L 8 U 4699/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1617/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4699/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung streitig.

Der 1979 geborene Kläger stammt aus dem K. Er erlitt in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit am 01.06.2006 einen Unfall. Dabei wurde er von der Schaufel einer Baumaschine von hinten getroffen, gegen eine andere Baumaschine gedrückt und stürzte anschließend. Dabei zog sich der Kläger eine Rückenprellung thorakolumbal links, eine Thoraxprellung sowie eine oberflächliche Verletzung (Schürfung) des rechten Kniegelenkes zu (Berichte Kreiskrankenhaus K. vom 13.07.2006, Kreiskrankenhaus B. vom 29.06.2006 und Berufsgenossenschaftliche - BG - Unfallklinik L. vom 13.07.2006). Vom 01.06.2006 bis 05.06.2006 wurde der Kläger im Kreiskrankenhaus B. stationär behandelt (Krankheitsbericht vom 29.06.2006).

In der Folgezeit klagte der Kläger über ständige Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in die Beine, Schmerzen am rechten Kniegelenk und in der linken Schulter (Berichte Kreiskrankenhaus K. vom 13.07.2006 und Arzt für Neurologie und Psychiatrie B. vom 11.07.2006). Der Nervenarzt B. schloss bei einer Untersuchung des Klägers am 11.07.2006 eine Arm-Bein-Nervenstörung aus und sah die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung für nicht erfüllt an (Bericht vom 11.07.2006). Die BG Unfallklinik L. teilte in ihrem Bericht vom 13.07.2006 der Beklagten mit, es bestehe kein pathologisches Korrelat zu dem vom Kläger beschriebenen Befunden, weshalb das Verfahren zu Lasten der BG heute abgeschlossen werde. Der Kläger sei arbeitsfähig. Dr. D. bestätigte eine Arbeitsfähigkeit des Klägers ab 31.07.2006 (Mitteilung vom 03.08.2006).

Der Kläger machte bei der Beklagten zivilrechtliche Ansprüche, insbesondere Schmerzensgeldansprüche und eine akute posttraumatische Belastungsstörung nach dem Arbeitsunfall geltend. Er regte zur Klärung der MdE die Einholung eines Gutachtens an. Der Kläger legte den Arztbrief des Dr. K. (ohne Datum) vor, der eine akute posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierte.

Unter dem 28.08.2006 bestätigte der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R. wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers.

Die Beklagte holte den Bericht des Dr. U. vom 25.09.2006 ein, der eine posttraumatische Belastungsstörung des Klägers diagnostizierte.

Mit Bescheid vom 18.10.2006 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 01.06.2006 als Arbeitsunfall an und stellte als Unfallfolgen eine Schürfwunde am rechten Knie und eine Rückenprellung im linken Rippenbereich fest. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe vom 01.06.2006 bis 30.07.2006 bestanden. Eine eventuell darüber hinausgehende Arbeitsunfähigkeit sei nicht als Unfallfolge anzusehen, da keine posttraumatische Belastungsstörung bestehe.

Gegen den Bescheid vom 18.10.2006 legte der Kläger am 25.10.2006 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung Arbeitsunfähigkeit wegen einer unfallbedingten posttraumatischen Belastungsstörung sowie einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung geltend.

Vom 04.01.2007 bis 18.01.2007 befand sich der Kläger in der BG Unfallklinik L. in stationärer Behandlung, die beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung ausschloss (Bericht vom 18.01.2007).

Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. S. vom 01.03.2007 ein, der das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung verneinte. Ungeklärt sei, ob eine somatoforme Schmerzstörung, eine phobische Störung sowie eine depressive Störung unfallbedingt oder unfallfremd seien.

Anschließend ließ die Beklagte den Kläger durch den Nervenarzt B. begutachten. Er beschreibt in seinem Gutachten vom 16.05.2007 einen normalen neurologischen Untersuchungsbefund und diagnostizierte eine depressive Episode und eine somatoforme Schmerzstörung jeweils ohne Unfallzusammenhang sowie eine unfallbedingte isolierte Phobie mit Ängsten vor Baggern und Baumaschinen. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien nicht erfüllt. Eine rentenberechtigende MdE bestehe nicht.

