L 9 R 1500/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 3267/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1500/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig. Die am 20.04.1962 geborene Klägerin absolvierte 1979/1980 eine einjährige Ausbildung zur Krankenpflegehelferin. In diesem Beruf war sie bis 1991 beschäftigt; seither ist sie Hausfrau. Am 09.01.1988 und am 03.10.1991 kamen ihre Töchter zur Welt.

Im Versicherungsverlauf der Klägerin sind folgende Zeiten erfasst: 20.04.1979 - 23.07.1979 Schulausbildung 01.08.1979 - 30.04.1981 Pflichtbeitragszeit 01.05.1981 - 31.05.1982 Pflichtbeitragszeit schulische Ausbildung 01.06.1982 - 26.11.1987 Pflichtbeitragszeit 27.11.1987 - 31.01.1988 Schwangerschaft/Mutterschutz 01.02.1988 - 31.12.1988 Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung 01.02.1988 - 05.03.1988 Schwangerschaft/Mutterschutz 01.01.1989 - 31.01.1989 Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung 09.01.1989 - 22.08.1991 Pflichtbeitragszeit 23.08.1991 - 31.10.1991 Schwangerschaft/Mutterschutz 01.11.1991 - 30.11.1991 Pflichtbeitragszeit einmalig gezahlt. Entgelt 01.11.1991 - 30.11.1991 Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung 01.11.1991 - 28.11.1991 Schwangerschaft/Mutterschutz 01.12.1991 - 31.12.1991 Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung 01.01.1992 - 31.10.1992 Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung

Außerdem sind vom 09.01.1988 bis 31.12.1991 Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung, vom 09.01.1990 bis 02.10.2001 Berücksichtigungszeiten wegen Erziehung eines Kindes und vom 01.01.1992 bis 08.01.1998 gleichzeitige Berücksichtigungszeiten wegen Erziehung mehrerer Kinder im Versicherungsverlauf gespeichert.

Aufgrund im Dezember 1996 erstmals geklagter neurologischer Symptome befand sich die Klägerin vom 03. bis 14.01.1997, vom 31.01. bis 05.02.1997 sowie vom 27.10. bis 01.11.1997 in der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H. in stationärer und am 09.01.1998 in ambulanter Behandlung; dort erfolgten weitere ambulante Vorstellungen im April, Juni und Juli 1998, bei denen die Diagnose Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose - MS) gestellt wurde. Da die Erkrankung im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen gegen Tetanus, Diphterie und Polio im Jahr 1996 aufgetreten war, verfolgte die Klägerin zunächst einen Anspruch auf eine Beschädigtenrente. Im Verwaltungsverfahren wurden die neurologischen Gutachten von Prof. Dr. H. vom 08.10.1997 und von Prof. Dr. D. vom 08.08.1999 eingeholt. Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erstattete Prof. Dr. L. aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin (18.01.2001) am 04.06.2001 ein infektiologisches Gutachten. Die Klägerin nahm sodann die erhobene Klage (S 2 VJ 2763/99) zurück.

Vom 05.10. bis 02.11.2006 befand sich die Klägerin im Anschluss an die brusterhaltende Operation eines Mammakarzinoms am 08.06.2006 mit postoperativer Bestrahlung in einem Heilverfahren in den Ruland Kliniken Waldklinik D ... AusW.lich des dortigen Entlassungsberichts vom 16.11.2006 lag hinsichtlich der Multiplen Sklerose eine Remission vor; die durchgeführte neuropsychologische Diagnostik habe nur eine leichte Reaktionsverlangsamung ergeben. Die allgemeine Belastbarkeit der Klägerin sei im Rahmen der MS und laufenden Therapien mit Interferon deutlich herabgesetzt; sie sei als Krankenpflegehelferin auf Dauer arbeitsunfähig. Falls sich eine anhaltende Remission von Seiten der MS und der malignen Erkrankung abzeichne, kämen prinzipiell nur leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Frage. Letztere sollten überwiegend im Sitzen erfolgen, wobei ein eigener Arbeitsrhythmus gewählt werden könne und es nicht auf besondere manuelle Schnelligkeit, Geschicklichkeit und allgemeine Reaktion ankommen dürfe. Überbelastungen und Verletzungsgefahr des betroffenen Armes am Arbeitsplatz müssten vermieden werden.

