Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 15 KR 439/14 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 260/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruches nicht nur summarisch geprüft werden, sondern muss vollumfänglich erfolgen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen.
2. Die Beobachtung eines Versicherten durch eine medizinische Fachkraft wird grundsätzlich von dem Anspruch auf Behandlungssicherungspflege erfasst, wenn die medizinische Fachkraft wegen der Gefahr von ggf. lebensgefährdenden Komplikationen jederzeit einsatzbereit sein muss. Soweit die HKP-Richtlinien medizinisch notwendige Maßnahmen von der häuslichen Krankenpflege ausnehmen, sind sie für die Gerichte nicht bindend (Anschluss an BSG, Urteile vom 17.03.2005 - B 3 KR 35/04 R- juris Rn. 23 und vom 10.11.2005 - B 3 KR 38/04 - juris Rn. 19).
3. Die Bejahung eines Anordnungsgrundes scheidet grundsätzlich aus, soweit Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden.
4. Das Eilverfahren ist nicht der geeignete Ort zur Durchführung umfangreicher Beweisaufnahmen.
2. Die Beobachtung eines Versicherten durch eine medizinische Fachkraft wird grundsätzlich von dem Anspruch auf Behandlungssicherungspflege erfasst, wenn die medizinische Fachkraft wegen der Gefahr von ggf. lebensgefährdenden Komplikationen jederzeit einsatzbereit sein muss. Soweit die HKP-Richtlinien medizinisch notwendige Maßnahmen von der häuslichen Krankenpflege ausnehmen, sind sie für die Gerichte nicht bindend (Anschluss an BSG, Urteile vom 17.03.2005 - B 3 KR 35/04 R- juris Rn. 23 und vom 10.11.2005 - B 3 KR 38/04 - juris Rn. 19).
3. Die Bejahung eines Anordnungsgrundes scheidet grundsätzlich aus, soweit Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden.
4. Das Eilverfahren ist nicht der geeignete Ort zur Durchführung umfangreicher Beweisaufnahmen.
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialge-richts Chemnitz vom 15. Oktober 2014 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab 13. November 2014 bis zum 10. Februar 2015 täglich zehn Stunden häusliche Krankenpflege durch eine medizinische Fachkraft an sieben Tagen pro Woche zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin zwei Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten aus beiden Instanzen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die vorläufige Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege (Behandlungssicherungspflege) im Umfang von 10 Stunden täglich (während der Nachtstunden) an sieben Tagen bzw. Nächten pro Woche.
Die am 2013 geborene Antragstellerin und Beschwerdeführerin leidet unter einer chronischen Niereninsuffizienz bei schwerer körperlicher und geistiger Retardierung bei multizystischer Enzephalopathie. Seit Juni 2013 ist sie schwerpflegebedürftig; im Dezember 2013 erlitt sie eine Aspiration mit nachfolgender Aspirationspneumonie. Sie leidet unter rezidivierendem Erbrechen unklarer Genese und es besteht eine Trinkschwäche. Nachts erhält die Beschwerdeführerin zusätzlich zur oralen Nahrungsaufnahme Sondenkost.
Mit Verordnungen vom 27. Januar 2014 und 15. Februar 2014 wurde ihr von Dr. P , Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V., häusliche Krankenpflege in einem Umfang von 10 Stunden täglich/7 x wöchentlich für die Zeit vom 27. Januar 2014 bis 10. Februar 2015 verordnet. Mit Bescheid vom 10. März 2014 bewilligte die Antrags- und Beschwerdegegnerin befristet für den Zeitraum vom 27. Januar 2014 bis 31. Juli 2014 die notwendige behandlungspflegerische Versorgung im Umfang von 9 Stunden 34 Minuten täglich. Am 22. Juli 2014 wurde die Kostenübernahme für Leistungen häuslicher Krankenpflege für die Zeit ab 1. August 2014 bis zum 10. Februar 2015 beantragt.
Die Beschwerdegegnerin forderte umfangreiche medizinische Unterlagen an. In einem Arztbrief vom 12. August 2014 wird u.a. ausgeführt, die Beschwerdeführerin werde zum größeren Teil über eine Sonde ernährt, teilweise trinke sie die Nahrung auch oder esse Brei. In einer sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen (MDK) vom 27. August 2014, die auf Veranlassung der Beschwerdegegnerin erstellt wurde, wird ausgeführt, in der Pflegedokumentation, die den Zeitraum 30. Juni 2014 bis 22. Juli 2014 umfasse, seien keine Vitalwerte, sondern lediglich reine grundpflegerische Leistungen inklusive allgemeiner Krankenbeobachtung und Medikamentengabe einmal nachts dokumentiert. Unter der medikamentösen Therapie mit Antra Mups trete das Erbrechen offensichtlich kaum mehr auf. Spezielle Krankenbeobachtung sei nur verordnungsfähig, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit sofortige pflegerische/ärztliche Interventionen bei lebensbedrohlichen Situationen täglich erforderlich seien. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Mit Bescheid vom 2. September 2014 lehnte die Beschwerdegegnerin daraufhin die Bewilligung spezieller Krankenbeobachtung für die Beschwerdeführerin ab, bewilligte jedoch die behandlungspflegerische Versorgung für 9 Stunden und 34 Minuten täglich bis 3. September 2014. Hiergegen wurde am 3. September 2014 Widerspruch eingelegt.
