L 11 R 4791/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 7816/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4791/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.07.2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 16.771,48 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund einer Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.12.2004 bis 31.05.2006 in Höhe von 16.771,48 EUR einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 2.852,50 EUR.

Der Kläger übernahm im Jahr 2004 das in der N. Str ... in O. gelegene Gasthaus K ... Insoweit meldete er zum 10.09.2004 ein Gewerbe an. Zumindest im streitigen Zeitraum vom 01.12.2004 bis 31.05.2006 überließ der Kläger der Beigeladenen zu 4), die russische Staatsangehörige ist, und ihrem deutschen Ehemann, H. T., die im Obergeschoss der Gaststätte gelegene Wohnung. Zwischenzeitlich ist die Beigeladene zu 4) nach ihrer Scheidung mit dem Kläger verheiratet. Die Beigeladene zu 4) reiste am 06.06.2003 in das Bundesgebiet ein. Auf ihren Antrag erteilte ihr das Arbeitsamt G. eine Arbeitsgenehmigung nach § 284 Sozialgesetzbuch Drittes Buch. Im Antragsformular hatte sie als Beruf "Köchin" angegeben.

Mit Schreiben vom 22.06.2006 bat die Stadt O. das Hauptzollamt Stuttgart im Wege der Amtshilfe um Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, da die Beigeladene zu 4) im Rahmen des Verwaltungsverfahrens auf Erlangung eines Aufenthaltstitels verschiedene Bescheinigungen über ein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger vorgelegt hatte. Es wurde ua darauf hingewiesen, dass die Beigeladene zu 4) nach den vorgelegten Unterlagen im Betrieb des Klägers beschäftigt sei, obwohl eine Anmeldung zur Sozialversicherung nicht feststellbar sei.

Gegen den Kläger wurde daraufhin ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart (Az: 182 Js 82527/06) in Zusammenarbeit mit dem Hauptzollamt Stuttgart - Finanzkontrolle Schwarzarbeit - geführt. Gegen den Kläger erging sodann wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt am 02.10.2006 ein Strafbefehl, der seit dem 21.10.2006 rechtskräftig ist.

Die Beklagte führte beim Kläger im Zeitraum vom 28.08.2006 bis 09.08.2007 eine Betriebsprüfung nach §§ 28p Abs 1 und 107 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) durch. Mit Schreiben vom 09.08.2007 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Nachforderung zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 16.771,48 EUR für den Zeitraum vom 01.12.2004 bis 31.05.2006 an. Eine Rückmeldung des Klägers erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 06.09.2007 forderte die Beklagte daraufhin insgesamt 16.771.48 EUR einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 2.852,50 EUR nach. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund einer Anzeige der Stadtverwaltung O. im Juni 2006 sei bekannt geworden, dass die Beigeladene zu 4) seit mindestens 01.12.2004 in der von dem Kläger betriebenen Gaststätte beschäftigt gewesen sei. Ein Datenabgleich beim Verband Deutscher Rentenversicherungsträger habe ergeben, dass die Beigeladene zu 4) nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden sei. Zur Begründung nahm die Beklagte weiter auf den seit dem 21.10.2006 rechtskräftigen Strafbefehl Bezug. Der Kläger sei für die Einstellung von Arbeitnehmern sowie die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen verantwortlich. In der Zeit vom 01.12.2004 bis 31.05.2006 habe er die Beigeladene zu 4) in seiner Gaststätte beschäftigt. Dies ergebe sich aus den der Stadtverwaltung O. vorgelegten Bescheinigungen über ein Arbeitsverhältnis. Diese enthielten Angaben über den von dem Kläger gezahlten Nettoarbeitsverdienst. Weiter sei ein Auszug aus einem Vertrag zwischen der Beigeladenen zu 4) und dem Kläger vorgelegt worden, der der Arbeitnehmerin ein monatliches Nettoeinkommen von 1.100,00 EUR bescheinige und eine monatliche Gehaltszahlung in bar am Monatsanfang. Die Beigeladene zu 4) sei trotz des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht zur Sozialversicherung angemeldet worden, obwohl dem Klägers als Arbeitgeber die Verpflichtung, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an die zuständige Einzugsstelle zum Fälligkeitstag zu zahlen, bekannt gewesen sei. Somit seien die Voraussetzungen des § 1 Abs 2 Schwarzarbeitergesetz erfüllt. Bei den Angaben in den der Stadtverwaltung vorgelegten Arbeitsbescheinigungen handele es sich ausdrücklich um Nettozahlungen, weshalb sich folgende monatlichen Nettolöhne ergeben würden: Dezember 2004 bis Juni 2005: 400,00 EUR, Juli 2005 bis Mai 2006: 1.100,00 EUR. Nach § 14 Abs 2 SGB IV gelte ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt würden. Dies habe zur Folge, dass es sich bei den ermittelten Lohnsummen um einen Nettolohn handele, welcher hochzurechnen sei. Nach der Hochrechnung auf einen Bruttolohn ergäben sich folgende monatliche beitragspflichtige Arbeitsentgelte: Ab Dezember 2004: 652,83 EUR, ab Januar 2005: 638,54 EUR, ab Juli 2005: 2.583,62 EUR sowie ab Januar 2006: 2.604,36 EUR. Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Arbeitgeber nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt habe, seien nach § 24 Abs 1 SGB IV ferner für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 vH zu zahlen. Für Beiträge aufgrund einer Betriebsprüfung gelte dies nach § 24 Abs 2 Satz 1 SGB IV nicht, soweit der Arbeitgeber unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht habe. Bei dem vorliegenden Sachverhalt habe der Kläger von seiner Zahlungspflicht Kenntnis gehabt, weil ihm seine Arbeitgeberpflichten bekannt gewesen seien.