Am 31.07.2009 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. U. erstattete am 23.10.2009 einen Befundbericht über die regelmäßige Behandlung der Klägerin seit 2002. Er schilderte einen progredient chronischen Verlauf der MS mit rezidivierenden Schüben, wobei die Klägerin zwischen den einzelnen Schüben erfreulich mobil sei. Sie leide unter einem persistierenden Pelzigkeitsgefühl der Hände, die Feinmotorik sei eingeschränkt. Eine zuletzt geklagte Sehstörung sei zumindest subjektiv gebessert. In seinem Befundbericht vom 30.10.2009 beschrieb der behandelnde Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Ernst eine linksbetonte Paraspastik, eine zentrale Hemiparese links sowie eine zunehmende Visusminderung bei rezidivierenden Optikusneuritiden. Hieraus resultierten eine Gangstörung, eine Visusminderung, eine hirnorganische affektive Störung mit depressiver Färbung, eine Inkontinenz sowie eine Fatigue mit leichter Erschöpfbarkeit und geminderter psychophysischer Belastbarkeit. Die MS zeige trotz Basistherapie ein bis zwei Schübe pro Jahr, zuletzt im Februar 2009. Ergänzend legte er eine Bescheinigung des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. vom 27.10.2009 vor, wonach die innerhalb von 30 Minuten zurückzulegende Gehstrecke sicherlich deutlich unter zwei Kilometern liege, radiologische Befundberichte vom 20.02.2009 und 14.04.2008 sowie die Berichte der gynäkologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Sinsheim vom 16.06.2006, der Klinik für Innere Medizin und Neurologie des SRH Kurpfalzkrankenhauses H. gGmbH vom 22.04.2005, des Augenarztes Priv.-Doz. Dr. D. vom 13.02.2009 und der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H. vom 04.04.2002 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 25.03. bis 27.03.2002 vor.

Im Auftrag der Beklagten erstattete der Neurologe und Psychiater Dr. W. das Gutachten vom 15.01.2010. Er diagnostizierte eine Multiple Sklerose vom schubW.en Verlauf. Die Klägerin könne allein wegen der Ataxie nicht mehr als Krankenpflegehelferin arbeiten. Unter Würdigung aller aus der neurologischen Erkrankung folgenden Einschränkungen bestehe auch unter Definition weitreichender qualitativer Leistungseinschränkungen keine Fähigkeit zu einer mindestens dreistündigen täglichen Arbeitstätigkeit. Darüber hinaus sei die Grenze zu einer Gehunfähigkeit und damit Notwendigkeit dauerhafter Hilfsmittelversorgung bald erreicht. Diese Einschränkungen bestünden seit der Untersuchung am 15.01.2010.

Mit Bescheid vom 18.02.2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Rente ab. Die Klägerin sei zwar seit dem 13.02.2009 voll erwerbsgemindert auf unbestimmte Zeit, im somit maßgeblichen Zeitraum vom 13.02.2004 bis 12.02.2009 seien aber die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von 36 Monaten nicht erfüllt.

Zur Begründung ihres Widerspruchs verwies die Klägerin insbesondere auf eine ausgeprägte Ataxie mit hoher Sturzneigung, die bereits während des früheren Klageverfahrens im Gutachten vom 04.06.2001 beschrieben worden sei.

Die Beklagte holte eine Auskunft über die Krankenhausbehandlungen ein (wegen MS: 03.01. bis 14.01.1997, 31.01. bis 05.02.1997, 27.10. bis 01.11.1997, 07.06. bis 12.06.1998, wegen einer somatoformen Störung vom 25.03. bis 27.03.2002, ohne Diagnose vom 10.03. bis 16.03.2005, wegen des Mammakarzinoms vom 07.06. bis 15.06.2006). Auf Rückfrage teilte der behandelnde Neurologe und Psychiater Ernst am 16.06.2010 mit, dass seit mindestens Oktober 2009 von einer quantitativen Leistungsminderung aufgrund der aggressiven Form einer schubförmig verlaufenden MS auszugehen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, weil die Ermittlungen ergeben hätten, dass die volle Erwerbsminderung erst am 13.02.2009 eingetreten sei. In dem maßgebenden Zeitraum vom 13.02.2004 bis 12.02.2009 seien keine Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Vor dem 01.01.1984 sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt und die Zeit seit 01.01.1984 nicht durchgehend mit Beiträgen oder Anwartschaftserhaltungszeiten belegt.

