L 13 R 849/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 2037/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 849/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 6. November 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer großen Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin, nachdem die zugrundeliegende Ehe nicht mindestens ein Jahr dauerte.

Die Klägerin (*1949) und Herr M. (*1940) kannten sich seit über 30 Jahren. Nach Wahrnehmung von außen sowie eigenen Angaben entstand im Frühjahr 2007 eine engere Beziehung und sie zogen als Paar im Juni 2009 zusammen gemeinsam in die bisherigen Räumlichkeiten der Klägerin. Im August 2010 wurden im Rahmen eines circa zweiwöchigen Krankenhausaufenthalts bei Herrn M. die Diagnosen "Leberzirrhose und Leberkrebs" gestellt. Ärztliche Unterlagen zur weiteren Behandlung sind nicht aktenkundig.

Die Klägerin heiratete nach Bestellung des Aufgebots vom 13. Oktober 2010 am 20. Oktober 2010 im Standesamt F. Herrn M. Dieser verstarb danach am 11. Dezember 2010. Er bezog noch bis zum 31. Dezember 2010 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beklagten.

Am 5. April 2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Witwenrente bei der Beklagten. Die Beklagte forderte nach der Antragstellung zunächst eine ärztliche Bescheinigung an, dass zum Zeitpunkt der Heirat nicht absehbar gewesen sei, dass eine vorhandene Krankheit des dann verstorbenen Ehemannes zum Tode führen würde bzw. dass bei Eheschließung der Tod auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei. Die Klägerin legte daraufhin ein Schreiben von Dr. Os. (Facharzt für Innere Medizin in F. und Hausarzt von Herrn M.) vom 12. Juni 2011 vor, wonach die Lebenserwartung von Herrn M. im Oktober 2010 aufgrund dieser fortgeschrittenen Tumorerkrankung schon als sehr gering einzuschätzen gewesen sei und sicherlich unter sechs Monaten gelegen habe. Mit Herrn M. sei über die lebensbedrohliche Erkrankung gesprochen worden, wobei aber keine zeitliche Einschätzung der Lebenserwartung geäußert worden sei. Herrn M. sei jedoch bewusst gewesen, dass er sterben werden würde. Ein ausdrücklicher Wunsch, mit der (späteren) Ehefrau hierüber zu sprechen, sei Dr. Os. gegenüber nicht geäußert worden.

Mit Bescheid vom 27. Juli 2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Witwenrente ab, weil die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe. Es gelte somit die gesetzliche Vermutung, dass beim Tod des Versicherten die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung gewesen sei. Diese gesetzliche Vermutung sei widerlegbar, wenn besondere Umstände vorliegen würden, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen würden (z.B. Unfalltod). Herrn M. sei jedoch bewusst gewesen, dass er sterben würde, was auch die Klägerin gewusst habe. Denn diese habe im Antrag auf Witwenrente angegeben, dass ihr Ehemann krank sei und von ihr gepflegt wurde. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Tod plötzlich und unvermittelt eingetreten bzw. bei der Eheschließung nicht zu erwarten gewesen sei. Nach Berücksichtigung aller bekannten Umstände könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Eheschließung um die konsequente Verwirklichung eines schon vor dem Auftreten der lebensbedrohenden Erkrankung des Ehemannes bestehenden Heiratsentschlusses gehandelt habe.

