L 11 R 1517/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 777/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1517/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 05.02.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt ist und ob Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung vorliegt.

Der Kläger ist 1959 geboren. Seit Ende 2009 war er für mehrere Speditionsfirmen als Lkw-Fahrer tätig, seit 10.05.2010 für die Beigeladene zu 1). Über ein eigenes Fahrzeug verfügte er nicht. Einen schriftlichen (Rahmen-)Vertrag bzw eine schriftliche Dienstvereinbarung gab es nicht, sondern es wurden Einzelaufträge für bestimmte Fahrten erteilt. Der Kläger stellte im Anschluss an die gefahrene Tour jeweils Einzelrechnungen. Seit Sommer 2011 hat der Kläger die Fahrtätigkeit insgesamt aufgegeben. In einem weiteren Rechtsstreit begehrt er Rente wegen Erwerbsminderung von der DRV (Az beim Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 R 2932/14).

Am 28.02.2011 (Bl 81 Verwaltungsakte) beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Seit Ende 2006 sei er als Kraftfahrer tätig. Er legte eine Gewerbeanmeldung vom 08.12.2009 über "Dienst- und Fahrdienstleistungen" vor. Die ausgeübte Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) beschrieb er mit "Dienstleistungen je nach Auftragslage von Privathaushalten". Er beschäftige keine eigenen Arbeitnehmer/Auszubildende.

Im Zuge des Verwaltungsverfahrens teilte der Kläger weiter mit, dass er regelmäßig telefonisch Aufträge erhalte. Für die Speditionsfirmen werde er meistens als Ersatzfahrer für festangestellte Mitarbeiter tätig, wenn diese wegen Urlaub, Krankheit etc ausfallen würden. Er betreibe auch selbst Kundenakquise und rufe Neukunden an und frage, ob Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen anstünden. Er unterhalte in seiner eigenen Wohnung ein Büro, bestehend aus einem separatem Zimmer. Die Auftraggeber würden ihm ihre Lkws zur Verfügung stellen. Er sei grundsätzlich weisungsfrei. Der Auftraggeber lege lediglich fest, welche Fracht bis zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort sein müsse. Feste Tourenpläne gebe es nicht, nach Erledigung des jeweiligen Auftrags würden neue Aufträge telefonisch an ihn durch die jeweiligen Firmen weitergegeben.

Der Kläger legte außerdem Rechnungen vor, welche er an die Beigeladene zu 1) gestellt hatte (Blatt 84, 95 ff Verwaltungsakte).

Mit zwei Anhörungsschreiben vom 18.05.2011 (Bl 113/115 Verwaltungsakte) teilte die Beklagte dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) mit, dass beabsichtigt sei, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen.

Der Kläger teilte mit Schreiben vom 14.06.2011 mit, dass er nicht nur festangestellte Beschäftigte bei Krankheit oder Urlaub vertrete, sondern bei dem jeweiligen Auftraggebern auch "normale" Fuhr- und Transportaufträge übernehme und durchführe. Er setze insoweit auch eigenes Kapital ein, als er auf eigene Kosten ein Büro eingerichtet habe, Werbemaßnahmen durchführe und sich seine Arbeitskleidung selber besorge sowie sämtliche Versicherungen vorfinanziere. Außerdem habe es im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg gegeben, welche keine Feststellungen bzw Beanstandungen ergeben habe.

Mit zwei Bescheiden vom 15.06.2011 (Blatt 121/125 Verwaltungsakte) stellte die Beklagte fest, dass der Kläger die Tätigkeit als Kraftfahrer bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 10.05.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe (Beginn der Beschäftigung überprüfen).

Der hiergegen am 14.07.2011 erhobene Widerspruch des Klägers wurde insbesondere damit begründet, dass eine soziale Schutzbedürftigkeit nicht bestehe, da der Kläger nicht nur einen, sondern mehrere Aufraggeber habe. Von den Beteiligten sei die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gewollt und in der Praxis auch so gehandhabt worden. Der Kläger verfüge über eine eigene Betriebsstätte und beabsichtige außerdem, in Kürze eigene Fahrer einzustellen. Er sei im Begriff, sich eine eigene unabhängige Existenz aufzubauen. Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall erhalte er nicht; ebenso habe er keine vertraglichen Urlaubsansprüche.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit den Widerspruchsbescheiden vom 23.02.2012 als unbegründet zurück (Blatt 163/167 Verwaltungsakte).

Hiergegen hat der Kläger am 23.03.2012 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er hat die am 27.09.2011 durch die Bundesagentur für Arbeit erteilte Erlaubnis zu gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung sowie Rechnungen über gegen ihn von Endkunden geltend gemachte Schadensersatzforderungen im Rahmen seiner Tätigkeit vorgelegt. Er habe mehrere Auftraggeber, für die er als Fahrer tätig sei, ebenso auch Hausmeister- und Gartentätigkeiten ausführe. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger ergänzend vorgetragen, er habe zeitweise auch einen selbständigen Fahrer eingesetzt, dies sei aber nur von ca Anfang 2009 bis Oktober 2009 der Fall gewesen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 26.06.2012 hat das SG die Beigeladene zu 1) zum Verfahren beigeladen.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vor dem SG am 27.02.3013 (Bl 42 SG-Akte) hat der Kläger mitgeteilt, er habe die Fahrtätigkeit inzwischen aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. zur Einstellung eigener Mitarbeiter sei es nie gekommen. Es sei auch nicht vereinbart gewesen, dass er ggf Ersatzfahrer zu stellen habe.

