L 5 KR 5316/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2354/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5316/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 05.12.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten einer Mammareduktionsplastik.

Mit Schreiben vom 07.10.2011 beantragte die 1967 geborene Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Mammareduktionsplastik. Sie leide seit Jahren unter Schädigungen der Wirbelsäule und sei mehrfach an der Lendenwirbelsäule und der Hüfte operiert worden. Seit vier Jahren bestünden Muskelverspannungen im Brustwirbelbereich. Durch das Gewicht ihrer Brüste werde die ohnehin desolate Situation ihres Rückens verstärkt. Ihre Brüste hätten an Gewicht und Größe zugenommen über einen Zeitraum von 4 Jahren (von Körbchengröße B auf D). Erst seit die behandelnde Frauenärztin ein Hormonpräparat verschrieben habe, vergrößere sich die Brust nicht mehr. Ihrem Antrag legte sie einen Befundbericht der Leiterin der neurochirurgischen Ambulanz des Universitätsklinikums F. Dr. S. vom 12.01.2011, des behandelnden Facharztes für Plastische und Ästhetische Chirurgie Dr. S. vom 19.09.2011und des behandelnden Facharztes für Orthopädie P. vom 22.09.2011 bei. Nach dem Attest des Chirurgen Dr. S. leide die Klägerin unter einer deutlichen Makromastie. Übergewicht liege nicht vor. Es sei vom Vorliegen einer medizinischen Indikation für eine Reduktionsmammoplastik auszugehen. Der Orthopäde P. führt die orthopädischen Diagnosen HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen, Muskelimbalance, mäßige Spondylarthrose der HWS, mäßige Spondylose der HWS, Z.n. TEP Hüfte 2010 rechts sowie Z.n. Bandscheibenvorfall L5/S 1 12/2002 auf. Weiter nennt er die Diagnose Mammahypertrophie. Er äußert die Auffassung, die geplante Mammareduktion werde zur Beschwerdelinderung beitragen.

Im Auftrag der Beklagten begutachtete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (Frau B.) die Klägerin am 04.11.2011. Nach dem Gutachten besteht bei der Klägerin ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom nach mehrfachen Eingriffen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Das Brustgewicht betrage (nach der Körpergewichtsdifferenzmethode) rechts 1100 Gramm, und links 1200 Gramm. Damit liege aber noch keine Gigantomastie vor; eine leichte Mamma-Hypertrophie sei festzustellen. Die Brust sei als Normvariante der Natur einzuschätzen, es sei keine operative Behandlung erforderlich.

Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.11.2011 die Gewährung der Mammareduktionsplastik ab. Eine Gigantomastie liege nicht vor, nachdem das Brustgewicht unter 1500 g liege. Der Klägerin werde eine multimodale Schmerztherapie empfohlen.

Die Klägerin erhob hiergegen mit Schreiben vom 20.11.2011 (eingegangen am 23.11.2011) Widerspruch. Nicht das Gewicht der Brüste, sondern die Kombination mit den Rückenbeschwerden machten die Reduktionsplastik erforderlich. Dies sei auch dem Bericht des behandelnden Orthopäden P. zu entnehmen. Dieser sei nicht zur Kenntnis genommen worden. Weiter reichte sie Kopien zweier Berichte des Instituts für Diagnostische Radiologie, Dr. K., ein.

Nach nochmaliger Begutachtung der Klägerin durch den MDK (Dipl. med L.) am 13.01.2012 äußerte die Gutachterin im Gutachten vom 17.01.2012, die Untersuchung habe nach der Wiegemethode eine Brustlast rechts von 800 g und eine Brustlast links von 800-900 g ergeben. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdesymptomatik der Klägerin im oberen Wirbelsäulenbereich maßgeblich durch die mittelgradige Mammahypertrophie mitunterhalten werde. Es komme auch allenfalls eine Reduktion der Brustlast um ca. 400 g je Seite in Betracht. Ein Einfluss auf die Schmerzsituation sei entgegen der von der Klägerin geäußerten Hoffnung nicht zu erwarten.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012 zurück. Die Rückenbeschwerden seien durch die Fortführung der bisherigen Schmerztherapie zu behandeln. Eine behandlungsbedürftige Erkrankung der Brüste liege nicht vor.