Hiergegen legte der Kläger am 16.03.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei den Arbeitsbescheinigungen, die der Stadtverwaltung O. vorgelegt worden seien, um von ihm aus Gefälligkeit falsch ausgestellte Dokumente handele. Die Beigeladene zu 4) habe nicht in seinem Gasthaus gearbeitet und es habe kein Arbeitsverhältnis gegeben. Infolgedessen könnten keine Beitragsnachforderungen von ihm gefordert werden.

Mit Schreiben vom 16.04.2009 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Widerspruchsfrist deutlich überschritten worden sei und Wiedereinsetzungsgründe nach § 67 SGG nach Aktenlage nicht ersichtlich seien. Die Beklagte schlug dem Kläger vor, dass dieser seinen Widerspruch zurücknehme und die Beklagte sein Schreiben vom 10.03.2009 als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) werte und die Angelegenheit nochmals überprüfe und einen neuen rechtsbehelfsfähigen Bescheid erlassen werde. Unter dem 05.05.2009 teilte der Kläger daraufhin mit, er habe die Widerspruchsfrist ohne eigenes Verschulden versäumt, er bitte um Wiedereinsetzung. Die Dokumente habe er nicht wissentlich falsch ausgestellt.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2009 als unzulässig zurückgewiesen, da die Widerspruchsfrist versäumt worden sei und Wiedereinsetzungsgründe nicht vorlägen.

