L 11 R 1492/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 4858/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1492/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.02.2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 19.591,76 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund einer Betriebsprüfung über die Sozialversicherungspflicht eines LKW-Fahrers.

Die Klägerin betreibt ein Erd- und Abbruchunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Der Beigeladene zu 1) übernahm in der Zeit vom 08.04.2006 bis zum 31.10.2008 als LKW-Fahrer Aufträge der Klägerin zum Transport von Materialien und Aushub von und zu Baustellen mit Lastwagen der Klägerin. Daneben half er gelegentlich bei Reparaturarbeiten an den Lastwagen der Klägerin. Neben der Tätigkeit als LKW-Fahrer betrieb der Beigeladene zu 1) eine Nebenerwerbslandwirtschaft und eine Lohndrescherei mit eigenen Geräten. Nach Angaben des Steuerberaters des Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 13. Januar 2009, das die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 08.07.2010 für die Beurteilung der Tätigkeiten für "nicht verwertbar" hielt, weil eine tatsächliche Tätigkeitsbeschreibung der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) fehle, erzielte dieser mit der Tätigkeit für die Klägerin im Jahre 2007 49,23% seines Gesamtumsatzes. Der restliche Umsatzanteil werde, so heißt es im Schreiben des Steuerberaters des Beigeladenen zu 1) weiter, gegenüber etwa 25 Auftraggebern erzielt; der Gewinn des neben dem Lohnunternehmen noch unterhaltenen landwirtschaftlichen Betriebs werde pauschal nach § 13a Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt. Nach Angaben der Beklagten im Bescheid vom 04.02.2010 folgten laut Auskunft des Steuerberaters des Beigeladenen zu 1) im Jahr 2006 36% und im Jahre 2008 44% der Gesamteinnahmen des Beigeladen zu 1) aus der Tätigkeit für die Klägerin.

Schriftliche Vereinbarungen zwischen dem Beigeladenen zu 1) und der Klägerin über die Tätigkeit als LKW-Fahrer sind nicht vorhanden. Der Beigeladene zu 1) wurde von der Klägerin je nach Auslastung der eigenen Fahrer gefragt, ob er Zeit habe, einen Auftrag zu übernehmen. Den Auftrag konnte der Beigeladene zu 1) ablehnen, insbesondere in Hinblick auf seine Tätigkeit als Landwirt und Betreiber einer Lohndrescherei; er hatte auch keinen Ersatzfahrer zu stellen. Übernahm er den Auftrag, so hatte er Arbeitsaufzeichnungen in Form von Stundenzetteln (Rapportzettel) zu führen, die von der Klägerin abgezeichnet wurden. Als Stundenlohn wurden im Voraus 20 EUR festgelegt. Auf den Rechnungen, von denen einige in Kopie der Verwaltungsakte (S. I-38 bis I-41) beiliegen, stellte der Beigeladene zu 1) der Klägerin für "Fahrtätigkeiten" die jeweiligen Stunden zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung; ausweislich der auf den Rechnungen angegebenen Zeiten und Stundenzahlen war der Beigeladene zu 1) jeweils an mehreren Tagen nacheinander fast immer den ganzen Arbeitstag tätig. Für 2006 wurden ausweislich der Bögen "Kanzlei-Rechnungswesen" (Verwaltungsakte I-42 ff.) des Steuerberaters der Klägerin 7 Rechnungen in Höhe von insgesamt 15.200 EUR ausgestellt, für 2007 12 Rechnungen in Höhe von insgesamt 33.200 EUR, für 2007 9 Rechnungen in Höhe von insgesamt 27.352,50 EUR.

Die Beklagte führte bei der Klägerin in der Zeit vom 03.11.2008 bis 23.07.2009 eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV durch. Nach Anhörung der Klägerin mittels Schreiben vom 23.07.2009 und Erwiderung durch die Klägerin mit Schreiben vom 18.08.2009 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 04.02.2010 fest, dass in Bezug auf den Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 08.04.2006 bis zum 31.10.2008 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin bestand, und forderte Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 19.591,76 EUR nach. Der Betrag setzt sich zusammen aus der Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Renten- und zur Arbeitslosenversicherung sowie den Umlagen U 1 und U 2. Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung erhob die Beklagte nicht, weil der Beigeladene zu 1) ihrer Ansicht nach hauptberuflich selbständig erwerbstätig gewesen sei. Der Beigeladene zu 1) ist bei der AOK als selbständiger Gewerbetreibender freiwillig versichert.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 04.02.2010 legte die Klägerin am 24.02.2010 Widerspruch ein. Im Folgenden kam es zu einem Streit über dessen aufschiebende Wirkung und über die Verzinsung der Beitragsforderung in Höhe von 130,61 EUR. Dies führt dazu, dass die Klägerin zusammen mit der Klage am 09.08.2010 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Inhalt gestellt hat, festzustellen, dass die Klage aufschiebende Wirkung habe, hilfsweise, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 04.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2010 angeordnet wird. Das LSG (L 5 R 5487/10 ER-B) stellte zweitinstanzlich (zuvor SG Stuttgart S 13 R 4857/10 ER) fest, dass keine aufschiebende Wirkung bestehe.

