S 17 R 1532/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 1532/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Angesichts der dargestellten Bedeutung der Betriebsprüfung und angesichts der fortgesetzten Verweigerungshaltung des Antragsgegners erscheint die Anordnung einer Ersatzzwangshaft zwingend geboten, um die dem Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin bestehende Auskunftspflicht durchzusetzen.
1. Auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers wird gegen den Antragsgegner und Vollstreckungsschuldner die Ersatzzwangshaft für die Dauer von sieben Tagen angeordnet. 2. Zur Vollstreckung der Ersatzzwangshaft wird gegen den Antragsgegner und Vollstreckungsschuldner Haftbefehl erlassen. 3. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 4. Der Streitwert wird auf 500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag die Anordnung der Ersatzzwangshaft und den Erlass eines Haftbefehls.

Mit nicht angefochtenem Bescheid vom 21.08.2012 wurde als Termin zur Durchführung einer Betriebsprüfung gem. § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für die Firma des Antragsgegners der 12.09.2012 festgelegt. Die Betriebsprüfung sollte den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2011 umfassen. Dem Antragsgegner wurde aufgegeben, die Durchführung der Betriebsprüfung zu ermöglichen und zu dulden. Für den Fall, dass der Antragsgegner den getroffenen Anordnungen nicht nachkommen sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht. Zudem wurde darauf hingewiesen, bei Uneinbringlichkeit des Zwangsgelds sei die Antragstellerin gezwungen, die Ersatzzwangshaft gemäß § 24 LVwVG zu beantragen.

Nachdem der Antragsgegner die Betriebsprüfung am 12.09.2012 nicht zuließ, setzte die Antragstellerin mit Bescheid vom 16.10.2012, dem Antragsgegner zugestellt am 19.10.2012, ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR fest und drohte nochmals die Ersatzzwangshaft an. Auch dieser Bescheid wurde bindend ohne dass eine Reaktion des Antragsgegners erfolgte.

Am 22.01.2014 hat der Antragsgegner die Vermögensauskunft sowie die eidesstattliche Versicherung abgegeben.

Mit Schreiben vom 02.04.2014 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner nochmals zur Vorlage der prüfungsrelevanten Betriebsunterlagen bzw. zur Zahlung des Zwangsgeldes bis zum 28.04.2014 auf und drohte dabei erneut die Ersatzzwangshaft an.

Mit Schreiben vom 30.04.2014 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Karlsruhe, gegen den Antragsgegner Ersatzzwangshaft anzuordnen.

Der Antragsgegner machte von der mit Gerichtsschreiben vom 06.05.2014 eröffneten Möglichkeit zur Stellungnahme binnen vierwöchiger Frist - trotz Erinnerung mit weiterem Schreiben vom 30.06.2014 mit Stellungnahmefrist bis zum 25.07.2014 - keinen Gebrauch.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet. Dem Antrag auf Anordnung der Ersatzzwangshaft gegen den Antragsgegner war für die aus dem Tenor ersichtliche Dauer zu entsprechen.

Nach § 66 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 24 Landesvollstreckungsgesetz für Baden-Württemberg (LVwVG) kann das nach § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuständige Sozialgericht auf Antrag der Vollstreckungsbehörde (hier der Antragstellerin) nach Anhörung des Pflichtigen (hier der Antragsgegner) durch Beschluss Ersatzzwangshaft anordnen, wenn bei der Androhung des Zwangsgeldes auf die Zulässigkeit der Zwangshaft hingewiesen worden ist (dazu 1.) und das Zwangsgeld uneinbringlich ist (dazu 2.).

1. § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) verpflichtet die Träger der Rentenversicherung zu Prüfungen bei den Arbeitgebern. Im Rahmen solche Betriebsprüfungen kontrollieren die Rentenversicherungsträger, ob die Arbeitgeber ihre Meldepflichten sowie ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. § 28p Abs. 5 Satz 1 SGB IV verpflichtet die Arbeitgeber, angemessene Prüfhilfen zu leisten. Entsprechend ihrer Mitwirkungspflichten nach § 98 Abs. 1 SGB X hat jeder Arbeitgeber bzw. die beauftragte Abrechnungsstelle sämtliche Unterlagen, die Angaben zu den Beschäftigungen enthalten, vorzulegen.

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mit Bescheid vom 21.08.2012 erfolglos zur Ermöglichung und Duldung einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV aufgefordert. Mit dieser Verfügung wurde dem Antragsgegner ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (§ 20 LVwVG), falls er den getroffenen Anordnungen nicht nachkommen sollte. Zugleich wurde er auf die Zulässigkeit der Ersatzzwangshaft im Falle der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes (schriftlich) hingewiesen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 LVwVG), so dass der Warnfunktion damit genügt worden ist.

2. Das Zwangsgeld ist zur Überzeugung der Kammer auch uneinbringlich.

Dies ist der Fall, wenn das Zwangsgeld ordnungsgemäß festgesetzt ist und ein Beitreibungsversuch nicht zum Erfolg geführt hat. Das Gleich gilt, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Pflichtigen offenkundig ist. Auf ein Verschulden des Pflichtigen an der Zahlungsunfähigkeit kommt es nicht an (vgl. Deutsch/Burr, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVG, § 16, Rn. 4).

Der Antragsgegner hat am 22.01.2014 die Vermögensauskunft sowie die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Eine Vollstreckung ist nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses offensichtlich nicht geeignet, zu einer vollständigen Befriedigung der Antragstellerin zu führen.