Die Beklagte wertete das Schreiben des Klägers vom 10.03.2009 gleichzeitig als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Mit Bescheid vom 23.07.2009 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, soweit der Kläger mit Schreiben vom 08.04.2009 mitgeteilt habe, dass es sich bei den Angaben gegenüber der Stadtverwaltung O. um falsch ausgestellte Dokumente gehandelt und die Beigeladene zu 4) nicht in dem Gasthaus gearbeitet habe, seien diese Angaben insbesondere unter dem Gesichtspunkt des akzeptierten Strafbefehls nicht glaubwürdig. Es sei weiter auffällig, dass in dem Gasthaus trotz dessen Größe im fraglichen Zeitraum keine Personen zur Sozialversicherung gemeldet worden seien. Zudem habe auch Herr T. gegenüber der Stadtverwaltung angegeben, dass die Beigeladene zu 4) täglich, außer dienstags (Ruhetag) von morgens bis zur Schließung des Gasthauses überwiegend in der Küche, aber auch am Ausschank gearbeitet habe. Die Voraussetzungen für eine Änderung oder Aufhebung des Bescheides seien daher nicht gegeben.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 19.08.2009 bei der Beklagten Widerspruch ein und trug vor, die Aussage von Herrn T. sei falsch und nicht zu beachten. Herr T. habe in dieser Zeit ein schlechtes Eheverhältnis mit der Beigeladenen zu 4) gehabt. Jetzt wolle er ihn durch falsche Aussagen beschuldigen. Die Beigeladene zu 4) habe bei ihm, dem Inhaber der Gaststätte, Hilfe gesucht. Dadurch habe sich eine Beziehung ergeben. Den Strafbefehl habe er nicht akzeptiert. Die Einspruchsfrist sei um einen Tag durch seinen Anwalt versäumt worden. Es handele sich außerdem um ein kleines Gasthaus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X seien nicht gegeben. Der vorliegende Arbeitsvertrag sowie die vom Kläger ausgestellten Arbeitsbescheinigungen sprächen eindeutig für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Gesamtumstände ließen eine nur gefälligkeitshalber erfolgte gelegentliche Aushilfe nicht als glaubhaft erscheinen. Hierfür spreche auch, dass in dem Betrieb des Klägers keine weiteren Arbeitnehmer gemeldet gewesen seien. Auch die Zahlung eines Lohnes in der bescheinigten Höhe spreche für ein Arbeitsverhältnis. Selbst wenn tatsächlich kein Barlohn geflossen sein sollte und die bescheinigten Beträge nur den Gegenwert der erbrachten Leistung in Form von Wohnung uä darstellen sollten, würde es sich um eine Lohnzahlung in Form von Sachbezügen handeln. Schließlich spreche der rechtskräftig gewordene Strafbefehl für die Richtigkeit der vorgenommenen Beurteilung. Nach dem Gesamtbild der vorliegenden Beweismittel sei zu Recht von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen worden. Die vom Kläger erhobenen Einwendungen seien nicht glaubhaft. Vielmehr liege die Vermutung nahe, dass der Kläger den Sachverhalt jetzt so darstelle, um der Beitragsnachforderung zu entgehen.

Hiergegen richtet sich die am 19.11.2009 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, gegen den Verdacht der illegalen Beschäftigung durch das Hauptzollamt Stuttgart sei Einspruch erhoben worden. Sein Anwalt habe freilich die Frist um einen Tag überzogen. Nur deshalb sei der Strafbefehl rechtskräftig geworden. Seine Unschuld habe er vor Gericht nicht näher beweisen können. Er habe unbewusst hinsichtlich der Folgen ein falsches Dokument ausgestellt. Es habe keine Beschäftigung und keine Gegenleistung der Beigeladene zu 4) gegeben.

Mit Urteil vom 26.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Kammer sei von dem Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses bzw Beschäftigungsverhältnisses der Beigeladenen zu 4) in der Zeit vom 01.12.2004 bis 31.05.2006 überzeugt. Hierfür sprächen die vorliegenden Bescheinigungen, die vom Kläger selbst ausgestellt worden seien. Auch die Aussagen der Beigeladenen zu 4) gegenüber der Stadt O. würden für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen. Darüber hinaus würden auch die Aussagen des Klägers im Ermittlungsverfahren für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen. Vor dem Hintergrund der Angaben des Klägers, der Beigeladenen zu 4) und des rechtskräftigen Strafbefehls würden die nunmehr vorgebrachten Einwände nicht überzeugen. Die Beklagte habe daher zutreffend die in den Bescheinigungen enthaltenen Nettozahlungen ihrer Berechnung zugrunde gelegt und gemäß § 14 Abs 2 SGB IV in ein Bruttolohn umgewandelt und hieraus die Beiträge ordnungsgemäß berechnet. Die Beklagte habe auch zu Recht Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV erhoben.

Das Urteil wurde dem Kläger am 08.10.2013 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.

