L 4 KR 1792/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3930/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1792/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klage wegen der Bescheide vom 17. Dezember 2012, 4. Juli 2013 und 31. Juli 2014 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (KV) und sozialen Pflegeversicherung (PV) aus einer einmal gezahlten Kapitalleistung.

Der 1945 geborene nicht kinderlose Kläger, der am 1. April 1963 seine erste Erwerbstätigkeit aufnahm und am 16. Februar 2010 Altersrente beantragte, war vom 1. Juli 1977 bis 31. März 1991 privat krankenversichert und vom 1. April 1991 bis 16. Februar 2010 gesetzlich krankenversichert. In der Zeit vom 1. Mai 2010 bis 31. August 2010 bezog er Arbeitslosengeld und war bei den Beklagten pflichtversichert. Seit dem 1. September 2010 bezieht er eine Regelaltersrente in Höhe von anfangs brutto EUR 2.068,37, ab 1. Juli 2011 von EUR 2.088,85, ab 1. Juli 2012 von EUR 2.134,40, ab 1. Juli 2013 von EUR 2.139,87 sowie ab 1. Juli 2014 von EUR 2.175,59 und ist seither mangels Erfüllung der Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei der Beklagten zu 1) freiwillig versichert und bei der Beklagten zu 2) pflichtversichert.

Sein früherer Arbeitgeber schloss für ihn im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung eine Lebensversicherung bei der A. Lebensversicherungs-AG (A.) ab, aus der er am 1. April 2010 eine Kapitalauszahlung in Höhe von EUR 83.326,19 erhielt. Die Beiträge zu dieser Lebensversicherung entrichteten vom 1. April 1982 bis 31. März 1991 sowie vom 1. April 1992 bis 31. Oktober 2008 der jeweilige frühere Arbeitgeber des Klägers (Anteil aus der Auszahlung: EUR 75.717,09) und in der Zeit vom 1. April 1991 bis 31. März 1992 sowie vom 1. November 2008 bis 31. März 2010 (Anteil aus der Auszahlung: EUR 7.609,40) der Kläger selbst (Schreiben der A. vom 1. April und 6. Dezember 2010).

Mit Bescheid vom 14. Juli 2010 setzte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) die aus der Kapitalleistung in Höhe von EUR 83.326,19 vom Kläger ab dem 1. Mai 2010 zu zahlenden Beiträge auf insgesamt EUR 117,00 fest (KV: EUR 103,46, PV: EUR 13,54). Dabei legte sie ein monatliches Einkommen von EUR 694,38 (EUR 83.326,19: 120), einen Beitragssatz zur KV von 14,9 vom Hundert (v.H.) sowie zur PV von 1,95 v.H. zu Grunde.

Der Kläger erhob Widerspruch mit der Begründung, die Zahlung aus der Direktversicherung enthalte auch die von ihm privat geleisteten Beiträge, die er aus bereits verbeitragten Einkommen gezahlt habe. Dies sei verfassungswidrig.

Mit Bescheid vom 6. August 2010 setzte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) die monatlichen Beiträge ab 1. September 2010 auf insgesamt EUR 465,52 (KV: EUR 411,65, PV: EUR 53,87) fest. Sie legte dabei ein monatliches Einkommen von EUR 2.762,75 (EUR 694,38 aus der Kapitalauszahlung zuzüglich Brutto-Rente in Höhe von EUR 2.068,37) und einen Beitragssatz zur KV von 14,9 v.H. sowie zur PV von 1,95 v.H. zu Grunde. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Die Auszahlung der A. sei als Versorgungbezug in der KV und PV beitragspflichtig. Unerheblich sei, wer diese Leistung der betrieblichen Altersversorgung finanziert habe. Es handle sich auch dann um Versorgungsbezüge, wenn diese allein auf Beiträgen des Versicherten beruhten. Es finde auch keine Aufteilung danach statt, ob die Zugehörigkeit zu der Versorgungseinrichtung oder die Aufrechterhaltung des Versicherungsvertrages mit der Zeit der aktiven Berufstätigkeit bei dem Arbeitgeber, bei dem die Zugehörigkeit zu der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung begründet wurde, übereinstimme. Der Versorgungsanspruch bzw. die Kapitalleistung sei unteilbar. Dies gelte auch dann, wenn eine Direktversicherung nach dem Ende der Beschäftigung vom Versicherten mit privaten Beiträgen fortgesetzt werde. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) auch nicht verfassungswidrig (Verweis auf Urteil vom 12. November 2008 - B 12 KR 6/08 R - in juris).

