S 9 R 4059/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 R 4059/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Auf ein nicht angenommenes Anerkenntnis hat auch im sozialgerichtlichen Verfahren ein Anerkenntnisurteil zu ergehen. Für den Gerichtsbescheid gelten gemäß § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG die Vorschriften über Urteile entsprechend, sodass unter den Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ein Anerkenntnis-Gerichtsbescheid ergehen kann.

Des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe bedarf es bei einem Anerkenntnis-Gerichtsbescheid nicht.

Räumt die Beklagte ohne Vorbehalte ein, dass der Klageanspruch begründet ist, so ist darin ein Anerkenntnis auch dann zu sehen, wenn die Beklagte den Kläger zugleich auf weitere Gestaltungsmöglichkeiten hinweist.

Es entspricht sachgemäßem Ermessen, die Beklagte nicht nach § 193 SGG mit den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu belasten, wenn der Anspruch des Klägers auf einen früheren Beginn der Regelaltersrente auf eine während des Klageverfahrens eingetretene Gesetzesänderung zurückzuführen ist (hier: durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto vom 15. Juli 2014 – BGBl. I S. 952) und die Beklagte auf diese Gesetzesänderung unverzüglich reagiert, indem sie noch vor Inkrafttreten der Neuregelung ein entsprechendes Anerkenntnis abgibt.
Bemerkung
Berufung anhängig unter dem Aktenzeichen L 33 R 015/14
Der Bescheid der Beklagten vom 2. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. August 2012 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger vom 1. Juli 1997 an Regelaltersrente zu gewähren. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg. Die Beklagte war nach dem über § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ihrem Anerkenntnis entsprechend – ohne weitere Sachprüfung – zu verurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 13 R 16/09 R – SozR 4-1300 § 48 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. Februar 2012 – B 13 R 85/09 R – SozR 4-1200 § 52 Nr. 5).

Das Anerkenntnis der Beklagten ist in dem Schriftsatz vom 21. Juli 2014 und dem diesem Schriftsatz beigefügten Schreiben vom selben Tag enthalten. Die Beklagte hat darin ohne Vorbehalte eingeräumt, dass der Klageanspruch begründet ist. Unschädlich ist, dass die Beklagte den Kläger zugleich auf eine weitere Gestaltungsmöglichkeit, nämlich die Weiterzahlung der Rente in bisheriger Höhe, hingewiesen hat. Durch diesen Hinweis hat die Beklagte nicht in Frage gestellt, dass sie das auf einen früheren Beginn der Rente gerichtete Klagebegehren für berechtigt hält. Aus dem in dem Schreiben der Beklagten enthaltenen Zusatz ("Sollten wir innerhalb von drei Monaten keine Rückmeldung von Ihnen erhalten, gehen wir davon aus, dass Sie keine Neufeststellung Ihrer Rente nach dem ZRBG wünschen.") folgt nichts anderes. Der Kläger hat mit der Erhebung der Klage, die er in der Folgezeit auch nicht geändert bzw. zurückgenommen hat, bereits zu erkennen gegeben, dass es ihm um die Gewährung einer Rente ab dem 1. Juli 1997 geht; er hat dadurch sein "Wahlrecht" bereits ausgeübt.

Auf ein nicht angenommenes Anerkenntnis hat auch im sozialgerichtlichen Verfahren ein Anerkenntnisurteil zu ergehen (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 13 R 16/09 R – SozR 4-1300 § 48 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. Februar 2012 – B 13 R 85/09 R – SozR 4-1200 § 52 Nr. 5). Für den Gerichtsbescheid gelten gemäß § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG die Vorschriften über Urteile entsprechend, sodass im vorliegenden Fall ein Anerkenntnis-Gerichtsbescheid zu erlassen war.

