibenvorfall BWK 11/12 mit linksseitiger Einengung des Neuroformans gleichfalls ohne neurologische Ausfallerscheinungen. Insg. sei die Beeinträchtigung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 zu bewerten. Für die Erkrankung des Kniegelenks sei in Ermangelung einer Funktionsbehinderung kein, für die Erkrankung des Großzehengrundgelenks ein GdB von 10 anzusetzen. Insg. sei der GdB der Klägerin mit 70 angemessen bewertet. Dr. O. hat ferner ausgeführt, bei der Klägerin bestehe zwar eine relevante Einschränkung der Gehstrecke, die Fortbewegung sei jedoch nicht mit den gleichen körperlichen Anstrengungen, die ein Querschnittsgelähmter mit der Fortbewegung habe, vergleichbar.
Die Klägerin ist der Einschätzung von Dr. O. entgegen getreten und hat unter Vorlage eines Operationsberichts vom 28.09.2011 mitgeteilt, sie sei zwischenzeitlich an der Wirbelsäule operiert worden. Das SG hat daraufhin den Facharzt für Neurochirurgie P. schriftlich als sachverständigen Zeugen einvernommen, der in seiner Stellungnahme vom 15.02.2012 ausgeführt hat, bei der Klägerin sei am 26.09.2011 eine ventrale Discektomie in den Segmenten HWK 5/6 und HWK 6/7 mit Implantation eines Bandscheibenersatzes durchgeführt worden. Der GdB sei zutreffend festgestellt worden. Das SG hat ferner Dr. Q., Allgemeinmedizin und Anästhesie, als sachverständigen Zeugen einvernommen. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 08.05.2012 hat Dr. Q. ausgeführt, die HWS- Erkrankung sei mit einem GdB von 80 zu bewerten. Schließlich hat das SG Dr. R. schriftlich als sachverständigen Zeugen einvernommen, der unter dem 21.05.2012 von einer einmaligen Vorstellung der Klägerin am 28.02.2012, anlässlich derer ein psychosomatisches-psychotherapeutisches Gespräch geführt worden sei, berichtet hat.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.11.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. O. die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 70 zu bewerten seien und die Voraussetzungen der Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" nicht vorlägen. Der Verlust des linken Beines im Unterschenkel sei bei der genügenden Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke mit einem Einzel-GdB von 50, die Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem solchen von 30 zu bewerten. Für die Funktionsbehinderung beider Kniegelenke sei, so das SG, ein Einzel-GdB von 10 angemessen. Dr. O. habe unter Auswertung der von ihm erhobenen Befunde auch nachvollziehbar und in sich schlüssig ausgeführt, dass bei der Klägerin keine Erkrankung bestehe, die die Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße einschränke. Für die Anerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" sei es nicht erheblich, ob die Klägerin beim Ein- und Aussteigen aus dem Auto eine weitgeöffnete Wagentür benötige.
Gegen den am 26.11.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22.12.2012 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, dass entgegen der Einschätzung des SG keine dauerhafte Funktionstüchtigkeit des Stumpfes bestehe. So träten häufig nässende Ekzeme im Bereich des Stumpfes auf, durch die das Tragen der Prothese verunmöglicht werde. Sie müsse in diesen Phasen Unterarmgehstützen nutzen, die ein weites Öffnen der Türen des Kraftfahrzeuges erforderlich machten. Sie sei daher auf die Nutzung von Behindertenparkplätzen angewiesen. Dies werde von Dr. Q. bestätigt. Dieser habe ferner ausgeführt, dass die ihr mögliche Wegstrecke auf 100 - 200 m begrenzt sei. Die Abszesse seien mehrfach operativ behandelt worden. Aktuell werde zur Behandlung eine Creme benutzt. Ihr sei wegen der bestehenden Beeinträchtigungen von der (jeweils zuständigen) Krankenkasse eine Haushaltshilfe bewilligt worden. Da die bestehende Behinderung durch die prothetische Versorgung nicht mehr adäquat möglich sei, seien die Kosten für die Versorgung mit einem Rollstuhl von der Krankenkasse übernommen worden. Hierzu hat die Klägerin ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Baden-Württemberg vom 05.03.2014 vorgelegt, in dem Dr. S. die Versorgung mit einem Rollstuhl für nachvollziehbar gehalten hat. Am 18.04. und am 01.07.2014 hat die Klägerin beim LRA weitere Anträge auf Erhöhung des GdB und Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" gestellt.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. November 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23. März 2010 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 14. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010 zu verurteilen, die bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung als 70 festzustellen und festzustellen, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs der außergewöhnlichen Gehbehinderung vorliegen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung seines Antrages auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. T., Hautarzt, hat unter dem 05.07.2013 ausgeführt, die Klägerin habe sich am 27.06.2011 und am 31.03.2012 wegen einer schmerzhaften Stumpfnarbe vorgestellt. Unter einer Lokaltherapie sei eine Abheilung eingetreten. Dr. K., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie hat unter dem 01.11.2013 mitgeteilt, dass wegen eines Weichteilinfekts mit subdermaler Ausbildung eine operative Revision erforderlich gewesen sei. Auch danach sei die Gehfähigkeit im Rahmen der Benutzung der Unterschenkelprothese erheblich eingeschränkt gewesen. Seitens des Kreiskrankenhauses Lindau ist der Bericht der am 03.09.2004 wegen des Verdachts auf einen eingeschmolzenen Abszess durchgeführten Operation vorgelegt worden.