Ebenfalls am 3. September 2014 ist für die Beschwerdeführerin Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG), gerichtet auf Übernahme der Kosten häuslicher Krankenpflege in Form spezieller Krankenbeobachtung ab 3. September 2014, gestellt worden. Aufgrund des chronischen Krankheitsbildes, insbesondere der chronisch präterminalen Niereninsuffizienz, der schweren Entwicklungsretardierung sowie der multizystischen Enzephalomalazie sei die ständige Anwesenheit und Einsatzbereitschaft einer qualifizierten Pflegeperson, insbesondere in der Nachtzeit erforderlich. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich die Beschwerdeführerin nachts weiterhin übergebe, so dass ein nicht steuerbarer Zustand gegeben sei. Im Falle des Erbrechens sei eine Umlagerung in die Bauchlage notwendig, da regelmäßig die Gefahr bestehe, dass sie an dem Erbrochenen ersticke. Die Situation habe sich seit Februar 2014 nicht verändert. Antra Mups könne nicht auf Dauer verabreicht werden; das Medikament werde zur Behandlung von Kindern erst ab einem Alter von vier Jahren und selbst bei Erwachsenen nur für einen Zeitraum von vier bis maximal acht Wochen empfohlen. Die Beschwerdeführerin sei jedoch erst 1 ½ Jahre alt. Sie sei auch darauf angewiesen, die erforderlichen Flüssigkeitsmengen in den Nachstunden verabreicht zu bekommen, um einer erneuten Dehydratation entgegen zu wirken. Auch die erforderlichen Medikamente würden über die Magensonde verabreicht. Beim nächtlichen Erbrechen gebe es regelmäßig Probleme mit der Magensonde, die mit herausgewürgt werde. Lediglich durch die Inanspruchnahme eines Pflegedienstes in den Nachstunden sei es weiterhin möglich, insbesondere den Flüssigkeitshaushalt der Beschwerdeführerin in Balance zu halten und bei Erbrechen die erforderlichen Maßnahmen einleiten zu können. Die Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin hat Pflegedokumentationen zur Akte gereicht, auf deren Inhalt verwiesen wird. Ferner ist eine Bescheinigung des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Dipl.-Med. P vom 19. September 2014 vorgelegt worden, wonach die Problematik der Nahrungsaufnahme mit Schluckstörung noch vorhanden sei und damit verbunden auch ein regelmäßiges Würgen und Erbrechen bestehe. Nachts könne es zu lebensbedrohlichen Ereignissen (Aspiration) kommen.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 15. Oktober 2014 abgelehnt und unter Würdigung der übersandten Pflegedokumentationen ausgeführt, es sei bereits kein Anordnungsanspruch gegeben. Die Hauptsache biete nach derzeitigem Kenntnisstand keine Aussicht auf Erfolg. Die Erforderlichkeit der ständigen Anwesenheit und Einsatzbereitschaft einer qualifizierten Pflegeperson sei nur dann erforderlich, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine sofortige pflegerische Intervention bei lebensbedrohlichen Umständen täglich erforderlich sei und nur die genauen Zeitpunkte und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden könnten. In der vorgelegten Pflegedokumentation sei jedoch für den Zeitraum 1. August 2014 bis 15. September 2013 kein einziger lebensbedrohlicher Zustand dokumentiert. Vereinzeltes Husten und Würgen oder noch seltener Erbrechen habe ausweislich der Dokumentation kein einziges Mal einer lebensrettenden Maßnahme bedurft. Von einem täglichen lebensbedrohlichen Zustand könne nicht ansatzweise die Rede sein. Auch erfordere die Reaktion der zu pflegenden Person auf ein Erbrechen der Beschwerdeführerin kein besonderes Fachwissen. Vielmehr seien in diesem Fall Maßnahmen zu ergreifen, zu denen praktisch jeder mit gesundem Menschenverstand ausgestattete Erwachsene ohne nähere Fachkenntnis in der Lage sei. Die Reflexe der Beschwerdeführerin seien darüber hinaus intakt: Sie sei offensichtlich in der Lage, Aspiriertes auszuhusten oder auszuwürgen, wie in der Pflegedokumentation mehrfach festgehalten.
Gegen den ihr am 16. Oktober 2014 zugestellten Beschluss ist für die Beschwerdeführerin am 20. Oktober 2014 Beschwerde eingelegt und hierbei Bezug auf den Antrag auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege ab 3. September 2014 genommen worden. Das SG habe lediglich die Pflegedokumentation ausgewertet und die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte nicht berücksichtigt. Diese hätten durchweg die spezielle Krankenbeobachtung befürwortet und bestätigt, dass sich an dem Krankheitsbild nichts geändert habe. Nach wie vor bestehe täglich die Gefahr der Aspiration. Ein deutlich erhöhtes Risiko, in eine lebensbedrohliche Situation zu geraten, bestehe zudem wegen der Ernährung über die nasogastrale Sonde bei zerebralen Schädigungen. Hinzu komme, dass die Kindsmutter unter psychischen Problemen leide und ihr die Dauerbeobachtung rund um die Uhr ohnehin nicht zumutbar sei.
Der Senat hat ärztliche Stellungnahmen angefordert. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin Dipl.-Med P hat mit ärztlichem Attest vom 28. Oktober 2014 ausgeführt, zur Zeit sei die spezielle Krankenbeobachtung und Krankenbetreuung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege über den Pflegedienst weiter zu empfehlen. Die Problematik der Nahrungsaufnahme mit Schluckstörung sei noch vorhanden. Damit verbunden bestehe ein regelmäßiges Würgen und Erbrechen. Das Erbrechen könne ohne Vorboten oder gleich nach dem Würgen auftreten. Wenn die Beschwerdeführerin nachts unbeobachtet gelassen werde, bestehe die Gefahr der Aspiration. Dabei sei die Gefahr der Erstickung und damit einer lebensbedrohlichen Situation immer gegeben. Schnelle Handgriffe wie Bauchlage, Kopf schräg nach unten halten, seien notwendig. Eine 24-Stunden-Dauerbeobachtung durch eine einzelne Person (Kindesmutter) sei nicht realistisch. Eine nächtliche Krankenbetreuung sei aus medizinischer Sicht wichtig. In der gutachtlichen Stellungnahme der Ärzte des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation e.V. Dres. J , R und P vom 30. Oktober 2014 wird ausgeführt, die Gefahr des Erbrechens bestehe bei der Beschwerdeführerin jederzeit. Hierfür seien im Normalfall Interventionen durch die Mutter wie Umlagern und Freimachen der Atemwege durchaus möglich. Das Kind habe ein deutlich erhöhtes Risiko, in eine lebensbedrohliche Situation zu geraten. Hierfür seien die nasogastrale Sonde und die zerebrale Schädigung beim Kind ursächlich. Eine lebensbedrohliche Situation stelle beispielsweise eine Aspiration dar. Hier bestehe das Risiko der Verlegung der Atemwege mit einer nachfolgenden Hypoxie mit Intubations- und Beatmungspflicht und im Weiteren dann einer weiteren zerebralen Schädigung. Dieses Risiko bestehe für 24 Stunden am Tag. Insgesamt bleibe fraglich, inwiefern die Mutter bzw. die Großmutter auf diese komplizierte Situation vorbereitet werden könnten.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Oktober 2014 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, der Beschwerdeführerin ab 3. September 2014 bis zum 10. Februar 2015 häusliche Krankenpflege durch eine medizinische Fachkraft in einem Umfang von zehn Stunden täglich an sieben Tagen pro Woche zu bewilligen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Ihrer Ansicht nach sind die im Beschwerdeverfahren beigebrachten Unterlagen nicht geeignet, den Anspruch auf die beantragte und in Streit stehende Leistung spezielle Krankenbeobachtung zu begründen. Sie hat noch ein Gutachten des MDK vom 15. Oktober 2014, das im noch laufenden Widerspruchsverfahren eingeholt worden ist, und ein weiteres Gutachten vom 11. November 2014 übersandt. In diesen Gutachten hat die Gutachterin Dipl.