L 1 KR 501/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 211 KR 809/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 501/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2012 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin bei dem Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt gewesen ist.

Am 24. April 2008 stellte die 1966 geborene Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Sie gab an, dass sie mehrere Monate in den Jahren von 1999 bis 2003 bei dem Beigeladenen zu 1) in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Seit 2005 sei sie beim Jobcenter arbeitsuchend gemeldet, ihr Einkommen aus selbständiger Tätigkeit reiche zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht aus. Seitdem biete sie touristische Dienstleistungen wie Gästebetreuung als Reiseleiter, Entwicklung und Inszenierung von Reiseprogrammen, Ausarbeitung und Durchführung von Stadtrundfahrten, Organisation und Begleitung von Busreisen als Reiseleiter, Kongress- und Hostess-Service sowie die Betreuung von Firmenevents an und habe sich durch den Besuch von Seminaren auch entsprechend weiterqualifiziert. Spezialisiert sei sie auf Reisen mit behinderten Menschen, mit Sportgruppen und Vereinen sowie mit Geschäftsreisenden. Sie werde oft von Unternehmen wegen ihrer Fähigkeit eingesetzt, einen Reisebus fahren zu dürfen. Neben ihrer eigentlichen Tätigkeit als Reiseleiter könne sie für wenige Stunden das Fahren übernehmen, für das wegen der vorgegebenen Lenk- und Ruhezeiten ansonsten ein zweiter Busfahrer eingesetzt werden müsse. Sie sei bedingt in die Arbeitsorganisation des jeweiligen Auftraggebers eingegliedert, da sie den Bus als Arbeitsmittel benutze. Es bestehe auch ein auf den Erfolg bezogenes Weisungsrecht des Auftraggebers, da sie bei Auftragsannahme bestimmte Tätigkeiten verspreche. Die Bindung an Zeiten und Orte ergebe sich aus der Natur der Sache. Die Klägerin benannte mehrere Auftraggeber, beantragte aber nur die Klärung ihres Status in Bezug auf den Beigeladenen zu 1). Sie legte drei von ihr für den Beigeladenen zu 1) erstellte Rechnungen über Reiseleitertätigkeiten in den Monaten März bis Mai 2008 vor.

Mit Schreiben vom 7. Juli 2008 hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) zu ihrer Absicht an, das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses festzustellen. Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) entgegneten, dass die Beklagte nicht das Gesamtbild der Tätigkeit berücksichtige, sondern sich auf bestimmte Teilbereiche beschränke. Durch an die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) adressierten Bescheid vom 29. September 2008 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ihre Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1) als Gästebetreuerin, Reiseleiterin und Busfahrerin ab dem 1. März 2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Die Klägerin legte (ebenso wie der Beigeladene zu 1)) Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, dass auf ihre Argumentation nicht eingegangen worden sei und ihre Tätigkeit reduziert werde. Die Betrachtung sei einseitig und berücksichtige nicht alle relevanten Tatsachen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 8. April 2009 zurück.

Mit der am 13. Mai 2009 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 29. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2009 sowie die Feststellung begehrt, dass kein Beschäftigungsverhältnis vorliege. Sie hat die von ihr in dem Zeitraum von März 2008 bis Juli 2009 an verschiedene Auftraggeber, darunter auch den Beigeladenen zu 1), erstellten Rechnungen vorgelegt.

Durch Bescheid vom 20. Mai 2010 änderte die Beklagte den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass für die Klägerin in ihrer seit dem 13. März 2008 bei dem Beigeladenen zu 1) ausgeübten Beschäftigung Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

Das Sozialgericht hat die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung zu den Umständen der Tätigkeit näher befragt. Durch Urteil vom 7. November 2012 hat es den angefochtenen Bescheid aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin ihre für den Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1. März 2008 bis 30. April 2009 ausgeübte Tätigkeit nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses verrichtet hat und durch diese Tätigkeit nicht versicherungspflichtig in der Kranken- Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung geworden ist. Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide ergebe sich zunächst daraus, dass die Beklagte nicht festgestellt habe, an welchen Tagen des streitigen Zeitraums die Klägerin bei dem Beigeladenen zu 1) beschäftigt gewesen sei. Wenn die Klägerin aber ununterbrochen beschäftigt gewesen wäre, sei mit den für die 14 Monate vorgelegten Rechnungen über insgesamt 4.800,39 EUR nur ein Durchschnittsentgelt von 342,89 EUR und damit unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze von 400,- EUR monatlich belegt. Feststellungen zu weiteren geringfügigen Beschäftigungen habe die Beklagte ebenfalls nicht getroffen. Auch würden die Merkmale einer Selbständigkeit überwiegen. Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) hätten übereinstimmend kein Arbeitsverhältnis begründen wollen. Zudem sei es nur an einem oder wenigen Tagen im Monat zu einer Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen zu 1) gekommen. Wegen des Nichtabschlusses eines schriftlichen Vertrags wäre schon mit dem ersten Auftrag ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen worden, was aber nicht im Interesse der Beteiligten gelegen habe. Die Klägerin sei auch bei Annahme eines Auftrags nicht persönlich abhängig von dem Beigeladenen zu 1) gewesen. Zwar sei sie für die Durchführung eines Auftrags auf die von dem Beigeladenen zu 1) zur Verfügung gestellten Mittel angewiesen gewesen. Das sei aber auch bei einem Werkunternehmer entsprechend § 642 Bürgerliches Gesetzbuch der Fall. Die Klägerin sei nicht wie eine Arbeitnehmerin in den Betriebsablauf des Klägers eingegliedert gewesen. Sie habe Aufträge ablehnen können und sich nicht vertraglich für längere Zeiträume gebunden. Sie sei in keine Dienstpläne eingebunden gewesen und habe nicht einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht unterlegen. Vielmehr seien diese Modalitäten vertraglich festgelegt worden. Auch die Weisungen, welche der Klägerin nach der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrzeugen im Personenverkehr hätten erteilt werden können, seien mit denen vergleichbar, denen jeder Werkunternehmer unterliege. Das Unternehmerrisiko der Klägerin ergebe sich daraus, dass sie auch nach Annahme eines Auftrags nur für die erbrachten Leistungen bezahlt wurde. Entgeltfortzahlung sei weder für den Fall der Krankheit noch den eines Urlaubs vereinbart gewesen. Wäre eine Reise/Fahrt nicht zustande gekommen, habe die Klägerin keine Vergütung beanspruchen können.

Gegen das ihr am 14. November 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Dezember 2012 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Beklagten. Das Sozialgericht habe zwar festgestellt, dass die Klägerin als Zweitfahrerin/Begleiterin regelmäßig auch den Bus des Beigeladenen zu 1) gefahren habe, daraus aber keine rechtlichen Schlüsse gezogen. Damit habe das Sozialgericht vorliegende Rechtsprechung der Landessozialgerichte zu Kraftfahrern ohne eigenes Fahrzeug missachtet (Hinweis auf Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 23. Februar 2010 – L 11 R 578/09 und vom 2. September 2011 – L 4 R 1036/10 sowie des LSG Berlin-Brandenburg v. 25. Februar 2011 – L 1 KR 100/09). Das Bundessozialgericht (BSG) stelle entscheidend auf die rechtliche Zulässigkeit ab (Hinweis auf Urteile v. 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R). Nach dem Personenbeförderungsgesetz bedürfe jeder Unternehmer zur entgeltlichen oder geschäftsmäßigen Beförderung von Personen der Genehmigung. Eine entsprechende Genehmigung habe aber nur der Beigeladene zu 1), nicht die Klägerin, weswegen sie bereits aus Rechtsgründen keine eigenen Busfahrten habe durchführen können. Im Sinne des BSG habe die Klägerin auch kein Unternehmerrisiko getragen sondern lediglich ihre Arbeitskraft eingesetzt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für rechtmäßig. Die Merkmale der Selbständigkeit würden überwiegen. Auf das Busfahren komme es nicht wesentlich an. Die von der Beklagten in Bezug genommenen Urteile beträfen andere Sachverhalte. Auch ein eventueller Verstoß gegen das Personenbeförderungsgesetz sei unbeachtlich. Ein Personenbeförderungsschein könne in kurzer Zeit nachgeholt werden. Die Frage des Vorliegens eines Verstoßes gegen eine Vorschrift könne nicht über die Einordnung als Selbständiger entscheiden. Gerade ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung sei einer unternehmerischen Tätigkeit zuzuordnen. Eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz habe sie – die Klägerin – nie gehabt.

Die Beklagte hat durch Bescheid vom 26. Februar 2013 den Bescheid vom 20. Mai 2010 hinsichtlich des Zeitraums der ausgeübten Tätigkeit zurückgenommen und nunmehr festgestellt, dass die Klägerin bei dem Beigeladenen zu 1) versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist in der Zeit vom 13. März 2008 bis 15. März 2008, 20. März 2008 bis 23. März 2008 und 24. März 2008, 29. März 2008 bis 2. April 2008, 17. April 2008 bis 19. April 2008, 27. April 2008 bis 29. April 2008, am 20. Mai 2008, vom 5. Juni 2008 bis 12. Juni 2008, vom 18. Juli 2008 bis 21. Juli 2008, vom 25. Juli 2008 bis 28. Juli 2008, vom 1. August 2008 bis 4. August 2008, vom 16. August 2008 bis 18. August 2008, am 21. August 2008, vom 9. Januar 2009 bis 13. Januar 2009, vom 13. Januar 2009 bis 17. Januar 2009, vom 18. Januar 2009 bis 22. Januar 2009, vom 12. Februar 2009 bis zum 16. Februar 2009, am 7. März 2009 und vom 10. März 2009 bis 15. März 2009.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin mit ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand. Der Bescheid der Beklagten vom 29. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2009 und des Bescheides vom 20. Mai 2010 ist auch in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. Februar 2013 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin stand entgegen den Feststellungen der Beklagten nicht vom 13. März 2008 an als Gästebetreuerin, Reiseleiterin und Busfahrerin bei dem Beigeladenen zu 1) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, das Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung begründete.

Allerdings sind die angefochtenen Bescheide nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil die Beklagte Feststellungen zur Versicherungspflicht erst im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens durch den Bescheid vom 20. Mai 2010 und dann durch den Bescheid vom 26. Februar 2013 nachgeschoben hat. Diese Bescheide sind nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (BSG, Urt. v. 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R – juris Rn 13), so dass über die angefochtenen Bescheide nunmehr in der Gestalt zu entscheiden ist, die sie durch den Bescheid vom 26. Februar 2013 gefunden haben.

Zu Unrecht hat die Beklagte aber das Vorliegen von Versicherungspflicht auf der Grundlage einer abhängigen Beschäftigung angenommen. Der Eintritt von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit gegen Entgelt bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI. Die für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung sowie der Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung danach erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV näher definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (vgl. zum Ganzen BSG Urt. v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris Rn 16).

Die Klägerin ist für den Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 13. März 2008 bis 15. März 2008, 20. März 2008 bis 23. März 2008 und 24. März 2008, 29. März 2008 bis 2. April 2008, 17. April 2008 bis 19. April 2008, 27. April 2008 bis 29. April 2008, am 20. Mai 2008, vom 5. Juni 2008 bis 12. Juni 2008, vom 18. Juli 2008 bis 21. Juli 2008, vom 25. Juli 2008 bis 28. Juli 2008, vom 1. August 2008 bis 4. August 2008, vom 16. August 2008 bis 18. August 2008, am 21. August 2008, vom 9. Januar 2009 bis 13. Januar 2009, vom 13. Januar 2009 bis 17. Januar 2009, vom 18. Januar 2009 bis 22. Januar 2009, vom 12. Februar 2009 bis zum 16. Februar 2009, am 7. März 2009 und vom 10. März 2009 bis 15. März 2009 tätig geworden. Das ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Rechnungen, in denen sie dem Beigeladenen zu 1) ihre Leistungen für die genannten Zeiträume in Rechnung stellt.

Gegenstand der Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen zu 1) während dieser Zeiten war die einer Reiseleiterin und Busfahrerin sowie die Betreuung von Gästen. Für den Inhalt der Tätigkeit der Klägerin bezieht sich der Senat auf die insoweit übereinstimmenden Angaben der Klägerin und des Beigeladenen zu 1), deren Wahrheitsgehalt auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird.

Die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung ist nicht allein nach dem Gegenstand einer verrichteten Dienstleistung vorzunehmen. Manche Dienstleistungen, insbesondere persönlich geprägte Dienstleistungen, können sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden (BSG Urt. v. 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R – jurisRn 17). Die Abgrenzung hat bezogen auf die jeweilige Tätigkeit zu erfolgen und alle nach der Lage des jeweiligen Einzelfalles relevante Indizien zu berücksichtigen, die in einer Gesamtschau gewichtet und gegeneinander abgewogen werden müssen. Die Annahme einer selbständigen Tätigkeit ist danach nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin auch als Busfahrerin für den Beigeladenen zu 1) tätig geworden ist, ohne selbst die nach dem Personenbeförderungsgesetz für einen Unternehmer erforderliche Genehmigung zu haben. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass auch der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung einen angeblich "freiberuflichen" Busfahrer als abhängig Beschäftigten angesehen hat (Urt. v. 25. Februar 2011 – L 1 KR 100/09), ebenso wie das LSG Stuttgart in seinen von der Beklagten zitierten Urteilen. Die Beklagte übersieht insoweit, dass das Busfahren nur einen Teilbereich der von der Klägerin für den Beigeladenen zu 1) übernommenen Tätigkeiten ausmacht. In den vom LSG Stuttgart entschiedenen Fällen erschöpfte sich die Tätigkeit im Busfahren. Gegenstand der Entscheidung des Senats v. 25. Februar 2011 war eine Tätigkeit als Busfahrer, bei der lediglich ergänzend und auf eigene Rechnung Versorgungswünsche der Reisenden erfüllt wurden. Die Klägerin wurde aber auch als Reiseleiterin für den Beigeladenen zu 1) tätig und gerade wegen dieser Tätigkeit von dem Beigeladenen zu 1) beauftragt. Die Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen zu 1) kann aber nur insgesamt entweder als abhängige Beschäftigung oder als selbständige "freie Mitarbeit" anzusehen sein. Entscheidend ist danach, welche Art von Dienstleistung der Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen zu 1) das Gepräge gab.

Nach Auffassung des Senats stand bei der Tätigkeit der Klägerin nicht das Busfahren, sondern die reiseleitende oder –begleitende Tätigkeit im Vordergrund. Das ergibt sich insbesondere aus der Einlassung des Beigeladenen zu 1) in dem Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten, dass er die Klägerin mit der Ausarbeitung oder Durchführung von Reisen beauftrage. Auch werde er manchmal von der Klägerin als Busunternehmer für eine Reise gebucht, welche die Klägerin selbst ausgearbeitet und an eigene Kunden "verkauft" habe. Vor dem Sozialgericht hat der Beigeladene zu 1) weiter erklärt, dass die Klägerin als Busfahrerin insbesondere dann eingesprungen sei, wenn er wegen der vorgeschriebenen Lenk-und Ruhezeiten nicht alleine fahren konnte. Das spricht alles dafür, dass das Busfahren nur nebenbei auch Gegenstand der Tätigkeit der Klägerin gewesen ist, nicht aber deren hauptsächlicher Inhalt. Danach kann die Selbständigkeit der Klägerin nicht bereits deswegen verneint werden, weil sie in dem fraglichen Zeitraum ergänzend als Busfahrerin für den Beigeladenen zu 1) tätig geworden ist. Entsprechend ist auch nicht entscheidend, ob die nach dem Personenbeförderungsgesetz für Unternehmer erforderliche Genehmigung vorgelegen hat, wobei zusätzlich darauf hinzuweisen ist, dass beförderungsrechtlich nicht unproblematisch ist, ob und inwieweit eine solche Genehmigung auch für "freie Mitarbeiter" eines Unternehmers erforderlich ist (vgl. OVG Hamburg, Beschluss v. 10. Januar 2012 – 3 Bf 219/09 - juris).

Schriftliche vertragliche Abreden über die Tätigkeit haben die Beteiligten nicht getroffen. Allerdings ergibt sich aus den Einlassungen der Klägerin und des Beigeladenen zu 1), dass sie selbst bei der Regelung ihrer Verhältnisse von einer selbständigen Tätigkeit ausgingen.

Indessen sind die Tatbestände, die zum Entstehen von Versicherungspflicht führen, gesetzlich geregelt und insoweit nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen. Bei Abschluss eines Dienstvertrages haben die Beteiligten nicht das Wahlrecht, ob sie eine abhängige Beschäftigung begründen wollen oder nicht. Unabhängig von den Rechtsfolgen, welche von den Beteiligten selbst gewünscht waren, ist eine abhängige Beschäftigung und damit Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung anzunehmen, wenn das Dienstverhältnis so ausgestaltet ist, dass es die Voraussetzungen dieses Rechtbegriffes erfüllt. Dabei ist die von den Beteiligten selbst vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Einordnung ihrer Rechtsbeziehungen nur eines von mehreren Indizien. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist (auch) die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welchen gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (BSG Urt. v. 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris Rn 17; Urt. v. 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris Rn 17).

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entscheidet über das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung insbesondere das Ausüben einer Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Dabei ist das Bestehen eines Weisungsrechtes kein Tatbestandsmerkmal, das von der Eingliederung in den Betrieb zu trennen wäre und dessen ausdrückliche Verabredung gesondert festgestellt werden müsste. Vielmehr äußert sich die persönliche Abhängigkeit regelmäßig durch die Eingliederung in einen fremden Betriebsablauf, die jedenfalls faktisch zu einer fremdbestimmten (=weisungsabhängigen) Tätigkeit führt (BSG, Urt. v. 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris Rn. 19).

Ausgehend von diesen Voraussetzungen kann der Senat nicht feststellen, dass die Klägerin weisungsgebunden für den Beigeladenen zu 1) tätig geworden ist. Die Klägerin hat bei ihrer Tätigkeit zwar die von dem Beigeladenen zu 1) gestellten Betriebsmittel, nämlich seinen Autobus, benutzt, dabei aber ihre eigenen arbeitstechnischen Zwecke verfolgt. Sie war (überwiegend) entweder als Reiseleiterin oder als Reisebegleiterin tätig und richtete ihre Tätigkeit danach an Zielen aus, die sich von dem reinen Transport der Reisenden unterschieden, dessen Abwicklung Sache des Beigeladenen zu 1) war. Das wird insbesondere daran deutlich, dass die Klägerin auch selbst organisierte Reisen durchführte, für die sie den Beigeladenen zu 1) als Busunternehmer "anmietete". Dass es solche Gestaltungen gegeben hat, ergibt sich aus den Angaben des Beigeladenen zu 1) gegenüber der Beklagten. Vergleichbar war die Situation, wenn der Beigeladene zu 1) selbst Auftragnehmer eines Kunden war und die Klägerin zur Abwicklung des Auftrags hinzuzog. Auch innerhalb eines fremden vorgegebenen organisatorischen Rahmens ist nämlich eine selbständige Tätigkeit möglich, wenn dem zur Dienstleistung Verpflichteten noch nennenswerte eigene Handlungsspielräume verbleiben, deren Umfang über das arbeitnehmertypische hinausgeht (BSG, Urt. v. 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R - Juris Rn 19). In der Rechtsprechung des BSG ist etwa für die Beurteilung von Lehrtätigkeiten anerkannt, dass eine abhängige Beschäftigung nicht bereits deswegen anzunehmen ist, weil dem Dozenten der äußere Ablauf seiner Lehrtätigkeit vorgegeben wird (vgl. BSG Urt. v. 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R – juris Rn 29 ). Allein der Zwang, sich inhaltlich an gewissen Vorgaben auszurichten, führt nicht zu Annahme von Weisungsgebundenheit. Tätigkeiten sind nämlich auch dann weisungsfrei, wenn zwar ihre Ziele vorgegeben werden, die Art und Weise der Ausführung aber dem Dienstleister überlassen bleibt. Entsprechend hat der Senat etwa für die Selbständigkeit vom Bundesrat beauftragter Führer des Besucherdienstes entscheidend darauf abgestellt, dass diese als Honorarkräfte im Kernbereich ihrer Tätigkeit frei waren (Urt. v. 15. Juli 2011 – L 1 KR 206/09 – juris Rn 171) und auch bei von Leistungserbringern beauftragten psychologischen Krisenberatern und Einzelfallhelfern eine selbständige Tätigkeit für möglich gehalten (Urt. v. 13. Dezember 2013 – L 1 KR 261/11 – Urt. v. 17. Januar 2014 – L 1 KR 175/12 -).

Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Klägerin in ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) nennenswerte eigene Gestaltungsspielräume verblieben. Dies gilt jedenfalls für die Fälle, in denen die Klägerin die Reiseleitung inne hatte und entsprechend schon im Vorfeld tätig werden musste. Die von der Klägerin herausgestellten und auch durch Fortbildungen belegten Fähigkeiten belegen, dass sie zur eigenverantwortlichen thematischen und organisatorischen Gestaltung von Reisen in der Lage war. Diese Art von Tätigkeiten hat den von der Klägerin für den Beigeladenen zu 1) erbrachten Dienstleistungen nach Auffassung des Senats das Gepräge gegeben und nicht das von der Beklagten herausgestellte tatsächlich aber nur aushilfsweise erfolgte Busfahren. Deswegen ist insgesamt von einer Tätigkeit mit erheblichen eigenen Gestaltungsmöglichkeiten auszugehen, die über das für Arbeitnehmer typische hinausgehen.

Im Übrigen liegen weitere auf eine selbständige Tätigkeit hindeutende Gesichtspunkte vor, wie etwa der Umstand, dass die Klägerin nachvollziehbar geschildert hat, dass sie ihre Reiseprogramme im Wesentlichen zuhause ausarbeitete und sich dabei eigener Arbeitsmittel bediente. Die Klägerin ist zudem in dem streitigen Zeitraum durchaus wie eine Unternehmerin am Markt aufgetreten. Sie hat auch anderen Busunternehmen ihre Dienstleistungen in Rechnungen gestellt, was durch die von ihr übersandten Rechnungen belegt wird. Nach der Aussage des Beigeladenen zu 1) hat die Klägerin zusätzlich eigene Kunden gehabt, denen gegenüber sie wie ein Reiseunternehmen aufgetreten ist. In einigen Fällen hat sie zudem Rechnungen für dieselbe Reise sowohl für den Beigeladenen zu 1) als auch für den Besteller der Busreise erstellt. Das betrifft die Reise vom 13. März 2008 bis zum 15. März 2008, vom 28. März 2008 bis 2. April 2009 und vom 17. April 2008 bis 19. April 2008. Damit ist die Einschätzung der Beklagten widerlegt, dass die Klägerin gegenüber den Reiseteilnehmern in den Bussen des Beigeladenen zu 1) immer nur wie dessen Mitarbeiterin aufgetreten ist.

Dass die Klägerin kein eigentliches Unternehmerrisiko trug, weil sie weder eigenes Kapital noch eigene Betriebsmittel in nennenswertem Umfang einsetzte, fällt demgegenüber nicht wesentlich ins Gewicht. Dies ist nämlich kennzeichnend für die Erbringung persönlich geprägter Dienstleistungen, ohne dass bereits deswegen regelmäßig eine Selbstständigkeit verneint werden könnte.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG, sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht erkennbar.
Rechtskraft
Aus
Saved