Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 14 BL 25/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 BL 3/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Blindengeld nach dem Gesetz über das Blinden- und Gehörlosengeld im Land Sachsen-Anhalt (LBliGG a.F.) für den Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis zum 31. Dezember 2013 umstritten.
Die 1979 geborene Klägerin verunfallte am 7. August 2000 als Pkw-Fahrerin auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte und erlitt dabei folgende Verletzungen: Schädelhirntrauma Grad III mit generalisiertem Hirnödem und multiplen intrazerebralen Kontusionsblutungen, links frontaler Kalottenfraktur mit Kopfplatzwunde, Pyramidenlängsfraktur rechts und Gehörgangfraktur mit ossärer Dislokation, Einblutung in die Siebbeinzellen und beide Warzenfortsätze, offene paramediane Unterkieferfraktur links, perforierende Bulbusverletzung links, Hämatothorax rechts und Lungenkontusion, Hämaskos bei retroperitonealer Einblutung, Beckenringfraktur mit beidseitiger Sitzbeinfraktur, Schambeinfraktur rechts und Darmbeinschaufelfraktur links, Femurschafttrümmerfraktur beidseits, offene Patellafraktur rechts, distale Humerusfraktur links, protrahierter hämorrhagischer Schock mit Verbrauchskoagulopathie. Mit Bescheid vom 7. Februar 2002 gewährte die B.-Berufsgenossenschaft (BG) H. der Klägerin eine Rente nach einer MdE von 100 und erkannte dabei als Folgen des Versicherungsfalls an: Wachkoma nach schwerster Schädel-Hirn-Verletzung 3. Grades mit Hirnödem und Hirneinblutungen, Kalottenbruch links, Pyramidenlängsbruch und Gehörgangbruch rechts, offenem Unterkieferbruch links, durchbohrender Augenverletzung links, Lungenprellung, Beckenring- und Sitzbeinbruch beidseits, Schambeinbruch und Darmbeinschaufelbruch rechts, Oberschenkelschafttrümmerbruch beidseits, offenem Kniescheibenbruch rechts und Oberarmbruch links.
Am 19. Februar 2007 beantragte die durch ihre Mutter als Betreuerin vertretene Klägerin Blindengeld. Sie übersandte einen Bescheid der B.-BG vom 16. Juni 2003, wonach ihr monatlich ein Betrag von 2.230,65 EUR gewährt werde (Pflegegeld 1.179,83 EUR, Verletztenrente 963,82 EUR, Mehrverschleiß 87,- EUR). Mit Schreiben vom 22. Februar 2007 wandte sich der Beklagte an die B.-BG und bat um Mitteilung, ob die Sehbehinderung als Folge des Unfalls anerkannt sei und gegebenenfalls in welcher Höhe für diese Leistungen gewährt würden. In Antwort auf diese Anfrage verwies die B.-BG auf ihren Rentenbescheid und die dort anerkannten Unfallfolgen. Der Beklagte holte außerdem einen Befundschein des Facharztes für Augenheilkunde Dr. K. vom 12. März 2007 ein. Danach seien der Visus und Gesichtsfeldbestimmungen nicht zu erheben. Eine Fixation erfolge nicht. Die Pupillenreaktion erfolge regelrecht (direkt und indirekt).
Nach dem beigezogenen Bericht der M.-Klinik NRZ (Neurologisches Zentrum für stationäre, teilstationäre und medizinisch-beruflicher Rehabilitation) M. vom 3. Januar 2002 habe sich die Klägerin dort in einer Rehabilitationsmaßnahme vom Mai bis November 2001 befunden. Zum neurologischen Befund wurde hinsichtlich der Hirnnerven ausgeführt: Pupille links entrundet ohne Reaktion auf Licht nach Bulbusverletzung, Pupille rechts mit träger Reaktion, inkomplette Okulomotoriusparese (Lähmung III. Hirnnerv) links mit leichter Ptosis (Herabhängen des Augenlids) und Bulbusdivergenz links. Der Mund werde nur über Reflexe spontan geöffnet (z.B. beim Gähnen). Spontanbewegungen seien im Bereich der Extremitäten nicht beobachtbar. Die Muskeleigenreflexe seien beidseits schwach auslösbar. Es bestehe eine Blasen- und Mastdarminkontinenz. Die Sensibilität und Koordination seien nicht beurteilbar. Zum psychischen Befund wurde ausgeführt: Die Bewusstseinslage sei wach. Es erfolgten keine gezielte Blickfixation und keine Blickfolge auf äußere Reize. Es bestünden inkonstante vegetative Reaktionen auf akustische und Schmerzreize, wie Tachypnoe (gesteigerte Atemfrequenz) und leichter Herzfrequenz-Anstieg. Spontanbewegungen und Fluchtbewegungen seien nicht provozierbar. Auf leichte Schmerzreize erfolge eine deutliche mimische Reaktion. Das Blitz-VEP (Visuell evoziertes Potentiale = durch visuelle Stimulation der Netzhaut hervorgerufene Potentialunterschiede geringer elektrischer Ladungen, die über dem Bereich der Sehrinde am Hinterkopf von der Haut abgeleitet werden könne; dienen der objektiven Erfassung der sensorischen Erregungsleitungen bis zur Hirnrinde) habe bei Stimulation sowohl des rechten als auch des linken Auges eine annähernd seitengleiche Ausprägung eines P 100 mit einer Latenz von 74 ms rechts und 77 ms links ergeben. Zum Behandlungsverlauf wurde ausgeführt: Eine reproduzierbare Reaktion auf verbale Ansprache oder Körperkontakt oder visuelle Reize sei nicht zu beobachten gewesen. In den unterschiedlich langen Wachphasen habe jedoch immer wieder der Eindruck bestanden, dass die Klägerin auf die Anwesenheit der Mutter oder bestimmter Therapeuten oder sogar Gesprächsinhalte reagiert habe (durch Unruhe, im weiteren Verlauf auch durch klageähnliche Lautäußerungen) und sich um eine Sprachproduktion bemühe. Dabei sei es meistens nur zu oralen Automatismen, gelegentlich aber zu Vokalformungen und wortähnlichen Äußerungen gekommen. Bei Linkslagerung habe die Klägerin häufig Schmerzen gehabt, die sich durch Schwitzen und Lautäußerungen bemerkbar gemacht habe. Das Schlucken habe einige Male ausgelöst werden können, so dass wenige Löffel Joghurt oder Pudding gegessen werden konnten. Zusammenfassend hätten einige geringe Fortschritte erreicht werden können. Unklar sei, auch in Anbetracht der bestehenden Bulbusverletzung, ob die Klägerin etwas sehe. Eine Blickzuwendung oder sonstige adäquate Reaktionen auf visuelle Reize seien trotz des normalen Blitz-VEPs nicht zu beobachten. Auf akustische Reize sei eine eindeutige Reaktion vorhanden.
Nach dem Bericht der Diplom-Psychologin F. über die neurologische Rehabilitation im Therapiezentrum B. im Juli 2002 sei die Klägerin während der halbstündigen Untersuchung wach gewesen. Eine Blickfixation werde danach kurzzeitig aufgenommen. Bei Verzögerung der Objekte im Gesichtsfeld nach links seien Blickfolgebewegungen erfolgt. Nach rechts sei der Blick nicht über die Mittellinie hinausgegangen. Schriftliches Material habe die Klägerin mehrmalig mit horizontalen Augenbewegungen exploriert. Darüber hinaus sei jedoch keine zielgerichtete Reaktion im Sinne der Ausführung erfolgt. In einer zweiten Sichtstunde sei beobachtet worden, dass die Klägerin visuell dargebotene Objektbilder, Buchstaben und Zahlen mit dem rechten Auge fixiere und bei jedem Reiz unartikulierte Laute produziere. Diese Laute variierten sowohl in der Lautlänge als auch in der Lautqualität und seien als fragliche Artikulations- und Sprechversuche einzuordnen. Im stationären Alltag sei auch mehrmals beobachtet worden, dass die Klägerin Mama sage und durch unartikulierte Lautäußerungen Unbehagen oder Schmerz signalisierte. Bei der Präsentation zweier Bilder habe die Klägerin inkonstant den Blick zum genannten Bild gewandt. Akustische Reize lösten ein vermehrtes Augenblinzeln und eine Orientierungsreaktion (Kopfdrehen in Richtung der Schallquelle) aus.
Nach dem Bericht aufgrund der ambulanten Untersuchung am 18. September 2002 in der Klinik für Neurochirurgie der O.-v.-G.-U. M. öffne die Klägerin die Augen, fixiere jedoch nichts. Die rechte Pupille sei eng und reagiere auf Licht, die linke sei nach der Bulbusverletzung deformiert und reagiere nicht sicher auf Licht. Es bestünden eine Ptosis und Abduktionsfehlstellung des linken Auges und darüber hinaus eine leichte Fazialismundastschwäche. Der übrige Hirnnervenstatus sei nicht beurteilbar. Nach den Ausführungen der Mutter öffne die Klägerin die Augen, befolge jedoch keine Aufforderungen. Bis auf Kopfbewegungen lägen keine Extremitätenbewegungen vor. Aufgrund der nichtinvasiven Hirndruckmessung bei Nachweis eines posttraumatischen Hydrocephalus bestehe kein Anhalt für einen erhöhten intracraniellen Druck.
Der Beklagte holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme seiner Gutachterin Dipl.-Med. R. vom 10. April 2007 ein. Danach könne Blindheit nicht anerkannt werden, weil es sich um eine schwere Hirnschädigung mit Wachkoma handele. Aktuelle elektrophysiologische Augenuntersuchungen (Blitz-VEP) lägen nicht vor. Da im Reha-Bericht jedoch eine positive Ableitung dokumentiert sei, könne eine sog. Rindenblindheit ausgeschlossen werden. Auch könne der Grad der Sehbehinderung wegen der Hirnschädigung nicht festgestellt werden. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12. April 2007 die Gewährung von Blindengeld ab, weil nach Auswertung der ärztlichen Befunde weder Blindheit noch eine hochgradige Sehbehinderung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könnten.
Dagegen legte die Vertreterin der Klägerin am 11. Mai 2007 Widerspruch ein, weil auch bei Wachkomapatienten mit zerebralen und visuellen Verarbeitungsstörungen des Sehvermögens ein Leistungsanspruch bestehe. Der Beklagte holte nochmals eine ärztliche Stellungnahme seines Gutachters Dipl.-Med. K. vom 14. Juni 2007 ein, der ausführte: Der Nachweis von visuell evozierten Potentialen (VEP), die Fixation visuell dargebotener Objektbilder mit dem rechten Auge und die regelrechte direkte und indirekte Lichtreaktion des rechten Auges sprächen eindeutig gegen das Vorliegen von Blindheit oder einer hochgradigen Sehbehinderung. Dem folgend wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2007 den Widerspruch der Klägerin zurück.
Dagegen hat die nun anwaltlich vertretene Klägerin am 5. September 2007 Klage beim Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben und vorgetragen: Es sei nach dem Wortlaut des LBliGG nicht maßgeblich, auf welchen Ursachen die Störung des Sehvermögens beruhe und ob das Sehorgan (Auge, Sehbahn) selbst geschädigt sei. Auch zerebral bedingte Beeinträchtigungen des Sehvermögens seien zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) sei danach zu differenzieren, ob das Sehvermögen, also das Sehen- bzw. Erkennen können beeinträchtigt sei oder ob bei vorhandener Sehfunktion nur eine zentrale Verarbeitungsstörung vorliege, bei der das Gesehene nicht richtig identifiziert bzw. mit früheren visuellen Erinnerungen verglichen werden könne. Entscheidend sei, ob die Störung nicht schon das Erkennen, sondern erst das Benennen betreffe. Nach diesem Maßstab liege Blindheit vor, denn bei der Klägerin sei nicht das "Benennen können", sondern das Sehen- bzw. Erkennen können beeinträchtigt. Im Übrigen habe der Beklagte völlig unberücksichtigt gelassen, dass eine linksseitig perforierende Bulbusverletzung vorliege und das linke Auge deformiert sei. Den Bericht des Therapiezentrums B. habe der Beklagte zu positiv bewertet. Die dort beschriebene Fixierung der dargebotenen Objektbilder sei eher zufällig gewesen seien. Die Klägerin bewege manchmal ihre Augen hin und her, dies sei jedoch völlig unwillkürlich und spontan, ohne dass ein entsprechender Reiz vorausgegangen sei. Sie reagiere nicht, wenn ihr bestimmte Gegenstände oder eine Hand vor die Augen gehalten werde. Eine Fixation visuell dargebotener Objektbilder könne daher nicht nachgewiesen werden. Den anderen Berichten sei nicht zu entnehmen, dass eine solche erfolgt sei. Auch erfolge keine Lichtreaktion, sodass von Blindheit im Sinne des Gesetzes auszugehen sei. Auch nach dem als Beweismittel vorgelegten (undatierten) Schreiben der Logopädin R. reagiere die Klägerin auf akustische Angebote (Geräusche, Laute und Töne, musikalische Ansprache, dynamische Veränderungen in der Sprechstimme sowie lexikalisch-semantische Items). Sie sei in der Lage, ihrem Befinden mittels tonaler Intension Ausdruck zu verleihen, dies stehe für auditiv-phonologische Rückkopplungsmechanismen. Bei visuellen Angeboten mittels bildlicher/schriftlicher Verfahren habe es keine Interaktion/Reaktion gegeben. Derzeit werde weiterhin im auditiven Bereich therapiert. Nach den ebenfalls vorgelegten Berichten der Augenärztin Dr. S. vom 18. und 23. August 2000 lägen aufgrund des Unfalls eine Hornhautnaht im Bereich des linken Auges sowie eine Pupillenverziehung vor.