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2010 erhöhte die Beklagte zu 1) den monatlichen Beitrag zur KV ab 1. Januar 2011 wegen der Erhöhung des gesetzlichen allgemeinen Beitragssatzes zur KV von 14,9 v.H. auf 15,5 v.H. auf EUR 428,23, während der monatliche Beitrag zur PV unverändert bei EUR 53,87 blieb.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2011 setzte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) die vom Kläger ab dem 1. Juli 2011 zu zahlenden monatlichen Beiträge auf insgesamt EUR 495,82 (KV: EUR 440,38, PV: EUR 55,44) fest. Als monatliche Einkünfte berücksichtigte sie dabei die Bruttorente von EUR 2.088,85, den Versorgungsbezug in Höhe von EUR 694,38 (jeweils mit einem Beitragssatz von 15,5 v.H. zur KV und 1,95 v.H. zur PV) sowie Kapitalerträge in Höhe von EUR 60,25 (mit einem Beitragssatz zur KV von 14,9 v.H. und einem Beitragssatz zur PV von 1,95 v.H.).

Mit Bescheid vom 20. Juni 2012 setzte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) die vom Kläger ab dem 1. Juli 2012 zu zahlenden monatlichen Beiträge auf insgesamt EUR 503,78 (KV: EUR 447,45, PV: EUR 56,33) fest. Als monatliches Einkommen berücksichtigte sie die Bruttorente von EUR 2.134,40, den Versorgungsbezug in Höhe von EUR 694,38 (jeweils mit einem Beitragssatz zur KV von 15,5 v.H. und von 1,95 v.H. zur PV) sowie Kapitalerträge von EUR 60,25 (mit einem ermäßigten Beitragssatz von 14,9 v.H. zur KV und einem Beitragssatz zur PV von 1,95 v.H.).

Mit Bescheid vom 22. Oktober 2012 berechnete die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) die zu zahlenden monatlichen Beiträge für die Zeit vom 1. Mai bis 31. August 2010 neu. Dabei ging sie für diesen Zeitraum der Pflichtmitgliedschaft davon aus, dass lediglich der vom Arbeitgeber finanzierte Anteil der Direktversicherung in Höhe von EUR 75.717,09 und damit monatlich EUR 630,98 (EUR 75.717,09: 120) zu verbeitragen sei. Hieraus ergab sich für die Zeit vom 1. Mai bis 31. August 2010 ein monatlicher Beitrag von insgesamt EUR 106,31 (KV: EUR 94,01, PV: EUR 12,30), so dass sich eine monatliche Beitragsdifferenz gegenüber der bisherigen Festsetzung von EUR 10,68 und für den viermonatigen Zeitraum eine solche von EUR 42,72 zugunsten des Klägers ergab. Mit weiterem Bescheid vom 22. Oktober 2012 setzte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) die vom Kläger zu zahlenden Beiträge ab 1. September 2010 auf insgesamt EUR 465,15 (KV: EUR 411,27, PV: EUR 53,88), ab 1. Januar 2011 auf insgesamt EUR 481,73 (KV: EUR 427,85, PV: EUR 53,88), ab 1. Juli 2011 auf insgesamt EUR 495,45 (KV: EUR 440,00, PV: EUR 55,45) und ab 1. Juli 2012 auf insgesamt EUR 503,41 (KV: EUR 447,07, PV: EUR 56,34) fest. Dabei legte sie dem privat finanzierten Anteil der Direktversicherung von EUR 7.609,40 bzw. monatlich EUR 63,41 (EUR 7.609,40: 120) bei der KV nicht wie zuvor den allgemeinen, sondern den ermäßigten Beitragssatz (14,3 v.H. für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2010 und 14,9 v.H. ab 1. Januar 2011) zu Grunde. Im Übrigen blieben ihre Berechnungsgrundlagen unverändert. Für die Zeit vom 1. September 2010 bis 30. September 2012 ergab sich ein Guthaben in Höhe von von EUR 9,25 zugunsten des Klägers. Der Bescheid ersetze "den bisherigen" ab 1. September 2010.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 erhöhte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) den monatlichen Beitrag zur PV ab 1. Januar 2013 wegen der Erhöhung des gesetzlichen Beitragssatzes zur PV von 1,95 v.H. auf 2,05 v.H. auf monatlich EUR 59,23, während der Beitrag zur KV unverändert blieb.

