L 3 AS 799/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AS 2145/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 799/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 326 Abs. 2 SGB III stellt einen eigenständigen Erstattungsanspruch dar.
2. Die Mitwirkungsobliegenheit nach § 326 SGB III besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob der Träger von der Behörde zur Vorlage von Unterlagen aufgefordert wurde.
3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Ausschlussfrist von § 326 Abs. 1 SGB III ist nicht möglich.
4. Der Maßnahmenträger ist auf die Ausschlussfrist von § 326 Abs. 2 SGB III hinzuweisen und über Folgen einer verspäteten Vorlage der geforderten Unterlagen zu belehren. Wenn ein solcher Hinweis unterbleibt, sind die nachgereichten Unterlagen als rechtzeitig vorgelegt zu behandeln.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 13. Juli 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligen streiten um die Erstattung von Lohn- und Sachkostenzuschüsse in Höhe von insgesamt 22.939,20 EUR, die dem Kläger als Förderleistung gewährt wurden.

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in L , der durch einen ehrenamtlich tätigen und allein vertretungsberechtigten Vorsitzenden sowie zwei gemeinsam vertretungsberechtigte Stellvertreter geführt wird. Am 7. Mai 2009 stellte er, vertreten durch seinen Vorsitzenden, einen Antrag auf Förderleistung für Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante nach § 16d Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zweites Buchs – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009. Er beantragte die Gewährung eines monatlichen Zuschusses in Höhe von 810,00 EUR je Arbeitnehmer für die Beschäftigung von vier Arbeitnehmern mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden im Rahmen eines sozialen Möbelprojekts in T.

Mit Förderbescheid vom 23. Juni 2009 bewilligte ihm die ARGE SGB II O /T (im Folgenden: ARGE) antragsgemäß für die Fördermaßnahme Nr. 6044/09 eine pauschale Sonderleistung für die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten in der sogenannten Entgeltvariante in Höhe von insgesamt 22.939,20 EUR. Hierbei handelte es sich um eine Fallpauschale, die in Höhe von 955,80 EUR je Arbeitnehmer und Monat für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 gewährt wurde.

Der Förderbescheid vom 23. Juni 2009 enthielt auf Seite 2 einen Zusatz "Ergänzende Hinweise/Auflagen", der wie folgt lautete:

"[ ] Die bewilligten Förderleistungen sind zur Schlussabrechnung nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege im Original sowie Lohnnachweise/Lohnjournale zu erbringen. [ ] Innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Beendigung der Maßnahme müssen die Unterlagen vorgelegt werden, die für eine abschließende Entscheidung über den Umfang der Förderung erforderlich sind. In dem Umfang, in dem die Voraussetzungen nicht nachgewiesen worden sind, ist die erbrachte Leistung nach § 326 SGB III zu erstatten. [ ]"

In der Folge zahlte die ARGE die Förderleistungen an den Kläger in monatlichen Teilbeträgen von 3.823,20 EUR vollständig aus, nachdem der Kläger die Arbeitsverträge für die vier befristet beschäftigten Arbeitnehmer vorgelegt hatte. Die Maßnahme endete planmäßig zum 31. Dezember 2009. Weitere Nachweise wurden vom Kläger in der Folge nicht eingereicht. Eine Aufforderung zur Vorlage der geforderten Nachweise erfolgte durch die Beklagte nicht. Erst am 13. Oktober 2010 legte der Kläger Abrechnungsformblätter für drei Arbeitnehmer vor. Das Abrechnungsformblatt für den vierten Arbeitnehmer, die Maßnahmendokumentation und der Ergebnisbericht wurden am 18. Oktober 2010 eingereicht.