Die am 09.08.2010 eingereichte Klage hat die Klägerin damit begründet, dass die Bescheide der Beklagten vor dem Hintergrund des Urteils des Bundessozialgerichts vom 11.03.2009 (B 12 R 11/07 R) nicht haltbar seien und die Beklagte den Sachverhalt gerade angesichts der Ausführungen der Klägerin im Schreiben vom 18.08.2009, in dem ua vorgetragen worden sei, dass der Beigeladene zu 1) es ausdrücklich abgelehnt habe, als Arbeitnehmer der Klägerin tätig zu werden und dafür das Zeugnis von Frau J. Sch. angeboten wurde, noch weiter hätte ermitteln müssen. Dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid die Ausführungen des Steuerberaters des Beigeladenen zu 1) im Schreiben vom 13.01.2009 für "nicht verwertbar" erkläre, sei nicht haltbar. Entgegen der Auffassung der Beklagten liege kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor. Der Beigeladene zu 1) hätte kommen und gehen können, wann er wollte; seine landwirtschaftlichen Tätigkeiten, insbesondere die Drescharbeiten hätten für diesen Vorrang vor der Tätigkeit bei der Klägerin gehabt. Soweit er für die Klägerin tätig gewesen sei, ergebe sich aus der Natur der Sache, dass auftragsbezogene Vorgaben zu beachten waren. Es sei zu wiederholen, dass eben vorgegebene Baustellen anzufahren und Abraummaterial auf vorgegebene Deponien zu verbringen gewesen sei; im Übrigen sei nicht nach festen Arbeitszeiten gearbeitet worden, sondern nach "Arbeitsfortschritt".

Die Beklagte hat im Klageverfahren auf den Bescheid vom 04.02.2010 verwiesen und den Vorwurf unzureichender Ermittlung zurückgewiesen. Dafür, dass die Ausführungen des Steuerberaters des Beigeladenen zu 1) im Schreiben vom 13.01.2009 für die Beurteilung der streitbefangenen Tätigkeit im Widerspruchsbescheid als "nicht verwertbar" bezeichnet worden sind, hat sie sich entschuldigt; gemeint gewesen sei, dass die angesprochenen Ausführungen nicht weiterführend gewesen seien.

Das SG hat den Beigeladenen zu 1) mit Beschluss vom 08.03.2012 beigeladen; der Beigeladene zu 1) hat keine Anträge gestellt und sich am Gerichtsverfahren nicht durch Vortrag beteiligt. Nach vorheriger Anhörung zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 27.02.2014 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2010 rechtmäßig sei und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt werde. Diese habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Nachforderungsbescheides, weil die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als LKW-Fahrer zu Recht als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zur Renten- und Arbeitslosenversicherung eingeordnet worden sei. Dabei macht sich das SG die im angefochtenen Bescheid vom 04.02.2010 (S. 2-5) und im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 08.07.2010 getroffenen tatsächlichen Feststellungen vollumfänglich zu eigen; die maßgeblichen Kriterien seien alle berücksichtigt und zutreffend in Abwägung gebracht worden. Ergänzend sei auszuführen, dass der Sozialversicherungsstatus grundsätzlich für jedes Vertragsverhältnis und für jede Tätigkeit einzeln zu beurteilen sei; die eigene Firma des Beigeladenen zu 1) im Agrarbereich und die dortigen Verhältnisse der Tätigkeiten seien für die Beurteilung der Tätigkeit bei der Klägerin unerheblich. Die landwirtschaftliche Tätigkeit und diejenige als LKW-Fahrer für Dritte hätten keinen zwingenden inhaltlichen Konnex. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch Selbständige Nebentätigkeiten in abhängiger Beschäftigung nachgehen könnten. Ob dadurch die Selbständigkeit im ursprünglichen Bereich entfalle, sei vorliegend nicht zu prüfen gewesen. Auf die Vorstellungen der Beteiligten komme es für die Beurteilung der Tätigkeiten nicht an, da die tatsächlichen Verhältnisse entscheiden würden. Aus dem Kriterium der geltend gemachten Weisungsfreiheit und des Ausmaßes der Einbindung lasse sich auf der Basis der Rechtsprechung keine Selbständigkeit herleiten. Die Abgrenzung und Verfeinerung auch beim leitenden Angestellten führten zu keinem anderen Ergebnis; ein gegenüber anderen, unbestritten und anerkanntermaßen höheres technisches Verständnis ändere hieran nichts, denn Wissensunterschiede gebe es auch zwischen in der Hierarchie unterschiedlich positionierten, letztlich aber abhängig Beschäftigten. Der Hinweis, der Kläger habe kommen und gehen können, wann es ihm passe, und er sei auch nur in Zeiten außerhalb der Erntezeit besonders befasst worden, ändere nichts an dieser Einschätzung. Auch aus dem Kriterium des Betriebsvermögens für eine Tätigkeit als LKW-Fahrer ergebe sich nichts anderes; Investitionen in anderen Bereichen, etwa in der Agrarwirtschaft, hätten unberücksichtigt zu bleiben. Das Verhältnis der Einnahmen des Beigeladenen zu 1) zueinander habe Auswirkungen auf die Zweige der Sozialversicherung und die dortige Beitragspflicht im Einzelnen. Dies wäre auch in Bezug auf die Unterschiede bei der Kranken- und Pflegeversicherung beachtet worden; die Sozialversicherungspflicht sei nur für die Renten- und Arbeitslosenversicherung festgestellt worden.