Mit Bescheid vom 4. Juli 2013, der den zuvor ergangenen Bescheid vom 19. Juni 2013 ersetzte, setzte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) die monatlichen Beiträge ab 1. Juli 2013 auf EUR 511,48 (KV: EUR 451,63, PV: EUR 59,85) fest. Sie berücksichtigte dabei als monatliches Einkommen die Brutto-Rente von EUR 2.139,87 und einen Anteil aus dem Versorgungsbezug von EUR 630,98 (jeweils mit einem Beitragssatz zur KV von 15,5 v.H. sowie zur PV von 2,05 v.H.) und Kapitalerträge von EUR 85,27 sowie einen Anteil am Versorgungsbezug von EUR 63,41 (jeweils mit dem ermäßigten Beitragssatz zur KV von 14,9 v.H. sowie einem Beitragssatz zur PV von 2,05 v.H.).

Mit Bescheid vom 31. Juli 2014 setzte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) die vom Kläger ab 1. Juli 2014 zu zahlenden Beiträge auf insgesamt EUR 514,95 (KV: EUR 454,70, PV: EUR 60,25) fest. Sie berücksichtigte dabei als monatliches Einkommen die Brutto-Rente von EUR 2.175,59 und einen Anteil aus dem Versorgungsbezug von EUR 630,98 (jeweils mit einem Beitragssatz zur KV von 15,5 v.H. sowie zur PV von 2,05 v.H.) und Kapitalerträge von EUR 68,64 sowie einen Anteil am Versorgungsbezug von EUR 63,41 (jeweils mit dem ermäßigten Beitragssatz zur KV von 14,9 v.H. sowie einem Beitragssatz zur PV von 2,05 v.H.).

Am 29. Oktober 2010 hatte der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Es bestehe im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass der Versorgungsbezug in der Zeit vom 1. April 1991 bis 31. März 1992 und vom 1. November 2008 bis 31. März 2010 aus bereits sozialversicherungspflichtigen Einkünften privat finanziert worden sei, wie A. bestätigt habe. Daher sei die Kapitalabfindung aufzuspalten. Er sei bereit, Beiträge nur für den Anteil zu bezahlen, der vom Arbeitgeber als Direktversicherer finanziert worden sei. Die Berechnung von Versicherungsbeiträgen auf die volle Kapitalleistung sei verfassungswidrig (Verweis auf Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 25. September 2010 - 1 BVR 1660/08 - in juris). Für den Zeitraum der freiwilligen Versicherung (ab 1. September 2010) dürfe der privat finanzierte Anteil auch nicht mit dem ermäßigten Beitragssatz verbeitragt werden. Die Ungleichbehandlung von freiwillig Versicherten gegenüber Pflichtversicherten widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz. Er berufe sich darüber hinaus auf Vertrauensschutz, da er bei Abschluss der Lebensversicherung als Altersvorsorge die Beitragsbelastung nicht habe erkennen können. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er sein Geld anderweitig angelegt und die Lebensversicherung weder abgeschlossen noch privat weiter finanziert. Außerdem wende er sich gegen die Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes zur KV auch für Rentner, da er als Rentner keine Möglichkeit habe, durch eine Erhöhung des Erwerbseinkommens den im Jahr 2011 gesetzlich angehobenen KV-Beitrag zu erwirtschaften. Er werde auch deshalb gegenüber Pflichtversicherten ungleich behandelt, da auch seine Zinserträge verbeitragt würden.