Mit Erstattungsbescheid vom 15. Oktober 2010 forderte die ARGE die ausgezahlten Lohn- und Sachkostenzuschüsse in Höhe von insgesamt 22.939,20 EUR für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 vom Kläger gemäß § 326 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Gesamtabrechnung nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist erfolgt sei.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 22. November 2010 Widerspruch ein und führte die verspätete Vorlage auf das Ausscheiden einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin, die für die Lohn- und Finanzverwaltung zuständig gewesen sei, zurück. Sie sei im Mai 2010 wegen des Erhalts einer Festanstellung ausgeschieden und hätte zuvor im April 2010 die Unterlagen der für den Kläger tätigen Steuerberatungsgesellschaft übergeben. Diese habe Mitte Juli 2010 den vorläufigen Jahresabschluss 2009 dem Vorstand zur Prüfung vorgelegt, der schließlich nach erfolgten Korrekturen am 25. August 2010 der Mitgliederversammlung vorgelegt worden sei. Erst diese habe die Mittelverwendung beschlossen und das Protokoll und den Geschäftsbericht der Steuerberatungsgesellschaft übergeben. Erst nach Durchsicht dieser Unterlagen habe der Vorstand von der Frist erfahren und, da keine Endabrechnungsunterlagen gefunden worden seien, erst Rücksprache mit der ehemaligen Mitarbeiterin nehmen müssen. In der Folge habe man auch die ARGE über die Verzögerung informiert, da noch eine weitere Maßnahmenabrechnung offen gewesen sei.

Hierbei handelte es sich um die Fördermaßnahme Nr. 6092/09. Die ARGE hatte hierzu dem Kläger mit Bescheid vom 15. Juli 2009 Förderleistungen für eine Maßnahme zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentscheidung – Zusatzjobs – nach § 16d SGB II ebenfalls für das soziale Möbelprojekt in T bewilligt. Dem Kläger war für die Schaffung von vier Zusatzjobs für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 31. Januar 2010 eine Maßnahmenkostenpauschale je Teilnehmerplatz von 70,00 EUR sowie eine Mehraufwandsentschädigung von 1,25 EUR pro Arbeitnehmer und geleistete Beschäftigungsstunde bei einer wöchentlichen Beschäftigungszeit von 20 Stunden gewährt worden. Im Förderbescheid hatte die ARGE, ohne Hinweis auf eine etwaige Ausschlussfrist, darauf hingewiesen, dass zum Ende der Maßnahme die Erstellung eines Ergebnisberichts und einer Dokumentation (z. B. Verlauf, Arbeitsergebnisse, Wirkungen, Erfahrungen) verlangt werde. Mit Schreiben vom 14. Juni 2010 hatte sie den Kläger an die Einreichung von Nachweisen erinnert und ihm hierfür eine Frist bis zum 30. Juli 2010 gesetzt. Zugleich hatte sie darauf hingewiesen, dass die Leistungen ganz oder teilweise versagt werden könnten, wenn der Kläger seine Mitteilungspflicht nicht nachkomme.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2011 verwarf das nunmehr zuständige Jobcenter Nordsachsen, der Beklagte, den Widerspruch des Klägers gegen den Erstattungsbescheid vom 15. Oktober 2010 als unzulässig, da die Widerspruchsfrist nicht eingehalten worden sei.

Der Beklagte behandelte den Widerspruch im Schreiben vom 22. November 2010 als Überprüfungsantrag und lehnte diesen mit Bescheid vom 10. Februar 2011 ab. Der Erstattungsbescheid vom 15. Oktober 2010 sei in der Sache nicht zu beanstanden. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 10. März 2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2011 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 30. Juni 2011 Klage erhoben. Er hat darauf hingewiesen, dass er in Bezug auf die Fördermaßnahme Nr. 6092/09 nach Erhalt des Hinweisschreibens zum Fristablauf der Beklagten telefonisch die Gründe für die verzögerte Vorlage der Unterlagen mitgeteilt habe.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 13. Juli 2012 der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 10. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2011 sowie den Bescheid vom 15. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2011 aufgehoben. Der Erstattungsbescheid vom 15. Oktober 2010 sei rechtswidrig. Der Beklagte könne sich nach Treu und Glauben nicht auf die Ausschlussfrist nach § 326 Abs. 2 SGB III berufen, da er den Kläger im Ausgangsbescheid nicht hinreichend deutlich und klar belehrt habe. Zudem seien das Erinnerungsschreiben und der unrichtige Hinweis in Bezug auf die Fördermaßnahme 6092/09 zu würdigen. Diese seien geeignet gewesen, beim Kläger weitere Ungewissheiten über das Bestehen und die tatsächlichen Folgen einer Überschreitung der Ausschlussfrist hervorzurufen.