Die Klägerin hat gegen den am 07.03.2014 zugestellten Gerichtsbescheid am 01.04.2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass der Gerichtsbescheid eine hinreichende Auseinandersetzung mit den rechtlichen Problemen vermissen lasse. Der Beigeladene zu 1) habe ausdrücklich den Abschluss eines Arbeitsverhältnisses abgelehnt und sich hinsichtlich des zeitlichen Umfangs seiner Tätigkeit bzw. der Lage seiner Arbeitszeit nicht binden lassen wollen. Im Einzelfall sollten Werkverträge geschlossen werden. Wenn ein Auftrag zu vergeben gewesen sei, sei sie (unter anderem) an den Beigeladenen zu 1) herangetreten. Hätte dieser den Auftrag abgelehnt, was gerade wegen der Erntezeit etc. der Fall gewesen sei, hätte sie sich damit abfinden müssen, weil eben kein Arbeitsverhältnis mit einem Weisungsrecht bestanden habe, sondern die Zusammenarbeit jeweils auf Basis von Werkverträgen abgewickelt worden sei, die jeweils durch Angebot und Annahme hätten zu Stande gebracht werden müssen. Im Rahmen dieser Vertragsbeziehungen habe es natürlich Vorgaben im Hinblick auf Erledigungsfristen gegeben; dies seien jedoch keine Weisungen im Sinne eines Direktionsrechts nach § 106 GewO, sondern Vorgaben, wie sie einem Werkvertrag Kraft Natur der Sache immanent seien. Wann und wie der Beigeladene zu 1) seine Aufträge erledigt habe, sei allein dessen Sache gewesen. Zwar seien natürlich die Baustellen vorgegeben, aber auch darin seien keine Weisungen im Sinne eines Direktionsrechts zu sehen.

Weiter führt die Klägerin aus, dass dem Gerichtsbescheid ein rechtsfehlerhafter Abwägungsvorgang zu Grunde liege, als die weiteren Tätigkeiten des Beigeladenen im Agrarbereich überhaupt nicht einbezogen worden seien. Zwar sei der sozialversicherungsrechtliche Status grundsätzlich für jedes Vertragsverhältnis/jede Tätigkeit gesondert zu beurteilen, der Gerichtsbescheid lasse jedoch eine hinreichende Auseinandersetzung mit den damit zusammenhängenden Problemen vermissen. Er beschränke sich darauf, die tatsächlichen Feststellungen der Beklagten, die auf einem Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz beruhten, zu übernehmen. Das SG erwähne mit keinem Wort, dass der Beigeladene zu 1) im fraglichen Zeitraum den überwiegenden Teil seiner Einkünfte mit anderweitigen Tätigkeiten als selbständiger Landwirt erzielt habe. Bereits aus der Verwaltungsakte der Beklagten ergebe sich, dass die Klägerin lediglich eine von insgesamt 26 Auftraggeberinnen sei. Das Vorhandensein mehrerer Auftraggeber stelle jedoch nach ständiger Rechtsprechung ein wichtiges Kriterium für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit dar, dem überhaupt keine Bedeutung beigemessen werde; vielmehr begnüge sich das SG mit der Feststellung, die landwirtschaftliche Tätigkeit und diejenige als LKW-Fahrer für Dritte hätten keinen zwingenden inhaltlichen Konnex. Unberücksichtigt bleibe zudem, dass der Beigeladene zu 1) als Landwirt auch im Frühjahr besonders gefordert sei und die Tätigkeiten bis weit in den Spätherbst hinein andauerten. Dem Gerichtsbescheid liege somit ein falscher Sachverhalt zu Grunde, soweit davon ausgegangen werde, dass die anderweitige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) lediglich saisonal erfolge. Unberücksichtigt bleibe ferner der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) Aufträge nur angenommen habe, wenn dies im Hinblick auf seine anderweitige Tätigkeit zeitlich möglich war; er habe es ausdrücklich abgelehnt, als Mitarbeiter der Klägerin tätig zu werden und habe auf eine Zusammenarbeit auf selbständiger Basis bestanden; dieser Wille könne nicht gänzlich außen vor bleiben. Es sei rechtsfehlerhaft, diesen Umstand als unerheblich zu bewerten, denn eine schematische Übertragung anerkannter Rechtsgrundsätze ohne Bezug auf den Einzelfall verbiete sich. Anders als bei ihren Arbeitnehmern habe die Klägerin den Beigeladenen zu 1) nicht fest einplanen können. Das SG messe dem Kriterium der Weisungsfreiheit keine Bedeutung bei; ein Vergleich mit der Tätigkeit eines leitenden Angestellten verbiete sich angesichts der konkret auszuführenden Tätigkeiten des Beigeladen zu 1). Fehlerhaft sei es weiterhin, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung mit der Begründung zu bejahen, dies ergebe sich aus dem Kriterium des Betriebsvermögens, denn anders als bei Investitionen im Bereich der Agrarwirtschaft seien bei einer schlichten Tätigkeit als LKW-Fahrer keine Investitionen von erheblichem Umfang erforderlich. Die vom Beigeladenen zu 1) getätigten erheblichen Investitionen im Agrarbereich seien gerade Ausdruck seines unternehmerischen Auftritts am Markt.