Dr. S. schloss sich in der zum Gutachten von Dr. B. eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12.07.2007 dem Gutachten an. Aufgrund der isolierten Phobie sei eine Arbeitsunfähigkeit nicht gerechtfertigt.

In der Zeit vom 17.09.2007 bis 19.10.2007 befand sich der Kläger (auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg) in der Klinik G., G., in einer stationären Reha-Maßnahme. Hierzu wurde der Beklagten der Entlassungsbericht vom 29.10.2007 vorgelegt (Diagnosen: Schwere depressive Episode, posttraumatische Belastungsstörung).

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Bescheid vom 18.10.2006 sei ein Anspruch auf Entschädigung aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 01.06.2006 über den 30.07.2006 hinaus abgelehnt worden. Die Ermittlungen im Widerspruchsverfahren hätten ergeben, dass die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht erfüllt seien. Es bestehe eine depressive Episode sowie eine somatoforme Schmerzstörung ohne Unfallzusammenhang und eine isolierte Phobie mit Ängsten vor Baggern und Baumaschinen. Aufgrund der isolierten Phobie sei eine Arbeitsunfähigkeit nicht gerechtfertigt. Eine unfallbedingte MdE liege nicht vor. Der angefochtene Bescheid sei nicht zu beanstanden.

Hiergegen erhob der Kläger am 31.03.2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Er machte die Gewährung von Verletztenrente geltend. Zur Begründung führte er aus, er leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung und somatoformen Schmerzstörung, wofür der Arbeitsunfall die wesentliche Bedingung sei.

Das SG hörte Dr. U. schriftlich als sachverständigen Zeugen, der sich unter dem 10.06.2008 eingehend äußerte. Er bejahte die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine durch den Unfall ausgelöste depressive Episode, die vor allem durch den Krankheitsgewinn aufrechterhalten würden. Spätestens ab dem 06.07.2007 sei nicht mehr der Unfall als Entstehungsursache für die Ausprägung späterer Beschwerden ausschlaggebend gewesen. Dr. U. verneinte eine unfallbedingte MdE.

Gegen die Stellungnahme des Dr. U. vom 10.06.2008 erhob der Kläger Einwendungen (Schriftsatz vom 25.06.2008).

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 23.10.2008 entgegen.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG das Gutachten des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychiatrie und Neurologie Dr. S. vom 28.02.2011 ein. Im Vorfeld der Erstellung des Gutachtens teilte Dr. S. dem SG mit, bei Untersuchungsgesprächen mit dem Kläger habe sich ergeben, dass er den Schwiegervater des Klägers bei ähnlich geäußerter psychischer Symptomatik im Jahr 2006 im Rahmen eines Rentenrechtsstreits im Auftrag des SG begutachtet habe und bat deshalb um Genehmigung weiterer Erhebungen die erteilt wurde. Im Gutachten gelangte Dr. S. zu den Bewertungen, beim Kläger habe als unmittelbare Gesundheitsstörung nach dem Arbeitsunfall vom 01.06.2006 zunächst eine akute Belastungsreaktion vorgelegten, die in eine posttraumatische Belastungsstörung übergegangen sei. Die posttraumatische Störung habe einen chronischen Verlauf genommen und sei mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine dauernde Persönlichkeitsänderung übergegangen. Diese Symptomatik könnte auch einer chronifizierten mittelgradigen bis schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome zugeordnet werden. Im Zusammenhang mit der unfallbedingten psychischen Störung bestehe beim Kläger außerdem eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Es sei davon auszugehen, dass die geschilderten Gesundheitsstörungen allein oder doch wenigstens gleichwertig neben anderen Umständen (Migrationshintergrund, soziokulturelle Prägung im K.) durch den Arbeitsunfall vom 01.06.2006 mitverursacht worden seien. Ab Wiedereintritt der Arbeitsunfähigkeit bestehe eine MdE um 30 v.H. Eine über den 30.07.2006 hinaus bestehende Arbeitsunfähigkeit im Rechtssinne könne aus den Akten nicht ermittelt werden.

Die Beklagte trat unter Vorlage der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 18.07.2011 dem Gutachten des Dr. S. entgegen (Schriftsatz vom 19.08.2011).