Dagegen hat der Beklagte eingewandt: Der linksseitige Sehkraftverlust werde durch die Bulbusverletzung des linken Auges erklärt. Dagegen sei offen, worauf die Sehstörung des rechten Auges beruhe. Im Übrigen hat der Beklagte auf eine Stellungnahme seiner Prüfärztin Dr. W. vom 17. Januar 2008 verwiesen. Danach seien bei Patienten im Wachkoma für die Feststellung von Blindheit dieselben Maßstäbe wie bei allen anderen Patienten anzulegen. Allein die hochgradige Hirnleistungsstörung, die eine bewusste Verarbeitung aufgenommener Umweltreize unmöglich mache, rechtfertige nicht die Anerkennung von Blindheit. Der erhobene augenärztliche Befund könne keine Blindheit erklären. Zudem sei ein Fixieren innerhalb des Blickfeldes mitgeteilt worden, was bei Blindheit nicht möglich sei. Die Psychologin habe sogar eine Blickfixation auf visuell dargebotene Objektbilder, Buchstaben und Zahlen beobachtet. Im Übrigen habe das Blitz-VEP normal evozierte Potentiale aufgezeigt. Blindheit könne bei Wachkomapatienten dann anerkannt werden, wenn keine evozierten Potentiale auslösbar seien und der augenärztliche Befund eindeutig keine Sehfähigkeit mehr nachweise. Allein eine fehlende Blickfixation könne dagegen nicht als Beweis für Blindheit gelten, da diese meist schon infolge der schweren Hirnleistungsstörungen ausbleibe. Schließlich hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass ggf. die von der B.-BG gewährten Leistungen wie Pflegegeld und Mehrverschleiß für Kleidung/Wäsche auf das zu zahlende Blindengeld anzurechnen seien, falls diese auch als Leistungen wegen Blindheit gewährt würden.
Das SG hat die Verwaltungsakte der B.-BG beigezogen. In dieser hat sich das Rentengutachten des Dr. P., Facharzt für Neurologie und Rehabilitationswesen der M.-Klinik NRZ M. vom 14. Mai 2002 befunden. Danach bestehe eine hochgradige zerebrale Funktionseinschränkung im Sinne eines sogenannten apallischen Syndroms (auch Wachkoma) mit geringer Tendenz zu einer Reagibilität durch Lautäußerungen oder auch durch unwillkürlichen mimischen Ausdruck. Eine gezielte Blickfixation oder Blickfolge auf äußere Reize erfolge nicht, auf akustische und Schmerzreize seien inkonstant vegetative Reaktionen wie vermehrtes Atmen und ein leichter Herzfrequenz-Anstieg beobachtet worden. Bei z.B. längerem Sitzen im Rollstuhl seien häufiger einfache Vokalisationen zu hören, die offensichtlich ein Unbehagen ausdrücken. Eine Kommunizierbarkeit sei nicht gegeben, eine aktive Kooperation ebenfalls nicht. Insofern bestehe eine hochgradige Bewusstseinseinschränkung. Aufgrund der fehlenden Pupillenreaktion sei auch am linken Auge eine Schädigung zu vermuten, deren Umfang jedoch nicht genau spezifiziert werden könne. Die Reaktion der rechten Pupille auf Licht sei träge, jedoch vorhanden gewesen. Eine spontane Öffnung des Mundes oder auf Aufforderung sei nicht erfolgt, lediglich beim Gähnen oder nach längerer Stimulation werde eine spontane Mundöffnung durchgeführt. Bei der Prüfung der Sensibilität habe sich lediglich eine ungezielte Reaktion auf Schmerzreize (an allen Extremitäten) feststellen lassen. In seiner Stellungnahme zum Umfang der Pflegebedürftigkeit führte Dr. P. aus: Die Klägerin könne nicht mit ihrer Umwelt kommunizieren, lediglich brummende und summende Geräusche könnten als Schmerzäußerung oder Unbehagensäußerung interpretiert werden. In seiner Stellungnahme zum Kleider- und Wäschemehrverschleiß führte Dr. P. aus: Dieser entstehe ausschließlich durch die Beschmutzung der Leib- und Bettwäsche mit Stuhl, Urin und durch das intermittierende starke Schwitzen. Schließlich hat sich in der Verwaltungsakte der B.-BG der ärztliche Abschlussbericht der Chefärzte am Therapiezentrum B. Dr. L., Dr. S. und des Stationsarztes Dr. F. vom 5. August 2002 befunden. Klinisch bestünde danach eine hochgradige Hirnfunktionsstörung im Sinne eines apallischen Syndroms, eine linksbetonte spastische Tetraparese, Inkontinenz, der Verdacht auf eine inkomplette Okulomotoriusparese links mit leichter Ptosis und Bulbusdivergenz links und Dysphagie. Die Pupille links sei entrundet und ohne Reaktion auf Licht nach Bulbusverletzung, rechts träge mit direkter Lichtreaktion. Auf Schmerzreize erfolgten Grimmassen. Es bestehe eine fragliche verzögerte Hinwendung nach verbaler Aufforderung zur Mutter. Eine Mundöffnung erfolge nicht. Laut Aussagen der Mutter seien im häuslichen Umfeld eine kurzzeitige Blickfixation sowie explorierende Blickfolgebewegungen beobachtet worden. Es komme zu Lautäußerungen im Sinne einer Unmutsäußerung. Die Klägerin sei nicht in der Lage, verbalen oder schriftlichen Aufforderungen nachzukommen. Ob es auf Ansprache zu einer verzögerten Kopfdrehung komme, sei fraglich.
Der Beklagte hat in Auswertung dieser Unterlagen darauf hingewiesen, es werde immer wieder über eine Blickfixation und andere eindeutige Hinweise dafür berichtet, dass keine Blindheit oder hochgradige Sehbehinderung bestehen könne. Da ein Blitz-VEP normale kortikal evozierte Potentiale ergeben habe, sei zumindest von einer zum Teil intakten Sehfunktion auszugehen.
Das SG hat zunächst einen Befundbericht des Augenarztes Dr. H. vom 1. August 2009 eingeholt, wonach keine Visus- und Gesichtsfelderhebungen möglich seien. Schließlich hat das SG das neurologische Gutachten des Direktors der Klinik für Neurologie Prof. Dr. H. vom 9. September 2010 eingeholt, das dieser gemeinsam mit dem Oberarzt Dr. B. nach einer Untersuchung der Klägerin am 23. August 2010 erstattet hat. Danach habe die Mutter der Klägerin geschildert: Die Klägerin reagiere auf einfache akustische Reize mit klaren Orientierungsreaktionen und differenziere zwischen verschiedenen Menschen ihrer Umgebung. Sie freue sich, wenn die Mutter zurückkehre, habe aber auch Aversionen gegen bestimmte Personen. Unklar sei, ob sie bestimmte Musikrichtungen möge. Die Klägerin "meckere", wenn sie zu Bett gebrachte werde. Dies drücke sie durch Stöhnen und schnelle Kopfbewegungen aus. Zum Untersuchungsbefund hat der Sachverständige ausgeführt: Außer den Bewegungen im Kopfbereich träten nur spontane Massenbewegungen im Sinne von Beuge-, Strecksynergismen im Bereich des Rumpfes und der Hüftgelenke und Beugesynergismen im Bereich des rechten Ellenbogens und der Hand auf. Aufgrund der wechselnden Vorlieben und Abneigungen bei pürierten Nahrungsmitteln könne zumindest auf eine teilweise Funktionsfähigkeit des Geruchs- oder Geschmacksempfindens geschlossen werden. Eine Prüfung des Gesichtsfeldes sei nicht möglich, weil die Klägerin keine gezielten Reaktionen auf Sehobjekte zeige, lediglich auf starke Blendungsreize mit kurzzeitigem Blinzeln reagiere. Visuelle Drohreize bewirkten keine Reaktionen. Auf akustische Reize aus verschiedenen Richtungen komme es zu einer Blickwendung in die entsprechende Richtung mit mehreren Ruckbewegungen, ohne dass sich daran anschließend eine Fixation des Blickes bzw. Folgebewegungen nachweisen ließen. Auch ein optokinetischer Nystagmus, eine unwillkürliche Reaktion auf sich vorbeibewegende visuelle Reize, habe sich nicht auslösen lassen. Bei Bestreichen der Gesichtshaut auf beiden Seiten sei es zu Lautäußerungen gekommen, die Unbehagen signalisierten. Auf akustische Reize von rechts werde eher als auf solche von links reagiert. Auf Schmerzreize im Bereich der Extremitäten komme es zu ungezielten Beuge- und Strecksynergismen, nur die rechte Hand werde grob gezielt weggenommen. Aussagen zur Orientierung seien nicht möglich. Die Klägerin sei aber während der gesamten Untersuchung wach gewesen und habe versucht, Aufforderungen, den Kopf zu bewegen, zu befolgen. Versuche, bei ihr Lautsprache hervorzurufen, gelängen nicht, außer beim Mitsprechen des Wortes Mama. Ansonsten bestehe die Lautproduktion entweder aus ungeformten Stöhnlauten oder aber aus "Aua" oder "Ja", wobei letzteres nicht verlässlich auf Zustimmung oder Ablehnung schließen lasse. Über die Lautäußerungen könne sie aber Unmut und auch Trübstimmung kommunizieren. Zusammenfassend hat der Sachverständige ausgeführt: Die Klägerin zeige durchaus gerichtete Reaktionen in Form von Lautäußerungen und Kopfbewegungen, produziere auf visuelle Reize aber gerade keine Reaktionen, außer bei plötzlichen Blendungsreizen, die beidseits zu Blinzelreaktionen führten. Orientierungsreaktionen im Sinne von Augenbewegungen seien zwar bei akustischen Reizen aufgetreten, eine Fixation des Blickziels sei jedoch nie zu beobachten gewesen. Wie schon bei Untersuchungen im NRZ M. habe auch er elektrophysiologisch eine kortikale Reaktion auf Blitzreize ableiten können. Die extrem frühen Potentiale seien ein Beleg dafür, dass durch das visuelle System der Klägerin über beide Augen Reize bis zur Sehrinde prozessiert würden. Die kurze Latenz spreche für eine sehr frühe Verarbeitung möglicherweise in der Area 17, der primären Sehrinde, während die weitere Verarbeitung, die typischerweise in den Areae 18 und 19 stattfinde und zur Erzeugung des charakteristischen P100-Signals führe, keinen Niederschlag in den evozierten Potentialen finde und so möglicherweise gar nicht stattfinde. Zudem sei aus der Literatur bekannt, dass auch bei Patienten mit kortikaler Blindheit gelegentlich Blitz-VEP abgeleitet werden könnten, sodass das Vorliegen einer kortikalen Blindheit hierdurch nicht ausgeschlossen werden könne. Versuche, mittels einer anderen elektrophysiologischen Untersuchung Belege für eine kognitive Verarbeitung von Sehreizen zu erlangen, hätten keine Erfolge gezeigt. Insgesamt hätten keine sicheren Anhaltspunkte dafür gefunden werden können, dass die Klägerin in einem im Alltag relevanten Ausmaß sehe. An Reaktionen, die sicher zumindest rudimentär intakte Funktion der Sehbahn erfordern, hätten nur Blinzelreaktionen auf sehr helle Lichtreize und die sehr frühen Blitz-VEP festgestellt werden können. Wegweisend sei hierbei auch, dass die Potentiale sich von beiden Augen nicht wesentlich unterschieden hätten, sodass für die Einschränkung der Sehfähigkeit auch des beim Unfall direkt geschädigten linken Auges weniger die Unfallfolgen im Bereich des Auges als vielmehr die im Bereich des zentralen Nervensystems maßgeblich sein dürften. Es hätten für die Fähigkeit, sehr helle Lichtreize wahrnehmen zu können sowohl auf der elektrophysiologischen als auch auf der Verhaltensebene Anhaltspunkte gefunden werden können. Für darüber hinausgehende visuelle Wahrnehmungsfähigkeiten hätten sich bei der Untersuchung mit realen Gegenständen, Bildern oder Farben keine Hinweise gefunden. Möglicherweise seien die Beobachtungen der Mutter und der Psychologin in Bezug auf die Blickfixationen dem nicht ungewöhnlichen Wunsch von Angehörigen und Therapeuten nach Fortschritten geschuldet. Ohne mit letzter Sicherheit den Grund für die höchstgradige Sehstörung des Sehens bei der Klägerin angeben zu können, sei davon auszugehen, dass diese derzeit nicht mehr als hell und dunkel in der visuellen Sphäre differenzieren könne. Insgesamt leide die Klägerin unter einem postapallischen Syndrom mit minimal bewusstem Zustand. Es bestehe eine gravierende Störung des Bewusstseins und der Fähigkeit, mit der Umwelt zu interagieren, ohne dass dies vollkommen aufgehoben wäre. Die Klägerin sei in der Lage zu kommunizieren, ob die Situation, Tätigkeiten, Lebensmittel oder auch Personen angenehm oder unangenehm seien, sie reagiere gezielt auf akustische und sensible Reize, zeige aber keine gerichteten Reaktionen, die auf eine Intaktheit des Sehens schließen lassen könnten, sofern es über Reaktionen auf Blendungsreize und Dunkelheit hinausgehe. Inwieweit ein vollständiger Ausfall der Sehrinde vorliege, lasse sich nicht feststellen. Gegen einen vollständigen Ausfall der Sehrinde sprechen die auslösbaren Blitz-VEP und der fehlende Nachweis einer morphologischen Schädigung der Sehrinde nach den mitgeteilten Computertomographie- und Magnetresonanztomographie-Untersuchungen. Auch das Vorliegen einer visuellen Agnosie sei weder mit letzter Sicherheit ausgeschlossen noch könne diese angenommen werden, da dies gerade an den Nachweis einer intakten primären Sehleistung gebunden sei. Dies liege nicht zuletzt an der fehlenden Untersuchbarkeit im Rahmen der allgemeinen Hirnschädigung. Auf der Grundlage der gemachten Verhaltensbeobachtung gebe es keinen Hinweis dafür, dass die Klägerin visuelle Dinge identifizieren könne, aber nur ein Problem des Benennens bestünde, was im Übrigen neuropsychologisch auch nicht unter dem Begriff der Agnosie, sondern unter dem Begriff der visuellen Benennstörung fallen würde. Eine gravierende Änderung hinsichtlich der Sehfähigkeit habe es in den letzten sechs Jahren nicht gegeben. Insgesamt erscheine trotz der schweren sonstigen Behinderung kognitiver Funktionen die Sehfunktion bei der Klägerin in besonderem Maße beeinträchtigt und dies in einem Maß, das funktionell durchaus Blindheit gleichkomme. Divergenzen hinsichtlich der Einschätzung anderer Ärzte und Gutachter bestünden nur insofern, als das die von den Gutachtern des Beklagten vorgebrachte Begründung, dass ein positives Blitz-VEP das Vorliegen von kortikaler Blindheit ausschließe, sachlich falsch sei. Die episodische Mitteilung, dass gelegentlich fixiert werde, könne bei der heutigen Untersuchung nicht nachvollzogen werden. Nach den Befragungen seien keine Hinweise dafür gegeben, dass das Sehen im Leben der Klägerin in den letzten zehn Jahren irgendeine funktionelle Bedeutung gehabt hätte. Der Sachverhalt der grundsätzlichen Sehfähigkeit der Klägerin sei nicht mit letzter Sicherheit aufgeklärt, problematisch seien hierbei die weiteren interagierenden kognitiven Einschränkungen und Behinderungen.