-Med. N die Frage, ob die beantragte spezielle Krankenbeobachtung medizinisch notwendig sei, dahin beantwortet, dass sich aus den übersandten Unterlagen ergebe, dass das Kind täglich zwei- bis dreimal erbreche, vermehrt spucke. Es müsse dann zur Seite gelegt oder hochgenommen werden Die Nasensonde sei nach Erbrechen immer neu zu legen. Es bestehe eine ausgeprägte Trinkschwäche. Die Flaschennahrung werde zunächst oral verabreicht, bei Trinkschwierigkeiten sei die Nahrungsabgabe weiter über Sonde notwendig. Das Kind würge öfters, die Nahrungsaufnahme müsse deshalb unterbrochen werden. Erbrechen trete nur selten auf. Es sei nicht dokumentiert, dass das Kind zu unregelmäßigen Zeiten im Tagesverlauf abgesaugt werden müsse. Außerdem erfolge keine maschinelle Beatmung und es bestünden keine epileptischen Anfälle. Insgesamt bestehe beim Kind ein erhöhter allgemeiner Krankenbeobachtungsbedarf und ein erhöhter Pflegebedarf in der Grundpflege. Die Voraussetzungen der speziellen Krankenbeobachtung seien nicht erfüllt. Eine tägliche vitale Bedrohung gehe aus den Unterlagen nicht hervor. Es träten nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit lebensbedrohliche Situationen täglich auf, die einer sofortigen pflegerischen/ärztlichen Intervention bedürften. Das Hochnehmen des Kindes, das Beobachten bei der Nahrungsaufnahme, der Kleidungswechsel, die Nahrungsgaben, Windelwechsel, der angegebene Hilfebedarf während der Nacht seien Maßnahmen der allgemeinen Grundpflege und allgemeinen Krankenbeobachtung. Hierfür seien nicht speziell ausgebildete Fachkräfte erforderlich, sondern die Maßnahmen könnten von den Eltern oder Laienhelfern durchgeführt werden. Unstrittig sei, dass das Kind einen hohen pflegerischen Bedarf habe. Die Notwendigkeit der allgemeinen Krankenbeobachtung bestehe über 24 Stunden am Tag. Dies könnten die Eltern nicht leisten.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist bezüglich der Zeit vom 13. November 2014 bis 10. Februar 2015 begründet. Sie ist unbegründet, soweit sie die Zeit vom 3. September 2014 bis 12. November 2015 betrifft.
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache – sofern es sich, wie hier, bei dieser nicht um eine Anfechtungssache im Sinne des § 86b Abs. 1 SGG handelt – auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wer-den könnte (sog. Sicherungsanordnung). Eine einstweilige Anordnung ist auch zur Rege-lung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Rege-lungsanordnung). In beiden Fällen ist Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes. Da-bei bezieht sich der Anordnungsanspruch auf den im Hauptsacheverfahren streitigen An-spruch und damit auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Der Anordnungsgrund be-trifft die Frage der Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit und stellt damit den Grund für den einstweiligen Rechtsschutz dar. Als Anordnungsgrund verlangt das Gesetz für die Siche-rungsanordnung eine Gefahr für die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und für die Regelungsanordnung die Abwendung wesentlicher Nachteile (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Es muss ein gewichtiges Interesse des Antragstellers vorliegen, aufgrund dessen es ihm nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die Tatsachen, die den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 in Ver-bindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Die in tatsächlicher (Glaubhaftmachung) wie in rechtlicher Hinsicht (grundsätzlich summarische Prüfung) herabgesetzten Anforderungen für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren dabei mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden wesentlichen Nachteile. Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruches nicht nur summarisch geprüft werden, sondern muss vollumfänglich erfolgen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen, da sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte zu stellen haben (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschlüsse vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 – juris Rn. 26 und vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 – juris Rn. 16, jeweils m.w.N.; Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. November 2012 - L 11 KR 473/12 B ER – juris Rn. 10). Dabei darf die einstweilige Anordnung grundsätzlich die endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rn. 31).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Beschluss des SG nur im Hinblick auf die Zeit vom 3. September 2014 bis 12. November 2014 im Ergebnis zu Recht ergangen. Für diese Zeit bedarf es schon wegen Zeitablaufs keiner vorläufigen Regelung mehr, so dass es an dem für einen Anordnungsgrund erforderlichen eiligen Regelungsbedürfnis, das regelmäßig nur für die Zukunft besteht, fehlt. Denn in einem Verfahren, welches auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nach demjenigen Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet. Dies bedeutet aber, dass die Bejahung eines Anordnungsgrundes grundsätzlich ausscheidet, soweit Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden (z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. November 2011 – L 9 KR 284/11 B ER – juris Rn. 2). Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG kann zwar in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume gebieten, wenn andernfalls bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen würden, die sich durch eine stattgebende Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen ließen. Derartige Umstände sind hier jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere würden gegenüber dritten Personen eingegangene Verbindlichkeiten nicht ausreichen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Januar 2008 – L 9 B 600/07 KR ER – juris Rn. 25). Nichts anderes kann für die etwaige Inanspruchnahme durch einen Leistungserbringer gelten. Stattgebende Entscheidungen im vorläufigen sozialgerichtlichen Rechtsschutzverfahren sind demnach grundsätzlich erst vom Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an möglich, weil nur solche Gefahren für Rechte und Ansprüche des Betroffenen noch gegenwärtig und damit durch den gerichtlichen Eilrechtsschutz abwendbar sind, die zu diesem und nach diesem Zeitpunkt noch bestehen. Für den Sachleistungsanspruch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich dies auch daraus, dass der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die materiell-rechtliche Grenze zwischen Sachleistungsanspruch (nur für Zeiträume ab der gerichtlichen Entscheidung möglich) und Kostenerstattungsanspruch (vergangene Zeiträume) bildet (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Januar 2011 – L 9 KR 283/10 B ER – juris Rn. 6).