Hiergegen hat die Klägerin am 14.09.2010 Klage beim SG erhoben.

Das SG hat BeW. erhoben durch Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen und Einholung einer Auskunft bei der Barmer Ersatzkasse. In seiner Auskunft vom 13.02.2011 hat der Neurologe und Psychiater Ernst mitgeteilt, die Praxis seines Vorgängers Dr. J. erst im April 2006 übernommen zu haben. Aus dessen Aufzeichnungen ergeben sich folgende Behandlungsdaten: 08.10. und 29.11.2001, 14.01., 10.04., 13.08., 10.10., 05.11., 11.12. und 18.12.2002, 02.01., 16.01., 04.02., 13.02., 17.03., 16.04., 28.08., 22.09. und 16.10.2003. Soweit aus den Unterlagen ersichtlich habe die Klägerin damals über brennende Schmerzen am rechten Oberschenkel sowie wechselnde Parästhesien berichtet. Aus dem Bericht der neurologischen Klinik der Universität H. vom 04.04.2002 ergäben sich eine Harninkontinenz, wandernde Sensibilitätsstörungen sowie ein Brennen der Fußsohlen. Anzunehmen sei eine Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit durch schmerzhafte Parästhesien, aber auch durch die Inkontinenz. Das Ausmaß der Funktionseinschränkungen lasse sich nicht sicher abschätzen. Hierzu hat er ergänzend die Berichte von Dr. J. vom 03.12.2001, 21.01.2002 und 15.08.2002 vorgelegt. Der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. U. hat in seiner Auskunft vom 17.02.2011 angegeben, die Klägerin am 13., 16., 19. und 20.08., 13.09., 10. und 15.10., 08.11., 12. und 16.12.2002, 03. bis 07.02., 11.02., 25.03., 28.03., 12., 13. und 27.05., 14. und 17.07., 23. und 24.09.2003 behandelt zu haben. Er habe in der Zeit von Oktober 2001 bis Dezember 2003 wiederholt akute Schübe der MS, einen Abszess der Schamlippe, Kopfschmerzen, wiederholt eine Angina tonsillaris, eine Pharyngitis und eine allergische Dermatitis diagnostiziert. Die Klägerin habe über Kribbelparästhesien, eine deutliche Gangunsicherheit durch Progredienz der MS im Rahmen der Schübe (z. B. Vermerk am 03.02.2003: wieder akuter Schub seit einer Woche, verschwommen sehen, Pelzigkeit) geklagt. Er habe sich keine Notizen zur Gehstrecke in einem Zeitraum von 20 Minuten gemacht. Im Rahmen der Schübe bestehe bisweilen eine massive Gangunsicherheit und Sturzgefahr. Er habe regelmäßig Cortison in sehr hohen Dosen verabreicht und wäre nicht auf die Idee gekommen, von der Klägerin eine Gehstrecke über 500 m oder für eine Dauer von 20 Minuten zu verlangen.

Die Klägerin hat im Rahmen des Klageverfahrens eine Aufstellung über ihre Arztbesuche und Klinikaufenthalte in der Zeit von Dezember 1996 bis Mai 2000, den von der Barmer Ersatzkasse am 19.11.2010 erstellten EDV-Bestandsauszug, die Berichte der Neurologischen Klinik der Universität H. vom 22.05.2003 und 23.06.2003, des Kardiologen Dr. J. vom 09.11.2004, des Nervenarztes Dr. J. vom 29.08.2005 und 27.03.2006, des Frauenarztes Dr. P. vom 19.05.2006, der gynäkologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses S. vom 16.06.2006, eine Aufstellung der Behandlungen durch Dr. U. in der Zeit vom 13.08.2002 bis 14.11.2008 sowie den radiologischen Befundbericht vom 09.03.2005 (MRT-Schädel) vorgelegt.