Der Beklagte hat in Auswertung des Gutachtens auf die prüfärztliche Stellungnahme seiner ärztlichen Gutachterin Dr. W. vom 15. Oktober 2010 verwiesen, wonach das positive Blitz-VEP erneut funktionsfähige Sehbahnen nachgewiesen habe. Zwar sei Blindheit bei einem positiven Blitz-VEP nicht ausgeschlossen, bei Patienten im Wachkoma sei wegen der massiven Bewusstseins- und Compliancestörungen ein negatives Blitz-VEP aber eine Möglichkeit, Blindheit zweifelsfrei festzustellen. Bei einem positiven Blitz-VEP sei das nur dann vertretbar, wenn zum Beispiel schwere degenerative Augenhintergrundbefunde vorlägen, die als organisches Korrelat Blindheit erklärten. Im Übrigen habe selbst bei dem neurologischen Gutachter bezüglich einer bestehenden Blindheit keine Sicherheit bestanden.
Die Klägerin hat hervorgehoben, der Sachverständige habe ausgeführt, dass die Sehfunktion in einem Maße beeinträchtigt sei, das funktionell einer Blindheit gleichkomme. Außerdem habe er darauf hingewiesen, dass die Begründung des Beklagten hinsichtlich des positiven Blitz-VEP falsch sei. Der Sachverständige sei offenbar davon ausgegangen, er habe den Sachverhalt der grundsätzlichen Sehfähigkeit aufklären sollen. Hier gehe es dagegen um die Frage einer vollständigen oder graduellen Blindheit.
Mit Urteil vom 28. Juli 2011 hat das SG den Beklagten verurteilt, den Bescheid vom 12. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2007 aufzuheben und der Klägerin ab dem 1. Februar 2007 Blindengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach dem LBliGG sei eine sog. faktische Blindheit ausreichend. Dabei sei nicht maßgeblich, auf welchen Ursachen die Störung des Sehvermögens beruhe und ob das Sehorgan selbst geschädigt sei. Auch zerebrale Schäden, die zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führten, seien zu berücksichtigen. Diese seien allerdings von Störungen im seelisch-geistigen Bereich abzugrenzen. Es sei zu differenzieren, ob das Sehvermögen, das heißt, das Sehen bzw. Erkennen können beeinträchtigt sei oder ob bei vorhandener Sehfunktion nur eine zentrale Verarbeitungsstörung vorliege. Es müsse sich im Vergleich zu möglicherweise ebenfalls eingeschränkten Gehirnfunktionen eine spezifische Störung des Sehvermögens feststellen lassen. Zum Nachweis einer zu faktischer Blindheit führenden schweren Störung des Sehvermögens genüge es, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen sei als die Wahrnehmung mit anderen Sinnen. Dies sei lediglich bei einem vollständigen apallischen Syndrom nicht der Fall. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gelte auch als blind, wer aufgrund schwerer Hirnschädigung visuell nichts wahrnehme, sofern andere Sinnesmodalitäten wenigstens noch teilweise erhalten seien. Bei der Klägerin sei von einem vollständigen Ausfall der Sehfähigkeit auszugehen. Die Klägerin habe keine gezielten visuellen Reaktionen auf Sehdinge gezeigt. Lediglich starke Blendungsreize hätten zu kurzfristigem Blinzeln geführt. Eine unwillkürliche Reaktion auf sich vorbei bewegende visuelle Reize habe sich nicht auslösen lassen. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Klägerin nicht mehr als hell und dunkel unterscheiden könne. Das positive Blitz-VEP könne eine kortikale Blindheit nicht ausschließen. Die Einzelbeobachtung der Blickfixation hätte nicht reproduziert werden können. Insoweit müsse hier von einer Überinterpretation ausgegangen werden. Im Vergleich zur Sehfunktion seien die übrigen Sinne der Klägerin zumindest noch teilweise intakt. Sie reagiere insbesondere nachprüfbar auf akustische Reize. Auch Berührungsreizen gegenüber sei die Klägerin empfänglich, da sie mit Unmutsäußerungen auf ein Streicheln der Wange reagiert habe. Es sei auch nachvollziehbar, dass die Klägerin in der Lage sei, die ihr angebotene Nahrung zu unterscheiden und entsprechende Vorlieben zum Ausdruck zu bringen. Dementsprechend müsse zumindest von einem teilweise intakten Geruchs- und Geschmackssinn ausgegangen werden. Insgesamt sei die Klägerin in der Lage, Sinnesreize zu verarbeiten und hierauf zu reagieren. Allein die Sehfähigkeit sei nachhaltig gestört, sodass von faktischer Blindheit auszugehen sei.
Gegen das ihm am 18. August 2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 13. September 2011 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen: Den Ausführungen des SG, wonach allein die Sehfähigkeit der Klägerin nachhaltig gestört sei, könne nicht gefolgt werden. Nach der Stellungnahme seiner leitenden Ärztin Dr. S. und der Prüfärztin Dr. W. vom 8. November 2011 lasse das neurologische Gutachten die Feststellung von Blindheit oder faktischer Blindheit nicht zu. Dies könne bei Wachkomapatienten dann anerkannt werden, wenn entweder keine evozierten Potentiale auslösbar seien (negatives Blitz-VEP) oder ein augenfachärztlicher Befund bei positiven Blitz-VEP eindeutig keine Sehfähigkeit mehr zulasse. Das sei vorliegend nicht der Fall. Ein vollständiger Ausfall der Sehrinde liege nicht vor. Dagegen sprächen die auslösbaren Blitz-VEP und der fehlende Nachweis einer morphologischen Schädigung der Sehrinde nach mitgeteilten CT- und MRT-Untersuchungen. Von einer Rindenblindheit mit einem Nichtvermögen des Erkennens sei somit nicht auszugehen. Ohne sonstiges, eine Blindheit oder faktische Blindheit belegendes pathologisch-morphologisches Korrelat am Sehorgan (Auge, Sehrinde) sei für den funktionellen Bereich des Erkennen-Könnens keine Blindheit festzustellen. Insgesamt müsse davon ausgegangen werden, dass mindestens ein Visus von 0,1 vorhanden sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 28. Juli 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin sieht sich durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt und verweist auf dessen Entscheidungsgründe.
Auf Veranlassung des Senats hat Dr. M. (Oberärztin des Universitätsklinikums M., Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde) das augenärztliche Gutachten vom 20. Februar 2013 nach Untersuchung der Klägerin am 29. Januar 2013 erstattet. Diese hat ausgeführt: Die Klägerin erhalte Physio- und Musiktherapie sowie zeitweise Ergotherapie. Eine Lichttherapie sei bisher nicht erfolgt. Ophthalmologisch sei rechts und links von Kurzsichtigkeit auszugehen. Außerdem bestünden am linken Auge eine Irisläsion und eine kleine Hornhautnarbe bei einem Zustand nach perforierender Bulbusverletzung und operativer Wundversorgung und ein Verdacht auf Restzustand nach einer inkompletten Okulomotoriusparese. Es liege kein vollständiger Verlust des linken Auges vor. Die unfallbedingte Hornhaut- und Skleraverletzung sei operativ versorgt worden. Aus diesem Grunde finde sich jetzt eine kleine Hornhautnarbe, die nach den objektiven Refraktionswerten aber nicht zu einer deutlichen Verziehung der Hornhaut führe und somit keine erheblichen optischen Auswirkungen habe. Die kleinen minimalen punktförmigen Trübungen der Linse verursachten ebenfalls keine Funktionsbeeinträchtigung. Unfallbedingt liege keine Schädigung des rechten Auges vor. Am Augenhintergrund beider Augen seien keine krankhaften Veränderungen erkennbar. Die Sehnerven seien normal gefärbt und nicht atrophiert. Zusammenfassend hat die Sachverständige ausgeführt: Es sei von einer organisch bedingten visuellen Verarbeitungsstörung, nicht von einer primären Wahrnehmungsstörung auszugehen. Die Einschränkungen beruhten nicht auf ophthalmologisch optischer Ebene. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Schädigung erst hinter der primären Rinde liege, da auch bei der nunmehr durchgeführten Untersuchung ein VEP beidseitig ableitbar gewesen sei. Da keine Opticusatrophie (Sehnervschädigung) vorliege, beweise dies, dass sich die Schädigung keinesfalls vor dem Corpus genicu-latum laterale befinde. Inwieweit der primären Sehrinde nachgeschaltete Störungen vorlägen, könne ophthalmologisch nicht geklärt werden. Aufgrund der wiederholt abgeleiteten visuell evozierten Potentiale sei von einer Wahrnehmungsstörung auszugehen. Selbst dann, wenn die Potentiale wie hier relativ früh kämen, was aber auch einen Normbefund darstellen könne, handele es sich bei weiterer Leitungsstörung in höher geschalteten Sehzentren nicht um eine Wahrnehmungs-, sondern um eine Verarbeitungsstörung. Im neurologischen Gutachten werde postuliert, dass das frühe P100-Signal des VEP’s durch eine nicht Weiterverarbeitung in den höheren geschalteten Sehzentren erfolge oder möglicherweise auch ein VEP bei kortikaler Blindheit ableitbar wäre. Diese Überlegungen seien zwar in der zitierten Literatur zu finden, allerdings würden in gleicher Literatur auch Normkurven für Blitz-VEP’s gezeigt, die ebenfalls nur verkürzte Potentiale - wie bei der Klägerin - hätten.
Am 13. Mai 2014 hat eine Nichtöffentliche Sitzung vor dem LSG stattgefunden. Aufgrund der Neufassung des LBliGG (in der Fassung vom 18. Dezember 2013) zum 1. Januar 2014 habe die Beteiligten einen Vergleich dahingehend geschlossen, dass Streitgegenstand im hier vorliegenden Verfahren nur noch der Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis 31. Dezember 2013 ist.
Ergänzend hat der Beklagte am 26. Mai 2014 auf die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. S. vom 21. Mai 2014 hingewiesen. Blindheit könne danach nur angenommen werden, wenn die Sehbehinderung auf einem Defekt des Sehapparates beruhe. Weil derselbe aus Auge, Sehnerven und Sehzentrum der Hirnrinde bestehe, werde auch bei vollständigem Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit) Blindheit zuerkannt. Blindheit liege nicht vor bei einer visuellen Agnosie (Unfähigkeit, optische Wahrnehmungen mit optischen Erinnerungen zu verknüpfen; d.h., der Patient kann zwar ein Objekt sehen, es aber nicht erkennen) oder anderen gnostischen Störungen. Hier sei von einer gnostischen Störung in Form einer visuellen Verarbeitungsstörung, hirnorganisch bedingt durch schwerste, komplexe hirntraumatischen Verletzungen, auszugehen. Die Einschränkungen des Sehvermögens seien nicht ophthalmologisch, das heißt in Bezug auf den Sehapparat, erklärbar. Eine Rindenblindheit sei auszuschließen. Befundmäßig sei belegt, dass die Schädigung erst hinter der primären Sehrinde liege. Da sich in wiederholt abgeleiteten visuell evozierten Potentialen reproduzierbare Antworten gezeigt hätten, handele es sich nicht um eine Wahrnehmungsstörung. Auszugehen sei daher von einer visuellen Verarbeitungsstörung. Im Übrigen sei bei der Klägerin eine sehr schwere Hirnschädigung zu beklagen, die gleichermaßen auch die Wahrnehmung in anderen Modalitäten erheblich einschränke, so dass sich unterschiedliche Sinnes- und Wahrnehmungsstufen nicht in relevantem Ausmaß voneinander abgrenzen ließen. Dies setze nicht die Messbarkeit einer gleichmäßigen Herabsetzung der Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen voraus. So unterscheide sich zum Beispiel das Wahrnehmen akustischer Reize nicht wesentlich von der Wahrnehmung optischer Reize, bei denen die Klägerin auf so genannte Blendreize mit einem kurzzeitigen Blinzeln reagiere. Gleiches treffe auf sonstige eingeschränkte Reaktionen (Äußerung zum Geruchs- und Geschmacksempfinden, Unmutsäußerungen beim Streicheln der Gesichtshaut, Lautäußerung) zu. Auch die Annahme, dass unter den genannten Bedingungen das Fehlen einer Blickfixation eine bloße Benennungsstörung bei der Klägerin ausschließe und damit eine Erkennungsstörung unter Beweis stelle, sei angesichts der Befundlage medizinisch nicht hinreichend zu begründen. Unabhängig davon sei über das augenfachärztliche Gutachten vom 20. Februar 2013 nicht eine fehlende, sondern eine mangelnde Fixation der Augen dokumentiert. Eine Fixation sei demnach nicht, wie richterlich angenommen, ausgeschlossen, sie sei indes nur insoweit eingeschränkt, als dass Untersuchungen, die eine mitwirkende Blickfixation voraussetzen, nicht durchgeführt werden könnten. Diesbezüglich sei darauf aufmerksam zu machen, dass bei der Klägerin laut Aussagen der Mutter im häuslichen Umfeld kurzzeitige Blickfixationen sowie explorierende Blickfolgebewegungen beobachtet wurden. Dies werde durch den neuropsychologischen Befund vom Juli 2002 anhand eigener Untersuchungen bestätigt. Insgesamt könne der Auffassung, dass bei der Klägerin allein die Sehfähigkeit nachhaltig gestört sei, nicht gefolgt werden. Ebenso sei nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz des Vollbeweises beweispflichtiger Tatsachen nicht davon auszugehen, dass die auf anderen Feldern der Sinneswahrnehmung verbliebenen Fähigkeiten nicht ihrerseits soweit herabgesetzt seien, dass der Leistungsunterschied zur gestörten visuellen Modalität beachtlich sei. Im Übrigen hat der Beklagte angeregt, den Unfallversicherungsträger dem Verfahren beizuladen. Auf Leistungen nach dem LBliGG a.F. würden auch gleichartige Leistungen angerechnet, die der Blinde zum Ausgleich der durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen aufgrund anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften erhalte (§ 2 Abs. 1). Dies führe gegebenenfalls zu einem verminderten Anspruch von Leistungen nach dem LBliGG. Daher sei die Beiladung nach § 75 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch aus Gründen der Prozessökonomie zweckmäßig.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Durch den am 13. Mai 2014 zwischen den Beteiligten geschlossen Teilvergleich haben diese den Streitgegenstand auf den Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis 31. Dezember 2013 begrenzt. Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist damit das LBliGG a.F., denn die Neufassung des LBliGG (GBl. LSA Nr. 32/2013, ausgegeben am 27. Dezember 2013) betrifft noch nicht den hier streitgegenständlichen Zeitraum.