Hiergegen erhob die Klägerin am 12. Oktober 2011 Widerspruch. Sie machte im Wesentlichen geltend, dass beiden Ehepartnern zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht bewusst gewesen sei, dass Herr M. in absehbarer Zeit (innerhalb eines Jahres) sterben würde. Eine feste Heiratsabsicht habe schon vor der besagten Diagnose bestanden. Der verstorbene Herr M. habe schon lange vor der Erkrankung die Absicht gehabt, die Klägerin zu heiraten. Der Versorgungsaspekt habe weder für den verstorbenen Herrn M. noch für sie eine Rolle gespielt. Es habe sich um eine Heirat aus Liebe gehandelt und die Klägerin habe dem verstorbenen Herrn M. seinen innigen Wunsch erfüllen wollen, zu seinem 70. Geburtstag (Anm.: 2010) mit ihr verheiratet zu sein. Die Klägerin und ihr späterer Mann hätten sich im April 2007 näher kennengelernt. Aufgrund der immer enger werdenden Beziehung seien sie zu dem gemeinsamen Entschluss gelangt zusammenzuziehen. Diese Entschluss sei im Juli 2009 umgesetzt worden. Spätestens seit diesem Datum hätten sie auch heiraten wollen. Im Juni 2010 hätten sie sich über die Formalien der Hochzeit informiert und am 20. Oktober 2010 im F.er Standesamt geheiratet. Als Gäste seien die Familie und eine Freundin zugegen gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht konkreter Heiratsentschluss sei für die Zeit vor dem Bekanntwerden der zum Tode führenden Krankheit nicht belegt. Die Tatsache, dass Anzeichen für eine unmittelbare Umsetzung dieser Pläne erst nach Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung des verstorbenen Herrn M. erkennbar geworden seien, spreche eher für die Richtigkeit der gesetzlichen Vermutung als dagegen. Der Tod des Ehegatten sei etwa sieben Wochen nach der Heirat eingetreten; die Krebserkrankung habe sich somit bereits im Endstadium befunden. Es sei deshalb vom Vorliegen einer Versorgungsehe auszugehen. Besondere Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen würden, wie etwa ein plötzlicher unvorhersehbarer Tod, etwa durch einen Unfall oder ein Verbrechen oder die tödlichen Folgen einer bei der Eheschließung nicht bekannt Krankheit, würden nicht vorliegen.

Am 24. April 2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und im anschließenden Klageverfahren (S 21 R 6129/11) im Wesentlichen vorgetragen, dass ihre Tochter, Frau C. Tr., gewusst habe, dass eine Heiratsabsicht bestehe. Denn sowohl im Bekanntenkreis als auch gegenüber Familienangehörigen sei durch den Verstorbenen und die auch von ihr mehrfach geäußert worden, dass sie heiraten wollten. Dies sei spätestens seit dem Juni 2009 der Fall gewesen, als der verstorbene Herr M. seine Wohnung gekündigt und zu ihr gezogen sei. Sie sei zudem finanziell abgesichert. Sie habe schon zu Lebzeiten des verstorbenen Herrn M. eigene höhere, näher bezifferte Rentenansprüche als jener gehabt und sei daher auf die beantragte Witwenrente nicht angewiesen.

Das SG hat Beweis erhoben durch uneidliche Zeugenvernehmung von C. Tr., der Tochter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 06.November 2014.Wegen der Details der Aussage wird auf den Inhalt der Niederschrift Bezug genommen.

Mit Urteil vom gleichen Tag hat das SG die Klage abgewiesen. Hierbei sei für das SG der Umstand tragend gewesen, dass sich eine eindeutige verbindliche Entscheidung, die Ehe eingehen zu wollen, nicht für einen Zeitpunkt nachweisen lasse, zu dem der nahende Tod des späteren Ehegatten noch unbekannt gewesen sei. Der diesbezüglich angebotene Zeugenbeweis durch die Tochter der Klägerin, C. Tr., habe im Gegenteil lediglich erbracht, dass die Zeugin gerade nicht wusste, ab wann genauere Vorstellungen der Klägerin und des dann verstorbenen Herrn M. bestanden, die Ehe einzugehen. Den einzigen objektiven Anhaltspunkt, den das SG als Anknüpfungstatsache zu erkennen vermochte, stellt die Gravur von Eheringen dar, die der Klägerin als Hinterlassenschaft ihrer Großmutter gehörten. Diese Gravur soll der verstorbene Herr M. nach den Angaben der Klägerin im Dezember 2009 - nachdem der Klägerin diese Ringe wieder ins Bewusstsein gekommen waren - an einem Samstagmorgen in Auftrag gegeben haben, um die Ringe zu Weihnachten 2009 anzustecken. Dies könne zwar eine hinreichende Manifestation des Heiratsentschlusses noch vor dem Bekanntwerden der tödlichen Erkrankung im Oktober 2010 darstellen, so das SG. Dass dies tatsächlich geschehen sei, lasse sich aber nicht zur Überzeugung der entscheidenden Kammer nachweisen. So habe die Klägerin weder eine Quittung über die Ausführung der Gravur vorlegen noch Auskunft erteilen können, von wem diese vorgenommen worden war. Auch die dazu befragte Zeugin konnte sich nicht erinnern, ab wann die Klägerin oder der verstorbene Herr M. die besagten Ringe getragen haben.