Bezüglich der Zeit vom 13. November 2014 bis 10. Februar 2015 ist der Beschluss des SG zu Unrecht ergangen. Denn insoweit sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfüllt. Die vorzunehmende Folgenabwägung fällt zugunsten der Beschwerdeführerin aus. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind offen.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog. Behandlungssicherungspflege). Der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 13 Abs. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI]). Zur Behandlungssicherungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden. Die Hilfeleistungen umfassen Maßnahmen verschiedenster Art, insbesondere Kriseninterventionen. Auch die Beobachtung eines Versicherten durch eine medizinische Fachkraft wird grundsätzlich von dem Anspruch auf Behandlungssicherungspflege erfasst, wenn die medizinische Fachkraft wegen der Gefahr von ggf. lebensgefährdenden Komplikationen jederzeit einsatzbereit sein muss (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 10. November 2005 - B 3 KR 38/04 R – juris Rn. 14 ff.; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. September 2012 – L 11 KR 179/12 B ER – juris Rn. 16). Ob die Voraussetzungen der Nr. 24 der Anlage zur Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie in der Fassung vom 21.10.2010 (Bundesanzeiger 2011 S. 140 - HKP-Richtlinie) vorliegen, kann jedenfalls dann dahinstehen, wenn medizinisch notwendige Maßnahmen im Streit stehen. Zwar handelt es sich bei den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V um untergesetzliche Normen, die grundsätzlich auch innerhalb des Leistungsrechts zu beachten sind, sie verstoßen aber gegen höherrangiges Recht, soweit sie einen Ausschluss der im Einzelfall gebotenen Krankenbeobachtung aus dem Katalog der verordnungsfähigen Leistungen enthalten. Ebenso wenig wie der Gemeinsame Bundesausschuss ermächtigt ist, den Begriff der Krankheit in § 27 Abs. 1 SGB V hinsichtlich seines Inhalts und seiner Grenzen zu bestimmen, ist er befugt, medizinisch notwendige Maßnahmen von der häuslichen Krankenpflege auszunehmen. Die HKP-Richtlinien binden die Gerichte insoweit nicht (BSG, Urteil vom 10. November 2005, a.a.O., Rn. 19).
Nach den eingeholten medizinischen Stellungnahmen kann vorliegend jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf (mindestens) 10 Stunden täglich an sieben Tagen pro Woche Behandlungssicherungspflege durch eine medizinische Fachkraft hat. Hierfür sprechen insbesondere die Einschätzungen von Dipl.-Med. P vom 28. Oktober 2014 und der Dres. J , R und P vom 30. Oktober 2014, nach deren Stellungnahmen die Gefahr einer lebensbedrohlichen Situation, insbesondere einer Aspiration und damit des Erstickens ständig gegeben und fraglich ist, ob die Pflegepersonen der Beschwerdeführerin (Mutter bzw. Großmutter) zum Ergreifen der im Falle einer Aspiration erforderlichen Maßnahmen in der Lage sind. Die Stellungnahmen bzw. Gutachten des MDK vom 27. August 2014 und 15. Oktober 2014 können demgegenüber nicht überzeugen, da sie die – insoweit nicht verbindliche, s.o. – HKP-Richtlinie ihrer Prüfung zugrunde legen und ihre Argumentation an die Voraussetzungen von Nr. 24 des Leistungsverzeichnisses (spezielle Krankenbeobachtung) geknüpft haben und weil die HKP-Richtlinie keinen abschließenden Leistungskatalog über die zu erbringenden Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege darstellt (s.o.; ferner hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 3 KR 35/04 R – juris Rn. 23). Dies folgt aus § 92 Abs. 7 Satz 1 SGB V, wonach in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V u.a. "insbesondere" die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzungen zu regeln sind. Der Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss beschränkt sich damit auf die Konkretisierung und Interpretation des Wirtschaftlichkeitsgebots für die Regelfälle der häuslichen Krankenpflege, schließt aber ein Abweichen davon im Einzelfall nicht aus.
Obwohl zur Versorgung der Beschwerdeführerin allein wegen des (täglich mehrfach) auftretenden Würgens und Erbrechens auch nach Ansicht des Senates keine medizinische Fachkraft erforderlich sein dürfte, ist angesichts der Stellungnahmen der die Beschwerdeführerin behandelnden Ärzte offen, ob eine medizinisch versierte ständige Überwachung der Beschwerdeführerin erforderlich ist. Nach den Angaben der Ärzte kann eine Aspiration jederzeit eintreten und es ist fraglich, ob die die Beschwerdeführerin derzeit betreuenden Personen bzw. sonstige medizinische Laien in einer solchen Situation zur Ergreifung der erforderlichen lebenserhaltenden Maßnahmen in der Lage sind.
Auch dass seit 27. Januar 2014 keine (tägliche) Intervention in einer lebensbedrohlichen Situation erforderlich war, kann in Anbetracht des Umstandes, dass es um das Leben der Beschwerdeführerin geht, jedenfalls im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Es kann insbesondere nicht darauf ankommen, wie oft tatsächlich eine Intervention erforderlich wird, wenn die Gefahr einer lebensbedrohlichen Situation ständig gegeben ist. Da hiernach ein Abweichen (im Einzelfall) von dem genannten Leistungsverzeichnis in Betracht kommt, können auch dem Hauptsacheverfahren nicht jegliche Erfolgsaussichten abgesprochen werden.
Weitere Ermittlungen waren im vorliegenden Eilverfahren nicht geboten. Der Senat hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob im konkreten Eilverfahren der Eilbedürftigkeit oder der Amtsermittlung Vorrang einzuräumen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rn. 16a). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Eilverfahren von seiner Konzeption her nicht der geeignete Ort sein kann, umfangreichere Beweisaufnahmen durchzuführen. Denn andernfalls wäre keine schnelle Entscheidung möglich. Unter Anlegung dieses Maßstabs fällt die Abwägung vorliegend – gerade in Anbetracht des bedrohten Rechtsguts Leben – zu Gunsten der Eilbedürftigkeit aus.
Da dem Hauptsacheverfahren nicht jegliche Erfolgsaussichten abgesprochen werden können, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (s.o.). Bei dieser Abwägung sind vor allem die Folgen zu berücksichtigen, die die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für die Beschwerdeführerin hätte. Je schwerer die Belastungen hieraus wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig ge-macht werden können, umso weniger kann das Interesse an einer vorläufigen Regelung zurückgestellt werden.
