L 11 R 1244/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3992/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1244/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.02.2014 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 08.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.11.2013 verurteilt, der Klägerin Altersrente für Frauen ab 01.08.2013 unter Berücksichtigung der Zeit vom 01.04.1963 bis zum 25.12.1965 als Pflichtbeitragszeit zu gewähren.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höhere Altersrente für Frauen.

Die am 25.05.1948 geborene Klägerin machte ab dem 01.04.1963 eine Ausbildung zur Kauffrau für den Groß- und Außenhandel auf der Grundlage eines für die Zeit vom 01.04.1963 bis zum 31.03.1966 abgeschlossenen Lehrvertrages. Mit Bescheid vom 20.02.2009 stellte die Beklagte im Versicherungskonto der Klägerin für die Zeit vom 01.04.1963 bis zum 25.12.1965 den Tatbestand einer "Pflichtbeitragszeit" und für die Zeit vom 26.12.1965 bis zum 31.03.1966 als Tatbestand "Schwangerschaft/Mutterschutz" fest.

Am 28.01.2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für Frauen beginnend ab 01.08.2013. Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin ihren Lehrvertrag über die in der Zeit vom 01.04.1963 bis 31.03.1966 absolvierte Ausbildung zur Kauffrau für den Groß- und Außenhandel vor. Mit Bescheid vom 08.07.2013 bewilligte die Beklagte die begehrte Altersrente ab 01.08.2013 in Höhe von 1.045,88 EUR (Zahlbetrag 938,68 EUR). Bei der Rentenberechnung fand die Zeit vom 01.04.1963 bis zum 25.12.1965 als "Pflichtbeitragszeit – berufliche Ausbildung" Berücksichtigung.

Mit ihrem Widerspruch vom 19.07.2013 machte die Klägerin geltend, dass es bei ihr durch die Berücksichtigung der Lehrzeiten zu einer Rentenminderung gekommen sei. Durch die Herausnahme der Lehrzeiten bei der Anrechnung für die Rente nach Mindesteinkommen seien auf die Rente 1,4216 Entgeltpunkte weniger angerechnet worden, als dies noch in der Rentenauskunft vom 11.05.2012 der Fall gewesen sei. Durch die Vormerkung der Lehrzeit sei der Klägerin ein Nachteil bei der Berechnung ihrer Altersrente entstanden, während dies bei den meisten anderen Versicherten zu einer Steigerung des Anspruchs führe. Dies sei nicht mit dem Recht auf Gleichbehandlung zu vereinbaren, weshalb die Rente unter Anrechnung der bisherigen Entgeltpunkte neu zu berechnen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Zeit der beruflichen Ausbildung vom 01.04.1963 bis 25.12.1965 sei in der Grundbewertung zutreffend mit 0,0833 Entgeltpunkten (EP) pro Monat bewertet worden. Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten und mit Zeiten einer beruflichen Ausbildung gälten hierbei als vollwertige Beitragszeiten, soweit sie nicht mit weiteren beitragsfreien Zeiten zusammen träfen und aus diesem Grund beitragsgemindert seien. Der Monat Dezember 1965 treffe mit einer beitragsfreien Zeit (Schwangerschaft) zusammen und sei daher beitragsgemindert. Bei der Vergleichsbewertung seien daher 0,0671 EP abzuziehen. Bei der Bewertung der Beitragszeiten mit beruflicher Ausbildung ergäben sich 2,1543 zusätzliche EP. Insgesamt seien für die Grundbewertung 36,0056 EP ermittelt worden, der Durchschnittswert für die Grundbewertung sei mit 0,0610 EP ermittelt worden. Bei der Vergleichsbewertung habe sich ein Durchschnittswert von 0,0609 EP ergeben, sodass für die Gesamtleistungsbewertung der höhere Wert (0,0610 EP) berücksichtigt worden sei. Die Aussage, die Bewertung der Zeiten der beruflichen Ausbildung führe zu keiner höheren Rente, könne nicht nachvollzogen werden. Die Bewertung der Zeiten sei entsprechend der gesetzlichen Grundlage erfolgt. Soweit sich die Klägerin auf eine Rentenauskunft beziehe, solle damit lediglich eine Auskunft über die mutmaßliche Rentenhöhe gegeben werden. Es handele sich dabei um keine verbindliche Entscheidung.