Der Beklagte hat am 10. August 2012 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, die Ausschlussfrist von § 326 Abs. 2 SGB III zur Kenntnis zu nehmen. Der Hinweis im Bewilligungsbescheid vom 23. Juni 2009 sei ausreichend gewesen. Zu einer weitergehenden Belehrung habe keine Verpflichtung bestanden. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben könne ihm nicht vorgeworfen werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 13. Juli 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung nochmals die Umstände vorgetragen, die zur verspäteten Schlussabrechnung geführt hätten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogenen Verwaltungsakten zu den Fördermaßnahmen 6044/09 und 6092/09 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 13. Juli 2012 ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers bedarf der Auslegung (vgl. § 123 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Der Kläger begehrt im Kern, dass der Erstattungsbescheid vom 15. Oktober 2010 aufgehoben wird. Hierfür ist es einerseits erforderlich, dass der ablehnenden Überprüfungsbescheid vom 10. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2011 aufgehoben wird. Damit ist allerdings der Erstattungsbescheid vom 15. Oktober 2010 noch nicht in seinem Bestand berührt. Es ist deshalb andererseits erforderlich, dass auch der Erstattungsbescheid beseitigt wird. Diese Bescheidaufhebung kann unmittelbar vom Gericht ausgesprochen werden. Es ist nicht notwendig, den Urteilsausspruch lediglich darauf zu beschränken, dass der Beklagte zu Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 15. Oktober 2010 verpflichtet wird (vgl. zur Statthaftigkeit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage bei einem auf eine Leistungsgewährung abzielenden Überprüfungsantrag: vgl. hierzu Sächs. LSG, Urteil vom 3. April 2008 – L 3 AS 164/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 27; Udsching, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens [6. Aufl., 2011], IV. Kapitel Rdnr. 76).

2. Das dergestalt sachdienlich auszulegende Klagebegehren des Klägers bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 10. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2011 und einer Verpflichtung der Beklagten auf Rücknahme des Erstattungsbescheides vom 15. Oktober 2010. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts erweist sich der Erstattungsbescheid als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

a) Die Beklagte hat zu Recht mit dem Erstattungsbescheid vom 15. Oktober 2010 die Erstattung der mit Förderbescheid vom 23. Juni 2009 bewilligten und ausgezahlten Förderleistungen in Höhe von 22.939,20 EUR vom Kläger geltend gemacht.

(1) Nach § 326 Abs. 1 Satz 1 SGB III gilt für Leistungen an einen Maßnahmenträger, dass dieser der Agentur für Arbeit innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten die Unterlagen vorzulegen hat, die für eine abschließende Entscheidung über den Umfang der zu erbringenden Leistungen erforderlich sind (Gesamtabrechnung). Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Maßnahme beendet worden ist (vgl. § 326 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Erfolgt die Gesamtabrechnung nicht rechtzeitig, sind nach § 326 Abs. 2 SGB III die erbrachten Leistungen vom Träger in dem Umfang zu erstatten, in dem die Voraussetzungen für die Leistungen nicht nachgewiesen worden sind.

Sinn und Zweck dieser Regelungen ist es, dass Träger von geförderten Maßnahmen mitwirken, damit die Agentur für Arbeit die erforderlichen Entscheidungen insbesondere hinsichtlich der Leistungshöhe zeitnah treffen kann (vgl. BT-Drucks. 13/4941).

Die Regelung von § 326 Abs. 2 SGB III räumt der Agentur für Arbeit als "Druckmittel" in Bezug auf die erbrachten Leistungen einen selbständigen Erstattungsanspruch ein, wenn die Gesamtabrechnung nicht rechtzeitig erfolgt (vgl. Hassel, in: Brand, SGB III [6. Aufl., 2012], § 326 Rdnr. 3). § 326 Abs. 2 SGB III stellt einen eigenständigen Erstattungsanspruch dar mit der Folge, dass die Anforderungen an die Entscheidung über die Aufhebung von Verwaltungsakten und die Erstattung bereits erbrachter Leistungen, die sich sonst aus den §§ 45, 48 SGB X (i. V. m. § 330 SGB III) sowie § 50 SGB X ergeben, vermindert werden und es insbesondere auf die dort normierten subjektiven Voraussetzungen nicht ankommt (vgl. Kallert, in: Gagel, SGB II/SGB III [53. Erg. Lief, 2014], § 326 SGB III Rdnr. 14). Die Folgen für den Maßnahmenträger sind daher für den Fall der verspäteten Unterlageneinreichung erheblich; er ist quasi formell präkludiert (vgl. Kaminski, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar Sozialrecht, [34. Edition, Stand: 1. Juni 2014], § 326 Rdnr. 6; Leitherer, in: Eicher/Schlegel, SGB III [126. Erg., April 2014], § 326 Rdnr. 28). Den Maßnahmenträger trifft in diesem Fall die Erstattungsrechtsfolge unabhängig davon, ob die Maßnahme an sich materiell rechtmäßig und tatsächlich abgewickelt wurde (vgl. Kaminiski, a. a. O.).

