L 26 AS 2821/14 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 194 AS 22413/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 AS 2821/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 08. Oktober 2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 18. September 2014 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 28. Februar 2015 in Höhe von insgesamt 319,54 Euro für die Zeit vom 18. bis zum 30. September 2014, in Höhe von insgesamt 737,40 Euro monatlich für die Zeit vom 01. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2014 und für die Monate Januar und Februar 2015 in Höhe von insgesamt 764,60 Euro monatlich sowie vorläufig Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung ab dem 18. September 2014 bis zum 28. Februar 2015 in Höhe von derzeit insgesamt 62,90 Euro täglich zu zahlen. Der Antragsgegner trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für das Beschwerdeverfahren.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist zulässig, aber unbegründet. Wie das Sozialgericht hält auch der Senat die Frage, ob der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) gegenüber Unionsbürgern, die sich zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik aufhalten, Geltung beanspruchen kann oder ob (vorrangige) europarechtliche Regelungen ihn entweder verdrängen oder er zumindest in deren Lichte europarechtskonform in seinem Anwendungsbereich für Unionsbürger einschränkend auszulegen ist, nach wie vor für offen (vgl. Beschluss des Senats in gleicher Besetzung vom 28. Oktober 2014 - L 28 AS 2430/14 B ER -). Dieser Einschätzung steht auch nicht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 11. November 2014 - C-333/13 - entgegen, denn dieses betrifft den Fall einer in die Bundesrepublik eingereisten Unionsbürgerin, die sich insbesondere nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU berufen konnte. Der EuGH hat zu dieser Fallkonstellation lediglich entschieden, dass die Unionsbürgerrichtlinie und die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die Staatsangehörige anderer Mitgliedsstaaten vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" ausschließt, [ ] sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedsstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie zusteht. Zu der Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform ist und welcher Personenkreis von dem gesetzlichen Leistungsausschluss betroffen ist, verhält sich die Entscheidung nicht. Anders als in dem erwähnten Fall, den das Sozialgericht Leipzig dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens vorgelegt hatte, sieht es der Senat hier als hinreichend glaubhaft an, dass sich die Antragsteller zu 1) und 2) zur Arbeitsuche im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU in Deutschland aufhalten. Es ist deshalb weiterhin allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, bei der abzuwägen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, sich die zugrunde liegenden Normen aber als europarechtswidrig erweisen sollten, gegenüber der Lage, die entstünde, wenn die begehrte Anordnung erlassen würde, obwohl die Normen im Einklang mit Europarecht stehen. Die Folgenabwägung ist nach diesen Grundsätzen zu Gunsten der hilfebedürftigen Antragsteller zu treffen gewesen.

Da eine Entscheidung durch Beschluss dem Grunde nach wegen der fehlenden Verweisung in § 142 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf das in § 130 SGG geregelte Grundurteil nicht in Betracht kommt, war der Tenor der angefochtenen Entscheidung jedoch klarzustellen. Der Gesamtbedarf der Antragsteller beträgt nach Abzug des vom Sozialgericht im Wege der Folgenabwägung vorgenommenen Abschlags von 15% von dem Regelbedarf für die Antragsteller zu 1) und 2) (jeweils 353,- Euro, ab Januar 2015 360,- Euro) bzw. dem Sozialgeld für die Antragsteller zu 3) bis 5) (296,- Euro und 261,- Euro, ab Januar 2015 302,- Euro und 267,- Euro) sowie der Anrechnung des monatlichen Kindergeldes in Höhe von insgesamt 558,- Euro 737,40 Euro monatlich für die Monate Oktober bis Dezember 2014, der Monat September 2014 ist nur anteilig in Höhe von 319,54 Euro zu berücksichtigen (§ 41 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB II). Für die Monate Januar und Februar 2015 erhöht sich der Regelbedarf unter Berücksichtigung der seit dem 01. Januar 2015 geltenden höheren Regelbedarfssätze auf insgesamt 764,60 Euro monatlich. Der Antragsgegner hat außerdem in der Zeit vom 18. September 2014 bis zum 28. Februar 2015 vorläufig Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu zahlen. Nach telefonischer Auskunft des Bezirksamts F-K von B - Ordnungsbehörde im Amt für Soziales - vom 12. November 2014 betragen die Unterkunftskosten für die Antragsteller derzeit 12,58 pro Person und Tag, also für diese insgesamt 62,90 Euro pro Tag. Der Tagessatz ist nach der Auskunft abhängig vom Belegungsgrad der Unterkunft und deshalb schwankend. Er wird jeweils rückwirkend angepasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG). Mit ihm erledigt sich zugleich der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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