Mit Urteil vom 30.09.2011 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe gegen die Beklagte wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 01.06.2006 keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien nicht erfüllt. Der gegenteiligen Ansicht des Dr. S. im Gutachten vom 28.02.2011 folge die Kammer nicht. Die geltend gemachten psychischen Beschwerden des Klägers seien entgegen der Ansicht des Dr. S. wesentlich aus seiner Lebensbiografie abzuleiten und nicht wesentlich als Folge des Unfallereignisses am 01.06.2006 zu bewerten. Dem entspreche auch die Einschätzung des Dr. U.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.10.2011 zugestellte Urteil richtet sich die vom Kläger am 28.10.2011 eingelegte Berufung. Er hat zur Begründung ausgeführt, das SG verneine zu Unrecht das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie die Ursächlichkeit des Arbeitsunfalls für eine derartige Gesundheitsstörung. Dem Gutachten des Dr. S. sei zu folgen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. September 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2008 zu verpflichten, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 1. Juni 2006 dem Grunde nach Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Ausführungen des Gerichtes seien sehr ausführlich und in sich schlüssig.

Der Senat hat von der Betriebskrankenkasse die Leistungskartei des Klägers beigezogen.

Anschließend hat der Senat das Gutachten des Dr. S. vom 08.04.2013 eingeholt. Dr. S. gelangt in seinem Gutachten zu den Diagnosen einer leichten depressiven Episode, der Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen sowie einem Restzustand nach spezifischer (isolierter) Phobie gegenüber Baumaschinen, für die das in Rede stehende Schädigungsereignis wahrscheinlich wesentlichen mitverantwortlich sei. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor. Dr. S. schätzte die MdE auf unter 10 v.H. ein. Aufgrund der schädigungsbedingten psychischen Störung habe Arbeitsunfähigkeit über den 30.07.2006 hinaus nicht bestanden.

Gegen das Gutachten von Dr. S. hat der Kläger Einwendungen erhoben (Schriftsatz vom 13.08.2013). Hierzu hat Dr. S. in der vom Senat veranlassten ergänzenden Stellungnahme zu seinem Gutachten vom 17.02.2014 Stellung genommen und an seinen Bewertungen festgehalten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf zwei Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 18.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht gegen die Beklagte wegen der Folgen des am 01.06.2006 erlittenen Arbeitsunfalls kein Anspruch auf Verletztenrente zu. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist nur, ob dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 01.06.2006 ein Anspruch auf Verletztenrente zusteht. Nur hiergegen richtet sich die Klage und die Berufung des Klägers gemäß seinen Anträgen. Die Klage ist hinsichtlich der vom Kläger begehrten Verletztenrente als kombinierte Anfechtungs und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Zwar hat die Beklagte im Bescheid vom 18.10.2006 eine ausdrückliche Entscheidung zu einem Anspruch des Klägers auf Verletztenrente nicht getroffen. Die Beklagte hat jedoch dadurch, dass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit lediglich bis 30.07.2006 anerkannt wurde, weitergehende Ansprüche auf Leistungen aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 01.06.2006, insbesondere Verletztenrente, konkludent abgelehnt. Hierzu bestand auch Anlass, nachdem der Kläger im Verwaltungsverfahren materielle Entschädigungsansprüche (Schadensersatz) geltend gemacht und angeregt hat, die MdE festzustellen, womit er ersichtlich eine Entschädigung auch in Form einer Verletztenrente geltend gemacht hat. Dem entspricht auch die Begründung im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27.02.2008, wonach mit Bescheid vom 18.10.2006 ein Anspruch auf Entschädigung aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 01.06.2006 über den 30.07.2006 hinaus abgelehnt worden sei und dass eine unfallbedingte MdE nicht vorliege. Die Beklagte hat sich im gerichtlichen Verfahren auch zur Sache eingelassen, ohne die Zulässigkeit der Klage auf Gewährung von Verletztenrente in Frage zu stellen.

Der anerkannte Arbeitsunfall hat beim Kläger keine rentenberechtigende MdE hervorgerufen.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (Stützrententatbestand). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII). Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII).