Des Tatbestandes und der (weiteren) Entscheidungsgründe bedarf es gemäß § 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO, der im sozialgerichtlichen Verfahren über § 202 SGG ebenfalls entsprechende Anwendung findet (Hauck, in: Henning, SGG, § 101 Rn. 59), nicht. Allerdings hält es das Gericht für angezeigt, die Kostenentscheidung zu erläutern, da diese nicht dem Ausgang der Hauptsache folgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG i. V. m. § 193 SGG. Es entspricht sachgemäßem Ermessen, die Beklagte nicht mit den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu belasten. Der Anspruch des Klägers auf einen früheren Beginn der Regelaltersrente ist auf eine während des Klageverfahrens eingetretene Gesetzesänderung zurückzuführen. § 3 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) wurde durch das Erste Gesetz zur Änderung des ZRBG vom 15. Juli 2014 (BGBl. I S. 952) mit Wirkung zum 1. August 2014 wie folgt neu gefasst (soweit hier relevant): "(1) Ein Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gilt als am 18. Juni 1997 gestellt. (5) Wurde eine Rente nach diesem Gesetz in der Fassung bis zum 31. Juli 2014 wegen verspäteter Antragstellung nicht vom frühestmöglichen Rentenbeginn an bewilligt, so wird die Rente auf Antrag vom frühestmöglichen Rentenbeginn an neu festgestellt." Die Beklagte hat auf diese Gesetzesänderung unverzüglich reagiert, indem sie noch vor Inkrafttreten der Neuregelung ein entsprechendes Anerkenntnis abgegeben hat. Hierin ist eine dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO entsprechende, einem "sofortigen Anerkenntnis" vergleichbare Situation zu sehen, welche es ausnahmsweise rechtfertigt, die Beklagte abweichend vom Erfolgsprinzip frei von Kosten aus dem Rechtsstreit zu entlassen.

Ohne die zuvor erwähnte Gesetzesänderung hätte ein Anspruch auf einen früheren Rentenbeginn nicht bestanden. Ausgehend von einem am 30. August 2011 bei ihr eingegangenen Rentenantrag hatte die Beklagte dem Kläger eine Rente zu Recht erst vom 1. August 2011 an gewährt (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI). Ein früherer Rentenbeginn ließ sich auch nicht daraus herleiten, dass der Kläger bereits am 15. August 1993 bei der US-amerikanischen Rentenversicherung, der Social Security Administration (SSA), einen Antrag auf Rente gestellt hatte. Dieser Antrag gilt nicht als Antrag auf Gewährung von Rentenleistungen nach den deutschen Rechtsvorschriften. Das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika am 7. Januar 1976 (BGBl. II 1976, S. 1358) geschlossene Abkommen über soziale Sicherheit (DASVA) in der Fassung des Zusatzabkommens vom 2. Oktober 1986 (BGBl. II 1988, S. 83) und des Zweiten Zusatzabkommens vom 6. März 1995 (BGBl. II 1996, S. 302) sieht zwar in Art. 14 Abs. 1 vor, dass schriftliche Anträge, die der zuständigen Behörde oder einem Träger des einen Vertragsstaates vorgelegt werden, dieselbe Wirkung haben wie bei Vorlage bei der zuständigen Behörde oder dem Träger des anderen Vertragsstaates. Art. 7 Abs. 1 der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens vom 7. Januar 1976 über soziale Sicherheit (DV-DASVA) vom 21. Juni 1978 (BGBl. II 1979, S. 567) in der Fassung der Zusatzvereinbarung vom 2. Oktober 1986 (BGBl. II 1988, S. 86) und der Zweiten Zusatzvereinbarung vom 6. März 1995 (BGBl. II 1996, S. 306) regelt aber hierzu einschränkend, dass bei einem Antrag auf Geldleistungen der Antrag erkennen lassen muss, dass auch Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates geltend gemacht werden. Nur wenn dies der Fall ist, gilt der Antrag zugleich auch als Antrag auf Geldleistungen nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger in seinem Antrag vom 15. August 1993 beim US-amerikanischen Rentenversicherungsträger nicht zu erkennen gegeben, dass er auch Versicherungszeiten nach deutschen Rechtsvorschriften geltend machen wollte. Dies geht hervor aus der Auskunft der Federal Benefits Unit (FBU), die die Beklagte im Verwaltungsverfahren eingeholt hat. Die FBU hat darin angegeben, dass der Kläger in seinem Rentenantrag keine deutschen Zeiten geltend gemacht und dass er den Antrag auf US-amerikanische Leistungen beschränkt habe. Anlass, an der Richtigkeit dieser Auskunft zu zweifeln, besteht nicht. Die beim Amerikanischen Generalkonsulat in Frankfurt a. M. angesiedelte FBU nimmt die Aufgaben der SSA in Deutschland wahr. Sie hat Zugriff auf die Daten der SSA und fungiert im Auftrag der SSA als Verbindungsstelle zu den Trägern der deutschen Rentenversicherung.
Rechtskraft
Aus
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