Am 10.05.2012 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg, mit der sie geltend machte, wegen ihrer unstreitig vorliegenden Beschwerden der Lendenwirbelsäule sei ihr eine Rente wegen Erwerbsminderung gewährt worden. Sie habe, um der weiteren Zunahme der Beschwerden entgegenzuwirken, am 10.04.2012 die beantragte und abgelehnte Operation vornehmen lassen. Sie verspüre eine Erleichterung im oberen Rückenbereich; die Verspannungen im Halswirbelsäulenbereich hätten ebenfalls abgenommen.

Das Sozialgericht Freiburg hörte die Leiterin der Neurochirurgischen Ambulanz des Universitätsklinikums F. Dr. S. als sachverständige Zeugin und befragte sie insbesondere dazu, ob ihre Auffassung von der im Gutachten des MDK, Dipl. med. L., geäußerten Auffassung abweiche. Hierzu führte Dr. S. unter dem 21.06.2012 aus, dass ihre Einschätzungen nicht vom Gutachten des MDK abweiche bezüglich der Befunde und Schlussfolgerungen. Das chronische Schmerzsyndrom solle mit einer multimodalen Rückenschmerztherapie behandelt werden. Der Orthopäde P. führte in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 17.09.2012 aus, dass die Klägerin einmalig in seiner Sprechstunde am 22.09.2011 gewesen sei. Die von ihm erhobenen Befunde und Schlussfolgerungen wichen nicht von denjenigen des MDK ab.

Das Sozialgericht Freiburg wies mit Gerichtsbescheid vom 05.12.2012 die Klage ab. Ein Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung bestehe nicht. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V habe die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für eine selbst verschaffte Leistung Kosten entstanden sind, die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung bestehe, wenn dies notwendig sei, um eine Verschlimmerung einer zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu vermindern. Eine Krankheit liege bezüglich der Brüste der Klägerin nicht vor. Im Zusammenhang mit den Wirbelsäulenbeschwerden bestehe eine Krankheit, nämlich ein chronisches Schmerzsyndrom. Einen behandlungsbedürftigen Zustand der Brüste bestätigten aber auch die behandelnden Ärzte der Klägerin nicht, die gehört worden seien. Die sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte widersprächen der Beurteilung des MDK nicht. Vielmehr belegten auch sie nicht, dass zur Behandlung der Rückenbeschwerden die Mammareduktionsplastik geeignet sei.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 07.12.2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 13.12.2012 beim Sozialgericht Freiburg Berufung eingelegt.

Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass die Mammareduktionsplastik zur Linderung ihrer orthopädischen Beschwerden beigetragen habe und daher medizinisch notwendig gewesen sei. Sie legte die Rechnung der Praxisklinik im S., Dr. S., Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie über 3.017,92 EUR, die Rechnung über die histologische Untersuchung und Begutachtung des Materials vom 03.05.2012 über 120,93 EUR sowie die Rechnung des Anästhesisten der Praxisklinik im S., Zentrum für ambulante Diagnostik und Chirurgie über 860,63 EUR vor.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 05.12.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Mammareduktionsplastik in Höhe von insgesamt 3.999,48 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Insbesondere sei eine Auswirkung der Reduktion des Brustgewichts auf die Belastung der Wirbelsäule medizinisch nicht belegt.

Am 25.10.2013 fand ein nichtöffentlicher Erörterungstermin statt. Die Klägerin führte aus, dass sie, nachdem sie ihr Brustwachstum festgestellt habe, was 2007 gewesen sein müsse, mit einer Hormontherapie angefangen habe, die auch heute noch fortgesetzt werde. Wegen der Schulter- und Nackenprobleme sei sie in physiotherapeutischer Behandlung gewesen. In ärztlicher Behandlung sei sie deswegen nicht gewesen. Zur einmaligen Untersuchung sei sie beim Orthopäden P. und im Schmerzzentrum des Uniklinikums F. am 30.12.2011 gewesen. Die ihr dort empfohlene multimodale Schmerztherapie habe sie bislang nicht durchgeführt. Als Grund hierfür gab sie in einer späteren schriftlichen Stellungnahme an, dass sie kein Vertrauen mehr zur Uniklinik F. habe.

Der Senat hat die bis 2011 behandelnde Frauenärztin Dr. G. dazu befragt, ob die Klägerin seit 2007 bei ihr wegen einer Brustvergrößerung in Behandlung gewesen sei, ob es sich insoweit um eine krankhafte Vergrößerung gehandelt habe und ob aus gynäkologischen Gründen ein chirurgischer Eingriff im Sinne einer Brustverkleinerung notwendig gewesen sei. Mit Schreiben vom 28.11.2013 führte die behandelnde Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. G. aus, dass bezüglich des letzten Untersuchungstermins vom 08.04.2011 schriftlich dokumentiert sei, dass es nach dem subjektiven Eindruck der Patientin seit einem halben Jahr zu einer Brustumfangszunahme gekommen sei, wodurch diese sich belastet gefühlt habe. Nach dem subjektiven Eindruck der behandelnden Ärztin, den sie der Klägerin mitgeteilt habe, passte die Brust zum Gesamtkörperbild. Es habe nur die Äußerung des Eindrucks einer Brustvergrößerung festgestellt werden können.