3. a) Das nach § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB X i.V.m. § 51 SGG für die Anordnung der Ersatzzwangshaft zuständige SG hatte bei dem Antrag nach § 24 LVwVG nicht mehr zu überprüfen, ob der Bescheid vom 21.08.2012 rechtmäßig ergangen ist, da das Verfahren zur Verhängung einer Ersatzzwangshaft nicht zu einer erneuten Nachprüfung des bereits bindend gewordenen Bescheides führt (vgl. zum gleichlautenden Art 33 des Bayer. Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes - VwZVG - BayVGH vom 08.02.1982 in BayVBl 1982, 340, 341).

Jedoch handelt es sich bei der auf Antrag der Antragstellerin zu ergehenden Entscheidung nicht um eine gebundene, sondern um eine Ermessensentscheidung. Bei der Ermessensentscheidung hat das Gericht insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu beachten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Zwangshaft um einen schwerwiegenden Eingriff in die durch Art 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) gewährleistete Freiheit der Person handelt; sie muss das letzte Mittel sein, zu dem der Staat Zuflucht nimmt, um seine rechtmäßigen Anordnungen gegenüber uneinsichtigen Bürgern durchzusetzen. Erst wenn alle anderen weniger einschneidenden Möglichkeiten zur Durchsetzung des Begehrens erfolglos geblieben sind und immer noch ein öffentlich-rechtliches Interesse an dessen Erfüllung besteht, darf eine Zwangshaft angeordnet werden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, B.v. 06.11.2002 - L 8 B 286/02 AL - juris, m.w.N.).

Wenn das Gericht bei einer Ermessensabwägung zu dem Ergebnis gelangt, dass Ersatzzwangshaft anzuordnen ist, ist wiederum nach freiem richterlichen Ermessen über die Dauer der Ersatzzwangshaft zu entscheiden, die gemäß § 24 Abs. 2 LVwVG zwischen 1 Tag und 2 Wochen beträgt.

b) Vorliegend ist die Ersatzzwangshaft nicht bereits wegen des Vorliegens eines milderen Mittels, namentlich der Anwendung von unmittelbarem Zwang, ausgeschlossen (vgl. VG Meinigen, B.v. 24.06.2014 - 1 S 196/14 ME - juris, Rn. 20 m.w.N.). Mit der zugrundeliegenden Verfügung wurde gegenüber dem Antragsgegner eine Anordnung erlassen, bei der es sich um eine höchstpersönliche, auf Handlung und Duldung gerichtete Verpflichtung des Antragsgegners handelt. Unvertretbare Handlungen können nur mit dem Zwangsmittel des Zwangsgeldes gemäß § 23 LVwVG, hilfsweise an dessen Stelle mit der Ersatzzwangshaft, durchgesetzt werden, so dass ein milderes Mittel nicht in Betracht kommt.

Das im § 24 LVwVG dem Sozialgericht eingeräumte Ermessen bezieht sich darauf, ob zur Durchführung des bestehenden Auskunftsanspruches die Verhängung einer Ersatzzwangshaft angezeigt ist. Die erkennende Kammer bejaht dies.

Gegenstand der Prüfung ist insbesondere die von dem Arbeitgeber vorgenommene Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse bezogen auf die Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit und die abgegebenen Meldungen. Zudem werden die vom Arbeitgeber für die Beitragsberechnung vorgenommenen Beurteilungen des Arbeitsentgelts und die vorgenommenen Berechnungen und zeitlichen Zuordnungen der Beiträge geprüft. Weiterer Gegenstand der Prüfung ist, ob der Arbeitgeber seine nach § 28f Abs. 1 SGB IV bestehende Verpflichtung zur Führung von Lohnunterlagen erfüllt. Nach § 28p Abs. 1 Satz 4 SGB IV umfasst die Prüfung auch die Lohnunterlagen für versicherungsfreie Beschäftigte. Hierbei handelt es sich in erster Linie um geringfügig Beschäftigte (Jochim, in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 28p SGB IV, Rn. 37).

Betriebsprüfungen der Arbeitgeber haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung sicherzustellen. Sie sollen einerseits helfen, Beitragsausfälle zu vermeiden, und andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nichtversicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Arbeitgeberprüfungen nicht zu; sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa Entlastung zu erteilen (Jochim, a.a.O., Rn. 70)

Angesichts der dargestellten Bedeutung der Betriebsprüfung und angesichts der fortgesetzten Verweigerungshaltung des Antragsgegners erscheint die Anordnung einer Ersatzzwangshaft zwingend geboten, um die dem Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin bestehende Auskunftspflicht durchzusetzen.

Das Gericht hält die Verhängung einer Ersatzzwangshaft von sieben Tagen, die im mittleren Bereich des gesetzlichen Rahmens des § 25 LVwVG liegt, für angemessen.

4. Gehört – wie im vorliegenden Fall – in einem Rechtszug weder die Antragstellerin noch der Antragsgegner zu den in § 183 SGG genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind entsprechend anzuwenden (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).

Die Kostenbelastung des Antragsgegners beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Demnach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.

Für die Festsetzung des Streitwertes gelten § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Das Gericht erachtet - in Anlehnung an Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (wonach in selbständigen Vollstreckungsverfahren der Streitwert der Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes entspricht) - einen Streitwert in Höhe von 500,00 EUR für angemessen.
Rechtskraft
Aus
Saved