Angesichts der überragend hohen Bedeutung, die dem Leben als Rechtsgut in der grundge-setzlichen Ordnung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 – juris Rn. 64 ff.) sind in Verfahren wie dem vorliegenden an die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes hohe Anforderungen zu stellen. Denn sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass – was auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen nicht ausgeschlossen werden kann – die Beschwerdeführerin tatsächlich auf eine jederzeitige Interventionsmöglichkeit einer medizinisch versierten Person angewiesen ist, käme der Rechtsschutz durch die Hauptsache für sie, sofern zwischenzeitlich eine lebensbedrohliche Situation insbesondere während der Nachtzeiten auftreten sollte, möglicherweise zu spät. Dagegen führt das Unterliegen der Beschwerdegegnerin allenfalls zu wirtschaftlichen Auswirkungen.
Die Folgenabwägung führt daher zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdegegnerin verpflichtet ist, der Beschwerdeführerin wie beantragt vorläufig Leistungen der Behandlungspflege durch eine medizinische Fachkraft in Form der Krankenbeobachtung im Umfang von 10 Stunden täglich an sieben Tagen pro Woche bis zum 10. Februar 2015 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde zum BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Dr. Wietek Schanzenbach Klotzbücher
II. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin zwei Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten aus beiden Instanzen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die vorläufige Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege (Behandlungssicherungspflege) im Umfang von 10 Stunden täglich (während der Nachtstunden) an sieben Tagen bzw. Nächten pro Woche.
Die am 2013 geborene Antragstellerin und Beschwerdeführerin leidet unter einer chronischen Niereninsuffizienz bei schwerer körperlicher und geistiger Retardierung bei multizystischer Enzephalopathie. Seit Juni 2013 ist sie schwerpflegebedürftig; im Dezember 2013 erlitt sie eine Aspiration mit nachfolgender Aspirationspneumonie. Sie leidet unter rezidivierendem Erbrechen unklarer Genese und es besteht eine Trinkschwäche. Nachts erhält die Beschwerdeführerin zusätzlich zur oralen Nahrungsaufnahme Sondenkost.
Mit Verordnungen vom 27. Januar 2014 und 15. Februar 2014 wurde ihr von Dr. P , Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V., häusliche Krankenpflege in einem Umfang von 10 Stunden täglich/7 x wöchentlich für die Zeit vom 27. Januar 2014 bis 10. Februar 2015 verordnet. Mit Bescheid vom 10. März 2014 bewilligte die Antrags- und Beschwerdegegnerin befristet für den Zeitraum vom 27. Januar 2014 bis 31. Juli 2014 die notwendige behandlungspflegerische Versorgung im Umfang von 9 Stunden 34 Minuten täglich. Am 22. Juli 2014 wurde die Kostenübernahme für Leistungen häuslicher Krankenpflege für die Zeit ab 1. August 2014 bis zum 10. Februar 2015 beantragt.
Die Beschwerdegegnerin forderte umfangreiche medizinische Unterlagen an. In einem Arztbrief vom 12. August 2014 wird u.a. ausgeführt, die Beschwerdeführerin werde zum größeren Teil über eine Sonde ernährt, teilweise trinke sie die Nahrung auch oder esse Brei. In einer sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen (MDK) vom 27. August 2014, die auf Veranlassung der Beschwerdegegnerin erstellt wurde, wird ausgeführt, in der Pflegedokumentation, die den Zeitraum 30. Juni 2014 bis 22. Juli 2014 umfasse, seien keine Vitalwerte, sondern lediglich reine grundpflegerische Leistungen inklusive allgemeiner Krankenbeobachtung und Medikamentengabe einmal nachts dokumentiert. Unter der medikamentösen Therapie mit Antra Mups trete das Erbrechen offensichtlich kaum mehr auf. Spezielle Krankenbeobachtung sei nur verordnungsfähig, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit sofortige pflegerische/ärztliche Interventionen bei lebensbedrohlichen Situationen täglich erforderlich seien. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Mit Bescheid vom 2. September 2014 lehnte die Beschwerdegegnerin daraufhin die Bewilligung spezieller Krankenbeobachtung für die Beschwerdeführerin ab, bewilligte jedoch die behandlungspflegerische Versorgung für 9 Stunden und 34 Minuten täglich bis 3. September 2014. Hiergegen wurde am 3. September 2014 Widerspruch eingelegt.
Ebenfalls am 3. September 2014 ist für die Beschwerdeführerin Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG), gerichtet auf Übernahme der Kosten häuslicher Krankenpflege in Form spezieller Krankenbeobachtung ab 3. September 2014, gestellt worden. Aufgrund des chronischen Krankheitsbildes, insbesondere der chronisch präterminalen Niereninsuffizienz, der schweren Entwicklungsretardierung sowie der multizystischen Enzephalomalazie sei die ständige Anwesenheit und Einsatzbereitschaft einer qualifizierten Pflegeperson, insbesondere in der Nachtzeit erforderlich. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich die Beschwerdeführerin nachts weiterhin übergebe, so dass ein nicht steuerbarer Zustand gegeben sei. Im Falle des Erbrechens sei eine Umlagerung in die Bauchlage notwendig, da regelmäßig die Gefahr bestehe, dass sie an dem Erbrochenen ersticke. Die Situation habe sich seit Februar 2014 nicht verändert. Antra Mups könne nicht auf Dauer verabreicht werden; das Medikament werde zur Behandlung von Kindern erst ab einem Alter von vier Jahren und selbst bei Erwachsenen nur für einen Zeitraum von vier bis maximal acht Wochen empfohlen. Die Beschwerdeführerin sei jedoch erst 1 ½ Jahre alt. Sie sei auch darauf angewiesen, die erforderlichen Flüssigkeitsmengen in den Nachstunden verabreicht zu bekommen, um einer erneuten Dehydratation entgegen zu wirken. Auch die erforderlichen Medikamente würden über die Magensonde verabreicht. Beim nächtlichen Erbrechen gebe es regelmäßig Probleme mit der Magensonde, die mit herausgewürgt werde. Lediglich durch die Inanspruchnahme eines Pflegedienstes in den Nachstunden sei es weiterhin möglich, insbesondere den Flüssigkeitshaushalt der Beschwerdeführerin in Balance zu halten und bei Erbrechen die erforderlichen Maßnahmen einleiten zu können. Die Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin hat Pflegedokumentationen zur Akte gereicht, auf deren Inhalt verwiesen wird. Ferner ist eine Bescheinigung des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Dipl.-Med. P vom 19. September 2014 vorgelegt worden, wonach die Problematik der Nahrungsaufnahme mit Schluckstörung noch vorhanden sei und damit verbunden auch ein regelmäßiges Würgen und Erbrechen bestehe. Nachts könne es zu lebensbedrohlichen Ereignissen (Aspiration) kommen.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 15. Oktober 2014 abgelehnt und unter Würdigung der übersandten Pflegedokumentationen ausgeführt, es sei bereits kein Anordnungsanspruch gegeben. Die Hauptsache biete nach derzeitigem Kenntnisstand keine Aussicht auf Erfolg. Die Erforderlichkeit der ständigen Anwesenheit und Einsatzbereitschaft einer qualifizierten Pflegeperson sei nur dann erforderlich, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine sofortige pflegerische Intervention bei lebensbedrohlichen Umständen täglich erforderlich sei und nur die genauen Zeitpunkte und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden könnten. In der vorgelegten Pflegedokumentation sei jedoch für den Zeitraum 1. August 2014 bis 15. September 2013 kein einziger lebensbedrohlicher Zustand dokumentiert. Vereinzeltes Husten und Würgen oder noch seltener Erbrechen habe ausweislich der Dokumentation kein einziges Mal einer lebensrettenden Maßnahme bedurft. Von einem täglichen lebensbedrohlichen Zustand könne nicht ansatzweise die Rede sein. Auch erfordere die Reaktion der zu pflegenden Person auf ein Erbrechen der Beschwerdeführerin kein besonderes Fachwissen. Vielmehr seien in diesem Fall Maßnahmen zu ergreifen, zu denen praktisch jeder mit gesundem Menschenverstand ausgestattete Erwachsene ohne nähere Fachkenntnis in der Lage sei. Die Reflexe der Beschwerdeführerin seien darüber hinaus intakt: Sie sei offensichtlich in der Lage, Aspiriertes auszuhusten oder auszuwürgen, wie in der Pflegedokumentation mehrfach festgehalten.