Mit Urteil vom 22.02.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Die Klägerin erfülle zwar die allgemeine Wartezeit, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung seien aber nur erfüllt, wenn die Erwerbsminderung spätestens am 30.11.2003 eingetreten sei. Bei einem danach eingetretenen Versicherungsfall seien in den vorausgegangenen fünf Jahren keine drei Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit mehr vorhanden. Bei einer Gesamtschau und Würdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen könne eine spätestens am 30.11.2003 eingetretene Erwerbsminderung der Klägerin nicht festgestellt werden. Nach dem Grundsatz der objektiven BeW.last gehe die Unaufklärbarkeit einer den Rentenanspruch der Klägerin begründenden Erwerbsminderung zu deren Lasten. Der hier erforderliche VollbeW. einer spätestens am 30.11.2003 vorliegenden Erwerbsminderung der Klägerin sei nicht erbracht. Die Klägerin sei seit 13.02.2009 nicht mehr in der Lage, auch nur drei Stunden täglich körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Anknüpfend an die - vor der Untersuchung durch Dr. W. am 15.01.2010 - letzte Schubbehandlung im Februar 2009, die mit einer erneuten plötzlich eingetretenen Visusminderung einhergehe, sei der von der Beklagten angenommene Leistungsfall im Februar 2009 gut belegt. Selbst wenn eine allmähliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes und eine Abnahme des Leistungsvermögens von mindestens sechs Stunden ab 1998 auf unter drei Stunden im Februar 2009 erfolgt sei, könne jedenfalls der November 2003 als spätester Zeitpunkt für eine rentenrelevante Minderung des Leistungsvermögens bei einer Würdigung des Gesamtsachverhaltes und der Krankengeschichte der Klägerin nicht festgestellt werden. AusW.lich der vorliegenden Befundberichte sei davon auszugehen, dass die Klägerin in der Zeit von 1997 bis 2003 an zwei bis drei Schüben der Grunderkrankung MS jährlich gelitten habe, die zu Cortisonbehandlungen führten. Während der Schübe könnten gravierende neurologische Ausfallerscheinungen verbunden mit massiven Gangunsicherheiten und Sturzgefahr aufgetreten sein, aus denen sich zweifelsfrei ergebe, dass die Klägerin arbeitsunfähig gewesen sei. Hierbei habe es sich aber um akute, also vorübergehende Krankheitserscheinungen, die regelmäßig innerhalb von drei, spätestens binnen sechs Wochen abgeklungen seien, gehandelt. Die während der aktiven Schübe bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen hätten sich jeweils gut zurückgebildet, wie sich beispielsW.e aus dem Bericht von Dr. U. vom 23.10.2009 ergebe. Dies bestätige auch die Klägerin, wenn sie ausW.lich des Berichts zur stationären Behandlung vom 10. bis 16.03.2005 im Kurpfalzkrankenhaus Heidelberg angebe, vor dem akuten Schub "seit einer Woche" sei das Gehen gut möglich gewesen und selten einmal seien die Beine leicht eingeknickt. Aufgrund der ärztlichen Äußerungen gehe das SG davon aus, dass die Klägerin zwar im November 2003 nicht mehr in der Lage gewesen sei, überwiegend im Gehen oder im Stehen körperlich mittelschwere oder gar schwere Arbeit mit besonderen Anforderungen an Aufmerksamkeit, Konzentration und Feinmotorik zu verrichten. Ein nicht nur vorübergehender Gesundheitszustand, der spätestens seit November 2003 eine ausschließlich oder überwiegend im Sitzen zu verrichtende körperlich leichte Arbeit zu ebener Erde in geschlossenen temperierten Räumen ausgeschlossen oder das Gehvermögen auf 500 m beschränkt habe, stehe aber nicht fest. Die sich hieraus ergebenden Folgen der BeW.losigkeit trage die Klägerin.