Hiergegen richtet sich die am 29.11.2013 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Die Klägerin führt aus, dass in der Rentenauskunft vom 11.05.2012 die Zeit vom 01.04.1963 bis 25.12.1965 als normale Beitragszeit auf den Rentenanspruch angerechnet worden sei. Weil sie die Voraussetzungen für die Anwendungen des § 262 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) erfüllt habe, würden die EP ihrer Beitragszeiten bis zum 31.12.1991 auf einen festen Wert von 0,0625 EP pro Monat angehoben. Im Rentenantragsverfahren habe die Beklagte das Versicherungskonto geklärt und im Zeitraum vom 01.01.1963 bis 25.12.1965 eine Lehrzeit berücksichtigt. In der Regel erhöhe sich der Rentenanspruch durch die Vormerkung einer Lehrzeit als berufliche Ausbildung. In ihrem Fall habe die Anrechnung der Lehrzeit den gegenteiligen Effekt gehabt, sie habe zu einer Verminderung des Anspruchs um rund 20,00 EUR pro Monat geführt. Die Rentenberechnung sei nach den gesetzlichen Bestimmungen zwar korrekt erfolgt. Es sei jedoch nicht hinzunehmen, dass die Vormerkung von Zeiten der beruflichen Ausbildung bei der Mehrzahl der Versicherten eine Steigerung des Rentenanspruchs mit sich bringe, während die gleiche Maßnahme bei denjenigen, deren Versicherungszeiten nach Mindesteinkommen bewertet würden, zu einer Verminderung des Rentenanspruchs führe. Eine solche Regelung ziele auf eine Ungleichbehandlung der Versicherten und könne keinen rechtlichen Bestand haben.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.02.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es hinsichtlich der Rentenberechnung auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass eine Verletzung des Artikel 3 Grundgesetz (GG) nicht vorliege. Schon eine Ungleichbehandlung der Klägerin sei nicht erkennbar. Gleichheit "vor dem Gesetz" bedeute zunächst Rechtsanwendungsgleichheit. Der Gleichheitssatz verlange auch eine Rechtsetzungsgleichheit, der Gesetzgeber müsse bei Erlass von Gesetzen den Gleichheitssatz beachten. Anknüpfungspunkt der Grundrechtsprüfung sei die Frage, ob das Gesetz wesentlich Gleiches ungleich bzw. wesentlich Ungleiches gleich behandele. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin liege schon deshalb nicht vor, weil keine andere Person in einer anderen Weise rechtlich behandelt werde. Vielmehr werde die Vorschrift des § 71 Abs 3 Nr 2 SGB VI bei der Berechnung sämtlicher Renten berücksichtigt. Die Klägerin fühle sich lediglich durch das rechnerische Ergebnis der Anwendung der Vorschrift ungerecht behandelt. Dies allein vermöge eine Grundrechtsverletzung nicht zu begründen. Darüber hinaus setze sich die Rentenberechnung aus verschiedensten Faktoren nicht nur aus dem Bereich des Erwerbslebens zusammen, sodass es bei der Berechnung einer Rente auf den gesamten Versicherungsverlauf eines Versicherten ankomme. Es verbiete sich daher, auf Basis eines einzelnen Rechenschritts der Rentenberechnung eine Verletzung des Gleichheitsgrundrechts anzunehmen. Im Übrigen könne die Klägerin aus der Rentenauskunft vom 11.05.2012 keinen Vertrauensschutz herleiten, da diese keine Bindungswirkung entfalte.