Weitere besondere Umstände zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung lägen zur Überzeugung des SG nicht vor. Die übrigen vorgetragenen Aspekte, wie insbesondere das Zusammenziehen im Juni 2009 oder die Teilnahme des verstorbenen Herrn M. an Familienfeiern ließen weder für sich noch in der Gesamtschau einen Heiratswillen vor Bekanntwerden der tödlichen Erkrankung hinreichend sicher erkennen. Denn es handele sich entweder um partnerschaftliche Handlungen (gemeinsame Wohnung, gemeinsame Teilnahme an Familienfeiern, gemeinsame Unternehmungen), die auch ohne festen Heiratswunsch üblich sind oder die - wie eine Testamentserrichtung zugunsten der Klägerin oder die Ausstellung einer Vorsorgevollmacht - gerade im Hinblick auf den nahenden Tod erfolgt sein können. Die eigene finanzielle Absicherung der Klägerin sei darüber hinaus bereits von sich aus kein besonderer Umstand, der geeignet ist, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Denn anderenfalls wären gut situierte Hinterbliebene bei der Prüfung der gesetzlichen Vermutung und ihrer Widerlegung bevorzugt, so das SG unter Hinweis auf obergerichtliche Rechtsprechung.

Gegen das am 20. Januar 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. Februar 2014 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie lässt im Berufungsverfahren vor allem vortragen, dass SG habe nicht alle Umstände bei der Frage der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung berücksichtigt und wiederholt insbesondere das erstinstanzliche Vorbringen der Liebesheirat, des gemeinsamen Wirtschaftens, des Ringtausches schon Weihnachten 2009 sowie der guten eigenen Altersabsicherung. Der Umstand der hier guten Einkommensverhältnisse sei somit als "besonderer Umstand des Falles" nach der obergerichtlichen Rechtsprechung gerade nicht berücksichtigt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Freiburg vom 6. November 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine große Witwenrente ab dem 1. Januar 2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass ihre Entscheidung und das angefochtene Urteil rechtmäßig seien und verweist zur Begründung auf ihre bisherigen Ausführungen.

Am 11. Juli 2014 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert worden.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung erteilt (Schreiben vom 4. und 13. August 2014)

Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten im Gerichts- und Verwaltungsverfahren sowie wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozessakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten über Herrn M. (ein Band Hinterbliebenenrentenakten zur Rentenversicherungsnummer 24 241240 M 039) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben, gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Entscheidung der Beklagten, den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Witwenrente abzulehnen, erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in deren Rechten. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine große Witwenrente.

Dies hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der Sach- und Rechtslage nachvollziehbar und ausführlich begründet im angegriffenen Urteil dargelegt und die Klage daher zutreffend abgewiesen. Der Senat nimmt auf die diesbezüglichen Ausführungen des SG zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitestgehend ab.

Im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren ist lediglich ergänzend sowie zum anzuwendenden Rechtsmaßstab folgendes auszuführen:

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass der geltend gemachte Anspruch auf Witwenrente vorliegend durch § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen wird. Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21. März 2001 (BGBl I 403) eingeführt worden ist und für alle seit dem 1. Januar 2002 geschlossenen Ehen gilt (vgl. § 242a Abs. 3 SGB VI), ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Diese Regelung ist vorliegend einschlägig. Denn die streitgegenständliche Ehe dauerte kein Jahr, sondern von der Eheschließung am 20. Oktober 2010 bis zum Tod des Ehemannes am 11. Dezember 2010 lediglich 52 Tage. Eine Witwenrente ist daher grundsätzlich ausgeschlossen, weil das Gesetz für diesen Fall die Vermutung aufstellt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese gesetzliche Vermutung durch den Vollbeweis des Gegenteils nach den besonderen Umständen des Falles zu widerlegen, ist der Klägerin nicht zur Überzeugung des Senats gelungen.

Zur Überzeugung des Senats sind vielmehr keine besonderen Umständen des Einzelfalles anzunehmen, die gegen die gesetzliche Vermutung sprechen, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Der Begriff der "besonderen Umstände" gemäß § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Beurteilung der richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Urteil vom 3. September 1986 – 9a RV 8/84 –, juris). Was unter den "besonderen Umständen" des Falles gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Da die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI jedoch bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R, SozR 4-2600 § 46 Nr 6). Daher sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles als "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Maßgebend sind die Beweggründe beider Ehegatten, wobei die Annahme einer sogenannten Versorgungsehe nur dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die Beweggründe sind in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat. Deshalb reicht es aus, wenn lediglich für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht nachweislich nicht maßgebend gewesen ist. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der Ermittlung der Beweggründe für die Heirat bzw. des Zweckes der Heirat darf nicht stattfinden, da dann die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme eine Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschnitten würden (vgl. zu alledem BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R, juris, m.w.N. Vgl. zudem LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Oktober 2012, Az.: L 11 R 392/11, juris).