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit )Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Die Bemessung der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, die aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 23 und 27; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; BSG Urteil vom 18. März 2003 - B 2 U 31/02 R -; BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, Stand 2005, § 56 RdNr 71). Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - veröffentlicht in juris m. H. auf BSG, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; Urteil vom 18. März 2003 a.a.O.).

Hiervon ausgehend rechtfertigt das Ausmaß der verbliebenen Folgen des Arbeitsunfalls vom 01.06.2006 beim Kläger keine MdE von wenigstens 20 v.H., weshalb ihm ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zusteht. Ein Stützrententatbestand ist nicht ersichtlich. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat insbesondere aufgrund des Gutachtens von Dr. S. vom 08.04.2013 und seiner das Gutachten ergänzenden Stellungnahme vom 17.02.2014. Dem Gutachten von Dr. S. vom 28.02.2011 vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Zur Zeit der Begutachtung durch Dr. S. ist als Unfallfolge ein Restzustand nach einer spezifischen (isolierten) Phobie gegenüber größeren Baumaschinen beim Kläger verblieben. Dem entspricht auch das Gutachten des Nervenarztes B. vom 16.05.2007, der ebenfalls eine unfallbedingte Phobie des Klägers vor Baggern bejaht hat. Diese Unfallfolge bedingt nach der übereinstimmenden überzeugenden Bewertung des Nervenarztes B. und des Dr. S. jedoch keine MdE um wenigstens 10 v.H. Dem schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung an. Hiergegen hat der Kläger im Übrigen auch keine Einwendungen erhoben.

Eine posttraumatische Belastungsstörung, worauf der Kläger seine Berufung maßgeblich stützt, liegt nach dem Gutachten des Dr. S. beim Kläger nicht vor. Nach den nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten ist bereits das für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung erforderliche A-Kriterium (Trauma-Kriterium) nicht erfüllt. Dieses Kriterium verlangt, dass der Betroffene einem kurz- oder lang anhaltenden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt sein muss. Über die subjektive Belastungsschwere hinaus enthält das A-Kriterium auch noch ein objektives Korrektiv, das verlangt, dass das Ereignis in der Lage sein muss, "nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung", d.h. auch bei psychisch robusten Menschen mit überdurchschnittlich starkem Nervenkostüm, auszulösen. Das Unfallereignis vom 01.06.2006 erfüllt diese Kriterien nicht. Zwar ist - trotz des im Gutachten von Dr. S. zutreffend beschriebenen, vom Kläger in verschiedenen Varianten signifikant unterschiedlich dargestellten Unfallgeschehens - davon auszugehen, dass der Kläger mit dem Unfallereignis einer psychischen Belastung ausgesetzt war. Dr. S. gelangt jedoch zu der nachvollziehbaren und den Senat überzeugenden Bewertung, dass dieses Unfallgeschehen, unabhängig von den variierenden Details der Darstellung des Unfallgeschehens durch den Kläger, nicht derart "katastrophal" war, dass "nahezu bei jedem" tiefgreifende Verzweiflung ausgelöst würde, weshalb das A-Kriterium beim Kläger nicht als erfüllt zu betrachten ist. Dieser überzeugenden Bewertung schließt sich der Senat an. Hiergegen kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, Dr. S. berücksichtige dabei den individuellen Erlebnisbezug nicht. Dr. S. weist in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.02.2014 nachvollziehbar darauf hin, dass das A-Kriterium ganz explizit neben der subjektiven Belastung auch ein objektives Korrektiv vorsieht, was auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats entspricht (vgl. Urteil vom 05.04.2010 – L 8 U 6019/09 –, Beschluss vom 27.05.2009 – L 8 U 216/09 –). Nach Dr. S. ist dies nach wie vor der derzeitige herrschende wissenschaftliche Erkenntnisstand wie er in den Diagnosemanualen ICD-10 und DSM-IV zum Ausdruck kommt. Danach ist das Unfallereignis am 01.06.2006 von denen nach wissenschaftlicher Datenlage typischen pathogenen Belastungen deutlich entfernt.