Die weitere befragte behandelnde Ärztin Dr. K. führte am 14.03.2014 aus, dass sich die Klägerin dort seit 2011 in Behandlung befinde und gab an, dass sie die Klägerin mit Progesteron behandelt habe, um das - plausibel behauptete - Brustwachstum, das vor dem Beginn der Behandlung bei ihr stattgefunden habe, zu stoppen und Schmerzen in den Brüsten zu lindern. Eine Verringerung der Brustgröße lasse sich damit aber nicht erreichen. In Kombination mit dem Bandscheibenleiden könne man nicht die allgemeinen Maßstäbe wie bei rückengesunden Patientinnen bezüglich des Gewichts des zu entfernenden Brustgewebes heranziehen. Vielmehr sei die Klägerin bereits durch ein geringeres Gewicht wesentlich stärker belastet gewesen. Aus ihrer Sicht hätte eine Operationsindikation vorgelegen.

Der MDK (Dr. R.) hat am 02.05.2014 hierzu Stellung genommen und unter anderem ausgeführt, dass der OP-Bericht des Dr. S. vom 10.04.2012 (Bl.54 SG-Akte) belege, dass es weniger auf eine Verkleinerung als auf eine Straffung und Formkorrektur angekommen sei. Die Art der Operation, "kutane Reduktionsmammoplastik mit zentrocarnialem Stil und innerem BH Re 360, li 380g" spreche dafür. Die entnommenen Gewebe rechts wögen laut pathologisch-anatomischem Bericht des Dr. V. (Bl.55 SG-Akte) 195 g, die entnommenen Gewebestücke links zusammen 212 g. Der MDK habe im Januar 2012 gegenüber November 2011 eine deutlich rückläufige Brustlast gewogen. Im April 2012 sei der Eingriff durchgeführt worden, vor dem eine hängende Brustform (Mammaptose) durch Dr. S. diagnostiziert worden sei. Dies spreche dafür, dass die Brust sich verändert habe. Ein positiver Einfluss der Brustverkleinerung und -straffung auf die insbesondere im LWS-Bereich bestehende Vorschädigung, die klar dokumentiert sei, sei nicht erkennbar. Die Beschwerden im BWS-, HWS- und Nackenbereich seien dagegen nicht fachärztlich behandelt und ein biomechanischer Zusammenhang zwischen dem Brustgewicht und der Halswirbelsäule und der Nackenmuskulatur bestehe nicht.

Die Klägerin trat dem entgegen. Sie habe sich wegen des großen Leidensdrucks trotz der negativen Operationserfahrungen auf den Eingriff eingelassen. Hätte sich das Brustgewicht - wie Dr. R. zu Unrecht spekuliere - vermindert, hätte sie diese nicht durchführen lassen. Sie habe auch kein Problem mit dem Aussehen ihrer Brust gehabt, sondern gerade mit der biomechanisch-funktionellen Beeinträchtigung der Wirbelsäule. Von ihrem behandelnden Operateur Dr. S. überlassene englischsprachige Artikel bestätigten positive Auswirkungen der Mammareduktionsplastik auf Rückenbeschwerden (Bl. 78-83 d.A.).