Gegen den ihr am 16. Oktober 2014 zugestellten Beschluss ist für die Beschwerdeführerin am 20. Oktober 2014 Beschwerde eingelegt und hierbei Bezug auf den Antrag auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege ab 3. September 2014 genommen worden. Das SG habe lediglich die Pflegedokumentation ausgewertet und die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte nicht berücksichtigt. Diese hätten durchweg die spezielle Krankenbeobachtung befürwortet und bestätigt, dass sich an dem Krankheitsbild nichts geändert habe. Nach wie vor bestehe täglich die Gefahr der Aspiration. Ein deutlich erhöhtes Risiko, in eine lebensbedrohliche Situation zu geraten, bestehe zudem wegen der Ernährung über die nasogastrale Sonde bei zerebralen Schädigungen. Hinzu komme, dass die Kindsmutter unter psychischen Problemen leide und ihr die Dauerbeobachtung rund um die Uhr ohnehin nicht zumutbar sei.
Der Senat hat ärztliche Stellungnahmen angefordert. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin Dipl.-Med P hat mit ärztlichem Attest vom 28. Oktober 2014 ausgeführt, zur Zeit sei die spezielle Krankenbeobachtung und Krankenbetreuung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege über den Pflegedienst weiter zu empfehlen. Die Problematik der Nahrungsaufnahme mit Schluckstörung sei noch vorhanden. Damit verbunden bestehe ein regelmäßiges Würgen und Erbrechen. Das Erbrechen könne ohne Vorboten oder gleich nach dem Würgen auftreten. Wenn die Beschwerdeführerin nachts unbeobachtet gelassen werde, bestehe die Gefahr der Aspiration. Dabei sei die Gefahr der Erstickung und damit einer lebensbedrohlichen Situation immer gegeben. Schnelle Handgriffe wie Bauchlage, Kopf schräg nach unten halten, seien notwendig. Eine 24-Stunden-Dauerbeobachtung durch eine einzelne Person (Kindesmutter) sei nicht realistisch. Eine nächtliche Krankenbetreuung sei aus medizinischer Sicht wichtig. In der gutachtlichen Stellungnahme der Ärzte des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation e.V. Dres. J , R und P vom 30. Oktober 2014 wird ausgeführt, die Gefahr des Erbrechens bestehe bei der Beschwerdeführerin jederzeit. Hierfür seien im Normalfall Interventionen durch die Mutter wie Umlagern und Freimachen der Atemwege durchaus möglich. Das Kind habe ein deutlich erhöhtes Risiko, in eine lebensbedrohliche Situation zu geraten. Hierfür seien die nasogastrale Sonde und die zerebrale Schädigung beim Kind ursächlich. Eine lebensbedrohliche Situation stelle beispielsweise eine Aspiration dar. Hier bestehe das Risiko der Verlegung der Atemwege mit einer nachfolgenden Hypoxie mit Intubations- und Beatmungspflicht und im Weiteren dann einer weiteren zerebralen Schädigung. Dieses Risiko bestehe für 24 Stunden am Tag. Insgesamt bleibe fraglich, inwiefern die Mutter bzw. die Großmutter auf diese komplizierte Situation vorbereitet werden könnten.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Oktober 2014 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, der Beschwerdeführerin ab 3. September 2014 bis zum 10. Februar 2015 häusliche Krankenpflege durch eine medizinische Fachkraft in einem Umfang von zehn Stunden täglich an sieben Tagen pro Woche zu bewilligen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Ihrer Ansicht nach sind die im Beschwerdeverfahren beigebrachten Unterlagen nicht geeignet, den Anspruch auf die beantragte und in Streit stehende Leistung spezielle Krankenbeobachtung zu begründen. Sie hat noch ein Gutachten des MDK vom 15. Oktober 2014, das im noch laufenden Widerspruchsverfahren eingeholt worden ist, und ein weiteres Gutachten vom 11. November 2014 übersandt. In diesen Gutachten hat die Gutachterin Dipl.-Med. N die Frage, ob die beantragte spezielle Krankenbeobachtung medizinisch notwendig sei, dahin beantwortet, dass sich aus den übersandten Unterlagen ergebe, dass das Kind täglich zwei- bis dreimal erbreche, vermehrt spucke. Es müsse dann zur Seite gelegt oder hochgenommen werden Die Nasensonde sei nach Erbrechen immer neu zu legen. Es bestehe eine ausgeprägte Trinkschwäche. Die Flaschennahrung werde zunächst oral verabreicht, bei Trinkschwierigkeiten sei die Nahrungsabgabe weiter über Sonde notwendig. Das Kind würge öfters, die Nahrungsaufnahme müsse deshalb unterbrochen werden. Erbrechen trete nur selten auf. Es sei nicht dokumentiert, dass das Kind zu unregelmäßigen Zeiten im Tagesverlauf abgesaugt werden müsse. Außerdem erfolge keine maschinelle Beatmung und es bestünden keine epileptischen Anfälle. Insgesamt bestehe beim Kind ein erhöhter allgemeiner Krankenbeobachtungsbedarf und ein erhöhter Pflegebedarf in der Grundpflege. Die Voraussetzungen der speziellen Krankenbeobachtung seien nicht erfüllt. Eine tägliche vitale Bedrohung gehe aus den Unterlagen nicht hervor. Es träten nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit lebensbedrohliche Situationen täglich auf, die einer sofortigen pflegerischen/ärztlichen Intervention bedürften. Das Hochnehmen des Kindes, das Beobachten bei der Nahrungsaufnahme, der Kleidungswechsel, die Nahrungsgaben, Windelwechsel, der angegebene Hilfebedarf während der Nacht seien Maßnahmen der allgemeinen Grundpflege und allgemeinen Krankenbeobachtung. Hierfür seien nicht speziell ausgebildete Fachkräfte erforderlich, sondern die Maßnahmen könnten von den Eltern oder Laienhelfern durchgeführt werden. Unstrittig sei, dass das Kind einen hohen pflegerischen Bedarf habe. Die Notwendigkeit der allgemeinen Krankenbeobachtung bestehe über 24 Stunden am Tag. Dies könnten die Eltern nicht leisten.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist bezüglich der Zeit vom 13. November 2014 bis 10. Februar 2015 begründet. Sie ist unbegründet, soweit sie die Zeit vom 3. September 2014 bis 12. November 2015 betrifft.