(2) Die Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch nach § 326 Abs. 2 SGB II liegen vor.

(2.1) Der Erstattungsbescheid vom 15. Oktober 2010 ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insoweit ist unerheblich, dass die ARGE den Kläger nicht vor Erlass des Erstattungsbescheids angehört hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob die ARGE den Kläger vor Erlass des Erstattungsbescheides überhaupt hätte anhören müssen, oder ob von der Anhörung nach § 24 Abs. 2 SGB X ausnahmsweise abgesehen werden konnte. Denn ein etwaiger Anhörungsmangel wurde jedenfalls entsprechend § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X im Überprüfungs- und Widerspruchsverfahren nach geheilt.

(2.2) Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann der Beklagte die Erstattung der dem Kläger gewährten Förderleistungen verlangen.

Die ARGE hatte dem Kläger als Träger einer Maßnahme Förderleistungen im Rahmen einer Eingliederungsmaßnahme als Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante nach § 16d Satz 1 SGB II (in der vom 1. Januar 2009 bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung, vgl. Artikel 2 Nr. 6 des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 [BGBl. I S. 2917]) gewährt. Mit der Gewährung einer solchen Eingliederungsleistungen erbrachte die ARGE nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II Leistungen im Sinne von § 35 SGB III und übernahm damit eine Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit in Bezug auf Vermittlung und Eingliederung des Leistungsempfängers im Bereich des SGB II (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II gelten für Leistungen nach Absatz 1 die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen des SGB III, soweit nach dem SGB II nichts Abweichendes geregelt ist. Abweichendes regelte § 16d Satz 1 SGB II a. F. nicht, so dass die Anwendbarkeit von § 326 SGB III im Verhältnis zwischen dem Beklagten als Leistungsträger und dem Kläger als Maßnahmeträger gegeben ist.

Der Kläger legte die Unterlagen, die für eine abschließende Entscheidung über den Umfang der zu erbringenden Leistungen erforderlich waren, unstreitig nicht innerhalb der Ausschlussfrist von sechs Monaten vor.

Nach § 326 Abs. 1 Satz 2 SGB III begann diese mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Maßnahme beendet wurde. Die Maßnahme endete zum 31. Dezember 2009, so dass der Fristbeginn gemäß § 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 1. Januar 2010 war. Gemäß § 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB endete die Sechs-Monats-Frist damit am 30. Juni 2010. Maßgebend für die Fristwahrung war der Eingang der Unterlagen bei der Beklagten. Diese wurden erst Mitte Oktober 2010 und damit deutlich nach Ablauf der Ausschlussfrist vorgelegt.

(2.3) Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger vor Fristablauf an die Vorlage der Unterlagen zu erinnern. Die Mitwirkungsobliegenheit nach § 326 SGB III besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob der Träger von der Bundesagentur für Arbeit zur Vorlage von Unterlagen aufgefordert wurde (vgl. Kallert, a. a. O., § 326 Rdnr. 8a; Leitherer, a. a. O., § 326 Rdnr. 25).

(2.4) Schließlich ist der geltend gemachte Erstattungsanspruch auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Nach § 326 Abs. 2 SGB III sind die erbrachten Leistungen vom Träger in dem Umfang zu erstatten, in dem die Voraussetzungen für die Leistungen nicht nachgewiesen worden sind. Vorliegend musste die Beklagte die Erstattung sämtlicher zur Auszahlung gelangten Fördermittel verlangen, da der Kläger innerhalb der gesetzlichen Frist keine Unterlagen vorgelegt hatte, die das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen zumindest teilweise hätten nachweisen können. Der eindeutige Wortlaut von § 326 Abs. 2 SGB III ("sind [ ] zu erstatten") gebietet zwingend die Rückzahlung und damit die Erstattung von erbrachten Leistungen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Es gibt weder eine Rechtsgrundlage, auf Grund derer die Rückforderung im Ermessen der Behörde stehen würde, noch eine Härtefallregelung für säumige Maßnahmeträger.

b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Ausschlussfrist von § 326 Abs. 1 SGB III ist nicht möglich.

Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Wiedereinsetzung ist jedoch gemäß § 27 Abs. 5 SGB X unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird in § 27 Abs. 5 SGB X nicht vorgeschrieben, wie im jeweiligen Gesetz dieser Ausschluss anzuordnen ist. Die Verwendung des Wortes "Ausschlussfrist" bei einer Fristbestimmung in einer verwaltungsrechtlichen Vorschrift, die nach Inkrafttreten des SGB X am 1. Januar 1981 erlassen worden ist, weist regelmäßig darauf hin, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung einer solchen Frist ausgeschlossen sein soll (vgl. BSG, Urteil vom 5. Februar 2004 – B 11 AL 47/03 RSozR 4-4300 § 325 Nr. 1 – JURIS-Dokument Rdnr. 12 [zu § 325 Abs. 4 Satz 2 SGB III (Wintergeld) in der bis zum 31. Oktober 2006 geltenden Fassung]; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Februar 2011 – L 3 AL 2195/10 – JURIS-Dokument Rdnr. 23 [zu § 325 Abs. 3 SGB III (Kurzarbeitergeld)).

Eine Sondervorschrift im Sinne von § 27 Abs. 5 SGB X ist die über die Versäumung der Ausschlussfrist von § 326 SGB III (so: Kallert, a. a. O., § 326 Rdnr. 9a; Kaminski, a. a. O., § 326 Rdnr. 6; Leitherer, a. a. O., § 326 Rdnr. 28). Dies folgt nicht nur daraus, dass das Wort "Ausschlussfrist" in § 326 Abs. 1 Satz 1 SGB III enthalten ist, sondern auch aus der beschriebenen gesetzgeberischen Intention, den Träger von geförderten Maßnahmen zur Mitwirkung anzuhalten, damit die Agentur für Arbeit zeitnah die abschließende Entscheidung treffen kann.

Unabhängig davon ist aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger unverschuldet die Ausschlussfrist versäumt haben könnte. Er kann sich nicht darauf berufen, dass dem Vereinsvorstand die maßgebenden Unterlagen wegen des Ausscheidens der mit der Abwicklung der Fördermaßnahme betrauten Mitarbeiterin nicht vorgelegt wurden. Die Erfüllung der Pflichten gegenüber der Beklagten oblag dem Vorstand, da dieser gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) den Verein gerichtlich und außergerichtlich vertritt und die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat. Für den Vorstand handelte vorliegend der Vorsitzende. Dieser hatte persönlich den Förderantrag gestellt und den Förderbescheid erhalten. Nach Ausscheiden der Mitarbeiterin hätte er dafür Sorge tragen müssen, dass Geschäfte des Vereins ordnungsgemäß weitergeführt werden und die behördlichen Vorgaben und Auflagen erfüllt werden. Ein etwaiges organisatorisches Verschulden innerhalb des Vereins muss sich der Verein zurechnen lassen.

c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme des Erstattungsanspruchs aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung (vgl. § 14 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]) und Auskunft (vgl. § 15 SGB I), verletzt hat. Weiter ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 15/10 R – SozR 4-1500 § 193 Nr. 6 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 39; m. w. N.; BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 29/10 R – SozR 4-1200 § 14 Nr. 15 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 12; m. w. N.; Hassel, in: Brand, SGB III [6. Aufl., 2012], § 323 Anh Rdnr. 28, ff.). Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 166/11 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 31 – JURIS-Dokument Rdnr. 27, m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 27. September 2012 – L 3 AS 329/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 32, m. w. N., Sächs. LSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – L 3 AL 100/12 – JURIS-Dokument Rdnr. 33; Hassel, a. a. O., Rdnr. 29).

Die Pflicht zur Beratung nach § 14 SGB I besteht auch im Verhältnis zwischen einem Leistungsträger und einem Maßnahmenträger Der Maßnahmenträger ist auf die Ausschlussfrist von § 326 Abs. 2 SGB III hinzuweisen und über Folgen einer verspäteten Vorlage der geforderten Unterlagen zu belehren (vgl. Kallert, a. a. O., § 326 Rdnr. 9a). Wenn ein solcher Hinweis unterbleibt, sind die nachgereichten Unterlagen als rechtzeitig vorgelegt zu behandeln (vgl. Kallert, a. a. O.).