Mit Verfügung vom 18.08.2014 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass weder das LRA im angefochtenen Bescheid vom 23.03.2010 oder im Teil-Abhilfebescheid vom 14.06.2010 noch der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 11.08.2010 über die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" entschieden hätten und insofern keine anfechtbare Verwaltungsentscheidung vorliege, weswegen die Klage diesbezüglich bereits unzulässig gewesen sein sollte. Klägerseits wurde hierzu ausgeführt, der Antrag vom 08.01.2010 sei zwar unvollständig, der Beklagte sei jedoch verpflichtet gewesen, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und auch ohne einen entsprechenden Antrag den Nachteilsausgleich zuzuerkennen.
Mit Schriftsatz vom 20.08.2014 hat der Beklagte, mit solchem vom 11.09.2014
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung wurden, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung, über die der Senat nach dem erteilten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, führt jedoch für die Klägerin nicht zum Erfolg
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat weder Anspruch darauf, dass die bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren GdB als 70 bewertet werden noch ist ihrem Begehren, bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" festzustellen, stattzugeben.
Der Bescheid vom 23.03.2010 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 14.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2010, mit dem der GdB der Klägerin mit 70 festgestellt wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Nach § 48 Abs. 1 Satz Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 01.08.1995 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen - d.h. den Verhältnissen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.09.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).
Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen ist die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen. Damit hat das Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung, die ursprünglich in § 30 Abs. 17 des BVG, mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20.06.2011 (BGBl. I 1114) seit dem 01.07.2011 in § 30 Abs. 16 BVG erteilt ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte - von wenigen Ausnahmen abgesehen - hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
Bei der Klägerin besteht nach den Feststellungen des im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Dr. O. ein Z.n. traumatischer Unterschenkelamputation links mit rezidivierenden Stumpfproblemen und Hautabzedierungen bei Status nach Stumpfkorrektur. Nach Nr. 18.14 (S. 114) der VG ist für den Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke ein Einzel-GdB von 50, bei ungenügender Funktionstüchtigkeit ein solcher von 60 anzusetzen. Dr. O. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass das linke Kniegelenk der Klägerin keiner funktionellen Einschränkung unterliegt. In diesem Sinne hat auch die röntgenologische Untersuchung des Kniegelenks der Klägerin durch den Gutachter lediglich einen leicht vermehrten Sklerosierungsraum und keine wesentlichen knöchernen Ausziehungen des Kniegelenks gezeigt. Das linke Kniegelenk hat bei der Untersuchung auch keinen Erguss und kein Meniskuszeichen aufgewiesen.
Die bei der Klägerin bestehenden rezidivierenden Abszesse des Stumpfes werden nach Auskunft des Dermatologen Dr. T. bei Bedarf medikamentös mittels Cremes bzw. eines Gels behandelt. Unter dieser Lokaltherapie seien, so Dr. T. weiter, die Rezidive abgeheilt. Da Dr. T. überdies nur punktuelle Konsultationen der Klägerin benannt hat und sich überdies im Rahmen der Untersuchung der Klägerin durch Dr. O. keine Druckempfindlichkeit gezeigt hat, ist zur Überzeugung des Senats jedenfalls keine dauerhafte, d.h. eine länger als sechs Monate (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) andauernde ungenügende Funktionstüchtigkeit des Stumpfes anzunehmen. Eine ungenügende Stumpfversorgung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin zwischenzeitlich mit einem Aktiv-Rollstuhl versorgt ist. Insb. aus dem MDK-Gutachten von Dr. S. ergeben sich keine Befunde, die dies belegen. Vielmehr wird dort auf die "Gesamtproblematik" abgestellt und eine Versorgung der Klägerin lediglich für "nachvollziehbar" erachtet. Konkrete abszessbedingte Einschränkungen benennt Dr. S. jedoch nicht. Auch daraus, dass die Krankenkasse für bestimmte Zeiträume die Kosten einer Haushaltshilfe übernommen hat, können keine Rückschlüsse darauf hergeleitet werden, dass eine ungenügende Funktionstüchtigkeit des Stumpfes vorliegt. Mithin ist der Zustand der Klägerin nach einer traumatischen Unterschenkelamputation mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten.