Der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) hat insb ausgeführt, dass jemanden gesucht habe, um Bedarfsspitzen abzudecken.

Mit Schriftsatz vom 05.03.2013 hat der Kläger weiter vorgetragen, dass er durchgehend vom 01.11.2007 bis 28.02.2010 zwei eigene angestellte Mitarbeiter (zwei Minijobber in verschiedenen Zeiträumen) gehabt habe, die Büroarbeiten verrichtet hätten und in Einzelfällen auch bei der Durchführung bei Aufträgen ausgeholfen hätten. Auf Nachfrage des SG hat der Kläger mitgeteilt, dass die Minijobber zu keiner Zeit als Kraftfahrer für den Kläger tätig gewesen seien, in sehr seltenen Ausnahmefällen bei Aufträgen (Hausmeistertätigkeiten) ausgeholfen hätten, zB einmal beim Rasenmähen. Schriftliche Verträge gebe es nicht.

Mit zwei Bescheiden vom 18.10.2013 (Bl 60 SG-Akte) hat die Beklagte jeweils gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) den Bescheid vom 15.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.02.2012 dahingehend abgeändert, dass im Zeitraum vom 10.05.2010 bis zum 09.12.2010 und vom 23.03.2011 bis zum 25.03.2011 bezüglich der ausgeübten Beschäftigung als Kraftfahrer bei der Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Mit Urteil vom 05.02.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Aufgrund der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1) vom 10.05.2010 bis 09.12.2010 und vom 22.03. bis 25.03.2011 würde Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung vorliegen. Die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1) sei als abhängige und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anzusehen. Ein entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung sei, ob der Kraftfahrer ein eigenes Fahrzeug nutze oder im Rahmen seiner Tätigkeit das Fahrzeug vom Beigeladenen zu 1) gestellt bekomme und im Wesentlichen nur seine eigene Arbeitskraft anbiete. Der Kläger sei pro Einsatztag bezahlt worden, er habe lediglich seine eigene Arbeitskraft eingestellt und habe kein wesentliches Unternehmerrisiko getragen. Der Umstand, dass er für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei, führe nicht zum Ausschluss einer abhängigen Beschäftigung.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 03.03.2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 02.04.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat er nichts weiter vorgetragen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 05.02.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 15.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.02.2012, in der Fassung des Bescheids vom 18.10.2013 aufzuheben und festzustellen, dass er aufgrund der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) im Zeitraum vom 10.05.2010 bis zum 09.12.2010 und vom 23.03.2011 bis zum 25.03.2011 nicht versicherungspflichtig als Arbeitnehmer in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und die Ausführungen des SG Bezug.

Mit Beschluss vom 18.08.2014 hat der Senat die DAK Gesundheit (Krankenkasse) sowie die DAK Gesundheit Pflegekasse zum Verfahren beigeladen.

Mit Schreiben des Berichterstatters vom 13.10.2014 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und einer mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.11.2014 gegeben worden. Die Beteiligten haben sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 15.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2012, in der Fassung des Bescheids vom 18.10.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat seine Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) im Zeitraum vom 10.05.2010 bis zum 09.12.2010 und vom 23.03.2011 bis zum 25.03.2011 im Rahmen einer abhängigen versicherungspflichtigen Tätigkeit ausgeübt und es bestand Versicherungspflicht als Arbeitnehmer in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat im Bescheid vom 18.10.2013, der gem § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden ist, auch die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17, SozR 4-2400 § 7a Nr 2; 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris) und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung "dem Grunde nach" sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen.

Auch inhaltlich (materiell-rechtlich) sind die Bescheide rechtmäßig, denn die Beklagte hat zu Recht Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.

Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antrag-stellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungs-zweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl I, 2000, 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs. 14/1855, S. 6).

Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger am 28.02.2011 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeit-raum in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, BSG 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7), SozR 4-2400 § 7 Nr 7).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4; BSG 08.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39,74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 und B 12 KR 14/10 R, juris).

Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum vom 10.05.2010 bis zum 09.12.2010 und vom 23.03.2011 bis zum 25.03.2011 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) ausgeübt hat und daher Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.