Am 24.10.2013 hat der Kläger Berufung beim SG eingelegt, welche am 07.11.2013 dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) vorgelegt wurde. Zur Begründung trägt der Kläger erneut vor, dass er der Beigeladenen zu 4) falsche Dokumente ausgestellt habe, weil sie mit ihrem Ex-Ehemann Probleme gehabt und die Abschiebung gedroht habe. Er habe Anfang Oktober 2004, als er das Gasthaus übernommen habe, den beiden gut bekannten Personen helfen wollen. Deshalb habe er ihnen die leerstehende Wohnung über dem Gasthaus im ersten Stock kostenlos überlassen. Später sei er immer wieder Zeuge von Ehekrisen zwischen der Beigeladenen zu 4) und ihrem Ehemann geworden. Die Beigeladene zu 4) habe bei ihm regelmäßig Hilfe und Schutz gesucht. Schließlich sei der Ehemann der Beigeladenen zu 4) ausgezogen. Danach habe es nur noch Probleme gegeben, da Herr T. dem Kläger und der Beigeladenen zu 4) aus Eifersucht habe eins auswischen wollen. So seien er und die Beigeladene zu 4) zwischenzeitlich auch verheiratet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.07.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 06.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der Verwaltungsakten der Beklagten und die Strafakte des Amtsgerichts Esslingen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Beigeladene zu 4) für den Zeitraum vom 01.12.2004 bis 30.06.2006 gefordert; auch die Erhebung von Säumniszuschlägen ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p SGB IV. Nach § 28p Abs 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für die Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung lassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakten zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 SGB V sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Zwar erteilt grundsätzlich gemäß § 28h Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber ausnahmsweise nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung.

Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger haben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur eine Kontrollfunktion. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Die Entscheidung stellt sich vor diesem Hintergrund als kombinierte - positive oder negative - Feststellung von Versicherungspflicht und Beitragsnachentrichtung oder Beanstandung dar. Die Besonderheit eines Bescheids nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV liegt insoweit darin, dass über das Bestehen von Versicherungspflicht und die daraus resultierende Beitragsnachforderung gemeinsam zu entscheiden ist. Dies unterscheidet das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht vom Feststellungsverfahren nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV (BSG 14.09.2004, B 12 KR 1/04, SozR 4-2400 § 22 Nr 2). Eine reine Statusfestellung ist auf der Grundlage von § 28p SGB IV nicht zulässig (vgl Bayerisches LSG 28.06.2011, L 5 R 88/10, juris). Die hier streitigen Beiträge werden als Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber bezahlt (§ 28g Satz 1 und 2, 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV).

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs 1 Nr 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB VI. Danach ist Beschäftigung, die nicht nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 130/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, BSG 04.07.2007, B 11 AL 5/06 R SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei eine Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit in der eigenen Arbeitskraft und im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7).

Bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 4) in der Gaststätte des Klägers ist eine abhängige Beschäftigung zur Überzeugung des Senats gegeben. Der Senat stützt sich insoweit insbesondere auf die vorliegenden Bescheinigungen über ein Arbeitsverhältnis, welche der Kläger am 09.12.2004 und am 23.05.2006 unterschrieben hat. Hierin hat der Kläger ausdrücklich angegeben, dass die Beigeladene zu 4) bei ihm im Gasthaus K. in einem Arbeitsverhältnis steht. Auch der zweiseitige Vertrag vom 18.05.2006 belegt, dass die Beigeladene zu 4) im streitigen Zeitraum vom 01.12.2004 bis 30.06.2006 bei ihm beschäftigt war. Insoweit weist die Bescheinigung über ein Arbeitsverhältnis vom 09.12.2004 als Beginn des Arbeitsverhältnisses den 01.12.2004 aus und geht von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis aus. Die Bescheinigung vom 23.05.2006 knüpft hieran an und bestätigt, dass die Beigeladene zu 4) ab 01.07.2005 als Köchin unbefristet beschäftigt werde. Die Bescheinigungen sind in sich schlüssig, da sie nicht nur ein abstraktes Arbeitsverhältnis statuieren, sondern auch die Bedingungen wie Arbeitszeit und Nettogehalt ausweisen. Auch stehen die Angaben zueinander in Beziehung. Während die Bescheinigung vom 09.12.2004 eine Arbeitszeit von 20 Stunden bei einem Nettogehalt von 400,- EUR ausweist, geht die Bescheinigung vom 23.05.2006 bei einer Arbeitszeit von 45 Stunden von einem Nettogehalt von 1.100,- EUR aus.