Soweit im Hinblick auf die obergerichtliche Rechtsprechung festgehalten werde, dass ein fehlender LKW regelmäßig gegen die Annahme einer selbständigen Beschäftigung spreche, sei die Regel nicht einschlägig, denn die Zeitdauer der Einsätze des Beigeladenen zu 1) entspreche den typischen Einsätzen eines unternehmerischen Dienstleisters und gerade nicht der Arbeits- und Beschäftigungszeit eines abhängig Beschäftigten. Es sei höchstrichterlich anerkannt, dass die Tätigkeit als Fahrer sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbständige Tätigkeit ausgeübt werden könne. Dass das SG keine Beweiserhebung eingeleitet habe, indem es Angaben als unerheblich unterstellt habe, sei rechtsfehlerhaft, und es könne auch nicht entsprechend § 244 Abs. 2 StPO verfahren werden. Die Annahme eines Stundenlohns von 20 EUR spreche nicht gegen das Vorliegen eines Werkvertrags. Die Abrechnung nach Zeitaufwand sei die geeignetste Abrechnungsmodalität gewesen. Wie bei anderen Werkverträgen habe der Beigeladene zu 1) Rapportzettel angefertigt, die er sich habe abzeichnen lassen und die dann Grundlage für die Abrechnung gewesen seien. Er habe zudem Entscheidungsfreiheit bei der Durchführung der Tätigkeit gehabt und sei nicht in die organisatorischen Betriebsabläufe der Klägerin eingebunden gewesen. Wenn Vorgaben erteilt wurden hinsichtlich der Erledigungsfristen für einzelne Bauvorhaben, hinsichtlich der sonstigen leistungsbestimmenden Modalitäten etc., spreche dies nicht gegen, sondern gerade für das Vorliegen eines Werkvertrags. Der Beigeladene zu 1) stelle nicht lediglich seine Arbeitskraft zur Verfügung, sondern der von ihm geschuldete Erfolg liege gerade in einer Beförderungsdienstleistung. Dass der Beigeladene zu 1) keine eigenen Beschäftigten habe, könne nicht nachteilig gewertet werden; es bestehe keine Verpflichtung, Mitarbeiter einzustellen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.02. 2014 (S 13 R 4858/10) und den Bescheid der Beklagten vom 04.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt nochmals aus, dass es nicht auf den Willen der Parteien ankomme, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, sondern dies habe aufgrund einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu erfolgen. Grundsätzlich sei jede Tätigkeit gesondert zu beurteilen, so dass auch ein (hauptberuflich) Selbständiger als abhängig Beschäftigter eine Nebentätigkeit ausüben könne. Es fehle beim Beigeladenen zu 1) das für Selbständigkeit erforderliche Unternehmerrisiko.

Durch Beschluss vom 16. Mai 2014 sind die AOK Baden-Württemberg (Beigeladene zu 2) und die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 3) beigeladen worden. Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist form- und fristgerecht nach § 151 SGG erhoben worden. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben, denn die Berufung betrifft eine Beitragsforderung in Höhe von 19.591,76 EUR.

Die Berufung ist allerdings unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten. Die Beklagte konnte nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV die Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung erlassen. Dies gilt auch in Bezug auf die Nachforderung von Umlagen zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit und Mutterschutz (U 1/U 2) nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz, weil Gegenstand der Betriebsprüfung ebenfalls die Umlagen U 1 und U 2 sind (so in Bezug auf die insoweit vergleichbare Rechtslage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz BSG, Urt. v. 30. 10. 2002, B 1 KR 19/01 R, SozR 3-2400, § 28p Nr. 1; siehe auch: Roßbach, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann (Hg.), Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl. 2013, § 28p SGB IV Rn. 4, 12).

Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2010 ist formell rechtmäßig. Nach § 28p Abs. 1 S. 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, und sie sind nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV auch für den Erlass der entsprechenden Verwaltungsakte einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber dem Arbeitgeber zuständig. Die Prüfung umfasst ua nach § 28p Abs 1 S 4 SGB IV auch die Prüfung der Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die keine Beiträge gezahlt wurden. Der Bescheid vom 04.02.2010 ist gem. § 35 SGB X ausführlich begründet und hinreichend bestimmt, auch im Hinblick auf die von der Klägerin angesprochene Entscheidung des BSG v. 11. 3. 2009 (B 12 R 11/07 R, SozR 4-2500 § 7a SGB IV Nr. 2), die in Bezug auf eine Statusfeststellung im Verfahren nach § 7a SGB IV erging. Die vor Erlass des Bescheides vom 04.02.2010 nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung hat die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 23.07.2009 vorgenommen. Das daraufhin erfolgte Schreiben vom 18.08.2009 ist im Bescheid vom 04.02.2010 berücksichtigt worden. Dass die Klägerin und die Beklagte die Sach- und Rechtslage unterschiedlich bewerten, berührt weder die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Anhörung noch die formelle Rechtmäßigkeit der Bescheide der Beklagten insgesamt.

Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2010 ist auch materiell rechtmäßig. Der Beigeladene zu 1) ist in Bezug auf die Tätigkeit als LKW-Fahrer für die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum als Beschäftigter im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV tätig gewesen und unterliegt damit, da die Beschäftigung auch gegen Entgelt (§ 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV) erfolgte, der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI und in der Arbeitslosenversicherung nach den §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 S. 1 SGB III. Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung ist nicht Streitgegenstand.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis; gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (dazu und zum Folgenden statt Vieler mwN BSG, Urt. v. 20. 3. 2013, B 12 R 13/10 R, SozR 4-2400, § 7 SGB IV Nr. 19) erfordert eine Beschäftigung, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt ist oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

Zwar kann die Tätigkeit als Kraftfahrer sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbständige Tätigkeit ausgeübt werden (vgl. mwN LSG Baden-Württemberg, B. v. 18. 07. 2013, L 11 R 1083/12 - juris), jedoch ist für die Abgrenzung und Qualifikation das sich aus dem jeweiligen Einzelfall ergebende Gesamtbild entscheidend. Im konkreten Fall überwiegen nach Zusammenschau aller Aspekte die Einzelaspekte, die für eine Beschäftigung sprechen, so dass nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung eine Beschäftigung gegeben ist.

Ausgangspunkt für die Beurteilung ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (dazu und zum Folgenden LSG Baden-Württemberg, B. v. 18. 07. 2013, L 11 R 1083/12 - juris). Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehungen geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von der Vereinbarung abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, U. v. 29. 8. 2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400, § 7 SGB IV Nr. 17).

Dass kein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) vorliegt, schließt eine Beschäftigung nicht aus, denn eine solche kann sowohl mündlich vereinbart werden als auch durch faktischen Vollzug entstehen. Für die vom Beigeladenen zu 1) übernommenen Fahrten war im Voraus ein fester Stundensatz von 20 EUR je Stunde vereinbart; die erbrachten Stunden wurden aufgrund von Rapportzetteln, die sich der Beigeladene zu 1) abzeichnen lassen musste, vom Beigeladenen zu 1) der Klägerin in Rechnung gestellt. Die Vereinbarung eines festen Stundensatzes anstelle einer Vergütung etwa nach konkret erbrachter Transportleistung oder nach Fahrtstrecke entspricht der typischen Entlohnung eines abhängig Beschäftigten. Im Ergebnis stellt sich die Vergütung als Lohnzahlung dar. Selbst wenn es sich bei der Abrechnung nach Stunden um die geeignetste Abrechnungsmodalität handeln sollte, entspricht die Stundenvergütung einem aus einer abhängigen Beschäftigung resultierenden Arbeitsentgelt.

Bei Ausübung seiner Tätigkeit für die Klägerin benutzte der Beigeladene zu 1) keinen eigenen Lastkraftwagen, sondern die Fahrten erfolgten mit Lastkraftwagen der Klägerin. Damit stellte die Klägerin das wesentliche Arbeitsmittel zur Verfügung und bestimmte über dessen Einsatz. Das Fehlen eines eigenen Lastkraftwagens und damit zugleich das Fehlen eigener Verfügungsgewalt über das wesentliche Arbeitsmittel sprechen gegen eine Selbständigkeit des Beigeladenen zu 1) und für eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. LKW-Fahrer ohne eigenen Lastkraftwagen sind regelmäßig abhängig beschäftigt (vgl. mwN LSG Baden-Württemberg, B. v. 18. 7. 2013, L 11 R 1083/12 - juris). Zwar ist dies nur eine Regel, jedoch wird diese durch die weiteren Umstände bestätigt, und es sind für eine Ausnahme von der Regel vorliegend keine Anhaltspunkte erkennbar.

Der Beigeladene zu 1) war, nachdem er einen Auftrag der Klägerin angenommen hatte, bei den Transporten in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden und unterlag im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BSG einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin. Durch die Übernahme eines Auftrags verpflichtete sich der Beigeladene zu 1) gegenüber der Klägerin, den Auftrag entsprechend aus- und durchzuführen. Er hatte dann die mit dem Auftrag verbundenen Vorgaben für die Fahrtätigkeiten, etwa in Bezug auf die anzufahrende Baustelle, die Abfuhr des Bauschutts oder den Erledigungszeitraum, gegenüber der Klägerin einzuhalten und unterlag insoweit der Kontrolle und den Weisungen der Klägerin; er war mit der Übernahme in der Gestaltung seiner Tätigkeit und in seiner Arbeitszeit nicht mehr frei. Selbst wenn sich die Vorgaben zur Erledigung aus der Natur der Sache eines Auftrags, LKW-Fahrten von und zu Baustellen zu erledigen, von selbst ergeben sollten, werden diese Vorgaben mit der Übernahme des Auftrags für den Beigeladenen zu 1) gerade gegenüber der Klägerin verpflichtend und besteht für diese dann ihm gegenüber ein Weisungsrecht. Mit Übernahme des Auftrags unterlag der Beigeladene zu 1) dem Weisungsrecht der Klägerin im Hinblick auf die Auftragserfüllung, die zudem nur mit deren Lastkraftwagen erfolgte, so dass der Klägerin gerade auch in Bezug auf das wesentliche Arbeitsmittel ein Weisungsrecht gegenüber dem Beigeladenen zu 1) zustand und sie auch damit die Möglichkeit hatte, die Durchführung des Auftrags entscheidend zu bestimmen.