Die Tätigkeit als Kraftfahrer kann zwar sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden (vgl Senatsurteile vom 06.11.2007, L 11 KR 2407/04; 17.01.2012, L 11 KR 1138/10; 18.07.2013, L 11 R 1083/12 = Die Beiträge Beilage 2014, 56 mwN, LSG Baden-Württemberg 23.01.2004, L 4 KR 3083/02; vgl auch BSG 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 5). Für die Statusabgrenzung ist sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht entscheidend, ob der Betreffende auch für andere Auftraggeber tätig ist bzw war (BAG 09.10.2002, 5 AZR 405/01, juris RdNr 23). Erforderlich ist selbst im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses stets eine Bewertung der einzelnen Arbeitseinsätze (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris RdNr 26). Abzustellen ist daher nur auf die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1) im hier streitigen Zeitraum vom 10.05.2010 bis zum 09.12.2010 und vom 23.03.2011 bis zum 25.03.2011.

Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Kraftfahrertätigkeiten kommt es entscheidend darauf an, ob der Fahrer ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetzt. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Benutzung eines eigenen Fahrzeugs und die damit einhergehende Lastentragung in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen (BSG 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 5 mwN; 19.08.2003, B 2 U 38/02 R, SozR 4-2700 § 2 Nr 1). Wird dagegen - wie hier - kein eigenes Fahrzeug benutzt, spricht dies für eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers. Berufskraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug sind deshalb regelmäßig abhängig beschäftigt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12, Die Beiträge 2014, 56 mwN). Der Kläger setzt letztlich nur seine Arbeitskraft - und keine Arbeitsmittel - mit der ungewissen Aussicht darauf, Einnahmen zu erzielen, ein. Die Belastung mit Risiken gerade im Zusammenhang mit der - hier im Vordergrund stehenden - Verwertung der Arbeitskraft spricht jedoch nur dann für Selbstständigkeit, wenn ihr auch eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber steht (vgl BSG 13.07.1978, 12 RK 14/78, SozR 2200 § 1227 Nr 17; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13 mwN). Dies war hier aber nicht der Fall. Zudem hat der Kläger als Gegenleistung für seine Tätigkeit eine feste Pauschale entsprechend seinem Zeitaufwand erhalten (200 EUR/Tag bzw 20 EUR/Stunde ausweislich der vorliegenden Abrechnungen).

Es besteht in den wesentlichen Punkten kein wesentlicher Unterschied zu den festangestellten Kraftfahrern, wie sich dies letztlich auch in dem Umstand plastisch zeigt, dass der Kläger häufig die festangestellten Fahrer bei deren Abwesenheit (Urlaub, Krankheit) vertreten hat bzw von der Beigeladenen zu 1) auch zur Deckung von Bedarfsspitzen eingesetzt wurde.

Soweit der Kläger für seine Fahrten jeweils Rechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer gestellt und sich auch steuerrechtlich dementsprechend als Gewerbebetrieb aufgeführt hat, kann dies nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass er selbstständig tätig gewesen ist. Dies gibt nur Aufschluss darüber, wie der Kläger seine Tätigkeit selbst bewertet hat. Darauf kommt es aber nicht an. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (Beschluss des Senats vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B, juris). Entsprechendes gilt für die Anmeldung der beiden Mini-Jobber, die im Übrigen zu keiner Zeit Fahrtätigkeiten verrichtet haben. Hierin ist außerdem kein gewichtiges Kriterium für eine unternehmerische Tätigkeit zu sehen, da kein wesentliches Entgeltrisiko vorlag und jeweils zu einem Zeitpunkt nur ein Mini-Jobber beschäftigt worden ist, also auch eine Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse nach § 8 SGB VI nicht in Betracht kommt ... Ebenfalls kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers ist die Tatsache, dass er im streitigen Zeitraum auch für andere Auftraggeber tätig war. Denn auch ein abhängig Beschäftigter kann für mehrere Auftraggeber (abhängig) beschäftigt sein (Senatsurteile 18.07.0213, L 11 R 1083/12; 17.01.2012, L 11 R 1138/10, jeweils juris).

Der Kläger konnte zwar einen ihm angebotenen Auftrag annehmen oder ablehnen. Dieser Gesichtspunkt spielt hier jedoch nach dem Vorstehenden keine ausschlaggebende Rolle. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann grundsätzlich zwar als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden kann, weil der Betroffene damit den Umfang seiner Tätigkeit in gewisser Weise selbst bestimmt. Doch sind auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überlassen, ob er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er ein konkretes Angebot im Einzelfall ablehnt. Denn auch in solchen Fällen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen beispielsweise wegen Erkrankung ständiger Mitarbeiter lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt sein, ein konkretes Arbeitsangebot abzulehnen (vgl LSG Baden-Württemberg 24.02.2006, L 4 KR 763/04; LSG Baden-Württemberg 21.11.2008, L 4 KR 4098/06, juris). Nimmt der Betroffene das angetragene Angebot jedoch an, übt er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und wird nicht allein wegen der grundsätzlich bestehenden Ablehnungsmöglichkeit zum selbstständig Tätigen (Senatsurteil vom 17.01.2012, L 11 R 1138/10, juris). Da der Kläger zudem keinen Einfluss darauf hatte, ob und welche Aufträge ihm angeboten wurden, war er insoweit in Bezug auf die Gestaltung und den Umfang seiner Tätigkeit von der Beigeladenen zu 1) abhängig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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