L 3 U 114/14 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 7 U 63/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 114/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 07. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin erstattet der Antragstellerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der diese geltend macht, dass Sozialgericht (SG) Cottbus habe im Beschluss vom 07. Juli 2014 zu Unrecht die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin vom 11. Februar 2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2014 festgestellt, ist unbegründet.

Das SG hat mit seinem Beschluss zu Recht die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgestellt.

Mit dem im Hauptsacheverfahren vor dem SG Cottbus (S 7 U 10/14) angefochtenen Bescheid vom 09. Juli 2013 hatte die Antragsgegnerin angeordnet, dass die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung des Unfalls vom 12. Juni 2009 der Antragstellerin ausschließlich durch den ständigen Durchgangsarztvertreter im Krankenhaus D Kliniken B, Herrn Dr. M, erbracht werden solle und dass nur noch Heilbehandlungskosten übernommen würden, die durch Dr. M als Vertreter des Durchgangsarztes Dr. R erbracht würden. Gleichzeitig hat die Antragsgegnerin die Behandlung der Unfallfolgen durch Dr. S abgelehnt und ausgeführt, dass entsprechende Rechnungen von Dr. S nicht erstattet würden.

Gegen den die Antragstellerin belastenden Verwaltungsakt hatte diese Widerspruch eingelegt und nach dessen Zurückweisung durch Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2014 fristgerecht Klage erhoben.

Ihr Rechtsschutzziel, dass die im Bescheid vom 09. Juli 2013 getroffene Regelung jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht durch die Beklagte vollzogen werden solle, hatte die Antragstellerin an und für sich bereits dadurch erreicht, dass sie fristgerecht Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt und Klage vor dem Sozialgericht erhoben hat. Widerspruch und Anfechtungsklage entfalten gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt allein in den in § 86a Abs. 2 SGG genannten Fällen, die vorliegend nicht gegeben sind. Weder handelt es sich um eine Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- oder Umlagepflichten etc. (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG) oder um Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts, der Bundesagentur für Arbeit oder der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen (§ 86a Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGG), noch entfällt die aufschiebende Wirkung aufgrund spezialgesetzlicher Regelung (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Zudem hat die Antragsgegnerin auch nicht die sofortige Vollziehung der Aufhebungsentscheidung angeordnet (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG).

Die Antragstellerin hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Antragsgegnerin zu erkennen gegeben hat, dass sie die kraft Gesetzes geltende aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage der Antragstellerin nicht anerkennen werde bzw. für nicht gegeben erachte. In einem derartigen Fall, in dem zwischen den Beteiligten streitig ist, ob eine aufschiebende Wirkung eingetreten ist, ist in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 SGG durch deklaratorischen Beschluss festzustellen, dass der Widerspruch und/oder die Klage aufschiebende Wirkung haben (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rn. 15 m. w. N.; vgl. auch Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 11. Mai 1993 - 12 RK 82/92 -, in Juris).

Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ist auch begründet. Das Gesetz sieht keine weiteren Voraussetzungen, wie etwa eine Erfolgsaussicht in der Hauptsache, vor, die dementsprechend bei der klarstellenden Entscheidung über das Bestehen der aufschiebenden Wirkung grundsätzlich auch nicht geprüft wird.