Sofern im Rahmen des gegenüber der Klägerin übernommenen Auftrags noch Entscheidungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) bestand und etwa noch Absprachen hinsichtlich Ort, Zeit und Umstände der Transporte im Einzelnen an der Baustelle oder in Bezug auf die Baustelle erfolgen mussten, sind dies Tätigkeiten, die jeder LKW-Fahrer vornehmen kann und muss. Eine individuelle Arbeitsleistung, wie sie für selbständige Tätigkeiten typisch ist, wird damit noch nicht erbracht, denn es handelt sich vielmehr um typische Verrichtungen eines LKW-Fahrers. Dafür, dass sich die Fahrten des Beigeladenen zu 1) von der Tätigkeit anderer LKW-Fahrer wesentlich unterscheiden, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Es sind zudem keine besonderen eigenen Entscheidungsbefugnisse erkennbar, die über die eines typischen LKW-Fahrers hinausreichen.

Der Beigeladene zu 1) erbrachte zwar seine Tätigkeit nicht in den Räumlichkeiten der Klägerin - etwas anderes könnte allerdings für die Hilfe bei Reparaturarbeiten an den Lastwagen der Klägerin gelten -, jedoch ist die Nichterbringung in den Räumlichkeiten der Klägerin für Fahrtätigkeiten gerade typisch und berührt nicht die Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. Selbst wenn zudem die Tätigkeit als Fahrer nicht im Einzelnen von der Klägerin kontrolliert wurde und keine Weisungen im konkreten Einzelfall in Bezug auf die einzelne Fahrt als solche erteilt wurden, war der Beigeladene zu 1) in die betriebliche Organisation der Klägerin funktionsgerecht dienend eingegliedert. Sowohl die zu verrichtende Tätigkeit als auch die Einsätze waren von der Klägerin vorgegeben, denn der Beigeladene zu 1) wurde und konnte nur nach Anfrage der Klägerin als LKW-Fahrer für diese mit deren Lastkraftwagen im Rahmen des Auftrags tätig werden. Da der Beigeladene zu 1) keinen Einfluss darauf hatte, ob und für welche Aufträge er von der Klägerin angefragt wurde, war er, wenn er den Auftrag annahm in Bezug auf die Gestaltung und den Umfang seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer von der Klägerin abhängig.

Dass der Beigeladene zu 1) Aufträge der Klägerin, gerade im Hinblick auf seine Tätigkeit als Landwirt und als Betreiber einer Lohndrescherei, ablehnen konnte und er somit seine Entschließungsfreiheit bei jeder Anfrage aufs Neue betätigen konnte, ohne dass die Klägerin ihn anweisen konnte, den Auftrag zu übernehmen, schließt das Vorliegen einer Beschäftigung nicht aus. Zwar kann die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Beigeladene zu 1) über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmte. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (LSG Baden-Württemberg, B. v. 18. 7. 2013, L 11 R 1083/12 - juris). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Wird allerdings die Anfrage angenommen, so wird die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt und stellt die Tätigkeit nicht allein wegen der vorhandenen Ablehnungsmöglichkeiten eine selbständige Tätigkeit dar. Zwar konnte der Beigeladene zu 1) im Hinblick auf die Annahme eines Auftrags handeln, wie er wollte, und konnte die Klägerin einen Einsatz des Beigeladenen zu 1) nicht einplanen, sofern er allerdings den Auftrag angenommen hatte, musste er auftragsgemäß handeln und konnte dann gerade nicht kommen und gehen, wie er wollte; mit der Annahme eines Auftrags wurde er etwa auch zeitlich gebunden.