Bereits das Nichtvorliegen des A-Kriteriums steht der Annahme des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung entgegen. Der Kläger erfüllt zudem weitere Diagnosekriterien nicht. Nach dem B-Kriterium (Wiedererkennungs-Kriterium), das verlangt, dass es bei dem Betroffenen zu anhaltenden Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen, lebendige Erinnerungen oder sich wiederholende Träume etc. kommt, liegt beim Kläger (zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S.) nicht vor. Diesem Diagnosekriterium steht entgegen, dass der Kläger detailliert und wiederholt das Schadensereignis ohne erkennbare psychovegetative Auffälligkeiten im Rahmen der Untersuchung durch Dr. S. wie auch durch Dr. S. hat beschreiben können. Auch Dr. S. geht davon aus, dass nicht der Eindruck entstanden sei, dass der Kläger Gespräche über das Unfallereignis habe vermeiden wollen, aus Furcht, dadurch zu sehr affektiv belastet zu werden. Angaben zu traumaassoziierten Alpträumen des Klägers blieben zudem unscharf und waren teils widersprüchlich, wie Dr. S. in seinem Gutachten nachvollziehbar dargestellt hat. So waren die Angaben des Klägers zu Frequenzen der Albträume widersprüchlich. Zudem beziehen sich die vom Kläger geschilderten Albträume zum Teil auf nicht Erlebtes, wie den Verlust der unteren Gliedmaßen. Weiter fällt auf, dass der Kläger in diesem Zusammenhang durch Dr. S. nach Schlafproblemen in der Krankenhaussituation befragt, zunächst angegeben hat, er habe im Traum immer wieder sein abgetrenntes Bein auf dem Boden gesehen und wie ihn der Bagger weiter nach hinten geschoben habe; deswegen sei er immer wieder schreiend aufgewacht und habe sofort das Zimmer verlassen. Im weiteren Verlauf der Untersuchung hat der Kläger dann angegeben, er habe den ersten Albtraum etwa am dritten bis vierten Tag zuhause erlebt. Diese widersprüchlichen Angaben erwecken starke Zweifel, ob der Kläger tatsächlich Albträume in der von ihm geschilderten Art erlebt (hat). Die Bewertung von Dr. S., dass zum Zeitpunkt seiner Begutachtung nicht mit der notwendigen Sicherheit die Erfüllung des B-Kriteriums als erfüllt betrachtet werden kann, ist für den Senat danach überzeugend. Außerdem ist auch das D-Kriterium (Hypersensibilitäts-Kriterium) für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht erfüllt. Dieses Kriterium verlangt, dass es bei dem Betroffenen zu anhaltenden Symptomen einer erhöhten psychischen Sensibilität oder Erregung kommt. Dies ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten beim Kläger nicht der Fall. Entsprechendes gilt für das E-Kriterium (Zeit-Kriterium). Auch das Nichtvorliegen der Diagnosekriterien B und D steht jedenfalls je für sich entgegen, beim Kläger das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung im Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 01.06.2006 anzuerkennen.

Nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten ist im Hinblick darauf, dass bereits das A-Kriterium beim Kläger als nicht erfüllt anzusehen ist und die Diagnosekriterien B, D und E zu keinem Zeitpunkt hinreichend gesichert sind, auch für die Vergangenheit eine posttraumatische Belastungsstörung im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 01.06.2006 auszuschließen.