Gleichwohl kann sich der Kläger aber entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht darauf berufen, dass er nicht ausreichend auf die bestehende Ausschlussfrist von sechs Monaten für die Vorlage der Gesamtabrechnung hingewiesen und über die Folgen einer Fristversäumnis belehrt wurde. Der Kläger wurde im Förderbescheid vom 23. Juni 2009 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die bewilligten Förderleistungen zur Schlussabrechnung durch Belege im Original sowie Lohnnachweise/Lohnjournale für eine abschließende Entscheidung über den Umfang der Förderung innerhalb der Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Beendigung der Maßnahme nachzuweisen ist, sowie darüber, dass in dem Umfang, in dem die Voraussetzungen nicht nachgewiesen werden, die erbrachten Leistungen nach § 326 SGB III zu erstatten sind. Die Belehrung war vollständig, klar und unzweideutig (vgl. zur inhaltlich hinreichenden Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X: BSG, Urteil vom 30. August 2001 – B 4 RA 114/00 RSozR 3-2600 § 149 Nr. 6 = JURIS-Dokument Rdnr. 25; Sächs. LSG, Urteil vom 8. Mai 2014 – L 3 AS 518/12 – JURIS-Dokument Rdnr. 33, m. w. N.). Dem Kläger konnten daher die Folgen eines Verstoßes gegen die Förderbestimmungen bekannt sein. Ob die zur Vertretung des Klägers berufenen Vereinsmitglieder den Fördermittelbescheid vollständig zur Kenntnis genommen hatten, ist hingegen unerheblich. Denn es besteht eine Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R – SozR 3-2600 § 45 Nr. 45 = JURIS-Dokument Rdnr. 25).

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ergibt sich eine über den Inhalt der Belehrung des Förderbescheids vom 23. Juni 2009 hinausgehende Hinweispflicht der Beklagten vorliegend auch nicht aus dem Umstand, dass annähend zeitgleich eine weitere Fördermaßnahme durchgeführt wurde (Fördermaßnahme Nr. 6092/09), im Rahmen derer der Kläger über die Regelung des § 326 Abs. 2 SGB III gesondert belehrt wurde. Denn im Gegensatz zur vorliegenden Förderangelegenheit enthielt der Bewilligungsbescheid vom 15. Juli 2009 zur Fördermaßnahme Nr. 6092/09 keinen Hinweis auf die Ausschlussfrist nach § 326 Abs. 2 SGB III. Der Beklagte war deshalb auf der Grundlage der oben beschriebenen Hinweispflicht gehalten, den Kläger zur Vorlage der Unterlagen unter Hinweis auf die Folgen der fehlenden Mitwirkungspflicht nach §§ 60, 66 SGB I aufzufordern. In der vorliegenden Fördermittelangelegenheit war dieser Hinweis jedoch bereits mit Bewilligungsbescheid enthalten, sodass ein nochmaliger Hinweis oder eine Erinnerung nicht geboten war.

Das Hinweisschreiben vom 15. Juni 2010 zur Fördermaßnahme Nr. 6092/09 war auch nicht geeignet, beim Kläger Unklarheiten über seine Mitwirkungspflichten zu verursachen. widersprüchlich. Aus der Sicht eines ein verständigen, objektiven Erklärungsempfängers (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 20/09 RBSGE 105, 194 ff. = SozR 4-4200 § 31 Nr. 2 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 13, m. w. N.; Sächs. LSG, Urteil vom 8. Mai 2014, a. a. O., JURIS-Dokument Rdnr. 36, m. w. N.). durfte der Kläger nicht davon ausgehen, dass sich diese Aufforderung auch auf die Fördermaßnahme Nr. 6044/09 bezog. Das Schreiben wies ausdrücklich auf die Fördermaßnahme Nr. 6092/09 hin und enthielt auch in der Überschrift den Zusatz "Mehraufwandsentschädigung – Zusatzjobs". Es gab keinen Ansatzpunkt für die Annahme, das Hinweisschreiben vom 15. Juni 2010 würde auch für weitere Förderangelegenheiten gelten oder es werde in anderen Förderangelegenheiten entsprechend verfahren.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

III. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Dr. Scheer Atanassov Krewer
Rechtskraft
Aus
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