Gegen das am 06.03.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05.04.2012 Berufung eingelegt und zur Berufungsbegründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Sie halte daran fest, dass bei ihr spätestens am 30.11.2003 vom Vorliegen eines zumindest auf unter sechs Stunden arbeitstäglich abgesunkenen Leistungsvermögens auszugehen sei. Es treffe zwar zu, dass die MS-Schübe akute vorübergehende Krankheitserscheinungen seien, jedoch sei es so, dass zwischen den Schüben erhebliche Leistungsbeeinträchtigungen bestünden. Seit Beginn der MS-Erkrankung habe es keine wirklich beschwerdefreien Zeiten gegeben. Dr. U. habe mit seinen Ausführungen vom 23.10.2009, wonach die Klägerin zwischen den einzelnen Schüben erfreulich mobil sei, deutlich machen wollen, dass sie sich in diesen Phasen zumindest ohne fremde Hilfe habe bewegen können. Hieraus könne nicht abgeleitet werden, dass eine Wegstrecke von viermal 500 Metern am Tag in jeweils 20 Minuten zurückgelegt werden konnte. Ein derartiges Gehvermögen werde auch nicht durch den Bericht des Kurpfalzkrankenhauses Heidelberg vom 22.04.2005 bestätigt. Soweit dort im Rahmen der Anamnese ausgeführt sei, vor der akuten aktuellen Verschlechterung der Gehfähigkeit sei das Gehen gut möglich gewesen, selten einmal seien die Beine leicht eingeknickt, W.e sie darauf hin, dass dies für sie bedeutet habe, dass sie permanent mit einer Sturzgefahr gelebt habe und die oben beschriebenen Gehstrecken gleichwohl nicht zurücklegen konnte. Es treffe auch nicht zu, dass sie sich nicht in psychosomatische Behandlung begeben habe. Es sei ziemlich alles ausprobiert worden, um die Beschwerden zu lindern. Sie habe auch Psychopharmaka bekommen, die sich allerdings eher negativ ausgewirkt hätten (stark gemindertes Reaktionsvermögen, Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit). Die Psychopharmaka seien in Absprache mit dem damaligen Neurologen abgesetzt worden. Der Somatisierungsstörung komme daher keine eigenständige Bedeutung zu. Der behandelnde Neurologe gehe davon aus, dass aus seiner Sicht mindestens seit Oktober 2009 von einer quantitativen Leistungsminderung auszugehen sei. Eine Aussage dahingehend, dass diesbezüglich nicht von einem wesentlich früheren Leistungsfall ausgegangen werden könne, sei in den Ausführungen von Herrn Ernst nicht enthalten. Ferner ist ein Attest von Dr. U. von 23.07.2013 vorgelegt worden, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 42/43 der Senatsakte Bezug genommen wird. Zuletzt ist eine Übersicht über die Behandlungen vom 26.09.2013 (Bl. 40/42 der Senatsakte) vorgelegt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.02.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 01.07.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuW.en.

Sie verW.t auf eine Stellungnahme ihres beratungsärztlichen Dienstes. Die vorliegenden medizinischen Unterlagen bestätigten Zeiten notwendiger Behandlung mit nachfolgender Besserung der Symptomatik. Da die Symptomatik aus dem neurologischen Fachgebiet stamme, wäre die genaue Befunddokumentation des behandelnden Neurologen seit dem Jahr 2002 wichtig. Nur bei NachW. kontinuierlicher deutlicher Funktionseinschränkungen durch den behandelnden Neurologen wäre auch von einem überdauernd verminderten Leistungsvermögen auszugehen. In dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten aus Oktober 1997 würden keine gravierenden neurologischen und psychischen Ausfälle beschrieben. Eine Leistungsminderung zu diesem Zeitpunkt könne medizinisch nicht belegt werden. Der Entlassungsbericht über die Rehabilitationsmaßnahme vom 05.10.2006 bis 02.11.2006 gehe für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Krankenpflegehelferin von einer Dauerarbeitsunfähigkeit aus, nehme jedoch weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an.

Die Beteiligten haben sich im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhaltes vom 16.09.2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 22.02.2012 sowie der angefochtene Bescheid vom 18.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilW.er Erwerbsminderung.

Gemäß § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilW.er Erwerbsminderung, wenn sie teilW.e erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). TeilW.e erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 01.02.1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilW.er Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen teilW.er Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI scheitert bereits daran, dass die Klägerin nach dem 01.02.1961 geboren ist.

Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind: 1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nr. 1 oder 2 liegt, 4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung sind gemäß § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit 1. Beitragszeiten 2. beitragsfreien Zeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag, eine beitragsfreie Zeit oder eine Zeit nach Nr. 4, 5 oder 6 liegt, 4. Berücksichtigungszeiten, 5. Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder 6. Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 (Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich (§ 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente setzt beW.rechtlich voraussetzt, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des "VollbeW.es", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 25/03 R, Juris, Rn. 13), feststehen. Im Falle der NichterW.lichkeit anspruchsbegründender Tatsachen gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 24.10.1957, 10 RV 945/55, Urteil vom 20.01.1977, 8 RU 52/76, Juris) der Grundsatz der objektiven BeW.last, insbesondere der Feststellungslast, wonach die Folgen der NichterW.lichkeit einer Tatsache von demjenigen Beteiligten zu tragen sind, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Eine BeW.lastentscheidung setzt voraus, dass zunächst alle verfügbaren Erkenntnisquellen und Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden sind und sich die entscheidungserheblichen Tatsachen gleichwohl nicht feststellen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.2006, B 11 AL 7/05 R, Juris, Rn. 29, 32).

Vorliegend ist nicht feststellbar, dass der Versicherungsfall spätestens am 30.11.2003 eingetreten ist. Das SG ist wie die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI (drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung) für die Zeit ab Dezember 2003 nicht mehr erfüllt sind. Der Versicherungsverlauf der Klägerin, der von dieser auch nicht bestritten wird, W.t ab Oktober 2001 weder Pflichtbeitragszeiten noch Aufschubzeiten nach § 43 Abs. 4 SGB VI auf. Bei einem fiktiven Versicherungsfall im November 2003 wäre der Fünfjahreszeitraum um die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nach §§ 43 Abs. 4 Nr. 2, 57 SGB VI um 110 Monate (9 Jahre und 2 Monate) Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (November 1992 bis Oktober 2001 sowie September und Oktober 1991) bis September 1989 zu verlängern. In dem dann zugrunde zu legenden Zeitraum September 1989 bis November 2003 sind letztmals 36 Monate (24 Monate Pflichtbeitragszeiten für Beschäftigung von September 1989 bis August 1991, zwölf Monate Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung von November 1991 bis Oktober 1992) mit Pflichtbeiträgen belegt, so dass eine Erwerbsminderung bis 30.11.2003 eingetreten sein und seither durchgehend bestanden haben müsste. Hiervon konnte sich der Senat indessen anhand der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht überzeugen.

Dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt sind, da zum Zeitpunkt des letztmaligen Vorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im November 2003 der Eintritt der vollen oder teilW.en Erwerbsminderung nicht bewiesen ist, hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der umfassend erhobenen BeW.e festgestellt. Der Senat schließt sich daher den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils, insbesondere der dort vorgenommenen ausführlichen BeW.würdigung an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist ergänzend auszuführen, dass sich auch aus dem Attest des Dr. U. vom 23.07.2013 kein NachW. für den Eintritt der Erwerbsminderung vor Dezember 2003 ergibt. Die von Dr. U. zur weiteren Begründung herangezogenen Sinusbradykardien (bis 36/min), die die Sturzgefahr erheblich erhöhten und das allgemeine Leistungsvermögen minderten, werden erstmals in dem Bericht der kardiologischen Praxis Dr. Jauernig vom 09.11.2004 bestätigt. Eine Leistungsminderung vor diesem Zeitpunkt lässt sich auch durch die vorliegenden Sinusbradykardien damit nicht nachW.en. Eine durchgehende Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens ist auch aufgrund der Somatisierungsstörungen, die Dr. U. zur Begründung der angenommenen Leistungseinschränkung angibt, nicht nachgewiesen. Zwar wird im Bericht der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg vom 04.04.2002 eine somatoforme Störung in Betracht gezogen, eine depressive Stimmungslage bestand aber nicht. Die somatoforme Störung wird als Diagnose noch in dem Bericht von Dr. J. vom 03.12.2001 angegeben. Die Klägerin selbst hat zur Berufungsbegründung angegeben, der Somatisierungsstörung komme keine eigenständige Bedeutung zu. Soweit Dr. U. in dem Attest vom 23.07.2013 auf die der Multiplen Sklerose Erkrankung geschuldeten Neuropathien, die zu Kribbelparästhesien, Gangunsicherheit und Sturzgefahr führen, verW.t, hat das SG überzeugend ausgeführt, dass es sich hierbei um akute, also vorübergehende Krankheitserscheinungen gehandelt hat, die regelmäßig innerhalb von sechs Wochen abgeklungen sind. Diese Einschätzung, der sich der Senat anschließt, wird belegt durch die vorliegenden Befundberichte der behandelnden Ärzte. Dr. U. berichtet am 23.10.2009, dass die Klägerin zwischen den einzelnen Schüben erfreulich mobil sei. AusW.lich des Berichts des Kurpfalzkrankenhauses Heidelberg über die stationäre Behandlung vom 10. bis 16.03.2005 hat die Klägerin selbst angegeben, vor dem akuten Schub "vor einer Woche" sei das Gehen gut möglich gewesen und selten einmal seien die Beine leicht eingeknickt. Dr. U. bestätigt in seinem Attest vom 23.07.2013 auch lediglich, es könne mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Bewegungsradius im Rahmen von Schüben sehr eingeschränkt und je nach Tagesverfassung sogar auf wenige Meter beschränkt gewesen sei. Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin aufgrund der Grunderkrankung Multiple Sklerose auch vor Dezember 2003 unter einer Gangunsicherheit gelitten hat. Dies wird u. a. durch den im Klageverfahren vorgelegten Notfallbericht des Kreiskrankenhauses Sinsheim vom 31.05.2003 bestätigt, wonach sich die Klägerin im Rahmen der Gangunsicherheit das Knie verdreht hat und gestürzt ist. Auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. L. vom 04.06.2001 gehen Einschränkungen hervor. So bestand beim Romberg-Versuch eine Sturzneigung nach links mit Schließen der Augen, der Einbeinstand war links zwei Sekunden, rechts drei Sekunden möglich. In den Berichten der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H. vom 13.02.2002 und vom 04.04.2002 wird die Koordination als unauffällig bzw. geringgradig beeinträchtigt, das Gangbild als normal angegeben. Im Untersuchungsbericht der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H. vom 22.05.2003 werden Tonus und Koordination als unauffällig, der Gang als sicher und der Gleichgewichts- und Blindversuch als leicht unsicher beschrieben. Eine durchgehende Einschränkung der Wegefähigkeit in einem Umfang, der eine Erwerbsminderung begründet, ist damit außerhalb der akuten Schübe jedenfalls vor Dezember 2003 nicht belegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG, Urteile vom 09.08.2001, B 10 LW 18/00 RSozR 3-5864 § 13 Nr. 2 m. w. N. sowie Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R, Juris). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (BSG, Urteile vom 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, Urteil vom 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R - SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 und vom 14.03.2002, B 13 RJ 25/01 R, Juris); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 19.11.1997, 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 10 und vom 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R, Juris). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl. BSG, Urteile vom 19.11.1997, 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 10, vom 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R und vom 14.03.2002, B 13 RJ 25/01 R, Juris). Von einer derartigen durchgehenden Einschränkung des Gehvermögens auch in den Zeiten zwischen den einzelnen Schüben konnte sich der Senat nicht überzeugen. Auch insoweit wird auf die Ausführungen des SG Bezug genommen. Ergänzend wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Klägerin, wie sie auch gegenüber Prof. Dr. L. bei der Begutachtung am 18.01.2001 angab, über ein Kraftfahrzeug verfügt, welches sie nach ihren Angaben im Erörterungstermin vom 16.09.2014 bis heute nutzt. Die Klägerin war zwar nach ihren glaubhaften Angaben in der Phase, in der das Doppelbildsehen stärker ausgeprägt war, nicht in der Lage, das Kraftfahrzeug zu nutzen. Das Symptom des Doppelbildsehens hat sich aber zwischenzeitlich zurückgebildet. Unabhängig davon, dass kein NachW. darüber vorliegt, in welchen konkreten Zeiträumen die Nutzung eines Kraftfahrzeugs aufgrund der Seheinschränkung nicht möglich war - die Klägerin selbst geht von 2002/2003 aus - ist nicht nachgewiesen, dass die Gehfähigkeit der Klägerin vor Dezember 2003 und seither durchgehend in einem Umfang eingeschränkt war, der die Wegefähigkeit in rentenbegründendem Ausmaß eingeschränkt hätte.

Ein NachW. für den Eintritt der Erwerbsminderung vor Dezember 2003 liegt daher nicht vor, so dass das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren unterlegen ist.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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