Von einer Beiladung des Unfallversicherungsträgers nach § 75 Abs. 1 SGG war hier abzusehen. Denn eine mögliche Anrechnung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auf das der Klägerin zu gewährende Blindengeld ist nicht Streitgegenstand des Verfahrens. Das SG hat den Beklagten dazu verurteilt, das Blindengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Prüfung, ob und in welchem Umfang gleichartige Leistungen anzurechnen sind, obliegt in einem anschließenden Verwaltungsverfahren der Versorgungsverwaltung. Da - anders als nach der Neufassungen des LBliGG durch § 1 a - nach § 2 Abs. 1 a.F. nur eine Anrechnung gleichartiger Leistungen erfolgt, aber kein Ausschlussgrund normiert wird, steht eine mögliche Anrechnung gleichartiger Leistungen dem Anspruch dem Grunde nach nicht entgegen. Im Übrigen lagen auch die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG nicht vor.
Zu Recht hat das SG den Beklagten verurteilt, der Klägerin ab 1. Februar 2007 Blindengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Nach § 1 Abs. 1 LBliGG a.F. erhalten Blinde Blindengeld. Nach § 1 Abs. 2 erhalten Blindengeld auch Personen,
1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt,
2. bei denen durch Nummer 1. nicht erfasste, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nummer 1. gleichzuachten sind. Als nicht nur vorübergehend ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten anzusehen.
3. die hochgradig sehbehindert mit einem Sehvermögen von 1/20 und weniger sind.
Zwar kann Klägerin nicht den Nachweis führen kann, dass bei ihr Blindheit nach § 1 Abs. 1 oder § 1 Abs. 2 Nr. 1 LBliGG vorliegt. Nach dem augenärztlichen Gutachten von Dr. M. ist nicht von einer primären Wahrnehmungsstörung auszugehen, sodass die Einschränkungen der Sehleistung nach den gutachtlichen Feststellungen nicht auf ophthalmologisch optischer Ebene beruhen. Nach den Untersuchungen von der Dr. M. ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Schädigung erst hinter der primären Rinde liegt, da auch bei der von ihr durchgeführten Untersuchung ein VEP beidseitig ableitbar gewesen war. Da auch keine Opticusatrophie (Sehnervschädigung) festzustellen war, ist davon auszugehen, dass sich die Schädigung keinesfalls vor dem Corpus genicu-latum laterale befindet. Inwieweit der primären Sehrinde nachgeschaltete Störungen vorliegen, konnte ophthalmologisch nicht geklärt werden.
Doch liegen bei der Klägerin die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBliGG vor, weil sie an einer nach Nr. 1 gleichzuachtenden Störung des Sehvermögens leidet. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20. Juli 2005 - B 9a BL 1/05 R, 26. Oktober 2004 - B 7 SF 2/03 R, 31. Januar 1995 - 1 RS 1/93, zuletzt darauf verwiesen durch den Beschluss vom 30. Juni 2014 - B 9 BL 2/13 B, alle zitiert nach juris), der sich der Senat anschließt, sind bei der Feststellung dieser sog. faktischen Blindheit nicht nur die Beeinträchtigungen der Sehschärfe und die Einschränkung des Gesichtsfeldes, sondern vielmehr alle Störungen des Sehvermögens zu berücksichtigen, soweit sie in ihrem Schweregrad einer Beeinträchtigung der Sehschärfe auf 1/50 oder weniger gleich zu achten sind. Sofern nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht maßgeblich ist, auf welchen Ursachen die Störung des Sehvermögens beruht und ob das Sehorgan (Auge, Sehbahn) selbst geschädigt ist, sind auch cerebrale Schäden beachtlich, die zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führen, und zwar für sich allein oder im Zusammenwirken mit Beeinträchtigungen des Sehorgans. Da nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBliGG nicht maßgeblich ist, auf welchen Ursachen die Schädigung beruht, kann auch nicht der vom Beklagten geforderte Nachweis von Rindenblindheit oder anderen Schädigungen des Sehorgans gefordert werden. Daher wird auch eine visuelle Agnosie von der Vorschrift erfasst. Sofern für Blindheit nach den Versorgungsmedizischen Grundsätzen (Teil A, Nr. 6c) der nachgewiesene Ausfall der Sehrinde gefordert wird und eine visuelle Agnosie und andere gnostische Störungen zur Begründung des Anspruchs ausgeschlossen sind, kann diese Vorschrift nicht zur Auslegung des bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Landesrechts herangezogen werden.
Allerdings ist nach der oben zitierten Rechtsprechung des BSG in Abgrenzung vor allem zu Störungen aus dem Bereich der seelisch-geistigen Behinderung zu differenzieren, ob das Sehvermögen, d.h. das Sehen- bzw. Erkennen können beeinträchtigt ist, oder ob - bei vorhandener Sehfunktion - (nur) eine zentrale Verarbeitungsstörung vorliegt, bei der das Gesehene nicht richtig identifiziert bzw. mit früheren visuellen Erinnerungen verglichen werden kann, die also nicht (schon) das Erkennen, sondern (erst) das Benennen betrifft. Auch dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Ausfälle allein des Benennen Könnens erfüllen damit nicht die Voraussetzungen faktischer Blindheit. Bei umfangreichen cerebralen Schäden ist darüber hinaus eine weitere Differenzierung erforderlich: Es muss sich im Vergleich zu anderen ebenfalls eingeschränkten Gehirnfunktionen eine spezifische Störung des Sehvermögens feststellen lassen. Das ist z.B. bei einem vollständigen apallischen Syndrom nicht der Fall. Zum Nachweis einer zu faktischer Blindheit führenden schweren Störung des Sehvermögens genügt es aber, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen ist, als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Klägerin an faktischer Blindheit leidet. Der Senat folgt den gutachtlichen Feststellungen des Prof. Dr. H., wonach trotz der schweren sonstigen Behinderung kognitiver Funktionen die Sehfunktion bei der Klägerin in besonderem Maße beeinträchtigt scheint und dies in einem Maß, das funktionell Blindheit gleichkommt.
Es kann ausgeschlossen werden, dass bei der Klägerin eine bloße Benennungsstörung (und damit Seelenblindheit) vorliegt. Auf der Grundlage der gemachten Verhaltensbeobachtung gab es nach den Ausführungen von Prof. Dr. H. keinen Hinweis dafür, dass die Klägerin visuelle Dinge identifizieren könne, aber nur ein Problem des Benennens bestünde. Dies ist überzeugend, denn die Klägerin reagiert nur auf helles Licht bzw. starke Blendungsreize. Sie zeigt aber keine Reaktion auf sich vorbeibewegende visuelle Reize oder visuelle Drohreize bewirkten keine Reaktionen. Diese gutachtliche Feststellung ist auch nicht durch das augenärztliche Gutachten von Dr. M. widerlegt. Die positiven Blitz-VEP erlauben nur den Rückschluss, dass die Schädigung hinter der primären Sehrinde liegt, können aber nicht zur Begründung einer bloßen Benennungsstörung herangezogen werden. Ob nachgeschaltete Störungen vorliegen, konnte in dem augenärztlichen Gutachten nicht geklärt werden, sodass eine Verarbeitungsstörung angenommen wurde. Auch das fehlende Fixationsverhalten bei den gutachtlichen Untersuchungen durch Prof. Dr. H. und Dr. M. spricht letztlich gegen eine bloße Benennungsstörung.
Dem Anspruch auf Blindengeld steht auch nicht die weitreichende cerebrale Schädigung der Klägerin entgegen. Aufgrund der Hirnschädigung leidet sie nicht (mehr) an einem apallischen Syndrom. Vielmehr ist nach dem neurologischen Gutachten des Prof. Dr. H. von einem postapallischen Syndrom mit minimal bewusstem Zustand auszugehen. Nach Auffassung des Senats ist unter Würdigung aller der Klägerin verbliebenden Fähigkeiten festzustellen, dass die Einschränkung des Sehvermögens aber deutlich stärker betroffen ist als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten. Das Sehen spielt nach den gutachtlichen Feststellungen des Prof. Dr. H. in ihrem Leben keine entscheidende Rolle mehr. Dagegen kann die Klägerin aufgrund der verbliebenen Fähigkeit zu hören, in eine - wenn auch eingeschränkte - Kommunikation mit ihrer Umwelt eintreten. Sie kann durch das vorhandene Hörvermögen auf akustische Reize reagieren und durch eigene Lautäußerungen auch agieren. Nach den Aussagen der Mutter reagiere die Klägerin auf einfache akustische Reize mit klaren Orientierungsreaktionen und differenziere zwischen verschiedenen Menschen ihrer Umgebung. Sie freue sich, wenn die Mutter zurückkehre, habe aber auch Aversionen gegen bestimmte Personen. Die Klägerin "meckere", wenn sie zu Bett gebrachte werde und drücke dies durch Stöhnen und schnelle Kopfbewegungen aus. Diese Schilderungen der Mutter gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. H. werden durch verschiedene Berichte bestätigt. So wurde bereits im Bericht der M.-Klinik NRZ vom 3. Januar 2002 ausgeführt, dass in den unterschiedlich langen Wachphasen immer wieder der Eindruck bestanden habe, dass die Klägerin auf die Anwesenheit der Mutter oder bestimmter Therapeuten oder sogar Gesprächsinhalte reagiert habe (durch Unruhe, im weiteren Verlauf auch durch klageähnliche Lautäußerungen) und sich um eine Sprachproduktion bemühe. Dabei sei es meistens nur zu oralen Automatismen, gelegentlich aber auch zu Vokalformungen und wortähnlichen Äußerungen gekommen. Während der anschließenden Therapie im Juli 2002 in B. wurde mehrmals beobachtet, dass die Klägerin Mama sage und durch unartikulierte Lautäußerungen Unbehagen oder Schmerz signalisierte. Ebenso hat die Logopädin R. bestätigt, dass die Klägerin auf akustische Angebote (Geräusche, Laute und Töne, musikalische Ansprache, dynamische Veränderungen in der Sprechstimme sowie lexikalisch-semantische Items) reagiere. Sie sei in der Lage, ihrem Befinden mittels tonaler Intension Ausdruck zu verleihen, sodass von auditiv-phonatorischen Rückkopplungsmechanismen auszugehen sei. Daher werde weiterhin im auditiven Bereich therapiert. Schließlich hat auch Prof. Dr. H. hat bestätigt, dass es auf akustische Reize aus verschiedenen Richtungen zu einer Blickwendung in die entsprechende Richtung mit mehreren Ruckbewegungen komme. Dabei hätten sogar unterschiedliche Reaktionen festgestellt werden können, je nachdem, ob die akustischen Reize von rechts oder von links gekommen seien. Die Klägerin habe außerdem versucht, Aufforderungen zumindest zu Kopfbewegungen zu folgen. Versuche, Lautsprache hervorzurufen seien zwar nicht gelungen. Doch habe die Klägerin das Wort "Mama" mitsprechen können. Ansonsten bestehe die Lautproduktion entweder aus ungeformten Stöhnlauten oder aber "Aua" oder "Ja". Über die Lautäußerungen könne die Klägerin Unmut und auch Trübstimmung kommunizieren. Nach alledem ist davon auszugehen, dass das Sehvermögen der Klägerin deutlich stärker eingeschränkt ist als ihr Hörvermögen.
Da die Klägerin den Antrag am 19. Februar 2007 gestellt hat, war ihr ab dem 1. Februar 2007 Blindengeld zu gewähren. Denn der Anspruch auf Blindengeld entsteht mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Voraussetzungen nach dem LBliGG-LSA vorliegen, frühestens mit dem ersten Tag des Antragsmonats (§ 4 Abs. 1 Satz 2 LBliGG-LSA).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es bestehen keine Gründe für die Zulassung der Revision. Die Entscheidung des Senats ist unter Beachtung der Entscheidungen des BSG vom 31. Januar 1995 (1 RS 1/93, juris), 26. Oktober 2004 (B 7 SF 2/03 R, juris) und 20. Juli 2005 (B 9a BL 1/05 R, juris) ergangen. Mit Beschluss vom 30. Juni 2014 (B 9 BL 2/13 B, juris) hat das BSG ausdrücklich auf diese Entscheidungen verwiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Blindengeld nach dem Gesetz über das Blinden- und Gehörlosengeld im Land Sachsen-Anhalt (LBliGG a.F.) für den Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis zum 31. Dezember 2013 umstritten.