Auch wenn der Beigeladene zu 1) nicht jeden Tag im streitgegenständlichen Zeitraum, sondern lediglich an einzelnen Tagen bzw. für einen bestimmten Zeitraum auch an mehreren Tagen nacheinander zumeist ganztägig als LKW-Fahrer tätig war, spricht dies nicht gegen das Vorliegen einer Beschäftigung. Ein Tätigwerden an einzelnen Arbeitstagen oder mehreren hintereinander und nicht durchgehend und kontinuierlich über einen längeren Zeitraum ist in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen durchaus üblich, gerade in Teilzeit-, Aushilfs- oder Abrufbeschäftigungen. Es handelt sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis, für das in aller Regel eine Rahmenvereinbarung getroffen wird. So wurde vorliegend im Voraus pauschal der Stundensatz bestimmt sowie ein Tätigwerden auf Anfrage der Klägerin und ein Ablehnungsrecht des Beigeladenen zu 1) vereinbart; zudem erfolgte die Durchführung der Aufträge immer mit Lastkraftwagen der Klägerin. Die einzelnen Fahrten wurden damit zu identischen Bedingungen durchgeführt und abgerechnet. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) entspricht insoweit der einer Aushilfskraft oder eines Beschäftigten auf Abruf. Die Annahme eines Werkvertrages für einzelne Fahrten oder im Hinblick auf die Fahrtätigkeiten in einem bestimmten Zeitraum ist insofern fernliegend. Ausweislich der Rechnungen des Beigeladenen zu 1) sowie der Ausgestaltung und dem Inhalt der Tätigkeit, Aushub oder Material von und zu Bauarbeiten zu fahren, war die Tätigkeit als Fahrer und nicht dagegen als Arbeitsergebnis der Erfolg der Tätigkeit geschuldet. Die Bezahlung geschah nach der Zahl der gearbeiteten Stunden, nicht danach, ob ein bestimmter Erfolg mit der Fahrtätigkeit erreicht wurde oder nicht; die Vergütungspflicht hing nicht von einem Erfolg ab. Der Beigeladene zu 1) wurde etwa weder für die Art seines Fahrens noch für eine bestimmte Art und Weise des Transports bezahlt; er stellte allein seine Arbeitskraft als Fahrer zur Verfügung.

Der Beigeladene zu 1) trug bei seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer kein für Selbständigkeit typisches unternehmerisches Risiko. Entscheidend für das Vorliegen eines unternehmerischen Risikos ist insoweit, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des finanziellen Verlusts oder der Möglichkeit eines Gewinns eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes sächlicher oder persönlicher Mittel also ungewiss ist (vgl. LSG Sachsen, Urt. v. 04. 03. 2014, L 5 R 425/12 - juris, unter Hinweis auf BSG, Urt. v. 28. 05. 2008, B 12 KR 13/07 R). Für die Beurteilung bildet dabei allein die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als LKW-Fahrer die Grundlage, nicht dagegen, dass er daneben noch als Landwirt und Betreiber einer Lohndrescherei tätig ist. Dies gilt selbst dann, wenn - wie die Klägerin ausführt - diese Tätigkeiten zeitlich nicht nur saisonal und noch umfangreicher erfolgten, als es die Beklagte annahm. Bei den Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1) handelt es sich um eigenständig nebeneinander bestehende und voneinander unterscheidbare Tätigkeiten. Für die Prüfung der Sozialversicherungspflicht ist insoweit jede Tätigkeit getrennt zu prüfen und zu qualifizieren, so dass es durchaus sein kann, dass jemand in der einen Tätigkeit als Selbständiger, in der anderen dagegen als Beschäftigter agiert. Dass der Beigeladene zu 1) die Tätigkeiten in einen Zusammenhang stellt, indem er nur nachrangig als LKW-Fahrer tätig sein will und in der Tätigkeit als Landwirt und Betreiber einer Lohndrescherei unternehmerisch auftritt, führt nicht dazu, dass für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht die Tätigkeiten miteinander verbunden sind, da es sich tatsächlich und rechtlich um voneinander zu unterscheidende und getrennte Verhältnisse handelt. Die unternehmerischen Tätigkeiten als Landwirt und als Betreiber der Lohndrescherei strahlen nicht auf die rechtliche Bewertung, ob die Tätigkeit als LKW-Fahrer für die Klägerin als Beschäftigung anzusehen ist, aus, da sie von dieser getrennt erfolgen.

Da für die Tätigkeit als LKW-Fahrer ein pauschaler Stundensatz im Voraus vorgesehen ist, ist der Beigeladene zu 1) nicht der Gefahr eines finanziellen Verlusts ausgesetzt. Soweit das Unternehmerrisiko darin gesehen werden könnte, keine Aufträge zu erhalten, ist das Risiko, nicht durchgehend und kontinuierlich arbeiten zu können, ein Risiko, das jeden Arbeitnehmer treffen kann, der nur auf Abruf beschäftigt ist. Ein Unternehmensrisiko kann nur dann angenommen werden, wenn eine Gefahr vorliegt, die über diejenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Dies ist der Fall, wenn bei Auftragsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern auch zusätzliche Kosten für betriebliche Investitionen brach liegen (LSG Sachsen, Urt. v. 04. 03. 2014, L 5 R 425/12 - juris). Der Beigeladene zu 1) hatte jedoch keine erheblichen zusätzlichen Kosten für die Tätigkeit als LKW-Fahrer, allein schon deshalb, weil er keinen eigenen Lastkraftwagen finanzieren musste. Auch beschäftigte er in Bezug auf die Tätigkeit als LKW-Fahrer kein eigenes Personal und hatte keinen Ersatzfahrer zu stellen. Auch dies spricht für eine nichtselbständige Tätigkeit. Nach außen trat er, gerade indem er einen LKW der Klägerin benutzte, nicht wie ein Selbständiger auf.

