Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 549/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig sind Honorarkürzungen wegen fehlender Fortbildungsnachweise.
Die Klägerinnen sind in Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft) als hausärztlich tätige Fachärztin für Innere Medizin (Frau S) und Fachärztin für Allgemeinmedizin (Frau I) in C zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Unter Hinweis auf § 95 d SGB V kürzte die Beklagte das Honorar von Frau S mit Abrechnungsbescheiden vom 26.01.2010 (3/2009) um 4.871,50 EUR (10 %), 27.04.2010 (4/2009) um 4.619,99 EUR (10 %), 27.07.2010 (1/2010) um 4.765,30 EUR (10 %), 26.10.2010 (2/2010) um 5.246,49 EUR (10 %), 25.01.2011 (3/2010) um 13.185,71 EUR (25 %), 26.04.2011 (4/2010) um 14.406,83 EUR (25 %) und 26.07.2011 (1/2011) um 15.515,36 EUR (25 %). In Bezug auf Frau I kürzte die Beklagte mit den genannten Bescheiden für das Quartal 2/2010 das Honorar um 1.323,71 EUR, für das Quartal 3/2010 um 1.283,87 EUR, für das Quartal 4/2010 um 1.438,98 EUR und für das Quartal 1/2011 um 1.508,29 EUR (jeweils 10 %). Hiergegen unter dem 15.09.2011 eingelegte Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2012 wegen Verfristung als unzulässig zurück. Eine dagegen erhobene Klage zum Aktenzeichen S 2 KA 37/12 haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 05.03.2014 zurückgenommen.
Mit Abrechnungsbescheid für das Quartal 2/2011 kürzte die Beklagte das Honorar von Frau S um 13.311,17 EUR und das Honorar von Frau I um 5.295,53 EUR (jeweils 25 %). Einem hiergegen eingelegten Widerspruch gab sie mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2012 im Sinne einer Einzelfallentscheidung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht statt.
Unter dem 15.02.2012 stellten die Klägerinnen bei der Beklagten einen Antrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf Rücknahme der Honorarkürzungen für die Quartale 3/2009 bis 1/2011. Zu den maßgeblichen Stichtagen hätten beide Ärztinnen die Fortbildung im erforderlichen Umfang erfüllt bzw. übererfüllt und gegenüber der Ärztekammer Nordrhein nachgewiesen. Bedauerlicherweise habe diese die notwendigen Informationen nicht an die im selben Hause befindliche Beklagte weitergeleitet. Der Irrtum bei den Klägerinnen, die Fortbildungen an die "richtige Stelle" gemeldet zu haben, könne die Honorarkürzungen in dieser exorbitanten Höhe nicht rechtfertigen. Ziel von Sanktionen sei es nicht, diejenigen Ärzte zu bestrafen, die lediglich formal den Nachweis nur bei der Ärztekammer vorgelegt hätten, sondern diejenigen Ärzte zu sanktionieren, deren vertragsärztliche Leistungen durch mangelnde Fortbildung eine schlechtere Qualität aufwiesen.
Mit Bescheid vom 22.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Honorarbescheide seien rechtmäßig ergangen. Der Umstand, dass die Klägerinnen in den maßgeblichen Zeiträumen die Fortbildungspunkte korrekt erreicht hätten, sei der Beklagten zum Zeitpunkt des Erlasses der Honorarbescheide nicht bekannt gewesen, da der Nachweis erst am 16.09.2011 bzw. 13.09.2011 geführt worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 25.10.2012 erhobene Klage.
Die Klägerinnen beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Honorarkürzungen nach § 95 d SGB V in den Bescheiden vom 26.01.2010, 27.04.2010, 27.07.2010, 26.10.2010, 25.01.2011, 26.04.2011 und 26.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2012 nach § 44 SGB X zurückzunehmen und den Klägerinnen den Kürzungsbetrag in Höhe von insgesamt 68.166,03 EUR auszuzahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung ihrer Honorarbescheide vom 26.01.2010, 27.04.2010, 27.07.2010, 26.10.2010, 25.01.2011, 26.04.2011 und 26.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2012 erneut über den Widerspruch der Klägerinnen gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2012 über die Rücknahme nach § 44 SGB X der erfolgten Honorarkürzungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden ,
weiter hilfsweise,
dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 des Grundgesetzes die Frage vorzulegen, ob § 95 d SGB V mit dem rechtsstaatlichen Prinzip der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist, wenn er Sanktionen in dem hier streitigen Umfang vorsieht, obwohl die Fortbildung in hinreichendem Umfang erbracht und auch gegenüber der Ärztekammer nachgewiesen wurde, nicht jedoch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.