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache – sofern es sich, wie hier, bei dieser nicht um eine Anfechtungssache im Sinne des § 86b Abs. 1 SGG handelt – auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wer-den könnte (sog. Sicherungsanordnung). Eine einstweilige Anordnung ist auch zur Rege-lung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Rege-lungsanordnung). In beiden Fällen ist Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes. Da-bei bezieht sich der Anordnungsanspruch auf den im Hauptsacheverfahren streitigen An-spruch und damit auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Der Anordnungsgrund be-trifft die Frage der Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit und stellt damit den Grund für den einstweiligen Rechtsschutz dar. Als Anordnungsgrund verlangt das Gesetz für die Siche-rungsanordnung eine Gefahr für die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und für die Regelungsanordnung die Abwendung wesentlicher Nachteile (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Es muss ein gewichtiges Interesse des Antragstellers vorliegen, aufgrund dessen es ihm nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die Tatsachen, die den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 in Ver-bindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Die in tatsächlicher (Glaubhaftmachung) wie in rechtlicher Hinsicht (grundsätzlich summarische Prüfung) herabgesetzten Anforderungen für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren dabei mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden wesentlichen Nachteile. Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruches nicht nur summarisch geprüft werden, sondern muss vollumfänglich erfolgen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen, da sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte zu stellen haben (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschlüsse vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 – juris Rn. 26 und vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 – juris Rn. 16, jeweils m.w.N.; Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. November 2012 - L 11 KR 473/12 B ER – juris Rn. 10). Dabei darf die einstweilige Anordnung grundsätzlich die endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rn. 31).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Beschluss des SG nur im Hinblick auf die Zeit vom 3. September 2014 bis 12. November 2014 im Ergebnis zu Recht ergangen. Für diese Zeit bedarf es schon wegen Zeitablaufs keiner vorläufigen Regelung mehr, so dass es an dem für einen Anordnungsgrund erforderlichen eiligen Regelungsbedürfnis, das regelmäßig nur für die Zukunft besteht, fehlt. Denn in einem Verfahren, welches auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nach demjenigen Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet. Dies bedeutet aber, dass die Bejahung eines Anordnungsgrundes grundsätzlich ausscheidet, soweit Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden (z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. November 2011 – L 9 KR 284/11 B ER – juris Rn. 2). Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG kann zwar in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume gebieten, wenn andernfalls bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen würden, die sich durch eine stattgebende Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen ließen. Derartige Umstände sind hier jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere würden gegenüber dritten Personen eingegangene Verbindlichkeiten nicht ausreichen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Januar 2008 – L 9 B 600/07 KR ER – juris Rn. 25). Nichts anderes kann für die etwaige Inanspruchnahme durch einen Leistungserbringer gelten. Stattgebende Entscheidungen im vorläufigen sozialgerichtlichen Rechtsschutzverfahren sind demnach grundsätzlich erst vom Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an möglich, weil nur solche Gefahren für Rechte und Ansprüche des Betroffenen noch gegenwärtig und damit durch den gerichtlichen Eilrechtsschutz abwendbar sind, die zu diesem und nach diesem Zeitpunkt noch bestehen. Für den Sachleistungsanspruch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich dies auch daraus, dass der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die materiell-rechtliche Grenze zwischen Sachleistungsanspruch (nur für Zeiträume ab der gerichtlichen Entscheidung möglich) und Kostenerstattungsanspruch (vergangene Zeiträume) bildet (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Januar 2011 – L 9 KR 283/10 B ER – juris Rn. 6).
Bezüglich der Zeit vom 13. November 2014 bis 10. Februar 2015 ist der Beschluss des SG zu Unrecht ergangen. Denn insoweit sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfüllt. Die vorzunehmende Folgenabwägung fällt zugunsten der Beschwerdeführerin aus. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind offen.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog. Behandlungssicherungspflege). Der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 13 Abs. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI]). Zur Behandlungssicherungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden. Die Hilfeleistungen umfassen Maßnahmen verschiedenster Art, insbesondere Kriseninterventionen. Auch die Beobachtung eines Versicherten durch eine medizinische Fachkraft wird grundsätzlich von dem Anspruch auf Behandlungssicherungspflege erfasst, wenn die medizinische Fachkraft wegen der Gefahr von ggf. lebensgefährdenden Komplikationen jederzeit einsatzbereit sein muss (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 10. November 2005 - B 3 KR 38/04 R – juris Rn. 14 ff.; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. September 2012 – L 11 KR 179/12 B ER – juris Rn. 16). Ob die Voraussetzungen der Nr. 24 der Anlage zur Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie in der Fassung vom 21.10.2010 (Bundesanzeiger 2011 S. 140 - HKP-Richtlinie) vorliegen, kann jedenfalls dann dahinstehen, wenn medizinisch notwendige Maßnahmen im Streit stehen. Zwar handelt es sich bei den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V um untergesetzliche Normen, die grundsätzlich auch innerhalb des Leistungsrechts zu beachten sind, sie verstoßen aber gegen höherrangiges Recht, soweit sie einen Ausschluss der im Einzelfall gebotenen Krankenbeobachtung aus dem Katalog der verordnungsfähigen Leistungen enthalten. Ebenso wenig wie der Gemeinsame Bundesausschuss ermächtigt ist, den Begriff der Krankheit in § 27 Abs. 1 SGB V hinsichtlich seines Inhalts und seiner Grenzen zu bestimmen, ist er befugt, medizinisch notwendige Maßnahmen von der häuslichen Krankenpflege auszunehmen. Die HKP-Richtlinien binden die Gerichte insoweit nicht (BSG, Urteil vom 10. November 2005, a.a.O., Rn. 19).