Hierbei ist nach der genannten Rechtsprechung des BSG zu beachten, dass eine abschließende Typisierung oder Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen ("besonderen") Gründe im Rahmen des § 46 Abs. 2a SGB VI angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich ist. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind zudem nicht nur für sich - isoliert - zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen. Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand im Sinne des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt ("plötzlich" und "unerwartet") eingetreten ist. Denn in diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. In der Gesetzesbegründung wird als ein Beispiel hierfür der "Unfalltod" genannt (BT-Drucks 14/4595 S 44). Unvermittelt eingetreten in diesem Sinne ist der Tod aber auch bei einem Verbrechen oder bei einer Erkrankung, die plötzlich aufgetreten ist und schnell zum Tode geführt hat (zB Infektionskrankheit oder Herzinfarkt bei unbekannter Herzerkrankung). Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG, a.a.O, m.w.N.). Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung erfordert gemäß § 202 SGG iVm § 292 der Zivilprozessordnung den vollen Beweis des Gegenteils (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1986, Az.: 9a RV 8/84, juris). Der Vollbeweis erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist erst bewiesen, wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (BSG, Urteil vom 6. Februar 2003, Az.: B 7 AL 12/02 R, juris). Wenn eine solche erforderliche Überzeugung nicht vorliegt, treffen nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen denjenigen, der aus der Tatsache einen Anspruch begründen will, im vorliegenden Fall die Klägerin, da sie sich auf die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung beruft (Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, SGG, § 103 RdNr 6a und § 118 RdNr 6 mwN).

Vor diesem rechtlichen und dem oben ausgeführten tatsächlichen Hintergrund konnte sich der Senat nicht vom Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI überzeugen. Vielmehr spricht - wie bereits das SG zutreffend betont hat - die Tatsache, dass der dann verstorbene Herr M. zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits offenkundig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat, ganz maßgeblich für die Richtigkeit der gesetzlichen Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI. Es sind für den Senat hingegen keine besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, von einem derartigen Gewicht erkennbar, als dass sie in Anbetracht des Grades der Lebensbedrohlichkeit der Krankheit des Herrn M. die gesetzliche Vermutung widerlegen könnten.

Zur Überzeugung des Senats steht zweifelsfrei fest, dass die Klägerin und Herr M. bereits im August 2010 und damit vor der Hochzeit über den potentiell lebensbedrohlichen Charakter der Erkrankung informiert waren. Durch den Arztbrief des Dr. Os. ist nachgewiesen, dass Herr M. jedenfalls nach der Erstdiagnose ausführlich über die todesursächliche Diagnose einer Leberzirrhose und Leberkrebs informiert worden waren. Nach eigenen Angaben der Klägerin wurden diesen Informationen auch an sie weitergeben. Damit steht für den Senat fest, dass Herr M. zum Zeitpunkt der Heirat an einer lebensbedrohenden Krankheit litt und die späteren Eheleute hierüber auch informiert waren. Dem lebensbedrohlichen Charakter steht auch eine etwaige Annahme der Klägerin, sie habe bei der Hochzeit nicht an einem "alsbaldigen Ableben" gerechnet, sondern vielmehr nicht hieran gedacht, nicht entgegen. Auch bei schwersten Erkrankungen ist es menschlich durchaus nachvollziehbar und letztlich auch wünschenswert, dass weiterhin die Hoffnung auf ein Weiterleben nicht aufgegeben wird. Diese nachvollziehbaren Hoffnungen ändern jedoch nichts daran, dass es sich hierbei eben nur um Hoffnungen handelte, die am tatsächlichen Vorliegen einer massiv lebensbedrohlichen Erkrankung nichts ändern. Um Missverständnissen vorzubeugen ist zudem klarzustellen, dass selbst eine medizinische nachvollziehbar begründete Hoffnung auf einen möglichen mehrjährigen Krankheitsverlauf keineswegs ausreichend ist, um die gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsabsicht zu widerlegen. Für die Beurteilung der Beweggründe einer Heirat ist es unwesentlich, ob das Überleben des Versicherten über ein Jahr nach der Eheschließung wahrscheinlicher ist als sein Tod und ob die Eheleute von einer Ehe über ein Jahr ausgehen konnten, denn statistische Wahrscheinlichkeiten sagen hierzu nichts aus (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 29. Oktober 2013 - L 6 R 1610/10 -, juris). Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass - wie hier - eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung zum Zeitpunkt der Eheschließung bekannt war.