Gegen den ihrem Bevollmächtigen am 10.03.2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 12.03.2014 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie wendet sich weiterhin dagegen, dass gegenüber der Rentenauskunft durch die Vormerkung der Lehrzeit eine Minderung des Rentenanspruchs eingetreten sei. Durch die Vormerkung als Lehrzeit seien aus den bisher vollwertigen Beiträgen im Zeitraum 01.04.1963 bis 25.12.1965 beitragsgeminderte Zeiten geworden. Dies habe zur Folge, dass die Beiträge in diesem Zeitraum nicht mehr an der Sonderbewertung von Beitragszeiten gemäß § 262 SGB VI teilnehmen. Diese Vorschrift sehe vor, dass lediglich die vollgültigen Pflichtbeiträge vor dem 01.01.1992 an dieser Sonderbewertung teilnehmen, beitragsgeminderte Zeiten hingehen nicht. § 262 SGB VI sei im Rahmen des Rentenreformgesetzes des Jahres 1992 als Weiterführung des damaligen § 54b des Art 2 zum AnVNG eingeführt worden. Lehrzeiten hätten damals noch nicht als beitragsgeminderte Zeiten, sondern vollgültige Beitragszeiten gegolten. Sie seien entsprechend den Vorschriften des § 70 Abs 3 SGB VI im Rahmen der sogenannten P48-Regelung bewertet worden, wobei die ersten 48 Pflichtbeiträge eine Anhebung auf den Wert 0,075 EP erfahren hätten. Aus Sicht des Bevollmächtigten der Klägerin sei bei Abfassung der Regelung des § 262 SGB VI die Sonderbewertung deshalb auf die voll gültigen Beitragszeiten begrenzt, weil man eine Anhebung der Bewertung von Krankheits- und Arbeitslosenzeiten habe vermeiden wollen. Ein Ausklammern der Lehrzeiten sei allerdings nicht vorgesehen gewesen. Als dann die P48-Regelung weggefallen sei, habe eine Regelung gefunden werden müssen, um sicher zu stellen, dass EP für Lehrzeiten weiterhin eine Anhebung erfahren. Man habe sie deshalb zu beitragsgeminderten Zeiten gemacht und mit dem - allerdings begrenzten - Gesamtleistungswert bewerten lassen. Dass danach allerdings Lehrzeiten als beitragsgeminderte Zeiten nicht mehr an der Anhebung gemäß den Vorschriften des § 262 SGB VI teilnehmen konnten, sei seiner Ansicht nach ein Webfehler des Gesetzes, der nicht beabsichtigt gewesen sei. Derzeit liege die Situation vor, dass die Geltendmachung von Lehrzeiten in aller Regel zu einer Erhöhung des Rentenanspruchs führe. Dies gelte für die Mehrzahl der Versicherten, nicht aber für Versicherte, deren Rente nach Mindesteinkommen berechnet werde. Bei diesen falle die Besserbewertung der Lehrzeiten nach § 262 SGB VI weg, was dann regelhaft mit einer Minderung des Rentenanspruchs verbunden sei. Es sei nicht akzeptabel, dass die Lehrzeit des einen Versicherten zu einer Anspruchssteigerung führe, die Lehrzeit eines anderen Versicherten aber zu einer Anspruchsminderung. Dies umso mehr, als die Regelung des § 262 SGB VI eigentlich einen Personenkreis begünstige, der aufgrund langjähriger, niedriger Beitragszahlung meist ohnehin nur eine geringere Rente zu erwarten habe, also vor allem Frauen, die nach der Geburt von Kindern in Teilzeit gearbeitet hätten. Durch die derzeit geltende Regelung werde das eigentliche Bemühen des Gesetzgebers, diesen Personenkreis bezüglich seiner Rente besser zu stellen, konterkariert. Es liege ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG vor. Die Regelung des § 262 SGB VI sei daher dahingehend zu ändern, das neben den vollgültigen Beitragszeiten auch Zeiten einer beruflichen Ausbildung an der Anhebung der Entgeltpunkte, die durch diese Regelung vorgeschrieben werde, teilnehmen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.02.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 08.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.11.2013 zu verurteilen, der Klägerin Altersrente für Frauen ab 01.08.2013 unter Berücksichtigung der Zeit vom 01.04.1963 bis zum 25.12.1965 als Pflichtbeitragszeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid des SG Mannheim für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch ansonsten statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig und in der Sache auch begründet. Der angefochtene Bescheid vom 08.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.11.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung der Zeit vom 01.04.1963 bis 25.12.1965 als Pflichtbeitragszeit. Maßgebend ist insoweit die bestandskräftige Vormerkung dieser Zeit als Pflichtbeitragszeit im Bescheid vom 20.02.2009.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Berechnung der Rente nach den gesetzlichen Bestimmungen zutreffend erfolgt ist. Die korrekte Anwendung der gesetzlichen Vorschriften zur Rentenberechnung wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, sie verlangt vielmehr eine Berechnung der Rente unter Abweichung von der gesetzlichen Vorschrift des § 262 SGB VI. Hierfür gibt es indes keine Grundlage.