Nach den eingeholten medizinischen Stellungnahmen kann vorliegend jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf (mindestens) 10 Stunden täglich an sieben Tagen pro Woche Behandlungssicherungspflege durch eine medizinische Fachkraft hat. Hierfür sprechen insbesondere die Einschätzungen von Dipl.-Med. P vom 28. Oktober 2014 und der Dres. J , R und P vom 30. Oktober 2014, nach deren Stellungnahmen die Gefahr einer lebensbedrohlichen Situation, insbesondere einer Aspiration und damit des Erstickens ständig gegeben und fraglich ist, ob die Pflegepersonen der Beschwerdeführerin (Mutter bzw. Großmutter) zum Ergreifen der im Falle einer Aspiration erforderlichen Maßnahmen in der Lage sind. Die Stellungnahmen bzw. Gutachten des MDK vom 27. August 2014 und 15. Oktober 2014 können demgegenüber nicht überzeugen, da sie die – insoweit nicht verbindliche, s.o. – HKP-Richtlinie ihrer Prüfung zugrunde legen und ihre Argumentation an die Voraussetzungen von Nr. 24 des Leistungsverzeichnisses (spezielle Krankenbeobachtung) geknüpft haben und weil die HKP-Richtlinie keinen abschließenden Leistungskatalog über die zu erbringenden Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege darstellt (s.o.; ferner hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 3 KR 35/04 R – juris Rn. 23). Dies folgt aus § 92 Abs. 7 Satz 1 SGB V, wonach in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V u.a. "insbesondere" die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzungen zu regeln sind. Der Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss beschränkt sich damit auf die Konkretisierung und Interpretation des Wirtschaftlichkeitsgebots für die Regelfälle der häuslichen Krankenpflege, schließt aber ein Abweichen davon im Einzelfall nicht aus.
Obwohl zur Versorgung der Beschwerdeführerin allein wegen des (täglich mehrfach) auftretenden Würgens und Erbrechens auch nach Ansicht des Senates keine medizinische Fachkraft erforderlich sein dürfte, ist angesichts der Stellungnahmen der die Beschwerdeführerin behandelnden Ärzte offen, ob eine medizinisch versierte ständige Überwachung der Beschwerdeführerin erforderlich ist. Nach den Angaben der Ärzte kann eine Aspiration jederzeit eintreten und es ist fraglich, ob die die Beschwerdeführerin derzeit betreuenden Personen bzw. sonstige medizinische Laien in einer solchen Situation zur Ergreifung der erforderlichen lebenserhaltenden Maßnahmen in der Lage sind.
Auch dass seit 27. Januar 2014 keine (tägliche) Intervention in einer lebensbedrohlichen Situation erforderlich war, kann in Anbetracht des Umstandes, dass es um das Leben der Beschwerdeführerin geht, jedenfalls im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Es kann insbesondere nicht darauf ankommen, wie oft tatsächlich eine Intervention erforderlich wird, wenn die Gefahr einer lebensbedrohlichen Situation ständig gegeben ist. Da hiernach ein Abweichen (im Einzelfall) von dem genannten Leistungsverzeichnis in Betracht kommt, können auch dem Hauptsacheverfahren nicht jegliche Erfolgsaussichten abgesprochen werden.
Weitere Ermittlungen waren im vorliegenden Eilverfahren nicht geboten. Der Senat hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob im konkreten Eilverfahren der Eilbedürftigkeit oder der Amtsermittlung Vorrang einzuräumen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rn. 16a). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Eilverfahren von seiner Konzeption her nicht der geeignete Ort sein kann, umfangreichere Beweisaufnahmen durchzuführen. Denn andernfalls wäre keine schnelle Entscheidung möglich. Unter Anlegung dieses Maßstabs fällt die Abwägung vorliegend – gerade in Anbetracht des bedrohten Rechtsguts Leben – zu Gunsten der Eilbedürftigkeit aus.
Da dem Hauptsacheverfahren nicht jegliche Erfolgsaussichten abgesprochen werden können, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (s.o.). Bei dieser Abwägung sind vor allem die Folgen zu berücksichtigen, die die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für die Beschwerdeführerin hätte. Je schwerer die Belastungen hieraus wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig ge-macht werden können, umso weniger kann das Interesse an einer vorläufigen Regelung zurückgestellt werden.
Angesichts der überragend hohen Bedeutung, die dem Leben als Rechtsgut in der grundge-setzlichen Ordnung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 – juris Rn. 64 ff.) sind in Verfahren wie dem vorliegenden an die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes hohe Anforderungen zu stellen. Denn sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass – was auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen nicht ausgeschlossen werden kann – die Beschwerdeführerin tatsächlich auf eine jederzeitige Interventionsmöglichkeit einer medizinisch versierten Person angewiesen ist, käme der Rechtsschutz durch die Hauptsache für sie, sofern zwischenzeitlich eine lebensbedrohliche Situation insbesondere während der Nachtzeiten auftreten sollte, möglicherweise zu spät. Dagegen führt das Unterliegen der Beschwerdegegnerin allenfalls zu wirtschaftlichen Auswirkungen.
Die Folgenabwägung führt daher zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdegegnerin verpflichtet ist, der Beschwerdeführerin wie beantragt vorläufig Leistungen der Behandlungspflege durch eine medizinische Fachkraft in Form der Krankenbeobachtung im Umfang von 10 Stunden täglich an sieben Tagen pro Woche bis zum 10. Februar 2015 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde zum BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Dr. Wietek Schanzenbach Klotzbücher
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