Die 1979 geborene Klägerin verunfallte am 7. August 2000 als Pkw-Fahrerin auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte und erlitt dabei folgende Verletzungen: Schädelhirntrauma Grad III mit generalisiertem Hirnödem und multiplen intrazerebralen Kontusionsblutungen, links frontaler Kalottenfraktur mit Kopfplatzwunde, Pyramidenlängsfraktur rechts und Gehörgangfraktur mit ossärer Dislokation, Einblutung in die Siebbeinzellen und beide Warzenfortsätze, offene paramediane Unterkieferfraktur links, perforierende Bulbusverletzung links, Hämatothorax rechts und Lungenkontusion, Hämaskos bei retroperitonealer Einblutung, Beckenringfraktur mit beidseitiger Sitzbeinfraktur, Schambeinfraktur rechts und Darmbeinschaufelfraktur links, Femurschafttrümmerfraktur beidseits, offene Patellafraktur rechts, distale Humerusfraktur links, protrahierter hämorrhagischer Schock mit Verbrauchskoagulopathie. Mit Bescheid vom 7. Februar 2002 gewährte die B.-Berufsgenossenschaft (BG) H. der Klägerin eine Rente nach einer MdE von 100 und erkannte dabei als Folgen des Versicherungsfalls an: Wachkoma nach schwerster Schädel-Hirn-Verletzung 3. Grades mit Hirnödem und Hirneinblutungen, Kalottenbruch links, Pyramidenlängsbruch und Gehörgangbruch rechts, offenem Unterkieferbruch links, durchbohrender Augenverletzung links, Lungenprellung, Beckenring- und Sitzbeinbruch beidseits, Schambeinbruch und Darmbeinschaufelbruch rechts, Oberschenkelschafttrümmerbruch beidseits, offenem Kniescheibenbruch rechts und Oberarmbruch links.
Am 19. Februar 2007 beantragte die durch ihre Mutter als Betreuerin vertretene Klägerin Blindengeld. Sie übersandte einen Bescheid der B.-BG vom 16. Juni 2003, wonach ihr monatlich ein Betrag von 2.230,65 EUR gewährt werde (Pflegegeld 1.179,83 EUR, Verletztenrente 963,82 EUR, Mehrverschleiß 87,- EUR). Mit Schreiben vom 22. Februar 2007 wandte sich der Beklagte an die B.-BG und bat um Mitteilung, ob die Sehbehinderung als Folge des Unfalls anerkannt sei und gegebenenfalls in welcher Höhe für diese Leistungen gewährt würden. In Antwort auf diese Anfrage verwies die B.-BG auf ihren Rentenbescheid und die dort anerkannten Unfallfolgen. Der Beklagte holte außerdem einen Befundschein des Facharztes für Augenheilkunde Dr. K. vom 12. März 2007 ein. Danach seien der Visus und Gesichtsfeldbestimmungen nicht zu erheben. Eine Fixation erfolge nicht. Die Pupillenreaktion erfolge regelrecht (direkt und indirekt).
Nach dem beigezogenen Bericht der M.-Klinik NRZ (Neurologisches Zentrum für stationäre, teilstationäre und medizinisch-beruflicher Rehabilitation) M. vom 3. Januar 2002 habe sich die Klägerin dort in einer Rehabilitationsmaßnahme vom Mai bis November 2001 befunden. Zum neurologischen Befund wurde hinsichtlich der Hirnnerven ausgeführt: Pupille links entrundet ohne Reaktion auf Licht nach Bulbusverletzung, Pupille rechts mit träger Reaktion, inkomplette Okulomotoriusparese (Lähmung III. Hirnnerv) links mit leichter Ptosis (Herabhängen des Augenlids) und Bulbusdivergenz links. Der Mund werde nur über Reflexe spontan geöffnet (z.B. beim Gähnen). Spontanbewegungen seien im Bereich der Extremitäten nicht beobachtbar. Die Muskeleigenreflexe seien beidseits schwach auslösbar. Es bestehe eine Blasen- und Mastdarminkontinenz. Die Sensibilität und Koordination seien nicht beurteilbar. Zum psychischen Befund wurde ausgeführt: Die Bewusstseinslage sei wach. Es erfolgten keine gezielte Blickfixation und keine Blickfolge auf äußere Reize. Es bestünden inkonstante vegetative Reaktionen auf akustische und Schmerzreize, wie Tachypnoe (gesteigerte Atemfrequenz) und leichter Herzfrequenz-Anstieg. Spontanbewegungen und Fluchtbewegungen seien nicht provozierbar. Auf leichte Schmerzreize erfolge eine deutliche mimische Reaktion. Das Blitz-VEP (Visuell evoziertes Potentiale = durch visuelle Stimulation der Netzhaut hervorgerufene Potentialunterschiede geringer elektrischer Ladungen, die über dem Bereich der Sehrinde am Hinterkopf von der Haut abgeleitet werden könne; dienen der objektiven Erfassung der sensorischen Erregungsleitungen bis zur Hirnrinde) habe bei Stimulation sowohl des rechten als auch des linken Auges eine annähernd seitengleiche Ausprägung eines P 100 mit einer Latenz von 74 ms rechts und 77 ms links ergeben. Zum Behandlungsverlauf wurde ausgeführt: Eine reproduzierbare Reaktion auf verbale Ansprache oder Körperkontakt oder visuelle Reize sei nicht zu beobachten gewesen. In den unterschiedlich langen Wachphasen habe jedoch immer wieder der Eindruck bestanden, dass die Klägerin auf die Anwesenheit der Mutter oder bestimmter Therapeuten oder sogar Gesprächsinhalte reagiert habe (durch Unruhe, im weiteren Verlauf auch durch klageähnliche Lautäußerungen) und sich um eine Sprachproduktion bemühe. Dabei sei es meistens nur zu oralen Automatismen, gelegentlich aber zu Vokalformungen und wortähnlichen Äußerungen gekommen. Bei Linkslagerung habe die Klägerin häufig Schmerzen gehabt, die sich durch Schwitzen und Lautäußerungen bemerkbar gemacht habe. Das Schlucken habe einige Male ausgelöst werden können, so dass wenige Löffel Joghurt oder Pudding gegessen werden konnten. Zusammenfassend hätten einige geringe Fortschritte erreicht werden können. Unklar sei, auch in Anbetracht der bestehenden Bulbusverletzung, ob die Klägerin etwas sehe. Eine Blickzuwendung oder sonstige adäquate Reaktionen auf visuelle Reize seien trotz des normalen Blitz-VEPs nicht zu beobachten. Auf akustische Reize sei eine eindeutige Reaktion vorhanden.
Nach dem Bericht der Diplom-Psychologin F. über die neurologische Rehabilitation im Therapiezentrum B. im Juli 2002 sei die Klägerin während der halbstündigen Untersuchung wach gewesen. Eine Blickfixation werde danach kurzzeitig aufgenommen. Bei Verzögerung der Objekte im Gesichtsfeld nach links seien Blickfolgebewegungen erfolgt. Nach rechts sei der Blick nicht über die Mittellinie hinausgegangen. Schriftliches Material habe die Klägerin mehrmalig mit horizontalen Augenbewegungen exploriert. Darüber hinaus sei jedoch keine zielgerichtete Reaktion im Sinne der Ausführung erfolgt. In einer zweiten Sichtstunde sei beobachtet worden, dass die Klägerin visuell dargebotene Objektbilder, Buchstaben und Zahlen mit dem rechten Auge fixiere und bei jedem Reiz unartikulierte Laute produziere. Diese Laute variierten sowohl in der Lautlänge als auch in der Lautqualität und seien als fragliche Artikulations- und Sprechversuche einzuordnen. Im stationären Alltag sei auch mehrmals beobachtet worden, dass die Klägerin Mama sage und durch unartikulierte Lautäußerungen Unbehagen oder Schmerz signalisierte. Bei der Präsentation zweier Bilder habe die Klägerin inkonstant den Blick zum genannten Bild gewandt. Akustische Reize lösten ein vermehrtes Augenblinzeln und eine Orientierungsreaktion (Kopfdrehen in Richtung der Schallquelle) aus.
Nach dem Bericht aufgrund der ambulanten Untersuchung am 18. September 2002 in der Klinik für Neurochirurgie der O.-v.-G.-U. M. öffne die Klägerin die Augen, fixiere jedoch nichts. Die rechte Pupille sei eng und reagiere auf Licht, die linke sei nach der Bulbusverletzung deformiert und reagiere nicht sicher auf Licht. Es bestünden eine Ptosis und Abduktionsfehlstellung des linken Auges und darüber hinaus eine leichte Fazialismundastschwäche. Der übrige Hirnnervenstatus sei nicht beurteilbar. Nach den Ausführungen der Mutter öffne die Klägerin die Augen, befolge jedoch keine Aufforderungen. Bis auf Kopfbewegungen lägen keine Extremitätenbewegungen vor. Aufgrund der nichtinvasiven Hirndruckmessung bei Nachweis eines posttraumatischen Hydrocephalus bestehe kein Anhalt für einen erhöhten intracraniellen Druck.
Der Beklagte holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme seiner Gutachterin Dipl.-Med. R. vom 10. April 2007 ein. Danach könne Blindheit nicht anerkannt werden, weil es sich um eine schwere Hirnschädigung mit Wachkoma handele. Aktuelle elektrophysiologische Augenuntersuchungen (Blitz-VEP) lägen nicht vor. Da im Reha-Bericht jedoch eine positive Ableitung dokumentiert sei, könne eine sog. Rindenblindheit ausgeschlossen werden. Auch könne der Grad der Sehbehinderung wegen der Hirnschädigung nicht festgestellt werden. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12. April 2007 die Gewährung von Blindengeld ab, weil nach Auswertung der ärztlichen Befunde weder Blindheit noch eine hochgradige Sehbehinderung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könnten.
Dagegen legte die Vertreterin der Klägerin am 11. Mai 2007 Widerspruch ein, weil auch bei Wachkomapatienten mit zerebralen und visuellen Verarbeitungsstörungen des Sehvermögens ein Leistungsanspruch bestehe. Der Beklagte holte nochmals eine ärztliche Stellungnahme seines Gutachters Dipl.-Med. K. vom 14. Juni 2007 ein, der ausführte: Der Nachweis von visuell evozierten Potentialen (VEP), die Fixation visuell dargebotener Objektbilder mit dem rechten Auge und die regelrechte direkte und indirekte Lichtreaktion des rechten Auges sprächen eindeutig gegen das Vorliegen von Blindheit oder einer hochgradigen Sehbehinderung. Dem folgend wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2007 den Widerspruch der Klägerin zurück.
Dagegen hat die nun anwaltlich vertretene Klägerin am 5. September 2007 Klage beim Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben und vorgetragen: Es sei nach dem Wortlaut des LBliGG nicht maßgeblich, auf welchen Ursachen die Störung des Sehvermögens beruhe und ob das Sehorgan (Auge, Sehbahn) selbst geschädigt sei. Auch zerebral bedingte Beeinträchtigungen des Sehvermögens seien zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) sei danach zu differenzieren, ob das Sehvermögen, also das Sehen- bzw. Erkennen können beeinträchtigt sei oder ob bei vorhandener Sehfunktion nur eine zentrale Verarbeitungsstörung vorliege, bei der das Gesehene nicht richtig identifiziert bzw. mit früheren visuellen Erinnerungen verglichen werden könne. Entscheidend sei, ob die Störung nicht schon das Erkennen, sondern erst das Benennen betreffe. Nach diesem Maßstab liege Blindheit vor, denn bei der Klägerin sei nicht das "Benennen können", sondern das Sehen- bzw. Erkennen können beeinträchtigt. Im Übrigen habe der Beklagte völlig unberücksichtigt gelassen, dass eine linksseitig perforierende Bulbusverletzung vorliege und das linke Auge deformiert sei. Den Bericht des Therapiezentrums B. habe der Beklagte zu positiv bewertet. Die dort beschriebene Fixierung der dargebotenen Objektbilder sei eher zufällig gewesen seien. Die Klägerin bewege manchmal ihre Augen hin und her, dies sei jedoch völlig unwillkürlich und spontan, ohne dass ein entsprechender Reiz vorausgegangen sei. Sie reagiere nicht, wenn ihr bestimmte Gegenstände oder eine Hand vor die Augen gehalten werde. Eine Fixation visuell dargebotener Objektbilder könne daher nicht nachgewiesen werden. Den anderen Berichten sei nicht zu entnehmen, dass eine solche erfolgt sei. Auch erfolge keine Lichtreaktion, sodass von Blindheit im Sinne des Gesetzes auszugehen sei. Auch nach dem als Beweismittel vorgelegten (undatierten) Schreiben der Logopädin R. reagiere die Klägerin auf akustische Angebote (Geräusche, Laute und Töne, musikalische Ansprache, dynamische Veränderungen in der Sprechstimme sowie lexikalisch-semantische Items). Sie sei in der Lage, ihrem Befinden mittels tonaler Intension Ausdruck zu verleihen, dies stehe für auditiv-phonologische Rückkopplungsmechanismen. Bei visuellen Angeboten mittels bildlicher/schriftlicher Verfahren habe es keine Interaktion/Reaktion gegeben. Derzeit werde weiterhin im auditiven Bereich therapiert. Nach den ebenfalls vorgelegten Berichten der Augenärztin Dr. S. vom 18. und 23. August 2000 lägen aufgrund des Unfalls eine Hornhautnaht im Bereich des linken Auges sowie eine Pupillenverziehung vor.