Die (vom SG als alleinige Beklagte geführte) Beklagte zu 1) trat der Klage entgegen, soweit sie dieser nicht mit den Bescheiden vom 22. Oktober 2012 abhalf. Lediglich für die Zeit der Pflichtversicherung sei der vom Kläger privat finanzierte Anteil von EUR 7.609,04 nicht zur Beitragsbemessung heranzuziehen. Für freiwillig Versicherte gelte § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit den vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlassenen Einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedsgruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Nach § 3 Abs. 4 Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler gelte § 226 Abs. 2 SGB V nicht. Nach § 7 Abs. 6 Nr. 5 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler gelte der privat finanzierte Anteil als sonstige Einnahme, die mit dem ermäßigten Beitragssatz zu berücksichtigen sei.

Mit Urteil vom 21. März 2013 wies das SG die Klage ab. Für die Zeit vom 1. Mai bis 31. August 2010 sei Rechtsgrundlage für die Beitragsbemessung § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 3 SGB V. Die Heranziehung des vom Arbeitgeber finanzierten Anteils des Versorgungsbezugs in Höhe von EUR 75.717,09 sei verfassungsmäßig nicht zu beanstanden (Verweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 - a.a.O.). Für die Zeit ab 1. September 2010 sei Rechtsgrundlage § 240 SGB V i.V.m. den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler, welche wirksam seien (Verweis auf Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Januar 2012 - L 16 KR 9/11 - in juris). Danach sei bei der Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwillig versicherten Mitglieds zu berücksichtigen und damit auch der privat finanzierte Anteil des Versorgungsbezugs, wobei die Beklagte zu 1) nach § 7 Abs. 6 Satz 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler zutreffend den ermäßigten Beitragssatz nach § 243 SGB V herangezogen habe. Diese Beitragspflicht sei nicht verfassungswidrig. Freiwillig Versicherte hätten die unterschiedliche beitragsrechtliche Berücksichtigung von Kapitaleinkünften hinzunehmen (Verweis auf BSG, Urteile vom 17. März 2010 - B 12 KR 4/09 R - und vom 24.11.1992 - 12 RK 8/92 - sowie auf BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 1993 - 1 BVR 1920/92 - alle in juris). Die Versorgungsbezüge überschritten auch den Mindestbetrag von ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 8. April 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. April 2013 Berufung eingelegt. Mit der Berufung wendet er sich nur noch gegen die Erhebung von Beiträgen aus dem privat finanzierten Anteil von EUR 7.609,40. Zur Begründung trägt er vor, die Klage sei im Hinblick auf die Bescheide vom 22. Oktober 2012 jedenfalls teilweise begründet gewesen. Außerdem sei die derzeitige Bescheidsituation weiterhin rechtswidrig. Soweit er die Kapitalleistung aus Beiträgen im Zeitraum einer freiwilligen Versicherung erwirtschaftet habe, sei er demjenigen gleichzustellen, der sich privat krankenversichert habe, da er gerade über der Beitragsbemessungsgrenze gelegen habe. Eine Unterwerfung von freiwillig Versicherten unter die weitere Beitragspflicht sei entgegen der Ansicht des BSG wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot nicht rechtmäßig. Das Urteil des SG könne auch nicht überzeugen, soweit es seine gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit herangezogen habe. Der vorliegende Sachverhalt, wonach sich ein Versicherter nach kurzer Privatversicherungszeit bewusst für die freiwillige Zugehörigkeit zur KV entschieden habe, sei obergerichtlich noch nicht entschieden. Die Rechtsprechung des BVerfG, wonach die Ungleichbehandlung von freiwillig Versicherten nicht verfassungswidrig sei, verstoße gegen die allgemeinen Gleichheitsrechte und das Gemeinschaftsrecht. Nach Art. 9 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf hätten die Mitgliedstaaten die Gewährung des Rechtsschutzes aller Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichheitsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, zu gewähren. Er rüge eine Verletzung dieser Richtlinie sowie der Richtlinien 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Es liege eine Diskriminierung wegen Alters vor, da die streitgegenständliche Beitragspflicht erst im Moment des Altersrenteneintritts für den freiwillig Versicherten entstehe. Außerdem betreffe die Diskriminierung auch seine Weltanschauung, da er sich für den Beitritt zum KV-System entschieden habe, nachdem er zuvor einige Jahre privat krankenversichert gewesen sei. Seine Weltanschauung, wieder zum KV-System zurückkehren zu wollen, werde durch hohe freiwillige Versicherungsbeiträge und mit unangemessenen weiteren Beitragspflichten hinsichtlich einmaliger Kapitalleistungen bestraft. Eine Ungleichbehandlung liege aber vor allem deshalb vor, weil die Beitragspflicht wirtschaftlich gesehen nur die Grenzfälle im mittleren Einkommenssegment betreffe, da die freiwillige KV eine Deckelung des Beitrages in Form der Beitragsbemessungsgrenze vorsehe. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Pflichtversicherten sei daher nicht zu rechtfertigen. Die Verbeitragung der einmaligen Kapitalleistungen sei daher sowohl verfassungs- als auch gemeinschaftsrechtswidrig, was das BVerfG nicht gewürdigt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. März 2013 abzuändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2012 betreffend die Zeit ab 1. September 2010 und die Bescheide vom 17. Dezember 2012, 4. Juli 2013 und 31. Juli 2014 insoweit aufzuheben, als die Beklagten Beiträge zur KV von mehr als EUR 402,20 für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2010, von mehr als EUR 418,40 für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2011, von mehr als EUR 430,55 für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2012, von mehr als EUR 437,62 für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013, von mehr als EUR 442,18 für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014 und von mehr als EUR 445,25 ab 1. Juli 2014 sowie Beiträge zur PV von mehr als EUR 52,64 für die Zeit vom 1. September 2010 bis 30. Juni 2011, von mehr als EUR 54,21 für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2012, von mehr als EUR 55,10 für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2012, von mehr als EUR 57,93 für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2013, von mehr als EUR 58,55 für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014 und von mehr als EUR 58,95 ab 1. Juli 2014 festgesetzt haben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen der Bescheide vom 17. Dezember 2012, 4. Juli 2013 und 31. Juli 2014 abzuweisen.