Darüber hinaus sind aber auch die Einlassungen des Klägers, wonach die Beigeladene zu 4) bei ihm nicht beschäftigt war und allenfalls ab und an kurzfristig ausgeholfen habe nicht schlüssig. So waren die Öffnungszeiten der Gaststätte nach den Angaben des Klägers im Erörterungstermin am 15.05.2014 wie folgt: Montag, Mittwoch und Donnerstag von 16:00 Uhr bis 24:00 Uhr. Am Dienstag war Ruhetag. Am Freitag war die Gaststätte von 16:00 Uhr bis 01:00 Uhr geöffnet. Am Samstag von 10:30 Uhr bis 01:00 Uhr und am Sonntag von 10:30 Uhr bis 24:00 Uhr. Da der Kläger im streitigen Zeitraum jedoch noch voll beschäftigt war und gleitende Arbeitszeiten von 06:00 Uhr bzw 7:00 Uhr bis 14:00 bzw 15:00 Uhr hatte, ist für den Senat nicht ersichtlich, wie der Kläger in der Lage gewesen sein soll, allein und ohne Hilfe den Gaststättenbetrieb aufrecht zu erhalten. Dies gilt umso mehr, als der Kläger angegeben hat, dass neben Getränken auch kleinere Gerichte angeboten wurden. Auch diese will der Kläger allein und ohne weitere Hilfe zubereitet haben.

Schließlich widerspricht sein Vortrag im Klageverfahren aber auch seiner eigenen Einlassung im Ermittlungsverfahren. Zwar hat der Kläger auch bei dieser Befragung ein Beschäftigungsverhältnis mit der Beigeladenen zu 4) verneint. Er hat aber gleichzeitig angegeben, dass die Beigeladene zu 4) in der Gaststätte alles übernehme, was anfalle, wie zB ausschenken, kochen und bedienen. Demensprechend war z.B. nach den Angaben des Klägers die Gaststätte auch während eines vierwöchigen Urlaubs der Beigeladenen zu 4) geschlossen.

Zur Überzeugung des Senats hat die Beigeladene zu 4) im Zeitraum Dezember 2004 bis einschließlich Juni 2005 Arbeitsentgelt in Höhe von 400,- EUR und ab Juli 2005 ein Nettogehalt von 1.100,- EUR bezogen. Der Senat stützt sich auch insoweit auf die vom Kläger eigenhändig ausgefüllten Bescheinigungen über ein Arbeitsverhältnis, worin die entsprechenden Nettogehälter aufgeführt sind. Darüber hinaus schöpft der Senat seine Überzeugung aus dem zweiseitigen Vertrag vom 18.05.2006, wonach ein Nettoeinkommen von 1.100,- EUR angegeben wird. Für den Senat ist die Aussage des Klägers nicht glaubwürdig, wonach er der Klägerin keinen Arbeitslohn gezahlt hat. Denn nach den eigenen Angaben des Klägers verfügte sie über keine sonstigen Einnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts.

Die Beklagte hat die Höhe der nachzufordernden Beiträge auf dieser Grundlage auch zutreffend ermittelt. Grundlage für die Bemessung der Beiträge, die für versicherungspflichtige Beschäftigte zu zahlen sind (Gesamtsozialversicherungsbeiträge), ist das aus der Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt. Nach § 14 Abs 1 SGB IV sind Arbeitsentgelte alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form es geleistet wird und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang erzielt werden. Für die Berechnung der Beiträge versicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist grundsätzlich das Bruttoarbeitsentgelt maßgeblich. Übernimmt der Arbeitgeber aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer diese Beiträge, wird dem Arbeitnehmer ein abzugsfreier Lohn (Nettolohn) ausgezahlt, dann ist auch dieser neben dem Lohn zufließende Vorteil beitragspflichtig, wie § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IV klarstellt. Danach gelten, wenn ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart ist, als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinen gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. In Übereinstimmung mit dem SG kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass in den vorgelegten Bescheinigungen eine Nettoarbeitsentgeltvereinbarung im Sinne des § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IV zum Ausdruck kommt. Insoweit fehlt es an der Vereinbarung, dass der Arbeitgeber die Abzugsbeträge entnimmt. Allein aus der Bezeichnung "Netto" kann nicht zweifelsfrei geschlossen werden, dass Sozialabgaben und Einkommensteuer durch den Kläger vollständig getragen werden.