Die aufschiebende Wirkung der Klage scheidet auch nicht deshalb aus, weil die Antragstellerin, wie die Antragsgegnerin vorträgt, tatsächlich Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 09. Juli 2013 erhoben hätte. Die Antragstellerin trägt zwar Gründe vor, die den angefochtenen Verwaltungsakt ihrer Auffassung nach als nichtig erscheinen lassen, sie macht aber auch Gründe, die für eine Rechtswidrigkeit sprechen könnten, geltend, und sie hat den Verwaltungsakt durch Widerspruch angefochten und nach Erteilung des zurückweisenden Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2014 gegen diese Bescheide Klage erhoben. Eine Beurteilung der Frage, ob ein Bescheid nichtig, anfechtbar oder rechtmäßig ist, bedarf näherer Prüfung, die das Gericht erst bei einer Entscheidung in der Hauptsache vorzunehmen hat. Nur ergänzend ist anzumerken, dass Versicherte in derartigen Fällen entweder Verpflichtungsklage, aber auch Anfechtungsklage oder Klage auf Feststellung der Nichtigkeit erheben können, wobei die Klage auf Aufhebung des Verwaltungsaktes und Feststellung der Nichtigkeit zwar nicht nebeneinander, wohl aber in Form eines Haupt-und Hilfsantrages möglich sind (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 55 Rn. 14 f.). Das SG hat insoweit zu Recht ausgeführt, dass jedenfalls bei anwaltlich nicht vertretenen Klägern – wie hier - durch Auslegung zu ermitteln ist, was tatsächlich das gewollte Klageziel sei, wobei im Zweifel anzunehmen sei, dass diejenige Klageart gewählt werde, mit der das betreffende Rechtsschutzziel am einfachsten und sichersten erreicht werden könne. Der Senat hat ebenfalls keine Bedenken, das Klagebegehren der Antragstellerin als auf die Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 09. Juli 2014 gerichtet anzusehen (§ 123 SGG), und nimmt daher auf die Ausführungen des SG hierzu in dem angefochtenen Beschluss vom 07. Juli 2014 ausdrücklich Bezug (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Soweit die Antragstellerin auf die Folgen der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Durchgangsarztzuweisung bzw. das dem folgende Verhalten der Antragsgegnerin, die u. a. die Kostenübernahme für eine von Prof. Dr. H verordnete Orthese abgelehnt hatte, hinweist, ist darin noch keine Leistungsklage auf Erstattung konkreter Heilbehandlungskosten zu erblicken. Zumal die Antragstellerin wiederholt klargestellt hat, dass es ihr lediglich um die Rechtswidrigkeit der Zuweisung eines bestimmten Durchgangsarztes im Bescheid vom 09. Juli 2013 gehe.

Das Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin führt zu keiner abweichenden Entscheidung. Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin entfällt zum einen nicht unter Berücksichtigung des zeitlichen Aspektes - Ablauf von 10 Monaten zwischen dem Bescheid vom 09. Juli 2013 und dem Antrag beim Sozialgericht am 25. Mai 2014 -. Die Prüfung eines Anordnungsgrundes spielt lediglich im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG eine Rolle, nicht aber im Verfahren auf Feststellung, ob Widerspruch und/oder Klage aufschiebende Wirkung haben. Abgesehen davon, ist während eines großen Teils dieses Zeitraums das Widerspruchsverfahren durchgeführt und Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2014 erhoben worden. Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin entfällt zum anderen auch nicht deshalb, weil sie sich (auch) privatärztlich behandeln lässt, denn die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Zuweisung eines bestimmten Durchgangsarztes zur Durchführung der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung der Unfallfolgen stellt sich als zulässiges Begehren dar.

Abgesehen davon, dass ein eiliges Regelungsbedürfnis nicht erforderlich ist, gehen die Ausführungen der Antragsgegnerin, die im Übrigen selbst nicht von der Nichtigkeit ihres Verwaltungsaktes ausgeht, in der Beschwerdeschrift zu dem - ihres Erachtens nicht gegebenen - Anordnungsgrund fehl.

Zumindest unvollständig sind auch die Ausführungen in der Beschwerdeschrift, das SG habe fehlerhaft festgestellt, dass die Antragsgegnerin die Übernahme der Behandlungskosten bei jedem anderen als dem zugewiesenen Durchgangsarzt Dr. M abgelehnt habe, vielmehr habe sie lediglich die Behandlung durch Dr. Schleicher abgelehnt. Wie sich aus dem Inhalt des Bescheides vom 09. Juli 2013 ergibt, hat die Antragsgegnerin zum einen angeordnet, dass nur noch die Kosten einer durch Dr. M als Vertreter des Durchgangsarztes Dr. R erbrachten Heilbehandlung übernommen werden und dass die Behandlung der Unfallfolgen durch Dr. S abgelehnt und entsprechende Rechnungen nicht erstattet werden. Soweit die Antragsgegnerin schließlich in sachlicher Hinsicht damit argumentiert, dass die Antragstellerin Leistungen in Form von Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen, die nicht als Unfallfolgen anerkannt seien, begehren würde, bleibt die Entscheidung über diesen Einwand ebenso wie die Frage, welcher Arzt die Heilbehandlung letztlich vorzunehmen hat, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die Antragstellerin hat sich jedenfalls mit der weiteren Durchführung der Heilbehandlung durch einen Durchgangsarzt - Prof. Dr. H - einverstanden erklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved