S 30 R 48/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 48/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 946/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Gerichtskosten.

III. Gegen dieses Urteil wird ohne vorheriges Berufungsverfahren unmittelbar die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung einer nach dem Tod des Berech-tigten weiter gezahlten Rente. Die bei der Beklagten versichert gewesene M. C. war am XX.XX.1934 geboren und am XX.XX.2004 verstorben. Ihr am XX.XX.1933 geborener Witwer H. C. bezog von der Beklagten eine Witwerrente. Er verstarb am XX.05.2011. Die Beklagte brachte auch noch die Rente für den Monat Juni 2011 zur Auszahlung. Der Zufluss auf dem Konto in Höhe von EUR 843,17 ist mit dem 31.05.2011 verbucht. Bereits am 27.05.2011 hatte die Beklagte unstreitig Kenntnis vom Tod des Rentners erlangt. Im Juni 2011 erfüllte sie verschiedene Lastschriften aus dem Konto. Sie konnte entsprechend einer Aufforderung der Klägerin einen Betrag von EUR 390,70 an die Klägerin zurücküberweisen. Mit drei Anhörungsschreiben vom 26.09.2011 machte die Klägerin bei verschiedenen Zahlungsempfängern (zwei Versicherungsunternehmen und ein städtischer Versorgungsbetrieb) Rückforderungsansprüche wegen der Restforderung von EUR 452,47 geltend und forderte auch die Schwiegertochter des Rentners im Hinblick auf ihre Verfügungsgewalt über das Konto zur Rückforderung eines Betrages von EUR 293,18 auf. Am 20.12.2011 erließ sie einen entsprechenden Bescheid an die Schwiegertochter. Nachdem diese ihre prekären wirtschaftlichen Verhältnisse offengelegt hatte, hob die Klägerin mit Bescheid vom 23.02.2012 den Bescheid vom 20.12.2011 auf, weil "die Voraussetzung für eine Rückforderung nach § 118 Abs. 4 S. 1 Sozialgesetzbuch 6 (SGB VI) von ihr als Verfügende nicht erfüllt" sei. Wegen eines mangelnden Erfolgs sämtlicher Rückforderungen forderte die Klägerin am 23.02.2012 von der Beklagten die Rücküberweisung von EUR 452, 47. Sie zitierte zur Begründung zunächst den Wortlaut des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI. Sodann verwies sie auf eine ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach der Rücküberweisungsanspruch nach § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI gegen das Geldinstitut "vorrangig" sei. Er mindere sich nur, soweit anderweitig über das Konto verfügt worden sei. Eine anderweitige Verfügung, die den Rücküberweisungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut mindert, liege allerdings dann nicht vor, wenn das Geldinstitut zum Zeitpunkt der Ausführung der Verfügung bereits Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers hatte oder grob fahrlässig nicht hatte (Urteil des BSG vom 03.06.2009, B 5 R 120/07 R). Vorliegend habe sich die Beklagte hinsichtlich der Verfügungen ab 24.06.2011 auf Auszahlung berufen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie aber nach eigenen Angaben bereits Kenntnis vom Tod des Berechtigten gehabt.

Die Verfügungen ab dem 27.05.2011 seien somit keine den Rücküberweisungsanspruch mindernde "anderweitige Verfügungen" Die Beklagte könne sich daher insoweit nicht auf Auszahlung berufen. Die Beklagte erwiderte, § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI stelle bezüglich der Frage, ob ein Rückzahlungsanspruch aufgrund von Verfügungen über das Guthaben besteht, allein auf den Zeitpunkt "bei Eingang der Rückforderung" ab. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung bestehe somit nach dieser Vorschrift nicht. Die Klägerin antwortete mit dem erneuten Hinweis auf die bereits am 27.05.2011 eingetretene Kenntnis der Beklagten vom Tod des Berechtigten. Die Klägerin stützt ihre Klage auf das bereits zitierte Urteil des BSG vom 03.06.2009, wo-nach eine den Rücküberweisungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut mindernde Verfügung nicht vorliege, wenn das Geldinstitut zum Zeitpunkt der Ausführung der Verfügung Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers hatte oder grob fahrlässig nicht hatte. Die Klage wurde nach Feststellung der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Sozialgerichts Augsburg an das erkennende Gericht verwiesen. Die Beklagte nahm am 18.03.2013 sehr ausführlich Stellung. Die Entstehungsgeschichte des § 118 SGB VI beweise, dass der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit den Rentenversicherungsträgern und den Geldinstituten weiterhin die vor Inkrafttreten des SGB VI übliche Praxis habe legitimieren wollen, wonach es für die Haftung des Geldinstitutes ausschließlich auf den Zeitpunkt des Ein-gangs der Rückforderung ankommen könne. Genauso wie diese historische Auslegung könne auch die grammatikalische Auslegung des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI mit dem schlichten Wortlaut "bei Eingang der Rückforderung" zu keinem anderen Ergebnis führen. Der Gesetzgeber habe an die Möglichkeit von Ausnahmen hierzu durchaus gedacht, als solche Ausnahmen jedoch abschließend die Variante formuliert, "dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann". Regele der Gesetzgeber die Tatbestandsvoraussetzungen und die Ausnahmen in einem Satz, so bleibe kein Raum für die Annahme, er habe noch weitere Ausnahmen im Sinn gehabt. Jeder Satz des § 118 Abs. 3 SGB VI habe seine eigene Ziel- und Zwecksetzung; sie könnten daher nicht miteinander vermengt werden. Zur Stützung ihrer Auffassung zitiert die Beklagte das BSG mit dem Urteil vom 13.11.2008, B 13 R 48/07 R. § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI diene hiernach zum einen der Be-wahrung der Solidargemeinschaft der Versicherten vor finanziellen Verlusten, zum anderen aber auch einem typisierenden Interessenausgleich zwischen Rentenversicherungsträger und Geldinstitut. Das Geldinstitut solle weder aus der ungerechtfertigten Rentenüberweisung wirtschaftliche Vorteile ziehen können noch bei ordnungsgemäßer Kontoführung wirtschaftliche Nachteile befürchten müssen.

Soweit das Geldinstitut vor Eingang des Rückforderungsverlangens in seiner Funktion als wirtschaftlich unbeteiligter Zahlungsmittel im Rahmen üblicher Kontoführung anderweitige Verfügungen ausgeführt hat, solle es den Verlust des Rentenversicherungsträgers nicht aus eigenem Vermögen ersetzen müssen (weitere Fundstellen BSG 22.04.2008 B 5a/4 R 65/07 R und B 5a R 120/07 R). Vor Eingang der Rückforderung sei die Bank zur Ermittlung des zurückzuüberweisenden Betrages und zur Einleitung der hierzu erforderlichen Schritte nicht verpflichtet und aus verschiedenen praktischen Gründen auch nicht fähig. Zunächst würde die Bank nicht er-kennen, ob hinter einer eingegangenen Überweisung die Erfüllung eines Anspruchs auf Zahlung einer gesetzlichen Rente stehe. Staatliche Rentenversicherungsträger würden nämlich auch private Zusatzrenten auszahlen. Des weiteren könnte die Bank nicht erkennen, ob der Kontoinhaber gleichzeitig auch der Leistungsempfänger ist. Die Rente könne nämlich auch für einen Dritten auf das betreffende Konto überwiesen worden sein, so dass der Tod des Kontoinhabers für die Rentenrückforderung irrelevant ist. Des weiteren könne die Bank auch nicht beurteilen, ob es sich um eine vor dem 31.03.2004 vorschüssig oder ab dem 01.04.2004 nachschüssig gezahlte Rente handelt. Das Gesetz gebe den Geldinstituten keine Rechtfertigung für die Sperre des Kontoguthabens in Höhe des Rentenbetrages, sondern lediglich eine Rechtfertigung für die Rücküberweisung des restlichen Betrages aus dem vorhandenen Guthaben. Die Geldinstitute würden sich Schadensersatzansprüchen aussetzen, wenn sie die Ausführung von Überweisungen in der reinen Erwartung eines Rückforderungsanspruchs des Rentenversicherungsträgers verweigern würden. Die Klägerin zitierte eine Vielzahl von Urteilen zur Stützung ihrer Auffassung, als neuestes Urteil dasjenige der 56. Kammer des erkennenden Gerichts vom 21.03.2013 mit dem Ak-tenzeichen S 56 R 2375/12. Laut Entscheidungen der Sozialgerichte Regensburg, Olden-burg, Stuttgart, Berlin, Köln und Heilbronn sowie laut mündlicher Ausführung des 14. Se-nates des LSG Nordrhein-Westfalen im Verfahren L 14 R 46/11 am 25.05.2012 gelte die Schutzregelung des § 118 Abs. 3 SGB VI nach Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers nicht mehr. Habe die Bank Kenntnis vom Tod und damit vom gesetzlichen Vorbehalt der Rentenleistung, dürfe sie keine Verfügungen mehr "zulasten der Rente" zulassen. Mit Hinweis auf das Urteil des BSG vom 22.04.2008 (B 13 R 48/07 R) entfalle der Grund für die Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen für das Geldinstitut, wenn es vom Ableben des Rentenempfängers bereits vor dem Rücküberweisungsverlangen des Rentenversicherungsträgers gewusst hat oder auch nur zu einer entsprechenden Prüfung Anlass gehabt hat. Damit habe das Geldinstitut "bei bestimmten Anlässen" sogar die Verpflichtung zur Prüfung, ob der Rentenversicherung verstorben ist.

Die Geldinstitute könnten auch aus den Buchungstexten durchaus erkennen, ob es sich um eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung handelt und ob diese vor- oder nachschüssig gezahlt wurde (vorliegend: "RV-Rente 06.2011"). Das beispielhaft beigefügte Urteil des Sozialgerichts München S 56 R 278/12 vom 24.05.2012 stellt den in § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI statuierten Vorbehalt der Leistungserbringung für Zeiten nach dem Tod des Berechtigten in den Vordergrund der Betrachtung. Dieses öffentlich-rechtliche Sonderrecht stelle alle späteren zivilrechtlichen Verfügungen unter eine auflö-sende Bedingung. Die Beklagte erwiderte, das Geldinstitut sei nicht Adressat des gesetzlichen "Vorbehalts". Leistungsempfänger sei immer der Kontoinhaber und nicht das Geldinstitut. Es bedürfe einer Vereinbarung oder einer gesetzlichen Vorschrift, damit das Geldinstitut ohne Auftrag des Kontoinhabers die Rücküberweisung der Rente vornehmen kann. Deshalb sei dieser Vorbehalt "im Sinne des immer wieder zitierten Sonderrechts des Staates" in den Gesetzestext aufgenommen worden. Dieses "privatrechtsverdrängende öffentliche Sonderrecht des Staates" habe jedoch zum Tatbestand "Kenntnis vom Tod" keine Ausführungen gemacht. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung unterstelle, dass die Geldinstitute regelmäßig erst mit Eingang des Rücküberweisungsverlangens Kenntnis vom Tod der Rentenempfänger erfahren würden. Diese Annahme sei lebensfremd und könne zur Urteilsfindung nicht herangezogen werden. Der Vorsitzende der 30. Kammer berichtete in der mündlichen Verhandlung des gegenwärtigen Falles von der banktechnischen Abwicklung nach dem Tod seiner Mutter am 16.01.2014. Ihr Girokonto sei danach noch monatelang aufrechterhalten worden und habe bei der Veräußerung hinterlassener Wertpapiere, der Begleichung sämtlicher Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Bestattung und schließlich der Verteilung der kleinen Erbschaft an die Söhne gute Dienste geleistet. Diese hätten das Geldinstitut sofort vom Tod ihrer Mutter informiert. Eine daraufhin etwa verhängte Kontosperre oder sonstige Beschränkungen von Geldgeschäften habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben; ein solcher Eingriff wäre als außerordentlich störend und willkürlich empfunden worden. Völlig selbst-verständlich seien alle Forderungen einschließlich derjenigen des Rentenversicherungsträgers nach Rückzahlung der noch für Februar 2014 erbrachten Versicherten- und Witwenrente erfüllt worden, bevor das Konto dann aufgelöst worden sei.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Zahlung von EUR 452,47 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu-lässig, weil in der Angelegenheit kein Verwaltungsakt zu ergehen hatte und kein Vorverfahren stattzufinden hatte. Die Geltendmachung von Rückforderungen wegen einer nach dem Tode des Berechtigten erbrachten Rentenzahlung muss nach § 118 Abs. 4 SGB VI nur gegenüber den über einen solchen Betrag verfügenden Personen mittels Verwal-tungsakt geltend gemacht werden. In § 118 Abs. 3 SGB VI ist die Vorgehensweise mittels Verwaltungsaktes nicht vorgeschrieben. § 118 SGB VI lautet auszugsweise: Abs. 3: Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut überwiesen wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zu-rückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden. Abs. 4: Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht er-bracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Träger der Rentenversicherung hat Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Ein Geldinstitut, das eine Rücküberweisung mit dem Hinweis abgelehnt hat, dass über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde, hat der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung auf Verlangen Name und Anschrift des Empfängers oder Verfü-genden und etwaiger neuer Kontoinhaber zu benennen. Ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

Der Gesetzgeber hat mit den zitierten Vorschriften eine übersichtliche Regelung für ein Problem geschaffen, das trotz seines millionenfachen Auftretens zuvor immer wieder praktische und rechtsdogmatische Schwierigkeiten aufgeworfen hatte. Die Häufigkeit der regelungsbedürftigen Fälle liegt auf der Hand. Noch in einem langen Zeitraum der Zukunft werden viele Bezieher von Renten das Privileg des § 272 a SGB VI genießen, wonach die Monatsbeträge einer vor dem 01.04.2004 beginnenden Rente zu Beginn des jeweiligen Bezugsmonats fällig werden und demgemäß im Voraus geleistet werden. Auch eine mo-derne hoch entwickelte Zahlungstechnik kann nicht verhindern, dass es nach dem Tod eines Rentenbeziehers insbesondere in der zweiten Hälfte eines Kalendermonats noch zur Auszahlung der Rente für den jeweils nächsten Kalendermonat kommt. Die gesetzliche Lösung des Problems musste mit einfachen und schematischen Vorgaben erfolgen, die dem Personal der Banken und der Rentenversicherungsträger nicht ständig Abwägungsentscheidungen und die Inanspruchnahme juristischen Sachverstandes abverlangen. Die von der Klägerin zitierten Urteile legen großen Wert auf den "Vorbehalt", unter den § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI die Geldleistungen für Zeiten nach dem Tod des Berechtigten stellt. Bereits der nächste Satz 2 der Vorschrift stellt klar, was sich der Rentenversicherungsträger "vorbehält", nämlich die Rückforderung "als zu Unrecht erbracht". Materiell zu Unrecht erbracht ist eine solche Rentenleistung jedenfalls, weil der zugrundeliegende Rentenbescheid nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 10 (SGB X) mit dem Tod des Rentners seine Erledigung "auf andere Weise" gefunden hat und die Vergünstigung der Rentenzahlung über den Todestag hinaus nach § 100 Abs. 3 S. 1 SGB VI mit dem Ende des Sterbemonat endet. Der Rentenbetrag ist zurückzuüberweisen. Diese Pflicht tritt aber nicht automatisch ein, weil kontoführenden Personen, Erben, Betreuern usw. selbstverständlich Gelegenheit gegeben ist, die Ansprüche des Rentenversi-cherungsträgers aus irgendeinem Girokonto zu befriedigen, das nicht etwa das Konto sein muss, auf das die Renten bislang überwiesen wurden, und das auch nicht einmal ein Konto der verstorbenen Person gewesen sein muss. Aus gutem Grund hat der Gesetzgeber nicht etwa eine automatische Rücküberweisungspflicht sofort ab Kenntnisnahme vom Tod des Berechtigten vor Beginn des Bezugsmonats angeordnet. Vielmehr musste er der Möglichkeit Raum geben, dass die um eine korrekte Abwicklung bemühten Angehörigen oder Hinterbliebenen der Rentnerin oder des Rentners von sich aus den fehlerbrachten Betrag aus einem Konto ihrer Wahl zurücküberweisen oder die Angelegenheit in einer von ihnen selbst gewählten oder mit dem Geldinstitut vereinbarten Weise im Zusammenhang der eigenen laufenden geschäftlichen Beziehungen mit dem Geldinstitut regeln. Die Zahlungspflicht ergibt sich für die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter von Bank oder Sparkasse nicht aus einem mit welchen Ermittlungen auch immer gewonnenen Überblick über Aktiva und Passiva des Nachlasses und zwischenzeitliche weitere Transaktionen, sondern aus einem einzigen Anlass, nämlich der Rückforderung durch den Rentenversicherungsträger. Der nächste Arbeitsgang ist für die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter des Geldinstituts ebenfalls ohne juristische Expertise und ohne weiterführende Ermittlungen zu meistern, nämlich die schlichte Feststellung, ob über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Wenn vorliegend EUR 452,47 zu-rückgefordert werden, erschöpft sich also die Beurteilung in der mit einem Blick möglichen Prüfung, ob dieser Betrag oder eine größere oder eine geringere Summe auf dem Konto vorhanden sind. Die Rückforderung ist bis zu ihrem Betrag, bei nicht ausreichendem Kontostand jedoch nur bis zum Umfang des Guthabens zu befriedigen. S. 4 der Vorschrift begrenzt die Rechte des Geldinstituts insbesondere für den in der Lebenswirklichkeit häufigen Fall der Inanspruchnahme des Dispokredits durch den Rentner. Das Geldinstitut muss fingieren, dass der Kontostand vor Zufluss der Rente bei "Null" gelegen hatte, und muss die tatsächliche negative Abweichung hiervon bei den Rechtsnachfolgern des Rentners geltend machen, ohne hierbei auf die zugeflossene Rente zuzugreifen. Das Geldinstitut ist nicht nur nicht verpflichtet, sondern nicht einmal dazu berechtigt, bereits wegen seiner in welcher Weise auch immer erlangten Kenntnis vom Tod des Rentenbeziehers beispielsweise eine Abhebung am Geldautomaten technisch zu sperren oder eine am Bankschalter vorgenommene Auflösung des Kontos und Auszahlung des restlichen Guthabens zu verweigern. Das Geldinstitut würde sich Schadenersatzansprüchen aussetzen, wenn es die Hinterbliebenen beispielsweise aus eigener Machtvollkommenheit daran hindern würde, aus dem Konto des Verstorbenen die Bestattung zu bezahlen. Insoweit darf auf § 675 o Abs. 2 BGB hingewiesen werden. Das Gesetz gibt keine Handhabe dazu, den Geldinstituten eine Prüfungspflicht über den genauen Todeszeitpunkt, die Höhe von gegebenenfalls mehreren Renten etwa gar aus dem In- und Ausland, den Saldo von Giro- und Sparkonten und die wie oben ausgeführt jederzeit in Rechnung zu stellende bereits erfolgte Tilgung des Rentendefizits durch Dritte aufzuerlegen. § 118 Abs. 3 regelt Rechte und Pflichten des Geldinstituts in den gegenständlichen Fällen ab-schließend. Für die zweifellos häufige Variante einer durch Abhebungen oder Kontoauflösung unmöglich gemachten Rücküberweisung fehlerhaft erbrachter Rentenbeträge bietet das Gesetz mit § 118 Abs. 4 SGB VI eine mit dem Abs. 3 unmittelbar korrespondierende ebenfalls praktikable Vorgehensweise an.

Gegenüber den am Geldautomaten oder am Bankschalter oder am häuslichen PC verfü-genden Personen entsteht nämlich ein privilegierter öffentlich-rechtlicher Rückforderungs-anspruch. Der Rentenversicherungsträger darf ihn mit einem Verwaltungsakt geltend machen, so dass die Kosten und Risiken eines Rechtsbehelfsverfahrens auf die Seite der verfügenden Personen verlagert werden. Der Rentenversicherungsträger muss also nicht mehr wie vor Inkraftsetzung der zitierten Vorschriften teilweise vertreten wurde, mit eigenem Kostenaufwand und eigenem Prozessrisiko den Zivilrechtsweg beschreiten. Den Sozialgerichten ist die einfache Handhabung des § 118 Abs. 4 SGB VI bekannt, dessen Anwendung routinemäßig zur Bestätigung von Ansprüchen der Rentenversicherungsträger führt. Die Chance, möglichst häufig den einfacheren Weg nach § 118 Abs. 3 SGB VI beschreiten zu können und möglichst selten auf dem Wege über § 118 Abs. 4 SGB VI die Uneintreibbarkeit ihrer Forderung zu riskieren, kann der Rentenversicherungsträger nur dadurch erhöhen, dass er durch organisatorische Maßnahmen die Zeit zwischen der eigenen Kenntnisnahme vom Tod des Rentners und der Erhebung des Rückforderungsbegehrens gegenüber dem Geldinstitut so kurz wie möglich hält. Die Klägerin und die von ihr zitierten Urteile lösen die fraglichen Fälle so, als ob § 118 Abs. 3 SGB VI in etwa folgenden Wortlaut hätte: "Nachdem ein Geldinstitut Kenntnis vom Tod eines Rentenbeziehers erlangt hat, hat es die Erfüllung von Verfügungen von dritter Seite über ein Guthaben auf dessen Konto solange und soweit aufzuschieben oder mit technischen Mitteln zu verhindern, bis sichergestellt ist, dass die für Zeiten nach Ablauf des Sterbemonats zugeflossenen Renten ungemindert an den Rentenversicherungsträger zurückerstattet werden können." Das Gericht hat nicht zu beurteilen, ob der Gesetzgeber gut daran täte, dem § 118 Abs. 3 SGB VI eine solche oder ähnliche Formulierung zu geben. Es hatte seiner Entscheidung lediglich den tatsächlichen Wortlaut der Vorschrift zugrundezulegen. Weil sich aus der von der Klägerin zur Stützung ihres Standpunktes zitierten Entscheidung des BSG auch eine Prüfungspflicht der Geldinstitute über den Gesetzeswortlaut hinaus entnehmen lässt, hatte das Gericht dem Antrag der Beteiligten zu folgen und nach §§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 161 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Revision gegen dieses Urteil zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 und 197 a SGG sowie § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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