Dagegen hat der Beklagte eingewandt: Der linksseitige Sehkraftverlust werde durch die Bulbusverletzung des linken Auges erklärt. Dagegen sei offen, worauf die Sehstörung des rechten Auges beruhe. Im Übrigen hat der Beklagte auf eine Stellungnahme seiner Prüfärztin Dr. W. vom 17. Januar 2008 verwiesen. Danach seien bei Patienten im Wachkoma für die Feststellung von Blindheit dieselben Maßstäbe wie bei allen anderen Patienten anzulegen. Allein die hochgradige Hirnleistungsstörung, die eine bewusste Verarbeitung aufgenommener Umweltreize unmöglich mache, rechtfertige nicht die Anerkennung von Blindheit. Der erhobene augenärztliche Befund könne keine Blindheit erklären. Zudem sei ein Fixieren innerhalb des Blickfeldes mitgeteilt worden, was bei Blindheit nicht möglich sei. Die Psychologin habe sogar eine Blickfixation auf visuell dargebotene Objektbilder, Buchstaben und Zahlen beobachtet. Im Übrigen habe das Blitz-VEP normal evozierte Potentiale aufgezeigt. Blindheit könne bei Wachkomapatienten dann anerkannt werden, wenn keine evozierten Potentiale auslösbar seien und der augenärztliche Befund eindeutig keine Sehfähigkeit mehr nachweise. Allein eine fehlende Blickfixation könne dagegen nicht als Beweis für Blindheit gelten, da diese meist schon infolge der schweren Hirnleistungsstörungen ausbleibe. Schließlich hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass ggf. die von der B.-BG gewährten Leistungen wie Pflegegeld und Mehrverschleiß für Kleidung/Wäsche auf das zu zahlende Blindengeld anzurechnen seien, falls diese auch als Leistungen wegen Blindheit gewährt würden.
Das SG hat die Verwaltungsakte der B.-BG beigezogen. In dieser hat sich das Rentengutachten des Dr. P., Facharzt für Neurologie und Rehabilitationswesen der M.-Klinik NRZ M. vom 14. Mai 2002 befunden. Danach bestehe eine hochgradige zerebrale Funktionseinschränkung im Sinne eines sogenannten apallischen Syndroms (auch Wachkoma) mit geringer Tendenz zu einer Reagibilität durch Lautäußerungen oder auch durch unwillkürlichen mimischen Ausdruck. Eine gezielte Blickfixation oder Blickfolge auf äußere Reize erfolge nicht, auf akustische und Schmerzreize seien inkonstant vegetative Reaktionen wie vermehrtes Atmen und ein leichter Herzfrequenz-Anstieg beobachtet worden. Bei z.B. längerem Sitzen im Rollstuhl seien häufiger einfache Vokalisationen zu hören, die offensichtlich ein Unbehagen ausdrücken. Eine Kommunizierbarkeit sei nicht gegeben, eine aktive Kooperation ebenfalls nicht. Insofern bestehe eine hochgradige Bewusstseinseinschränkung. Aufgrund der fehlenden Pupillenreaktion sei auch am linken Auge eine Schädigung zu vermuten, deren Umfang jedoch nicht genau spezifiziert werden könne. Die Reaktion der rechten Pupille auf Licht sei träge, jedoch vorhanden gewesen. Eine spontane Öffnung des Mundes oder auf Aufforderung sei nicht erfolgt, lediglich beim Gähnen oder nach längerer Stimulation werde eine spontane Mundöffnung durchgeführt. Bei der Prüfung der Sensibilität habe sich lediglich eine ungezielte Reaktion auf Schmerzreize (an allen Extremitäten) feststellen lassen. In seiner Stellungnahme zum Umfang der Pflegebedürftigkeit führte Dr. P. aus: Die Klägerin könne nicht mit ihrer Umwelt kommunizieren, lediglich brummende und summende Geräusche könnten als Schmerzäußerung oder Unbehagensäußerung interpretiert werden. In seiner Stellungnahme zum Kleider- und Wäschemehrverschleiß führte Dr. P. aus: Dieser entstehe ausschließlich durch die Beschmutzung der Leib- und Bettwäsche mit Stuhl, Urin und durch das intermittierende starke Schwitzen. Schließlich hat sich in der Verwaltungsakte der B.-BG der ärztliche Abschlussbericht der Chefärzte am Therapiezentrum B. Dr. L., Dr. S. und des Stationsarztes Dr. F. vom 5. August 2002 befunden. Klinisch bestünde danach eine hochgradige Hirnfunktionsstörung im Sinne eines apallischen Syndroms, eine linksbetonte spastische Tetraparese, Inkontinenz, der Verdacht auf eine inkomplette Okulomotoriusparese links mit leichter Ptosis und Bulbusdivergenz links und Dysphagie. Die Pupille links sei entrundet und ohne Reaktion auf Licht nach Bulbusverletzung, rechts träge mit direkter Lichtreaktion. Auf Schmerzreize erfolgten Grimmassen. Es bestehe eine fragliche verzögerte Hinwendung nach verbaler Aufforderung zur Mutter. Eine Mundöffnung erfolge nicht. Laut Aussagen der Mutter seien im häuslichen Umfeld eine kurzzeitige Blickfixation sowie explorierende Blickfolgebewegungen beobachtet worden. Es komme zu Lautäußerungen im Sinne einer Unmutsäußerung. Die Klägerin sei nicht in der Lage, verbalen oder schriftlichen Aufforderungen nachzukommen. Ob es auf Ansprache zu einer verzögerten Kopfdrehung komme, sei fraglich.
Der Beklagte hat in Auswertung dieser Unterlagen darauf hingewiesen, es werde immer wieder über eine Blickfixation und andere eindeutige Hinweise dafür berichtet, dass keine Blindheit oder hochgradige Sehbehinderung bestehen könne. Da ein Blitz-VEP normale kortikal evozierte Potentiale ergeben habe, sei zumindest von einer zum Teil intakten Sehfunktion auszugehen.
Das SG hat zunächst einen Befundbericht des Augenarztes Dr. H. vom 1. August 2009 eingeholt, wonach keine Visus- und Gesichtsfelderhebungen möglich seien. Schließlich hat das SG das neurologische Gutachten des Direktors der Klinik für Neurologie Prof. Dr. H. vom 9. September 2010 eingeholt, das dieser gemeinsam mit dem Oberarzt Dr. B. nach einer Untersuchung der Klägerin am 23. August 2010 erstattet hat. Danach habe die Mutter der Klägerin geschildert: Die Klägerin reagiere auf einfache akustische Reize mit klaren Orientierungsreaktionen und differenziere zwischen verschiedenen Menschen ihrer Umgebung. Sie freue sich, wenn die Mutter zurückkehre, habe aber auch Aversionen gegen bestimmte Personen. Unklar sei, ob sie bestimmte Musikrichtungen möge. Die Klägerin "meckere", wenn sie zu Bett gebrachte werde. Dies drücke sie durch Stöhnen und schnelle Kopfbewegungen aus. Zum Untersuchungsbefund hat der Sachverständige ausgeführt: Außer den Bewegungen im Kopfbereich träten nur spontane Massenbewegungen im Sinne von Beuge-, Strecksynergismen im Bereich des Rumpfes und der Hüftgelenke und Beugesynergismen im Bereich des rechten Ellenbogens und der Hand auf. Aufgrund der wechselnden Vorlieben und Abneigungen bei pürierten Nahrungsmitteln könne zumindest auf eine teilweise Funktionsfähigkeit des Geruchs- oder Geschmacksempfindens geschlossen werden. Eine Prüfung des Gesichtsfeldes sei nicht möglich, weil die Klägerin keine gezielten Reaktionen auf Sehobjekte zeige, lediglich auf starke Blendungsreize mit kurzzeitigem Blinzeln reagiere. Visuelle Drohreize bewirkten keine Reaktionen. Auf akustische Reize aus verschiedenen Richtungen komme es zu einer Blickwendung in die entsprechende Richtung mit mehreren Ruckbewegungen, ohne dass sich daran anschließend eine Fixation des Blickes bzw. Folgebewegungen nachweisen ließen. Auch ein optokinetischer Nystagmus, eine unwillkürliche Reaktion auf sich vorbeibewegende visuelle Reize, habe sich nicht auslösen lassen. Bei Bestreichen der Gesichtshaut auf beiden Seiten sei es zu Lautäußerungen gekommen, die Unbehagen signalisierten. Auf akustische Reize von rechts werde eher als auf solche von links reagiert. Auf Schmerzreize im Bereich der Extremitäten komme es zu ungezielten Beuge- und Strecksynergismen, nur die rechte Hand werde grob gezielt weggenommen. Aussagen zur Orientierung seien nicht möglich. Die Klägerin sei aber während der gesamten Untersuchung wach gewesen und habe versucht, Aufforderungen, den Kopf zu bewegen, zu befolgen. Versuche, bei ihr Lautsprache hervorzurufen, gelängen nicht, außer beim Mitsprechen des Wortes Mama. Ansonsten bestehe die Lautproduktion entweder aus ungeformten Stöhnlauten oder aber aus "Aua" oder "Ja", wobei letzteres nicht verlässlich auf Zustimmung oder Ablehnung schließen lasse. Über die Lautäußerungen könne sie aber Unmut und auch Trübstimmung kommunizieren. Zusammenfassend hat der Sachverständige ausgeführt: Die Klägerin zeige durchaus gerichtete Reaktionen in Form von Lautäußerungen und Kopfbewegungen, produziere auf visuelle Reize aber gerade keine Reaktionen, außer bei plötzlichen Blendungsreizen, die beidseits zu Blinzelreaktionen führten. Orientierungsreaktionen im Sinne von Augenbewegungen seien zwar bei akustischen Reizen aufgetreten, eine Fixation des Blickziels sei jedoch nie zu beobachten gewesen. Wie schon bei Untersuchungen im NRZ M. habe auch er elektrophysiologisch eine kortikale Reaktion auf Blitzreize ableiten können. Die extrem frühen Potentiale seien ein Beleg dafür, dass durch das visuelle System der Klägerin über beide Augen Reize bis zur Sehrinde prozessiert würden. Die kurze Latenz spreche für eine sehr frühe Verarbeitung möglicherweise in der Area 17, der primären Sehrinde, während die weitere Verarbeitung, die typischerweise in den Areae 18 und 19 stattfinde und zur Erzeugung des charakteristischen P100-Signals führe, keinen Niederschlag in den evozierten Potentialen finde und so möglicherweise gar nicht stattfinde. Zudem sei aus der Literatur bekannt, dass auch bei Patienten mit kortikaler Blindheit gelegentlich Blitz-VEP abgeleitet werden könnten, sodass das Vorliegen einer kortikalen Blindheit hierdurch nicht ausgeschlossen werden könne. Versuche, mittels einer anderen elektrophysiologischen Untersuchung Belege für eine kognitive Verarbeitung von Sehreizen zu erlangen, hätten keine Erfolge gezeigt. Insgesamt hätten keine sicheren Anhaltspunkte dafür gefunden werden können, dass die Klägerin in einem im Alltag relevanten Ausmaß sehe. An Reaktionen, die sicher zumindest rudimentär intakte Funktion der Sehbahn erfordern, hätten nur Blinzelreaktionen auf sehr helle Lichtreize und die sehr frühen Blitz-VEP festgestellt werden können. Wegweisend sei hierbei auch, dass die Potentiale sich von beiden Augen nicht wesentlich unterschieden hätten, sodass für die Einschränkung der Sehfähigkeit auch des beim Unfall direkt geschädigten linken Auges weniger die Unfallfolgen im Bereich des Auges als vielmehr die im Bereich des zentralen Nervensystems maßgeblich sein dürften. Es hätten für die Fähigkeit, sehr helle Lichtreize wahrnehmen zu können sowohl auf der elektrophysiologischen als auch auf der Verhaltensebene Anhaltspunkte gefunden werden können. Für darüber hinausgehende visuelle Wahrnehmungsfähigkeiten hätten sich bei der Untersuchung mit realen Gegenständen, Bildern oder Farben keine Hinweise gefunden. Möglicherweise seien die Beobachtungen der Mutter und der Psychologin in Bezug auf die Blickfixationen dem nicht ungewöhnlichen Wunsch von Angehörigen und Therapeuten nach Fortschritten geschuldet. Ohne mit letzter Sicherheit den Grund für die höchstgradige Sehstörung des Sehens bei der Klägerin angeben zu können, sei davon auszugehen, dass diese derzeit nicht mehr als hell und dunkel in der visuellen Sphäre differenzieren könne. Insgesamt leide die Klägerin unter einem postapallischen Syndrom mit minimal bewusstem Zustand. Es bestehe eine gravierende Störung des Bewusstseins und der Fähigkeit, mit der Umwelt zu interagieren, ohne dass dies vollkommen aufgehoben wäre. Die Klägerin sei in der Lage zu kommunizieren, ob die Situation, Tätigkeiten, Lebensmittel oder auch Personen angenehm oder unangenehm seien, sie reagiere gezielt auf akustische und sensible Reize, zeige aber keine gerichteten Reaktionen, die auf eine Intaktheit des Sehens schließen lassen könnten, sofern es über Reaktionen auf Blendungsreize und Dunkelheit hinausgehe. Inwieweit ein vollständiger Ausfall der Sehrinde vorliege, lasse sich nicht feststellen. Gegen einen vollständigen Ausfall der Sehrinde sprechen die auslösbaren Blitz-VEP und der fehlende Nachweis einer morphologischen Schädigung der Sehrinde nach den mitgeteilten Computertomographie- und Magnetresonanztomographie-Untersuchungen. Auch das Vorliegen einer visuellen Agnosie sei weder mit letzter Sicherheit ausgeschlossen noch könne diese angenommen werden, da dies gerade an den Nachweis einer intakten primären Sehleistung gebunden sei. Dies liege nicht zuletzt an der fehlenden Untersuchbarkeit im Rahmen der allgemeinen Hirnschädigung. Auf der Grundlage der gemachten Verhaltensbeobachtung gebe es keinen Hinweis dafür, dass die Klägerin visuelle Dinge identifizieren könne, aber nur ein Problem des Benennens bestünde, was im Übrigen neuropsychologisch auch nicht unter dem Begriff der Agnosie, sondern unter dem Begriff der visuellen Benennstörung fallen würde. Eine gravierende Änderung hinsichtlich der Sehfähigkeit habe es in den letzten sechs Jahren nicht gegeben. Insgesamt erscheine trotz der schweren sonstigen Behinderung kognitiver Funktionen die Sehfunktion bei der Klägerin in besonderem Maße beeinträchtigt und dies in einem Maß, das funktionell durchaus Blindheit gleichkomme. Divergenzen hinsichtlich der Einschätzung anderer Ärzte und Gutachter bestünden nur insofern, als das die von den Gutachtern des Beklagten vorgebrachte Begründung, dass ein positives Blitz-VEP das Vorliegen von kortikaler Blindheit ausschließe, sachlich falsch sei. Die episodische Mitteilung, dass gelegentlich fixiert werde, könne bei der heutigen Untersuchung nicht nachvollzogen werden. Nach den Befragungen seien keine Hinweise dafür gegeben, dass das Sehen im Leben der Klägerin in den letzten zehn Jahren irgendeine funktionelle Bedeutung gehabt hätte. Der Sachverhalt der grundsätzlichen Sehfähigkeit der Klägerin sei nicht mit letzter Sicherheit aufgeklärt, problematisch seien hierbei die weiteren interagierenden kognitiven Einschränkungen und Behinderungen.