Der abweichenden Bewertung von Dr. S. in seinem Gutachten vom 28.02.2011, der beim Kläger eine von einer akuten Belastungsreaktion ausgehende posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert hat, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Dr. S. stützt seine Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung im Wesentlichen auf das A-2 Kriterium des DSM-IV, das er als erfüllt ansieht. Unabhängig davon, ob diese diagnostischen Ansatz gefolgt werden kann, lässt Dr. S. unberücksichtigt, dass nach den den Senat überzeugenden Ausführungen von Dr. S. das Unfallgeschehen vom 01.06.2006 - unabhängig von den variierenden Darstellungen des Klägers zum Unfallgeschehen - keinem Ereignis oder Geschehen mit außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß entspricht, wie nach dem ICD 10 zum A-Kriterium gefordert. Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die von Dr. S. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme genannten konkreten Beispiele zum Trauma-Kriterium A1 des DSM-IV. Weiter stützt Dr. S. seine Diagnose maßgeblich auf - nicht näher bezeichnete - Befundberichte bzw. ärztliche Befunde sowie die Angaben der Ehefrau des Klägers. Befundberichte bzw. ärztliche Befunde, die seine Diagnose plausibel/nachvollziehbar machen, liegen aber nicht vor. Entsprechende psychopathologische Auffälligkeiten finden sich in den ärztlichen Befundberichten nicht. Dr. S. legt damit seiner Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung maßgeblich Informationsquellen zu Grunde, die nach wissenschaftlichen Untersuchungen unzuverlässig sind. Die aktenkundigen Befunde tragen seine Diagnose nicht, worauf Dr. S. in seinem Gutachten nachvollziehbar und überzeugend hinweist. Dass der Kläger mit "intensiver Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen" auf den Unfall reagiert hat, ist nicht belegt. Eine solche Reaktion lässt sich weder dem Durchgangsarztbericht von Dr. E. vom 01.06.2006 noch dem Bericht des Kreiskrankenhauses Bühl vom 29.06.2006 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 01.06. bis 05.06.2006 entnehmen. Dass der Kläger im erstversorgenden Krankenhaus bereits auffallend "abwesend und kalt" gewirkt habe, wird durch den Bericht des Kreiskrankenhauses Bühl nicht dokumentiert. Vielmehr wird ein insgesamt komplikationsloser Verlauf bei problemloser Mobilisation und rückläufigen Beschwerden unter entsprechender Analgetikagabe beschrieben. Im Nachschaubericht des Dr. D. vom 08.06.2006 werden "lediglich" vom Kläger geklagte Schmerzen beschrieben. Entsprechendes ergibt sich aus dem Bericht des Kreiskrankenhauses Kehl vom 13.07.2006 mit zusätzlicher Klage über Schlaflosigkeit. Im neurologischen Bericht des Nervenarztes B. vom 11.07.2006 werden Bewusstlosigkeit, Bewusstseinstrübung, Orientierungsstörung und Erinnerungslücke verneint. Dr. S. stützt seine Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung damit maßgeblich auf in Befundberichten beschriebene Beschwerdeschilderungen des Klägers und die Angaben seiner Ehefrau, die durch objektiv (gesicherte) Untersuchungsbefunde nicht hinreichend belegt sind und von Dr. S. auch sonst nicht objektiviert werden. Zudem ergaben sich bei der Untersuchung durch Dr. S. multiple Hinweise auf nicht authentische Beschwerdeangaben des Klägers, klare Hinweise auf eine instruktionswidrige Anstrengungsleistung und massive Verdeutlichungstendenzen in Bezug auf neurologische, affektive und anamnestische Symptome, wie Dr. S. in seinem Gutachten nachvollziehbar dargelegt hat. Auch sonst finden sich in den medizinischen Unterlagen klare Hinweise auf nicht authentisches Beschwerdeverhalten des Klägers. So wird im Bericht der BG Unfallklinik L. vom 19.12.2006 ein morphologisches Korrelat für die Beschwerden des Klägers verneint und im Bericht vom 18.01.2007 ein "seltsam", mit "Einknickerscheinungen" und schmerzhaftem Hinkmechanismus demonstriertes Gangbild des Klägers beschrieben, das durch keinen fassbaren Befund erklärt ist. Der Neurologe und Psychiater Dr. B. berichtet in seinem Befundbericht vom 19.12.2006 über ein wenig kooperatives Verhalten des Klägers bei den neurologischen Untersuchungen. Die reduzierte Authentizität der Angaben des Klägers zu Beschwerden und geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen einerseits sowie die nachgewiesene instruktionswidriger Anstrengungsminderleistung erschweren nach der plausiblen Ansicht von Dr. S. eine diagnostische Einordnung in das klinische Bild, weshalb die auf in medizinischen Befundunterlagen beschriebene Beschwerdeschilderungen des Klägers maßgeblich gestützte Diagnose des Dr. S. einer posttraumatischen Belastungsstörung auch deshalb Bedenken begegnen. Notwendige Beschwerdevalidierungstests hat Dr. S. zur Überprüfung einer negativen Antwortverzerrung beim Kläger nicht durchgeführt, worauf Dr. S. in der beratungsärztlichen Stellungnahme zutreffend hinweist, dem sich auch Dr. S. in seinem Gutachten angeschlossen hat. Auch sonst hat Dr. S. in seinem Gutachten die von ihm berücksichtigten Beschwerdeangaben nicht kritisch hinterfragt und sich mit einer nach der Aktenlage belegten reduzierten Authentizität der Angaben des Klägers sowie auch im Rahmen der Begutachtung aufgetretenen und im Gutachten beschriebenen Diskrepanzen nicht hinreichend auseinandergesetzt. Danach vermag sich der Senat der Diagnose des Dr. S. nicht anzuschließen. Entsprechendes gilt, soweit Dr. S. davon ausgeht, dass die posttraumatische Belastungsstörung einen chronischen Verlauf genommen habe und mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine dauernde Persönlichkeitsänderung übergegangen sei. Diese setzt nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten eine Extrembelastung voraus. Dass der Kläger einer solchen Extrembelastung ausgesetzt war, ist nach dem oben Ausgeführten nicht belegt und wird auch von Dr. S. ausgeschlossen. Der Senat folgt daher dem überzeugenden Gutachten von Dr. S.