Der MDK (Dr. F.) hat sich zu den übersetzten Artikeln im sozialmedizinischen Gutachten vom 28.08.2014 ausführlich geäußert (Bl. 88-98). Die Veröffentlichungen seien wissenschaftlich-methodisch nicht einwandfrei und stammten von plastischen Chirurgen, die ein Eigeninteresse an einem bestimmten Ergebnis hätten. Die Datenbasis sei teilweise sehr gering. Die Artikel belegten lediglich, dass befragte Frauen, die eine Brustverkleinerung wünschten und sie durchführen ließen, subjektiv danach oft eine Besserung von Rückenbeschwerden angeben. Dies könne eine Reihe von Ursachen haben. Als Goldstandard einer Studie wäre eine prospektive biomathematisch begründete Planung, eine zufällige Verteilung der Probandinnen auf verschiedene zu vergleichende Gruppen, eine Verblindung der Probanden und Auswerter sowie eine systematische Ausschaltung von Ergebnisverzerrungen zu fordern. Realistisch durchführbar sei eine solche Studie aber nicht, weil die Tatsache, ob eine Brustverkleinerung vorgenommen worden sei, schlechterdings nicht vor der Probandin zu verbergen sei. Auch ein Wirksamkeitsnachweis, dass Beschwerden des Bewegungsapparates gelindert würden, sei kaum methodisch einwandfrei zu führen. Der Gemeinsame Bundesausschuss sei mit der Beratung dieses Themas bislang nicht befasst worden. In der Praxis des MDK würden lediglich Brustgrößen in der Größe von 1.500 Gramm pro Seite (Gigantomastie) als krankheitswertig eingestuft. Hiervon sei die Klägerin weit entfernt (gewesen). Letztlich seien auch nur ca. 200 g pro Seite entfernt worden.

Die Akte des Sozialgerichts Freiburg und die Akte der Beklagten haben vorgelegen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird hierauf sowie auf die Akte des Berufungsverfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die erforderliche Berufungssumme durch die geltend gemachte Erstattungsforderung überschritten wird. Begehrt ein Versicherter zunächst Versorgung mit einer Naturalleistung im Rahmen der Krankenbehandlung, beschafft er sich nach Ablehnung durch seine Krankenkasse die gewünschte Leistung sodann selbst auf eigene Kosten und macht er nunmehr klageweise die konkreten Kosten der Selbstbeschaffung der Leistung geltend, so fehlt der hierauf gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) auch nicht das für ihre Zulässigkeit erforderliche vorangegangene Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren (BSG, Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 19/07 R - juris).

Die Berufung ist aber unbegründet. Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der durch die Brustverkleinerung entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 3.999,48 EUR.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach hat die Beklagte der Klägerin die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die erste Alternative - unaufschiebbare Leistung - scheidet wegen Fehlens einer dringenden Behandlungsnotwendigkeit aus. Daher kommt als Rechtsgrundlage allein § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V in Betracht. Diese Rechtsnorm bestimmt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Ein Anspruch auf Kostenerstattung ist demnach nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Bestehen eines Primärleistungsanspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die Krankenkasse, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V kann nur dann Krankenbehandlung verlangt werden, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Die Klägerin hatte keinen Naturalleistungsanspruch auf die Brustverkleinerungsoperation, weil die Makromastie bzw. die leichte Asymmetrie der Brüste keine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist und die Brustoperation zur Behandlung einer anderen körperlichen oder einer psychischen Erkrankung nicht notwendig gewesen ist (vgl. zur Brustverkleinerungsoperation etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2008, L 5 KR 2638/07, juris).

Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr. BSG, Urt. v. 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R- BSGE 100, 119).

Bei der Klägerin bestand nach den im Verwaltungsverfahren eingeholten Feststellungen der Gutachten des MDK, die in Auswertung der Befundberichte der behandelnden Ärzte und einer Untersuchung der Klägerin ergangen sind, keine derartige äußerliche Entstellung. Auch eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Brust lag nicht vor. Es handelte es sich bei der Brust der Klägerin, um eine "Normvariante der Natur" und es lag damit kein regelwidriger Körperzustand der Brust vor. Dies behauptet auch die Klägerin im sozialgerichtlichen Verfahren nicht. Vielmehr teilte auch sie sogar gegenüber dem Landessozialgericht ausdrücklich mit, dass sie die Größe und Form ihrer Brüste nicht habe verändern wollen, sondern dass sie die Operation ausschließlich wegen des großen Leidensdrucks der Rückenbeschwerden habe vornehmen lassen.

Eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V liegt unstreitig hinsichtlich der chronifizierten Rückenbeschwerden der Klägerin im Bereich der LWS vor. Die Klägerin hat sich deswegen einer Reihe von Operationen (Bandscheibenvorfall L5/S1 2002, dynamische interne Fixierung L3 bis S1 2004, operative Versorgung einer Fistel, Entlastungsoperation Nervenwurzel L5 links, Verödung der Nervenfasern) unterziehen müssen. Die orthopädischen Diagnosen sind gesichert und führen zu erheblichen - ebenfalls gesicherten - Beeinträchtigungen der Klägerin.

Dieses Krankheitsbild erforderte aber keine Krankenbehandlung in Gestalt einer Mammareduktionsplastik. Solange der Nutzen einer Brustverkleinerung zur Behandlung von Wirbelsäulenbeschwerden nicht nachweisbar ist, besteht hierfür keine Leistungspflicht der Krankenkasse (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.01.2013 – L 16 KR 226/11 –, juris).