Sie erwidern, maßgebend für die Beitragspflicht sei das Versicherungsverhältnis, das an dem Tag der Auszahlung der Kapitalauszahlung bestehe. Welche Kranken- bzw. Pflegeversicherung während der Ansparphase bestanden habe, sei nach der bestehenden Rechtslage nicht ausschlaggebend für die Beitragsunterwerfung der Kapitalleistung. Bei freiwillig Versicherten stelle der privat finanzierte Anteil der Kapitalleistung eine sonstige Einnahme dar, die der Beitragsberechnung in der KV (mit dem ermäßigten Beitragssatz) und der PV unterworfen werden müsse. Sie hätten sich an die Gesetzeslage, nach der Pflichtversicherte und freiwillig Versicherte unterschiedlich behandelt würden, zu halten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Akte des Beschwerdeverfahrens wegen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Klägers (L 11 KR 4976/10 ER-B) und die von den Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Obwohl der Kläger bei Erhebung der Klage ausdrücklich nur die zu 1) beklagte Krankenkasse als Beklagte nannte, richtete sich die Klage des Klägers von vornherein nicht nur gegen die zu 1) beklagte Krankenkasse, sondern auch gegen die zu 2) beklagte Pflegekasse, weshalb eine Berichtigung des Rubrums auf Beklagtenseite - auch noch im Berufungsverfahren - möglich und keine Klageänderung im Sinne des § 99 Sozialgerichtgesetz (SGG) ist. Denn die Klage betraf von Anfang an nicht nur die Höhe der Beiträge zur KV, sondern auch zur PV. Der Kläger wandte sich von Anfang an, auch bereits im Widerspruchsverfahren, sowohl gegen die KV- als auch gegen die PV-Beiträge.

2. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft, denn sie betrifft Beiträge zur KV und PV für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), nämlich laufende Beiträge.

3. Zu entscheiden ist im Berufungsverfahren nur noch darüber, ob die Beklagten den (privat finanzierten) Anteil der dem Kläger ausgezahlten Lebensversicherung von EUR 7.609,40 als Einnahme bei der Bemessung der Beiträge berücksichtigen durfte. Dies erfolgte für die Zeit ab dem 1. September 2010. Geregelt wird dies im Bescheid vom 22. Oktober 2012 betreffend die Zeit ab 1. September 2010 sowie in den nachfolgenden Bescheiden vom 17. Dezember 2012, 4. Juli 2013 und 31. Juli 2014.