Der Beigeladene zu 1) war in Bezug auf seine Tätigkeit als LKW-Fahrer weiterhin nur für die Klägerin tätig, was ebenso gegen eine selbständige Erwerbstätigkeit spricht. Die im Schreiben des Steuerberaters des Beigeladenen zu 1) genannten weiteren 25 Auftraggeber beziehen sich auf den Betrieb der Lohndrescherei, wenn es dort heißt, nachdem der Umsatzanteil des Beigeladenen zu 1) in Bezug auf die Klägerin mit 49,23% des Gesamtumsatzes benannt wurde, dass der restliche Umsatzanteil gegenüber 25 Auftraggebern erzielt wurde.

Soweit der Beigeladene zu 1) seine Rechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer gestellt hat, ist dies kein wesentliches Indiz dafür, dass er tatsächlich hinsichtlich der Fahrten mit den Lastkraftwagen der Klägerin selbständig tätig gewesen ist. Der Ausweis der Umsatzsteuer gibt letztlich nur Ausschluss darüber, wie der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit selbst bewertet (vgl. mwN LSG Sachsen, Urt. v. 04. 03. 2014, L 5 R 425/12 - juris).

Angesichts der Durchführung der Tätigkeit als LKW-Fahrer für die Klägerin kommt dem Willen des Beigeladenen zu 1), nicht als Beschäftigter tätig zu werden, keine maßgebende Relevanz für die Qualifizierung der Tätigkeit zu, unabhängig davon, dass die rechtliche Qualifikation, ob Sozialversicherungspflicht besteht, nicht der Vereinbarung zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1) obliegt. Maßgebend für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind nicht die subjektiven Vorstellungen und Wünsche der Beteiligten, sondern entscheidend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung, so wie es sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten ergibt und im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Das sich daraus ergebende Gesamtbild steht in Widerspruch zu dem Willen des Beigeladenen zu 1), selbständig tätig zu werden; dieser hat insoweit keinen entscheidenden Ausdruck in der Tätigkeit gefunden. Daher führt der Wunsch und das Verlangen des Beigeladenen zu 1), selbst wenn dieser auch gegenüber Frau J. Sch. deutlich zum Ausdruck gebracht hat, nicht als Arbeitnehmer für die Klägerin tätig sein zu wollen, nicht zu einer Qualifikation der Tätigkeit als selbständig. Die Umstände, wie die Tätigkeit zu erfolgen hat und erfolgt ist, von dem im Voraus vereinbarten Stundensatz bis hin zur Nutzung der Lastkraftwagen der Klägerin, sprechen gegen eine selbständige Tätigkeit.

In Anbetracht der für das Vorliegen einer Beschäftigung nach Gesetz und ständiger Rechtsprechung des BSG maßgebenden Kriterien und deren Würdigung und Gewichtung, nach der das Gesamtbild der Arbeitsleistung für eine Beschäftigung spricht, ist der Einwand der Klägerin, das SG lasse eine hinreichende Auseinandersetzung mit den rechtlichen Problemen vermissen und dem Gerichtsbescheid läge ein rechtsfehlerhafter Abwägungsprozess zugrunde, unzutreffend. Das SG hat die maßgeblichen Aspekte und die zur Gesamtbewertung führenden Umstände herausgestellt und auf der Grundlage der obergerichtlichen Rechtsprechung gewürdigt. Auch im Hinblick auf den Bescheid der Beklagten vom 04.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2010 sind rechtlich relevante unzureichende Ermittlungen und ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nicht erkennbar. Nicht nachvollziehbar ist zudem, dass die Bescheide der Beklagten vor dem Hintergrund der von der Klägerin genannten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11. 03. 2009 (B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400, § 7a SGB IV Nr. 2) nicht haltbar sein sollen. Dass die Beklagte die Erklärung des Steuerberaters des Beigeladenen zu 1) im Schreiben vom 13.01.2009 für "nicht verwertbar" erklärte, bezog sich zum einen darauf, dass nach Ansicht der Beklagten eine tatsächliche Tätigkeitsbeschreibung der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) fehlte, zum anderen ist zumindest der Umsatzanteil in Bezug auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin im Jahre 2007 bereits im Ausgangsbescheid mit 49% genannt worden. Die Bewertung der Ausführungen des Steuerberaters des Beigeladenen zu 1) ist zudem im Verwaltungsverfahren Sache der Beklagten. Dafür, dass sie dessen Ausführungen zumindest zur Kenntnis genommen hat, spricht schon die Erwähnung des Schreibens.

Die Beklagte hat ausgehend von einer abhängigen Beschäftigung zu Recht als Gesamtsozialversicherungsbeitrag die Beiträge zur gesetzlichen Renten- und zur Arbeitslosenversicherung sowie die Umlagen U 1 und U 2 geltend gemacht. Die Höhe der nachgeforderten Beiträge ist nicht zu beanstanden und ergibt sich nach den gezahlten Entgelten und den im jeweiligen Zweig der Sozialversicherung geltenden Beitragssatz. Einwendung gegen die dem Bescheid in Anlage beigefügten Rechenwerke werden von den Beteiligten auch nicht vorgebracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). In Bezug auf den Beigeladenen zu 1), der keine Anträge gestellt hat, sind außergerichtliche Kosten nach § 197a SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO nicht zu erstatten.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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