Die Beklagte hat die der Klägerin ab 01.08.2013 gewährte Altersrente für Frauen anhand der Rentenformel (§ 63 Abs 6, § 64 SGB VI) richtig ermittelt. Danach ergibt sich der Monatsbetrag einer Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert vervielfältigt werden. Die Beklagte hat in den Anlagen 1 bis 6 zum Rentenbescheid vom 08.07.2013 die sich als Produkt aus der Summe aller im Versicherungsleben erzielten EP und dem Zugangsfaktor (hier gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI 1,0) zutreffend mit 37,1671 EP errechnet. Anhaltspunkte für Rechenfehler bei der Ermittlung der EP bestehen nicht. Zutreffend hat die Beklagte den Rentenartfaktor 1,0 (§ 67 Nr 1 SGB VI) und den aktuellen Rentenwert (§§ 68 ff SGB VI), der am 01.08.2013 28,14 EUR betragen hat, zugrunde gelegt.

Die Beklagte hat sämtliche zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten (§ 54 Abs 1 SGB VI) entsprechend der materiellen Rechtslage berücksichtigt. Für Pflichtbeitragszeiten hat die Beklagte 20,9893 EP berechnet (Anlage 3 Seite 3 zum Rentenbescheid vom 08.07.2013). Davon entfallen 20,0423 EP auf vollwertige Pflichtbeitragszeiten für 447 Monate und 8,6263 EP auf vollwertige Pflichtbeitragszeiten bis 31.12.1991 für 188 Monate. Fehler in dieser Berechnung sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Nach § 262 SGB VI sind die EP für Beitragszeiten zu erhöhen, wenn mindestens 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden sind und sich aus den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen ein Durchschnittswert von weniger als 0,0625 EP ergibt. Dies ist bei der Klägerin der Fall. Sie hat mit 20,0423 EP für 447 Monate durchschnittlich 0,0448 Punkte erzielt. Die zusätzlichen EP sind nach § 262 Satz 2 SGB VI so zu bemessen, dass sich für die Kalendermonate mit vollwertigen Pflichtbeiträgen vor dem 01.01.1992 ein Durchschnittswert in Höhe des 1,5fachen des tatsächlichen Durchschnittswerts, höchstens aber iHv 0,0625 EP ergibt. Dies sind 8,6263 geteilt durch 188 (Monate), also 0,0689, begrenzt auf höchstens 0,0625. Für 188 Monate ergeben sich damit 11,75 EP (188 x 0,0625); abzüglich der bereits berücksichtigten 8,6263 EP verbleiben zusätzliche 3,1237 EP (Anlage 3 Seite 4 zum Rentenbescheid vom 08.07.2013). Die Beklagte hat bei der Berechnung nach § 262 SGB VI zutreffend den Zeitraum der Berufsausbildung vom 01.04.1963 bis 25.12.1965 außer Betracht gelassen, denn hierbei handelt es sich nach § 54 Abs 3 Satz 2 SGB VI nicht um eine vollwertige Pflichtbeitragszeit, sondern eine beitragsgeminderte Zeit (vgl Dankelmann in jurisPK-SGB VI, Stand 14.10.2014, § 262 RdNr 35). Insgesamt hat die Klägerin für 486 Monate Beitragszeiten damit 24,1130 EP erzielt (20,9893 + 3,1237).

Für 33 Monate beruflicher Ausbildung (April 1963 bis Dezember 1965) sind der Klägerin zutreffend zusätzlich 2,1543 EP zuerkannt worden. Auf Anlage 4 Seite 1 zum Rentenbescheid vom 08.07.2013 wird insoweit Bezug genommen.

Beitragsfreie Zeiten sind mit dem aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Gesamtzeitraum erzielten Durchschnittswert zu bewerten (§ 71 Abs 1 Satz 1 SGB VI), der entweder im Rahmen der Grundbewertung nach § 72 Abs 1 SGB VI auf der Grundlage sämtlicher EP für Beitragszeiten und Berücksichtigungszeiten oder - falls für den Versicherten günstiger - im Rahmen der Vergleichsbewertung nach § 73 SGB VI auf der Grundlage nur der vollwertigen Beiträge (ohne beitragsgeminderte Zeiten) zu ermitteln ist. Bei der Grundbewertung nach § 72 Abs 1 SGB VI werden für jeden Kalendermonat EP in der Höhe zugrunde gelegt, die sich ergibt, wenn die Summe der EP für Beitragszeiten und Berücksichtigungszeiten durch die Anzahl der belegungsfähigen Monate geteilt wird. Nicht belegungsfähig sind Kalendermonate mit beitragsfreien Zeiten, die nicht auch Berücksichtigungszeiten sind (§ 72 Abs 3 Nr 1 SGB VI) und Zeiten, in denen eine Rente aus eigener Versicherung bezogen worden ist, die nicht auch Beitragszeiten oder Berücksichtigungszeiten sind (§ 72 Abs 3 Nr 2 SGB VI). Die Beklagte hat zutreffend den belegungsfähigen Gesamtzeitraum (§ 72 Abs 2 SGB VI) mit 604 Monaten ermittelt (ab Vollendung 17. Lebensjahr 25.05.1965 bis 31.07.2013 zum Kalendermonat vor Rentenbeginn, verlängert um 25 Kalendermonate für rentenrechtliche Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres) und hiervon 14 Monate als nicht belegungsfähige Kalendermonate (beitragsfreie Zeiten, die nicht gleichzeitig Berücksichtigungszeiten sind) abgesetzt.