In diesen Bescheiden entfallen unter Zugrundelegung von EUR 63,41 (EUR 7.609,40 ÷ 120 Monate) als monatliches Einkommen und eines (ermäßigten) KV-Beitragssatzes von 14,3 v.H. in der Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2010 sowie von 14,9 v.H. ab 1. Januar 2011 und eines PV-Beitragssatzes von 1,95 v.H. für die Zeit vom 1. September 2010 bis 31. Dezember 2012 sowie von 2,05 v.H. ab 1. Januar 2013 folgende Beiträge auf den privaten Anteil:

KV: 1. September bis 31. Dezember 2010: EUR 9,07 ab 1. Januar 2011: EUR 9,45

PV: 1. September 2010 bis 31. Dezember 2012: EUR 1,24 ab 1. Januar 2013: EUR 1,30.

4. Gegenstand des Rechtsstreits sind der Bescheid vom 22. Oktober 2012 betreffend die Zeit ab 1. September 2010 sowie die Bescheide vom 17. Dezember 2012, 4. Juli 2013 und 31. Juli 2014. Der Bescheid vom 22. Oktober 2012 betreffend die Zeit ab 1. September 2010 ist nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Denn er hat die vorangegangenen Bescheide vom 6. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2010 sowie die Bescheide vom 20. Dezember 2010, 6. Juli 2011 und 20. Juni 2012 ersetzt. Denn mit dem Bescheid vom 22. Oktober 2012 berechnete die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) die monatlich zu entrichtenden Beiträge für die Zeit ab 1. September 2010 neu. Der Bescheid vom 22. Oktober 2012 ersetzt alle die Zeit ab 1. September 2010 betreffenden vorangegangenen Bescheide. Mit diesem Bescheid regelten die beiden Beklagten die Beitragspflicht des Klägers für die Zeit ab 1. September 2010 neu in Abweichung der vorangegangenen Bescheide. Dies ist in diesem Bescheid ausdrücklich angegeben.

Gegenstand des Klageverfahrens nach § 96 Abs. 1 SGG beim SG war auch der Bescheid vom 17. Dezember 2012. Denn er änderte den Bescheid vom 22. Oktober 2012 (betreffend die Zeit ab 1. September 2010) für die Zeit ab 1. Januar 2011 ab. Das SG hätte nicht nur über den Bescheid vom 22. Oktober 2012, sondern auch den Bescheid vom 17. Dezember 2012 entscheiden müssen. Dies ist in Unkenntnis der Existenz dieses Bescheides unterblieben, weil die Beteiligten entgegen der in § 96 Abs. 2 SGG vorgesehenen Verpflichtung diesen Bescheid dem SG nicht bekanntgaben. Für einen solchen Fall ist durch die Rechtsprechung anerkannt, dass auch das Berufungsgericht über den gemäß § 96 Abs. 1 SGG erweiterten Streitgegenstand auf Klage zu entscheiden hat (BSG, Urteil vom 17. November 2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - in juris).

Nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG sind Gegenstand des Berufungsverfahrens die Bescheide vom 4. Juli 2013 und 31. Juli 2014 geworden. Sie ändern den jeweils vorangegangenen Beitragsbescheid (der Bescheid vom 4. Juli 2013 denjenigen vom 17. Dezember 2012 und der Bescheid vom 31. Juli 2014 denjenigen vom 4. Juli 2013) ab. Über diese Bescheide entscheidet der Senat auf Klage.

Der Bescheid vom 6. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2010 sowie die Bescheide vom 20. Dezember 2010, 6. Juli 2011 und 20. Juni 2012 sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Diese Bescheide sind nicht mehr wirksam (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -), weil sie durch den Bescheid vom 22. Oktober 2012 betreffend die Zeit ab 1. September 2010 ersetzt wurden.

Die Beiträge für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. August 2010 sind im Berufungsverfahren nicht streitig.

Richtige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage. Denn mit der (teilweisen) Aufhebung der genannten Bescheide, die Gegenstand des Rechtsstreits sind, kann der Kläger das von ihm erstrebte Ziel erreichen, keine Beiträge aus dem privaten Anteil der Kapitalleistung zahlen zu müssen.