Der Beklagte hat in Auswertung des Gutachtens auf die prüfärztliche Stellungnahme seiner ärztlichen Gutachterin Dr. W. vom 15. Oktober 2010 verwiesen, wonach das positive Blitz-VEP erneut funktionsfähige Sehbahnen nachgewiesen habe. Zwar sei Blindheit bei einem positiven Blitz-VEP nicht ausgeschlossen, bei Patienten im Wachkoma sei wegen der massiven Bewusstseins- und Compliancestörungen ein negatives Blitz-VEP aber eine Möglichkeit, Blindheit zweifelsfrei festzustellen. Bei einem positiven Blitz-VEP sei das nur dann vertretbar, wenn zum Beispiel schwere degenerative Augenhintergrundbefunde vorlägen, die als organisches Korrelat Blindheit erklärten. Im Übrigen habe selbst bei dem neurologischen Gutachter bezüglich einer bestehenden Blindheit keine Sicherheit bestanden.
Die Klägerin hat hervorgehoben, der Sachverständige habe ausgeführt, dass die Sehfunktion in einem Maße beeinträchtigt sei, das funktionell einer Blindheit gleichkomme. Außerdem habe er darauf hingewiesen, dass die Begründung des Beklagten hinsichtlich des positiven Blitz-VEP falsch sei. Der Sachverständige sei offenbar davon ausgegangen, er habe den Sachverhalt der grundsätzlichen Sehfähigkeit aufklären sollen. Hier gehe es dagegen um die Frage einer vollständigen oder graduellen Blindheit.
Mit Urteil vom 28. Juli 2011 hat das SG den Beklagten verurteilt, den Bescheid vom 12. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2007 aufzuheben und der Klägerin ab dem 1. Februar 2007 Blindengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach dem LBliGG sei eine sog. faktische Blindheit ausreichend. Dabei sei nicht maßgeblich, auf welchen Ursachen die Störung des Sehvermögens beruhe und ob das Sehorgan selbst geschädigt sei. Auch zerebrale Schäden, die zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führten, seien zu berücksichtigen. Diese seien allerdings von Störungen im seelisch-geistigen Bereich abzugrenzen. Es sei zu differenzieren, ob das Sehvermögen, das heißt, das Sehen bzw. Erkennen können beeinträchtigt sei oder ob bei vorhandener Sehfunktion nur eine zentrale Verarbeitungsstörung vorliege. Es müsse sich im Vergleich zu möglicherweise ebenfalls eingeschränkten Gehirnfunktionen eine spezifische Störung des Sehvermögens feststellen lassen. Zum Nachweis einer zu faktischer Blindheit führenden schweren Störung des Sehvermögens genüge es, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen sei als die Wahrnehmung mit anderen Sinnen. Dies sei lediglich bei einem vollständigen apallischen Syndrom nicht der Fall. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gelte auch als blind, wer aufgrund schwerer Hirnschädigung visuell nichts wahrnehme, sofern andere Sinnesmodalitäten wenigstens noch teilweise erhalten seien. Bei der Klägerin sei von einem vollständigen Ausfall der Sehfähigkeit auszugehen. Die Klägerin habe keine gezielten visuellen Reaktionen auf Sehdinge gezeigt. Lediglich starke Blendungsreize hätten zu kurzfristigem Blinzeln geführt. Eine unwillkürliche Reaktion auf sich vorbei bewegende visuelle Reize habe sich nicht auslösen lassen. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Klägerin nicht mehr als hell und dunkel unterscheiden könne. Das positive Blitz-VEP könne eine kortikale Blindheit nicht ausschließen. Die Einzelbeobachtung der Blickfixation hätte nicht reproduziert werden können. Insoweit müsse hier von einer Überinterpretation ausgegangen werden. Im Vergleich zur Sehfunktion seien die übrigen Sinne der Klägerin zumindest noch teilweise intakt. Sie reagiere insbesondere nachprüfbar auf akustische Reize. Auch Berührungsreizen gegenüber sei die Klägerin empfänglich, da sie mit Unmutsäußerungen auf ein Streicheln der Wange reagiert habe. Es sei auch nachvollziehbar, dass die Klägerin in der Lage sei, die ihr angebotene Nahrung zu unterscheiden und entsprechende Vorlieben zum Ausdruck zu bringen. Dementsprechend müsse zumindest von einem teilweise intakten Geruchs- und Geschmackssinn ausgegangen werden. Insgesamt sei die Klägerin in der Lage, Sinnesreize zu verarbeiten und hierauf zu reagieren. Allein die Sehfähigkeit sei nachhaltig gestört, sodass von faktischer Blindheit auszugehen sei.
Gegen das ihm am 18. August 2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 13. September 2011 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen: Den Ausführungen des SG, wonach allein die Sehfähigkeit der Klägerin nachhaltig gestört sei, könne nicht gefolgt werden. Nach der Stellungnahme seiner leitenden Ärztin Dr. S. und der Prüfärztin Dr. W. vom 8. November 2011 lasse das neurologische Gutachten die Feststellung von Blindheit oder faktischer Blindheit nicht zu. Dies könne bei Wachkomapatienten dann anerkannt werden, wenn entweder keine evozierten Potentiale auslösbar seien (negatives Blitz-VEP) oder ein augenfachärztlicher Befund bei positiven Blitz-VEP eindeutig keine Sehfähigkeit mehr zulasse. Das sei vorliegend nicht der Fall. Ein vollständiger Ausfall der Sehrinde liege nicht vor. Dagegen sprächen die auslösbaren Blitz-VEP und der fehlende Nachweis einer morphologischen Schädigung der Sehrinde nach mitgeteilten CT- und MRT-Untersuchungen. Von einer Rindenblindheit mit einem Nichtvermögen des Erkennens sei somit nicht auszugehen. Ohne sonstiges, eine Blindheit oder faktische Blindheit belegendes pathologisch-morphologisches Korrelat am Sehorgan (Auge, Sehrinde) sei für den funktionellen Bereich des Erkennen-Könnens keine Blindheit festzustellen. Insgesamt müsse davon ausgegangen werden, dass mindestens ein Visus von 0,1 vorhanden sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 28. Juli 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin sieht sich durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt und verweist auf dessen Entscheidungsgründe.
Auf Veranlassung des Senats hat Dr. M. (Oberärztin des Universitätsklinikums M., Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde) das augenärztliche Gutachten vom 20. Februar 2013 nach Untersuchung der Klägerin am 29. Januar 2013 erstattet. Diese hat ausgeführt: Die Klägerin erhalte Physio- und Musiktherapie sowie zeitweise Ergotherapie. Eine Lichttherapie sei bisher nicht erfolgt. Ophthalmologisch sei rechts und links von Kurzsichtigkeit auszugehen. Außerdem bestünden am linken Auge eine Irisläsion und eine kleine Hornhautnarbe bei einem Zustand nach perforierender Bulbusverletzung und operativer Wundversorgung und ein Verdacht auf Restzustand nach einer inkompletten Okulomotoriusparese. Es liege kein vollständiger Verlust des linken Auges vor. Die unfallbedingte Hornhaut- und Skleraverletzung sei operativ versorgt worden. Aus diesem Grunde finde sich jetzt eine kleine Hornhautnarbe, die nach den objektiven Refraktionswerten aber nicht zu einer deutlichen Verziehung der Hornhaut führe und somit keine erheblichen optischen Auswirkungen habe. Die kleinen minimalen punktförmigen Trübungen der Linse verursachten ebenfalls keine Funktionsbeeinträchtigung. Unfallbedingt liege keine Schädigung des rechten Auges vor. Am Augenhintergrund beider Augen seien keine krankhaften Veränderungen erkennbar. Die Sehnerven seien normal gefärbt und nicht atrophiert. Zusammenfassend hat die Sachverständige ausgeführt: Es sei von einer organisch bedingten visuellen Verarbeitungsstörung, nicht von einer primären Wahrnehmungsstörung auszugehen. Die Einschränkungen beruhten nicht auf ophthalmologisch optischer Ebene. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Schädigung erst hinter der primären Rinde liege, da auch bei der nunmehr durchgeführten Untersuchung ein VEP beidseitig ableitbar gewesen sei. Da keine Opticusatrophie (Sehnervschädigung) vorliege, beweise dies, dass sich die Schädigung keinesfalls vor dem Corpus genicu-latum laterale befinde. Inwieweit der primären Sehrinde nachgeschaltete Störungen vorlägen, könne ophthalmologisch nicht geklärt werden. Aufgrund der wiederholt abgeleiteten visuell evozierten Potentiale sei von einer Wahrnehmungsstörung auszugehen. Selbst dann, wenn die Potentiale wie hier relativ früh kämen, was aber auch einen Normbefund darstellen könne, handele es sich bei weiterer Leitungsstörung in höher geschalteten Sehzentren nicht um eine Wahrnehmungs-, sondern um eine Verarbeitungsstörung. Im neurologischen Gutachten werde postuliert, dass das frühe P100-Signal des VEP’s durch eine nicht Weiterverarbeitung in den höheren geschalteten Sehzentren erfolge oder möglicherweise auch ein VEP bei kortikaler Blindheit ableitbar wäre. Diese Überlegungen seien zwar in der zitierten Literatur zu finden, allerdings würden in gleicher Literatur auch Normkurven für Blitz-VEP’s gezeigt, die ebenfalls nur verkürzte Potentiale - wie bei der Klägerin - hätten.
Am 13. Mai 2014 hat eine Nichtöffentliche Sitzung vor dem LSG stattgefunden. Aufgrund der Neufassung des LBliGG (in der Fassung vom 18. Dezember 2013) zum 1. Januar 2014 habe die Beteiligten einen Vergleich dahingehend geschlossen, dass Streitgegenstand im hier vorliegenden Verfahren nur noch der Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis 31. Dezember 2013 ist.
Ergänzend hat der Beklagte am 26. Mai 2014 auf die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. S. vom 21. Mai 2014 hingewiesen. Blindheit könne danach nur angenommen werden, wenn die Sehbehinderung auf einem Defekt des Sehapparates beruhe. Weil derselbe aus Auge, Sehnerven und Sehzentrum der Hirnrinde bestehe, werde auch bei vollständigem Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit) Blindheit zuerkannt. Blindheit liege nicht vor bei einer visuellen Agnosie (Unfähigkeit, optische Wahrnehmungen mit optischen Erinnerungen zu verknüpfen; d.h., der Patient kann zwar ein Objekt sehen, es aber nicht erkennen) oder anderen gnostischen Störungen. Hier sei von einer gnostischen Störung in Form einer visuellen Verarbeitungsstörung, hirnorganisch bedingt durch schwerste, komplexe hirntraumatischen Verletzungen, auszugehen. Die Einschränkungen des Sehvermögens seien nicht ophthalmologisch, das heißt in Bezug auf den Sehapparat, erklärbar. Eine Rindenblindheit sei auszuschließen. Befundmäßig sei belegt, dass die Schädigung erst hinter der primären Sehrinde liege. Da sich in wiederholt abgeleiteten visuell evozierten Potentialen reproduzierbare Antworten gezeigt hätten, handele es sich nicht um eine Wahrnehmungsstörung. Auszugehen sei daher von einer visuellen Verarbeitungsstörung. Im Übrigen sei bei der Klägerin eine sehr schwere Hirnschädigung zu beklagen, die gleichermaßen auch die Wahrnehmung in anderen Modalitäten erheblich einschränke, so dass sich unterschiedliche Sinnes- und Wahrnehmungsstufen nicht in relevantem Ausmaß voneinander abgrenzen ließen. Dies setze nicht die Messbarkeit einer gleichmäßigen Herabsetzung der Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen voraus. So unterscheide sich zum Beispiel das Wahrnehmen akustischer Reize nicht wesentlich von der Wahrnehmung optischer Reize, bei denen die Klägerin auf so genannte Blendreize mit einem kurzzeitigen Blinzeln reagiere. Gleiches treffe auf sonstige eingeschränkte Reaktionen (Äußerung zum Geruchs- und Geschmacksempfinden, Unmutsäußerungen beim Streicheln der Gesichtshaut, Lautäußerung) zu. Auch die Annahme, dass unter den genannten Bedingungen das Fehlen einer Blickfixation eine bloße Benennungsstörung bei der Klägerin ausschließe und damit eine Erkennungsstörung unter Beweis stelle, sei angesichts der Befundlage medizinisch nicht hinreichend zu begründen. Unabhängig davon sei über das augenfachärztliche Gutachten vom 20. Februar 2013 nicht eine fehlende, sondern eine mangelnde Fixation der Augen dokumentiert. Eine Fixation sei demnach nicht, wie richterlich angenommen, ausgeschlossen, sie sei indes nur insoweit eingeschränkt, als dass Untersuchungen, die eine mitwirkende Blickfixation voraussetzen, nicht durchgeführt werden könnten. Diesbezüglich sei darauf aufmerksam zu machen, dass bei der Klägerin laut Aussagen der Mutter im häuslichen Umfeld kurzzeitige Blickfixationen sowie explorierende Blickfolgebewegungen beobachtet wurden. Dies werde durch den neuropsychologischen Befund vom Juli 2002 anhand eigener Untersuchungen bestätigt. Insgesamt könne der Auffassung, dass bei der Klägerin allein die Sehfähigkeit nachhaltig gestört sei, nicht gefolgt werden. Ebenso sei nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz des Vollbeweises beweispflichtiger Tatsachen nicht davon auszugehen, dass die auf anderen Feldern der Sinneswahrnehmung verbliebenen Fähigkeiten nicht ihrerseits soweit herabgesetzt seien, dass der Leistungsunterschied zur gestörten visuellen Modalität beachtlich sei. Im Übrigen hat der Beklagte angeregt, den Unfallversicherungsträger dem Verfahren beizuladen. Auf Leistungen nach dem LBliGG a.F. würden auch gleichartige Leistungen angerechnet, die der Blinde zum Ausgleich der durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen aufgrund anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften erhalte (§ 2 Abs. 1). Dies führe gegebenenfalls zu einem verminderten Anspruch von Leistungen nach dem LBliGG. Daher sei die Beiladung nach § 75 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch aus Gründen der Prozessökonomie zweckmäßig.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Durch den am 13. Mai 2014 zwischen den Beteiligten geschlossen Teilvergleich haben diese den Streitgegenstand auf den Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis 31. Dezember 2013 begrenzt. Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist damit das LBliGG a.F., denn die Neufassung des LBliGG (GBl. LSA Nr. 32/2013, ausgegeben am 27. Dezember 2013) betrifft noch nicht den hier streitgegenständlichen Zeitraum.