Damit verbleiben 590 Kalendermonate als belegungsfähig (604 - 14 Monate). Für die Grundbewertung sind 36,0056 EP zugrunde zu legen (Berücksichtigungszeiten: 9,7383 EP; zusätzliche EP für Zeiten beruflicher Ausbildung: 2,1543; Summe der EP für alle Beitragszeiten: 24,1130), so dass sich als Durchschnittswert für die Grundbewertung 0,0610 Punkte ergeben (36,0056 Punkte: 590 Monate).

Für die Vergleichsbewertung nach § 73 SGB VI werden für jeden Kalendermonat EP in der Höhe zugrunde gelegt, die sich ergibt, wenn die Summe der EP aus der Grundbewertung ohne Entgeltpunkte für (1.) beitragsgeminderte Zeiten, (2.) Berücksichtigungszeiten, die auch beitragsfreie Zeiten sind, und (3.) Beitragszeiten oder Berücksichtigungszeiten, in denen eine Rente aus eigener Versicherung bezogen worden ist, durch die Anzahl der belegungsfähigen Monate geteilt wird. Dabei sind von den belegungsfähigen Monaten aus der Grundbewertung die bei der Vergleichsbewertung außer Betracht gebliebenen Kalendermonate mit EP abzusetzen (§ 73 Satz 2 SGB VI). Es werden somit ausschließlich Zeiten mit vollwertigen Beiträgen und EP aus reinen Berücksichtigungszeiten im Rahmen der Vergleichsberechnung berücksichtigt.

Die Vergleichsbewertung kommt zu einem niedrigeren Durchschnittswert, nämlich 0,0609 Punkte (35,3200 EP für 580 Kalendermonate; s Anlage 4 Seite 3-4 zum Rentenbescheid vom 08.07.2013). Es bleibt daher bei der für die Klägerin günstigeren Grundbewertung. Für insgesamt 14 Monate beitragsfreie Zeiten (Januar bis März 1966 und Oktober/November 1967 Anrechnungszeit wegen Schwangerschaft, November 1980 bis Februar 1981 Anrechnungszeit wegen Krankheit/Gesundheitsmaßnahme; Juli bis September 1984 und April/Mai 1985 Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit) ergeben sich 0,7442 EP. Die Beklagte hat dabei zutreffend den sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebenden Wert für Kalendermonate mit Anrechnungszeiten wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit auf 80 vH begrenzt (§ 263 Abs 2a SGB VI; zur Berechnung vgl Anlage 4 Seiten 4 und 5 zum Bescheid vom 08.07.2013).

Im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung findet nach § 74 SGB VI eine Begrenzung statt; der sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende Wert für jeden Kalendermonat mit Zeiten einer beruflichen Ausbildung, Fachschulausbildung oder der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme wird auf 75 vom Hundert begrenzt, der so begrenzte Wert darf für einen Kalendermonat 0,0625 Entgeltpunkte nicht übersteigen. Entsprechende Ausbildungszeiten, vorrangig die Zeiten der Fachschulausbildung und der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, werden nach § 74 Satz 3 SGB VI insgesamt für höchstens drei Jahre bewertet, dh sie wirken sich für höchstens drei Jahre unmittelbar rentenerhöhend aus. Für die berufliche Ausbildung von April 1963 bis November 1965 ergeben sich somit 0,8872 zusätzliche Entgeltpunkte (0,0610 x 75: 100 x 32 abzüglich der für diese Zeiten bereits berücksichtigten 0,5784 EP). Für weitere beitragsgeminderte Zeiten (Oktober 1980, März 1981 und Oktober 1984 ergeben sich weitere zusätzliche EP von 0,0439, für alle beitragsgeminderten Zeiten somit zusätzlich 0,9311.