Die Bewertung von Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule bestimmt sich nach Nr. 18.9 (S. 107) der VG in erster Linie aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, selten und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bedingen danach einen GdB von 10. Bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) wird ein GdB von 20 erreicht. Bei Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein GdB von 30 gerechtfertigt. Liegen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, ist ein GdB von 30 bis 40 festzustellen. Bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose - ab ca. 70 Grad nach Cobb -) wird ein GdB von 50-70 festgestellt. Bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ist ein GdB von 80-100 gerechtfertigt. In Anlegung dieser Maßstäbe sind die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend und angemessen berücksichtigt. Die Klägerin leidet nach den gutachterlichen Ausführungen von Dr. O. an einem chronischen Schmerzsyndrom der HWS mit Cervikobrachalgien beidseits bei Bandscheibenvorfall HWK 5/6 und HWK 6/7 und rezidivierenden Lumboischialgien links. Da nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. O. jedenfalls keine stärker beeinträchtigenden neurologischen Ausfallerscheinungen vorliegen und auch die Beweglichkeit bzw. Entfaltbarkeit der Wirbelsäule nicht maßgeblich eingeschränkt ist, gehen die mit der Erkrankung einhergehenden Beeinträchtigungen nicht über einen mittleren Schweregrad hinaus, so dass ein Einzel-GdB von 30 anzusetzen ist.
Die bei der Klägerin ferner bestehende diskrete mediale Gonarthrose bedingt nach den Ausführungen von Dr. O. keine funktionellen Einschränkungen, weswegen keine GdB-pflichtige Beeinträchtigung vorliegt. Dies gilt gleichermaßen für die rechten Sprunggelenke der Klägerin, die nach den Ausführungen von Dr. O. frei beweglich sind. Die mittelschwere Großzehengrundgelenksarthrose führt zwar zu Bewegungseinschränkungen, diese können jedoch nach Nr. 18.14 (S. 114) der VG jedenfalls nicht mit einem höheren GdB als 10 bewertet werden.
In Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 70, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. Nr. 3 [S. 22 f] Teil A der VG). Die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind zur Überzeugung des Senats weder gänzlich voneinander unabhängig, noch wirken sie sich besonders nachteilig aufeinander aus. Die Auswirkungen überschneiden sich vielmehr. Eine Zusammenschau der bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ergibt vielmehr, dass diese mit funktionellen Einschränkungen, die bei der Versteifung beider Kniegelenke auftreten, die einen GdB von 80 begründen, nicht vergleichbar sind.
Die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mithin mit einem GdB von 70 angemessen und ausreichend bewertet. Der Bescheid vom 23.03.2010 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 14.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2010, mit dem der GdB der Klägerin mit 70 festgestellt wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Auch soweit die Klägerin die Feststellung, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" vorliegen, begehrt, führt die Berufung für die Klägerin im Ergebnis nicht zum Erfolg. Die erstinstanzliche Klage war bereits unzulässig, so dass nicht entscheidend ist, ob die Klägerin tatsächlich außergewöhnlich gehbehindert ist.
Eine Klage, mit welcher die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen eines Nachteilsausgleichs betreibt, ist, da die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen eines Nachteilsausgleichs durch die Behörden der Versorgungsverwaltung zu erfolgen hat, eine mit der Anfechtung des Verwaltungsaktes des Beklagten einhergehende Verpflichtungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2000 - B 9 SB 3/99 R - veröffentlicht in juris dort Rn. 10 m.w.N.). Die gerichtliche Geltendmachung setzt voraus, dass zuvor über einen entsprechenden Antrag im Wege eines Verwaltungsaktes nach § 31 SGB X entschieden wurde (vgl. § 78 SGG). Dies ist vorliegend jedoch nicht erfolgt. Weder im angefochtenen Bescheid vom 23.03.2010 noch im Teil-Abhilfebescheid vom 14.06.2010 hat das LRA über die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" entschieden. Auch der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 11.08.2010 keine dahingehende Entscheidung getroffen. Im Bescheid vom 23.03.2010 hat das LRA vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass über einen Antrag bei der Verkehrsbehörde auf Parkerleichterungen für besondere Gruppen Schwerbehinderter in Baden-Württemberg von dort weitere Nachricht erfolgen wird. Mithin liegt keine anfechtbare Behördenentscheidung vor, so dass die dem Grunde nach statthafte Anfechtungs- und Leistungsklage in Ermangelung eines anfechtbaren Verwaltungsaktes unzulässig ist. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 114 Abs. 2 SGG kommt, da bereits kein Ausgangsbescheid vorliegt, nicht in Betracht.
Soweit klägerseits hierzu ausgeführt wird, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und auch ohne einen entsprechenden Antrag den Nachteilsausgleich zuzuerkennen, verkennt dies, dass die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX im Verfahren nach Abs. 1 (§ 69 SGB IX) erfolgt und die dortigen Feststellungen ausdrücklich nur auf einen Antrag des behinderten Menschen hin erfolgen. Eine Verpflichtung, ohne einen Antrag hin zu entscheiden, bestand mithin nicht, so dass eine Verletzung der klägerseits geltend gemachten Entscheidungsverpflichtung nicht im Wege der Auslegung des Klagebegehrens i.S. einer Untätigkeitsklage einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich wird.
Das Begehren, festzustellen, dass in der Person der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" vorliegen, war mithin bereits unzulässig; die Klage war auch insofern abzuweisen.
Der Gerichtsbescheid des SG vom 22.11.2012 ist mithin im Ergebnis nicht zu beanstanden; die Berufung der Klägerin ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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