Der Antrag wurde entsprechend sachdienlich gefasst, indem die streitigen Beiträge von den von den Beklagten festgesetzten Beiträge subtrahiert wurden.

5. Die Berufung und die Klage des Klägers sind nicht begründet. Das SG hat die Klage hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch streitigen Beitragserhebung zu Recht abgewiesen. Die zuvor genannten streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagten haben zu Recht den Anteil von EUR 7.609,40 aus der dem Kläger ausgezahlten Direktversicherung mit insoweit ermäßigtem Beitragssatz in der KV der Bemessung der Beiträge als sonstige Einnahmen zu Grunde gelegt.

a) Die Beklagte zu 1) war berechtigt, im Namen der Beklagten zu 2) auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festzusetzen. Denn nach § 46 Abs. 2 Satz 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die - wie vorliegend - ihre Beiträge zur KV und zur PV selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur KV und zur PV in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur PV im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Den erforderlichen Hinweis auf den gemeinsamen Bescheid hat die Beklagte zu 1) in ihren Bescheiden gegeben.

b) Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 54 Abs. 1 SGB XI werden die Mittel der Krankenversicherung und für die Pflegeversicherung unter anderem durch Beiträge aufgebracht. Nach § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen.

Für die Zeit der freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers ab 1. September 2010 (der Kläger erfüllt unstreitig nicht die Voraussetzungen für ein Pflichtversicherung in der KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V), bestimmen sich die beitragspflichtigen Einnahmen nach § 240 SGB V, der nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI für die Bemessung der Beiträge zur PV entsprechend anzuwenden ist. Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 29a1 Buchst. a) Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I, S. 376) wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dies erfolgte mit den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler (www.gkv-spitzenverband.de; zu deren Wirksamkeit: BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 - B 12 KR 20/11 R). Nach § 240 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs. SGB V (2. Hs. eingefügt mit Wirkung zum 1. August 2014 durch Art. 1 Nr. 16 Buchstabe a des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz - GKV-FQWG] vom 21. Juli 2014, BGBl. I, S. 1133) ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Nach § 240 Abs. 2 Satz 5 SGB V gelten u.a. die §§ 223 und 228 Abs. 2, § 229 Abs. 2 und die §§ 238a, 247 und 248 SGB V entsprechend. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf deren steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. Die in Form nicht regelmäßig wiederkehrender Leistungen gewährten Versorgungsbezüge, Leistungen aus einer befreienden Lebensversicherung sowie Leistungen von Versicherungsunternehmen, die wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung gezahlt werden, sind vom Zeitpunkt des auf die Auszahlung folgenden Monats dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Einhundertzwanzigstel des Zahlbetrags der Leistung für 120 Monate zuzuordnen (§ 5 Abs. 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Nach § 7 Abs. 6 Satz 2 gilt für Versorgungsbezüge der allgemeine Beitragssatz nach § 241 SGB V, für sonstige Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmen, der ermäßigte Beitragssatz.

Auf dieser Grundlage durften die Beklagten den privaten Anteil der Kapitalleistung von EUR 7.609,40 als Einnahmen der Beitragspflicht zu Grunde legen. Denn insoweit handelt es sich um (sonstige) Einnahmen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können. Auch eine Kapitalauszahlung aus einer (rein) privaten Lebens- oder Rentenversicherung ist als sonstige Einnahme bei der Bemessung der Beiträge eines freiwillig Versicherten zu berücksichtigen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2014 - L 11 KR 3044/14 - nicht veröffentlicht). Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler enthaltene Generalklausel genügt, um Zahlungen aus einem privaten Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen (vgl. zu einer entsprechenden Generalklausel in der Satzung einer Krankenkasse vor dem 1. Januar 2009: BSG, Urteil vom 27. Januar 2010 - B 12 KR 28/08 R - in juris). Sie genügt jedenfalls, um neben den im Gesetz genannten beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtig Beschäftigen auch andere Einnahmen der freiwillig Versicherten der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen, die - wie Zahlungen aus privaten Lebens- oder Rentenversicherungsverträgen - bereits in der ständigen Rechtsprechung des BSG als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden waren. Nur wenn die Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen auf erhebliche Schwierigkeiten stößt oder verschiedene Berechnungsweisen zur Verfügung stehen und sich dem Gesetz keine eindeutigen Bewertungsmaßstäbe entnehmen lassen, setzt die Berücksichtigung der Einnahmen eine konkretisierende Regelung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2010 - B 12 KR 28/08 R - a.a.O., m.w.N.).