Insgesamt ergeben sich damit 37,1671 persönliche EP (Beitragszeiten einschließlich Kindererziehungszeiten: 24,1130; beitragsfreie Zeiten: 0,7442; zusätzliche EP für beitragsgeminderte Zeiten: 0,9311; Zuschlag aus Versorgungsausgleich 11,3788 EP).

Die Klägerin moniert, sie sei durch die Anerkennung der Lehrzeiten im Ergebnis der Rentenberechnung gegenüber der Rentenauskunft vom 11.05.2012 benachteiligt worden. Nach dem eigenen Vortrag des Bevollmächtigten entgehen der Klägerin 1,4216 EP dadurch, dass die Lehrzeit aus der Mindestbewertung nach § 262 SGB VI herausgenommen worden ist. Dies trifft zu. Bei der Rente der Klägerin wurden nach § 262 SGB VI (Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt) zusätzlich 3,1237 EP errechnet. Nach der Rentenauskunft vom 11.05.2012 waren es zusätzlich 4,5453 EP (Differenz 1,4216 EP). Für die Lehrzeit als beitragsgeminderte Zeit hat die Klägerin lediglich zusätzlich 0,8872 EP erhalten, wie oben dargestellt. Isoliert betrachtet, bedeutet dies für diesen Zeitraum 0,5344 EP (1,4216 – 0,8872) weniger, was bei einem Rentenwert von 28,14 EUR ca 15,00 EUR entspricht. Für die von der Klägerin gewünschte Berücksichtigung der Ausbildungszeit im Rahmen der Berechnung nach § 262 SGB VI gibt es jedoch keine Grundlage, denn der Wortlaut spricht eindeutig von vollwertigen Beiträgen, so dass beitragsgeminderte Zeiten ausgeschlossen sind, wie bereits oben dargestellt. Wie sich der Gesetzesbegründung entnehmen lässt, war die Beschränkung auf vollwertige Pflichtbeitragszeiten auch ausdrücklich gewollt (BT-Drucks 11/5530 S 55). Eine entsprechende Ausnahme für beitragsgeminderte Zeiten wegen beruflicher Ausbildung lässt sich den Gesetzesmaterialien auch bei den nachfolgenden Rechtsänderungen nicht entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 262 SGB VI planwidrig zu weit gefasst hätte, wie es für eine teleologische Reduktion des nach dem klaren Wortlaut eröffneten Anwendungsbereichs einer Norm unter Beachtung der Bindung von Verwaltung und Gerichten an Recht und Gesetz (Art 20 Abs 3 GG) erforderlich ist (BSG 17.04.2012, B 13 R 347/10 B, juris; BVerfG 26.09.2011, 2 BvR 2216/06, NJW 2012, 669), ergeben sich jedenfalls nicht.

Gleichwohl ist der Rentenbescheid vom 08.07.2013 rechtswidrig, denn die Beklagte war bei der Rentenberechnung an die im Vormerkungsbescheid vom 20.02.2009 getroffenen verbindlichen Feststellungen gebunden. Hat der Versicherungsträger das Versicherungskonto geklärt oder hat der Versicherte innerhalb von sechs Kalendermonaten nach Versendung des Versicherungsverlaufs seinem Inhalt nicht widersprochen, stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalendermonate zurückliegen, durch Bescheid fest (§ 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI). Die getroffenen Feststellungen werden für die betreffenden Daten nach § 77 SGG bindend. Die Zeit vom 01.04.1963 bis 25.12.1965 ist als (vollwertige) Pflichtbeitragszeit vorgemerkt. Im Rentenbescheid wird diese Zeit dagegen als "Pflichtbeitragszeit – berufliche Ausbildung" berücksichtigt. Es handelt sich dabei um eine von der bestandskräftig getroffenen Feststellung abweichende Berücksichtigung, ohne dass die entsprechende Feststellung aufgehoben oder zurückgenommen worden wäre. Dagegen liegt nicht nur eine Frage der Anrechnung und Bewertung dieser Zeit vor, über die nach § 149 Abs 5 Satz 3 SGB VI ohnehin erst bei Rentenbeginn entschieden wird. Denn die Feststellung einer vollwertigen Pflichtbeitragszeit ist tatbestandlich etwas anderes als die Feststellung einer Pflichtbeitragszeit wegen beruflicher Ausbildung und damit einer beitragsgeminderten Zeit.

Die Berufung hat daher aufgrund der Bindungswirkung des Vormerkungsbescheids im Ergebnis Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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