Allerdings gilt gemäß § 14 Abs 2 Satz 2 SGB IV ein Nettoarbeitsentgelt auch dann als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Ein illegale Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 14 Abs 2 Satz 2 SGB IV liegt vor, denn der Kläger hat zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungsrechts (Zahlungs-, Melde-, Aufzeichnungs- und Nachweispflichten) verletzt. Auch das erforderliche subjektive Element, dass die Pflichtverstöße von einem mindestens bedingten Vorsatz getragen sind (BSG 09.11.2011, B 12 R 18/09 R, BSGE 109, 254 = SozR 4-2400 § 14 Nr 13), ist hier gegeben.

Die Beigeladene zu 4) war ab dem 01.12.2004 regelmäßig bei dem Kläger beschäftigt. Zuerst zu einem Nettolohn in Höhe von 400,- EUR und später zu einem Nettolohn von 1.100,- EUR. Gleichwohl erfolgte eine Anmeldung zur Sozialversicherung nicht. Im Hinblick auf die fehlende Anmeldung geht der Senat auch von Vorsatz aus. So war für den Kläger erkennbar, dass bei einer Beschäftigung von 45 Stunden pro Woche eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und nicht mehr eine nur gelegentliche Hilfe vorlag. Dies gilt umso mehr, als er selbst in seiner Bescheinigung vom 23.05.2006 Angaben zum Krankenversicherungsbeitrag gemacht hat. Insoweit hätte ihm deutlich sein müssen, dass eine Beschäftigung sozialversicherungspflichtig ist. Nichts anderes gilt aber auch für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 4) auf "400,- EUR Basis" auch insofern hätte dem Kläger bei einer Beschäftigung der Beigeladenen zu 4) in einem Umfang von 20 Stunden pro Woche ohne weiteres klar sein müssen, dass für diese Tätigkeit Sozialversicherungspflicht besteht.

Fehler in der Berechnung der Beklagten sind im Übrigen weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Beklagte hat auch zu Recht Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV erhoben. Insbesondere scheidet die Erhebung von Säumniszuschlägen im vorliegenden Fall nicht nach § 24 Abs 2 SGB IV aus. Danach ist ein auf eine durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellte Beitragsforderung entfallender Säumniszuschläge nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Der Kläger beruft sich im vorliegenden Fall darauf, dass die Beigeladene zu 4) bei ihm nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden, sondern nur als Hilfskraft tätig gewesen sei. Wie bereits dargelegt, hält der Senat dies jedoch lediglich für eine Schutzbehauptung. Der Kläger wusste, dass die Beigeladene zu 4) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand. Ihm war zudem bekannt, dass er als Arbeitgeber verpflichtet ist, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht, unverschuldet keine Kenntnisse von seiner Zahlungspflicht gehabt zu haben.

Nach alledem erweisen sich die Bescheide der Beklagten als rechtmäßig. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 3, 47 Gerichtskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem mit Bescheid vom 06.09.2007 geforderten Betrag. Bei der Berechnung des Streitwerts sind über die umstrittene Beitragsforderung hinaus Säumniszuschläge werterhöhend zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl Urteil vom 14.05.2013, L 11 KR 4741/11, unter Hinweis auf BSG 10.06.2010, B 2 U 4/10 B, SozR 4-1920 § 43 Nr 1; LSG Baden-Württemberg 26.01.2009, L 10 R 5795/08 B-B).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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