Zur Überzeugung des Senats spricht schließlich auch der auffallend enge zeitliche Zusammenhang zwischen Diagnostizierung im August 2010 und der anschließenden Hochzeit am 20.Oktober 2010 deutlich dafür, dass den späteren Eheleuten der potentiell lebensbedrohliche Charakter der Erkrankung durchaus bewusst war.

Auch für die Erwägungen des Senats ist der Umstand tragend, dass sich eine eindeutige verbindliche Entscheidung, die Ehe eingehen zu wollen, nicht für einen Zeitpunkt nachweisen lässt, zu dem der nahende Tod des Ehegatten noch unbekannt war. Der diesbezüglich angebotene Zeugenbeweis durch die Tochter der Klägerin, C. Tr., hat dies im Gegenteil nicht erbracht. Die Gravur der Ringe (aus der Hinterlassenschaft der Großmutter) mit dem Namen der Klägerin und des verstorbenen Herrn M. stellt keine Anknüpfungstatsache für eine Heiratsabsicht dar. Dies kann auch Zeichen für einer bloßen Verbundenheit darstellen. Zudem konnte der Zeitpunkt der Gravur nicht nachgewiesen werden.

Weitere besondere Umstände zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Die übrigen vorgetragenen Aspekte lassen weder für sich noch in der Gesamtschau einen Heiratswillen vor Bekanntwerden der tödlichen Erkrankung hinreichend sicher erkennen. Denn es handelt sich eben entweder um partnerschaftliche Handlungen, die auch ohne festen Heiratswunsch üblich sind oder gerade im Hinblick auf den nahenden Tod erfolgt sein können. Die eigene finanzielle Absicherung der Klägerin ist darüber hinaus bereits von sich aus kein besonderer Umstand, der geeignet ist, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Denn anderenfalls wären gut situierte Hinterbliebene bei der Prüfung der gesetzlichen Vermutung und ihrer Widerlegung bevorzugt, wie bereits zutreffend LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.05.2008 ( L 4 R 3254/07 m.w.N.) ausführte.

Letztlich entspräche es eher dem Gegenteil, dass gerade das Auftreten der Erkrankung der Grund für den konkreten Heiratsentschluss darstellte. Die in Anbetracht des zeitlichen Ablaufs offensichtlich gegebene Eile, in der die Hochzeit durchgeführt wurde, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht anders erklären, als dass den späteren Eheleuten der Ernst der Lage durchaus bewusst war.

Die Klägerin hat auch im Übrigen hinreichend gewichtige, gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände nicht nachgewiesen. Das vorherige Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft und selbst für den Fall einer bereits an Weihnachten 2009 angedachte Hochzeit sind zwar nicht von vornherein ungeeignet, einen besonderen Umstand zu begründen, reichen jedoch im konkreten Fall für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht aus.

Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Heirat am 20. Oktober 2010 die konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschlusses darstellt. Ein konkreter Termin für eine Hochzeit vor dem Sommer 2010 wurde zu keinem Zeitpunkt vereinbart, sondern es kann allenfalls bei Bekundung heiraten zu wollen, geblieben sein. Lediglich abstrakten Pläne zur Heirat, ohne entsprechende konkrete Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin, reichen zur Überzeugung des Senats nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschluss annehmen zu können (wie hier: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. November 2010, Az.: L 11 R 1135/10 sowie Urteil vom 16. Oktober 2012 – L 11 R 392/11 und der erkennende Senat mit Urteil vom 28. August 2014 (L 13 R 3256/13) juris, jeweils m.w.N.).

Nicht gegen den Versorgungszweck spricht außerdem, dass vorher eine Partnerschaft zwischen der Klägerin und Herrn M. bestand und diese zusammen lebten. Denn selbst einem langjährigen Zusammenleben "ohne Trauschein" liegt die langjährige bewusste Entscheidung zu Grunde, eben nicht zu heiraten und damit nicht den vielfältigen gesetzlichen Regelungen, die für Eheleute gelten, zu unterliegen (vgl. jeweils m.w.N. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. September 2013, Az.: L 27 R 765/12, juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 20. Februar 2013 – L 1 R 304/11, juris).

Ein Anspruch auf Witwenrente scheidet daher nach alledem aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt daher dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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