Auch die Gesundheitsstörung einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung steht beim Kläger nicht (im Vollbeweis) fest. Voraussetzung für eine solche Diagnose ist das Vorliegen eines kontinuierlichen, an den meisten Tagen anhaltenden, schweren und belastenden Schmerzes in einem Körperteil, der adäquat durch den Nachweis eines psychologischen Prozesses oder einer körperlichen Störung erklärt werden kann, der zudem den Hauptfocus der Aufmerksamkeit des Patienten bildet und mindestens 6 Monate besteht. Nach dem Gutachten von Dr. S. ist keine Störung nachweisbar, die mit den Schmerzangaben des Klägers korreliert. Beim Kläger ist jedoch auch ein entsprechendes Schmerzerleben auf der Befundebene nicht festzustellen. Dem steht nach den Beschreibungen im Gutachten von Dr. S. das beobachtbare Verhalten des Klägers entgegen, in dem schmerztypische Verhaltensweisen nicht festzustellen waren. Auch konkret geltend gemachte schmerzbedingte Funktionsbeeinträchtigungen (Aufrichten, Aufheben eines Gegenstandes etc.) hat der Kläger ohne erkennbare besondere Mühewaltung verrichten können. Das bei der Untersuchung des Klägers beobachtbare Verhalten ist nach der nachvollziehbaren Ansicht von Dr. S. mit dem Vorliegen eines quälenden und schweren Schmerzes nicht in Einklang zu bringen. Zudem sind die Angaben des Klägers zu seinem Schmerzerleben auch vor dem Hintergrund der mangelnden Beschwerdeauthentizität zu bewerten. Dies korreliert mit dem mitgeteilten Befund im Entlassungsbericht der BG Unfallklinik L. vom 18.01.2007 über die dort durchgeführte Schmerzbehandlung unter Verabreichung von Placebo. Dr. S. kommt deswegen zu der überzeugenden Schlussfolgerung, dass eine nachvollziehbare initiale Schmerzsymptomatik durch den Unfallmechanismus selber problemlos erklärbar ist. Bereits bei der Erstbehandlung im Kreiskrankenhaus B. führte eine Analgetikagabe zu rückläufigen Beschwerden bei problemloser Mobilisation und insgesamt komplikationslosem Verlauf - wie bereits oben ausgeführt wurde -, was der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung entgegensteht. Eine quälende und massive somatoforme Schmerzsymptomatik einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ist nach der überzeugenden Bewertung von Dr. S. beim Kläger nicht gegeben. Die erst später geltend gemachten Schmerzen haben nach Dr. S. deshalb keinen psychiatrisch-medizinischen herstellbaren Bezug zum Unfall. Dr. S. gelangt vielmehr lediglich zu der Diagnose einer Entwicklung körperlicher Symptome aus - unfallunabhängigen - psychischen Gründen. Dem schließt sich der Senat an.