Diese Operation war nicht notwendig, um die Rückenbeschwerden zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die von der Klägerin geforderte Krankenbehandlung setzt nicht bei der erkranken Wirbelsäule an, sondern soll mittelbar bei den gesunden Brüsten erfolgen. Eine solche mittelbare Therapie ist zwar nicht grundsätzlich aus dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen (vgl. BSG, Urt. v. 06.10.1999 – B 1 KR 13/97 R –, BSGE 85, 56; BSG, Urt. v. 19.02.2003 – B 1 KR 1/02 R –, BSGE 90, 289), neben den allgemeinen Voraussetzungen (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V), nämlich dass die Maßnahme ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht, sind bei einem Eingriff in ein funktionell intaktes Organ nach der Rechtsprechung des BSG strenge Anforderungen zu stellen. Ein Eingriff an einem gesunden Organ bedarf einer besonderen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BSG, Urt. v. 19.02.2003 – B 1 KR 1/02 R –, BSGE 90, 289 zu Magenband).

Hier lässt sich bereits die Wirksamkeit bzw. der therapeutische Nutzen der von der Klägerin gewünschten Maßnahme nicht feststellen. Eine Anerkennung der Mammareduktionsplastik als Behandlungsmethode zur Linderung von Rückenbeschwerden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss liegt nicht vor und ist auch nicht beantragt. Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin vorgebracht hat, es sei eine Besserung der Verspannung im Nacken bzw. Brustwirbelsäulenbereich eingetreten nach der Brustoperation. Es besteht aber kein Beleg eines objektiven Zusammenhangs. Es liegt auch weder ein Nachweis dafür vor, dass die Rückenbeschwerden im Brustgewicht ihre Ursache hatten oder verschlimmert wurden, noch dass die Verminderung des Brustgewichts zu einer Besserung der orthopädischen Beschwerden beigetragen haben soll. Der Senat verkennt auch nicht, dass die Klägerin Berichte über Studien vorgelegt hat, die einen Zusammenhang zwischen einer Mammareduktionsplastik und der Reduktion von Rückenbeschwerden herleiten wollen. Zurecht weist aber die ausführliche Stellungnahme des MDK darauf hin, dass ein verlässlicher wissenschaftlicher Beleg des Nutzens sich hieraus nicht schlüssig herleiten lässt. Eine Anerkennung der Behandlungmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss liegt gerade nicht vor. Angesichts des Gesamtgewichts des Oberkörpers ist auch schwer nachvollziehbar, dass eine Verminderung des Gesamtgewichts der Brüste um nur jeweils ca. 200 g insgesamt aus funktionellen und mechanischen Gründen die Wirbelsäule so bedeutend entlastet, dass daraus eine Linderung von Schmerzen herrührt.

Selbst wenn ein Nutzen der Mammareduktionsplastik nachweisbar wäre, könnte die Brustoperation auch erst dann als notwendig angesehen werden, wenn alle konservativen Methoden zur Beseitigung der chronischen orthopädischen Beschwerden erschöpft sind (vgl. etwa LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 24.05.2012 - L 1 KR 85/10 - juris). Die Klägerin hat die konservativen Behandlungsmethoden vorliegend nicht erschöpft. Bezüglich der Verspannungen im Nacken bzw. Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule hat die Klägerin eine kontinuierliche (fach)ärztliche Behandlung bereits nicht in Anspruch genommen. Zur Behandlung insbesondere der gravierenden Beschwerden im LWS-Bereich hatte die Leiterin der Neurochirurgischen Ambulanz der Uniklinik F. als das Mittel der Wahl im Einklang mit dem MDK eine multimodale Schmerztherapie empfohlen. Die Klägerin hat eine solche Therapie nicht durchgeführt. Damit verantwortet sie es aber selbst, dass sie eine vorrangige, als aussichtsreich eingeschätzte konservative Behandlungsmethode ausschlägt.

Dass die Operation zur Verminderung einer psychischen Belastung erfolgt wäre, trägt die Klägerin gerade nicht vor. Die psychische Belastung der Klägerin rechtfertigte aber auch keinen operativen Eingriff auf Kosten der GKV. Selbst wenn ein Versicherter hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie beanspruchen, nicht aber Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der GKV (BSG, Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 19/07 R –, BSGE 100, 119).

Die Berufung der Klägerin war deswegen zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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