c) Die insoweit bestehende Ungleichbehandlung von freiwillig Versicherten gegenüber Pflichtversicherten verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, der gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Denn zwischen beiden Personenkreisen liegen so wesentliche Unterschiede, dass eine Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. Februar 1993 - 1 BvR 1920/92, a.a.O.; BSG, Urteil vom 27. Januar 2010 - B 12 KR 28/08 R - a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - L 1 KR 608/13 - in juris, m.w.N.). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich nicht daraus ableiten, dass die beitragsrechtlichen Bestimmungen der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 220 bis 258 SGB V) zum Teil unterschiedlich regeln, welche Einnahmen der Beitragspflicht versicherungspflichtiger Rentenbezieher einerseits und freiwillig versicherter Rentenbezieher andererseits unterliegen (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 24. November 1992 - 12 RK 8/92 - und 17. März 2010 - B 12 KR 4/09 R -, beide in juris). Dass bei freiwillig Versicherten nicht nur Versorgungsbezüge, also Einnahmen die sich unmittelbar auf ein früheres Beschäftigungsverhältnis oder auf frühere Erwerbstätigkeit beziehen, sowie Arbeitseinkommen, sondern auch Einnahmen aufgrund privater Eigenvorsorge im Gegensatz zur Beitragsbemessung bei Pflichtversicherten zu berücksichtigen sind, entspricht dem die KV beherrschenden Solidarprinzip, die Versicherten nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen heranzuziehen, und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BSG, Urteil vom 27. Januar 2010 - B 12 KR 28/08 R - a.a.O., m.w.N.). Es ist es dabei unerheblich, ob der Kläger während seiner Erwerbstätigkeit die Beitragsbemessungsgrenze überschritt.

d) Die Verbeitragung der vollständigen Kapitalleistung ab 1. September 2010 hält auch europarechtlichen Regelungen stand. In Bezug auf die Richtlinie 2000/78/EG ist schon deren Geltungsbereich nicht eröffnet. Nach deren Art. 3 Abs. 1 gilt diese Richtlinie im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen in Bezug auf a) die Bedingungen - einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen - für den Zugang zu unselbstständiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig vom Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, einschließlich des beruflichen Aufstiegs; b) den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung, einschließlich der praktischen Berufserfahrung; c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts; d) die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen. Keiner dieser Bereiche ist im vorliegenden Fall, in dem allein die Beitragspflicht zur KV und PV im Streit steht, betroffen.

Die vom Kläger zitierte Richtlinie 2000/43/EG verbietet in deren Art. 1 eine Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft. Eine Diskriminierung aus diesen Gründen hat der Kläger selbst nicht behauptet und es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine solche Diskriminierung vor.

e) Der Kläger hat die streitigen Beiträge nach § 250 Abs. 2 SGB V, § 59 Abs. 4 Satz 1 SGB XI allein zu tragen.

f) Die Beklagte zu 1) hat zugleich für die Beklagte zu 2) die monatlichen Beiträge zur KV und PV unter Berücksichtigung der jeweils geltenden Beitragssätze zutreffend berechnet. Einwände sind insoweit vom Kläger nicht erhoben worden.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Zwar hat der Kläger in erster Instanz teilweise obsiegt, weil nunmehr aus dem privaten Anteil der Kapitalauszahlung von den Beklagten für die Zeit vom 1. Mai bis 31. August 2010 keine Beiträge mehr erhoben und für die Zeit ab 1. September 2010 nur noch der ermäßigte Beitragssatz zur KV zu Grunde gelegt wird, jedoch ist dieser Teilerfolg mit EUR 51,97 so geringfügig, dass er bei der Kostenentscheidung nicht ins Gewicht fällt.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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