Der abweichenden Ansicht von Dr. S., der beim Kläger eine unfallbedingte anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert hat, vermag sich der Senat ebenfalls nicht anzuschließen. Auf die von Dr. S. in seinem Gutachten überzeugenden Erwägungen geht Dr. S. in seinem Gutachten nicht ein. Er begründet vielmehr seine Diagnose vage auf der Grundlage geringer Kenntnisse hinsichtlich des Migrationshintergrundes des Klägers, seiner soziokulturellen Prägung im K., die möglicherweise zu einer gewissen Disposition und besonderen Verletzlichkeit geführt hätten. Hieraus lässt sich nach den von Dr. S. beschriebenen Diagnosekriterien die Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung nicht überzeugend ableiten. Zudem geht Dr. S. nicht darauf ein, dass beim Kläger ein entsprechendes Schmerzerleben auf der Befundebene nicht festzustellen ist, wie dies Dr. S. in seinem Gutachten herausgearbeitet und beschrieben hat.

Die von Dr. S. diagnostizierte depressive Gesundheitsstörung des Klägers ist nicht rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis vom 01.06.2006 zurückzuführen. Dr. S. geht in seinem Gutachten trotz der reduzierten Authentizität der Angaben des Klägers zu Beschwerden und geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen sowie nachgewiesener instruktionswidriger Anstrengungsminderleistung davon aus, dass beim Kläger auf der Befundebene eine gewisse depressive Symptomatik besteht, die die Diagnose einer leichten depressiven Episode rechtfertigt. Diese leichte depressive Episode und die Entwicklung körperlichen Symptome aus psychischen Gründen sind nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten jedoch nicht unfallbedingt. Danach kann hinsichtlich der spätestens seit November 2006 manifestierten, klinisch relevanten depressiven Störung ein ganzes Spektrum von Faktoren kausal sein. So bestehen beim Kläger psychosoziale Belastungsmomenten in Form einer Migrationssituation. Er war im zeitlichen Zusammenhang mit dem Schädigungsereignis verschiedenen psychosozialen Belastungsmomenten ausgesetzt und insbesondere mit der subjektiven Belastungen einer fehlenden Ausbildung konfrontiert, die im Vordergrund steht, wie Dr. S. in seinem Gutachten nachvollziehbar beschrieben hat. Die fehlende Ausbildung brachte den Kläger in ein unaufhebbares Dilemma, wenn er einerseits, als werdender Vater, eigentlich sich jede ihm bietende Gelegenheit zur Arbeit aufnehmen musste, andererseits aber in seiner Selbstidentifikation ganz anderen beruflichen "Träumen" anhing. Ein unfallbedingter "Verdienstausfall" war weder für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit gegeben noch angesichts der unfallbedingten, geringen körperlichen Beschwerden für die Zukunft zu erwarten. Seine Rolle als "Ernährer" der eigenen Familie und Unterstützung seiner im K. lebenden Eltern war durch die Unfallfolgen nicht gefährdet. Eine psychische Belastung ist unter diesem Aspekt aus dem Unfall nicht ableitbar. Damit ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass das Unfallereignis vom 01.06.2006 eine wesentliche, nicht austauschbare und besondere Bedeutung im Vergleich zu den diversen psychischen und psychozozialen Belastungsmomenten des Klägers einnimmt, wie Dr. S. in seinem Gutachten plausibel schlussfolgert. Dies gilt in gleicher Weise für die Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen. Diese Entwicklung ist insbesondere dem schwebenden Verfahren und dem Streben nach finanzieller Kompensation geschuldet ist. Darauf hat auch Dr. U. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 10.06.2008 hingewiesen. Eine unfallbedingt verursachte psychische Störung lässt sich danach nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen. Vielmehr stehen unfallunabhängige psychosoziale Belastungsmomente des Klägers im Vordergrund.

Sonstige verbliebene Unfallfolgen sind nicht ersichtlich und werden vom Kläger im Übrigen auch nicht geltend gemacht.

Damit liegen beim Kläger keine verbliebenen Folgen des Unfalles 01.06.2006 mit einer rentenberechtigenden MdE vor.

Zu weiteren Ermittlungen sieht sich der Senat nicht gedrängt.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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