Von einer Beiladung des Unfallversicherungsträgers nach § 75 Abs. 1 SGG war hier abzusehen. Denn eine mögliche Anrechnung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auf das der Klägerin zu gewährende Blindengeld ist nicht Streitgegenstand des Verfahrens. Das SG hat den Beklagten dazu verurteilt, das Blindengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Prüfung, ob und in welchem Umfang gleichartige Leistungen anzurechnen sind, obliegt in einem anschließenden Verwaltungsverfahren der Versorgungsverwaltung. Da - anders als nach der Neufassungen des LBliGG durch § 1 a - nach § 2 Abs. 1 a.F. nur eine Anrechnung gleichartiger Leistungen erfolgt, aber kein Ausschlussgrund normiert wird, steht eine mögliche Anrechnung gleichartiger Leistungen dem Anspruch dem Grunde nach nicht entgegen. Im Übrigen lagen auch die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG nicht vor.
Zu Recht hat das SG den Beklagten verurteilt, der Klägerin ab 1. Februar 2007 Blindengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Nach § 1 Abs. 1 LBliGG a.F. erhalten Blinde Blindengeld. Nach § 1 Abs. 2 erhalten Blindengeld auch Personen,
1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt,
2. bei denen durch Nummer 1. nicht erfasste, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nummer 1. gleichzuachten sind. Als nicht nur vorübergehend ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten anzusehen.
3. die hochgradig sehbehindert mit einem Sehvermögen von 1/20 und weniger sind.
Zwar kann Klägerin nicht den Nachweis führen kann, dass bei ihr Blindheit nach § 1 Abs. 1 oder § 1 Abs. 2 Nr. 1 LBliGG vorliegt. Nach dem augenärztlichen Gutachten von Dr. M. ist nicht von einer primären Wahrnehmungsstörung auszugehen, sodass die Einschränkungen der Sehleistung nach den gutachtlichen Feststellungen nicht auf ophthalmologisch optischer Ebene beruhen. Nach den Untersuchungen von der Dr. M. ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Schädigung erst hinter der primären Rinde liegt, da auch bei der von ihr durchgeführten Untersuchung ein VEP beidseitig ableitbar gewesen war. Da auch keine Opticusatrophie (Sehnervschädigung) festzustellen war, ist davon auszugehen, dass sich die Schädigung keinesfalls vor dem Corpus genicu-latum laterale befindet. Inwieweit der primären Sehrinde nachgeschaltete Störungen vorliegen, konnte ophthalmologisch nicht geklärt werden.
Doch liegen bei der Klägerin die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBliGG vor, weil sie an einer nach Nr. 1 gleichzuachtenden Störung des Sehvermögens leidet. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20. Juli 2005 - B 9a BL 1/05 R, 26. Oktober 2004 - B 7 SF 2/03 R, 31. Januar 1995 - 1 RS 1/93, zuletzt darauf verwiesen durch den Beschluss vom 30. Juni 2014 - B 9 BL 2/13 B, alle zitiert nach juris), der sich der Senat anschließt, sind bei der Feststellung dieser sog. faktischen Blindheit nicht nur die Beeinträchtigungen der Sehschärfe und die Einschränkung des Gesichtsfeldes, sondern vielmehr alle Störungen des Sehvermögens zu berücksichtigen, soweit sie in ihrem Schweregrad einer Beeinträchtigung der Sehschärfe auf 1/50 oder weniger gleich zu achten sind. Sofern nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht maßgeblich ist, auf welchen Ursachen die Störung des Sehvermögens beruht und ob das Sehorgan (Auge, Sehbahn) selbst geschädigt ist, sind auch cerebrale Schäden beachtlich, die zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führen, und zwar für sich allein oder im Zusammenwirken mit Beeinträchtigungen des Sehorgans. Da nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBliGG nicht maßgeblich ist, auf welchen Ursachen die Schädigung beruht, kann auch nicht der vom Beklagten geforderte Nachweis von Rindenblindheit oder anderen Schädigungen des Sehorgans gefordert werden. Daher wird auch eine visuelle Agnosie von der Vorschrift erfasst. Sofern für Blindheit nach den Versorgungsmedizischen Grundsätzen (Teil A, Nr. 6c) der nachgewiesene Ausfall der Sehrinde gefordert wird und eine visuelle Agnosie und andere gnostische Störungen zur Begründung des Anspruchs ausgeschlossen sind, kann diese Vorschrift nicht zur Auslegung des bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Landesrechts herangezogen werden.
Allerdings ist nach der oben zitierten Rechtsprechung des BSG in Abgrenzung vor allem zu Störungen aus dem Bereich der seelisch-geistigen Behinderung zu differenzieren, ob das Sehvermögen, d.h. das Sehen- bzw. Erkennen können beeinträchtigt ist, oder ob - bei vorhandener Sehfunktion - (nur) eine zentrale Verarbeitungsstörung vorliegt, bei der das Gesehene nicht richtig identifiziert bzw. mit früheren visuellen Erinnerungen verglichen werden kann, die also nicht (schon) das Erkennen, sondern (erst) das Benennen betrifft. Auch dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Ausfälle allein des Benennen Könnens erfüllen damit nicht die Voraussetzungen faktischer Blindheit. Bei umfangreichen cerebralen Schäden ist darüber hinaus eine weitere Differenzierung erforderlich: Es muss sich im Vergleich zu anderen ebenfalls eingeschränkten Gehirnfunktionen eine spezifische Störung des Sehvermögens feststellen lassen. Das ist z.B. bei einem vollständigen apallischen Syndrom nicht der Fall. Zum Nachweis einer zu faktischer Blindheit führenden schweren Störung des Sehvermögens genügt es aber, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen ist, als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Klägerin an faktischer Blindheit leidet. Der Senat folgt den gutachtlichen Feststellungen des Prof. Dr. H., wonach trotz der schweren sonstigen Behinderung kognitiver Funktionen die Sehfunktion bei der Klägerin in besonderem Maße beeinträchtigt scheint und dies in einem Maß, das funktionell Blindheit gleichkommt.
Es kann ausgeschlossen werden, dass bei der Klägerin eine bloße Benennungsstörung (und damit Seelenblindheit) vorliegt. Auf der Grundlage der gemachten Verhaltensbeobachtung gab es nach den Ausführungen von Prof. Dr. H. keinen Hinweis dafür, dass die Klägerin visuelle Dinge identifizieren könne, aber nur ein Problem des Benennens bestünde. Dies ist überzeugend, denn die Klägerin reagiert nur auf helles Licht bzw. starke Blendungsreize. Sie zeigt aber keine Reaktion auf sich vorbeibewegende visuelle Reize oder visuelle Drohreize bewirkten keine Reaktionen. Diese gutachtliche Feststellung ist auch nicht durch das augenärztliche Gutachten von Dr. M. widerlegt. Die positiven Blitz-VEP erlauben nur den Rückschluss, dass die Schädigung hinter der primären Sehrinde liegt, können aber nicht zur Begründung einer bloßen Benennungsstörung herangezogen werden. Ob nachgeschaltete Störungen vorliegen, konnte in dem augenärztlichen Gutachten nicht geklärt werden, sodass eine Verarbeitungsstörung angenommen wurde. Auch das fehlende Fixationsverhalten bei den gutachtlichen Untersuchungen durch Prof. Dr. H. und Dr. M. spricht letztlich gegen eine bloße Benennungsstörung.
Dem Anspruch auf Blindengeld steht auch nicht die weitreichende cerebrale Schädigung der Klägerin entgegen. Aufgrund der Hirnschädigung leidet sie nicht (mehr) an einem apallischen Syndrom. Vielmehr ist nach dem neurologischen Gutachten des Prof. Dr. H. von einem postapallischen Syndrom mit minimal bewusstem Zustand auszugehen. Nach Auffassung des Senats ist unter Würdigung aller der Klägerin verbliebenden Fähigkeiten festzustellen, dass die Einschränkung des Sehvermögens aber deutlich stärker betroffen ist als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten. Das Sehen spielt nach den gutachtlichen Feststellungen des Prof. Dr. H. in ihrem Leben keine entscheidende Rolle mehr. Dagegen kann die Klägerin aufgrund der verbliebenen Fähigkeit zu hören, in eine - wenn auch eingeschränkte - Kommunikation mit ihrer Umwelt eintreten. Sie kann durch das vorhandene Hörvermögen auf akustische Reize reagieren und durch eigene Lautäußerungen auch agieren. Nach den Aussagen der Mutter reagiere die Klägerin auf einfache akustische Reize mit klaren Orientierungsreaktionen und differenziere zwischen verschiedenen Menschen ihrer Umgebung. Sie freue sich, wenn die Mutter zurückkehre, habe aber auch Aversionen gegen bestimmte Personen. Die Klägerin "meckere", wenn sie zu Bett gebrachte werde und drücke dies durch Stöhnen und schnelle Kopfbewegungen aus. Diese Schilderungen der Mutter gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. H. werden durch verschiedene Berichte bestätigt. So wurde bereits im Bericht der M.-Klinik NRZ vom 3. Januar 2002 ausgeführt, dass in den unterschiedlich langen Wachphasen immer wieder der Eindruck bestanden habe, dass die Klägerin auf die Anwesenheit der Mutter oder bestimmter Therapeuten oder sogar Gesprächsinhalte reagiert habe (durch Unruhe, im weiteren Verlauf auch durch klageähnliche Lautäußerungen) und sich um eine Sprachproduktion bemühe. Dabei sei es meistens nur zu oralen Automatismen, gelegentlich aber auch zu Vokalformungen und wortähnlichen Äußerungen gekommen. Während der anschließenden Therapie im Juli 2002 in B. wurde mehrmals beobachtet, dass die Klägerin Mama sage und durch unartikulierte Lautäußerungen Unbehagen oder Schmerz signalisierte. Ebenso hat die Logopädin R. bestätigt, dass die Klägerin auf akustische Angebote (Geräusche, Laute und Töne, musikalische Ansprache, dynamische Veränderungen in der Sprechstimme sowie lexikalisch-semantische Items) reagiere. Sie sei in der Lage, ihrem Befinden mittels tonaler Intension Ausdruck zu verleihen, sodass von auditiv-phonatorischen Rückkopplungsmechanismen auszugehen sei. Daher werde weiterhin im auditiven Bereich therapiert. Schließlich hat auch Prof. Dr. H. hat bestätigt, dass es auf akustische Reize aus verschiedenen Richtungen zu einer Blickwendung in die entsprechende Richtung mit mehreren Ruckbewegungen komme. Dabei hätten sogar unterschiedliche Reaktionen festgestellt werden können, je nachdem, ob die akustischen Reize von rechts oder von links gekommen seien. Die Klägerin habe außerdem versucht, Aufforderungen zumindest zu Kopfbewegungen zu folgen. Versuche, Lautsprache hervorzurufen seien zwar nicht gelungen. Doch habe die Klägerin das Wort "Mama" mitsprechen können. Ansonsten bestehe die Lautproduktion entweder aus ungeformten Stöhnlauten oder aber "Aua" oder "Ja". Über die Lautäußerungen könne die Klägerin Unmut und auch Trübstimmung kommunizieren. Nach alledem ist davon auszugehen, dass das Sehvermögen der Klägerin deutlich stärker eingeschränkt ist als ihr Hörvermögen.
Da die Klägerin den Antrag am 19. Februar 2007 gestellt hat, war ihr ab dem 1. Februar 2007 Blindengeld zu gewähren. Denn der Anspruch auf Blindengeld entsteht mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Voraussetzungen nach dem LBliGG-LSA vorliegen, frühestens mit dem ersten Tag des Antragsmonats (§ 4 Abs. 1 Satz 2 LBliGG-LSA).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es bestehen keine Gründe für die Zulassung der Revision. Die Entscheidung des Senats ist unter Beachtung der Entscheidungen des BSG vom 31. Januar 1995 (1 RS 1/93, juris), 26. Oktober 2004 (B 7 SF 2/03 R, juris) und 20. Juli 2005 (B 9a BL 1/05 R, juris) ergangen. Mit Beschluss vom 30. Juni 2014 (B 9 BL 2/13 B, juris) hat das BSG ausdrücklich auf diese Entscheidungen verwiesen.
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