Bereits die Grundvoraussetzung des § 44 Abs. 2 SGB X, nämlich die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide für die Quartale 3/2009 bis 1/2010, sei nicht erfüllt. Der Nachweiszeitraum habe für die Klägerinnen am 30.06.2009 (Frau S) bzw. 01.01.2010 (Frau I) geendet. Die Nachweise seien jedoch erst im September 2011 erbracht worden. Die Honorarkürzungen begründeten sich nicht mit den nicht rechtzeitig erlangten Fortbildungspunkten, sondern ausschließlich damit, dass die notwendigen Nachweise nicht rechtzeitig geführt worden seien.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akte S 2 KA 37/12 sowie der ebenfalls beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerinnen sind durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtmäßig sind.
Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 SGB X kann ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (vgl. zur Ermessensausübung insofern BSG, Urteil vom 17.09.2008 - B 6 KA 28/07 R -). Soweit die Honorarbescheide für die Quartale 3/2009 bis 1/2011 Honorarkürzungen wegen fehlender Fortbildungsnachweise aussprechen, handelt es sich um nicht begünstigende (belastende) Verwaltungsakte. Die Beklagte hat jedoch rechtsfehlerfrei die Aufhebung dieser Kürzungen abgelehnt, da diese nicht rechtswidrig sind.
Rechtsgrundlage für die Honorarkürzungen ist § 95 d Abs. 3 Satz 4 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig, ist die Kassenärztliche Vereinigung verpflichtet, das an ihn zu zahlende Honorar aus der Vergütung vertragsärztlicher Tätigkeit für die ersten vier Quartale, die auf den Fünfjahreszeitraum folgen, um 10 vom Hundert zu kürzen, ab dem darauf folgenden Quartal um 25 vom Hundert. Die Honorarkürzung endet nach Ablauf des Quartals, in dem der vollständige Fortbildungsnachweis erbracht wird (§ 95d Abs. 3 Satz 4 bis 6 SGB V). Der Vertragsarzt ist verpflichtet, sich in dem Umfang fachlich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Fortentwicklung der zu seiner Berufsausübung in der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist (§ 95d Abs. 1 Satz 1 SGB V). Ein Vertragsarzt hat alle fünf Jahre gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung den Nachweis zu erbringen, dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist; für die Zeit des Ruhens der Zulassung ist die Frist unterbrochen. Vertragsärzte, die am 30. Juni 2004 bereits zugelassen sind, haben den Nachweis nach Satz 1 erstmals bis zum 30. Juni 2009 zu erbringen (§ 95d Abs. 3 Satz 1 bis 3 SGB V). Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht spätestens 2 Jahre nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums, soll die Kassenärztliche Vereinigung unverzüglich einen Antrag auf Entziehung der Zulassung stellen (§ 95d Abs. 3 Satz 7 SGB V).
Nach diesen Vorschriften war Frau S verpflichtet, den Fortbildungsnachweis bis zum 30.06.2009 zu erbringen. Für Frau I endete der Nachweiszeitraum am 01.01.2010. Bis zu diesem Zeitpunkt haben beide Ärztinnen den durch Fortbildungszertifikat der Ärztekammer Nordrhein zu erbringenden Fortbildungsnachweis gegenüber der Beklagten nicht erbracht.
Zwar mögen beide Ärztinnen bis zu den Stichtagen die nötigen Fortbildungen im erforderlichen Umfang von 250 Punkten absolviert oder sogar übererfüllt haben. Auch das Gericht hatte insofern Bedenken, ob die Antwort der Ärztekammer Nordrhein vom 28.03.2014 auf die vom Gericht gestellten Fragen in allen Punkten zutrifft. Es bestand jedoch keine Veranlassung, insofern durch ergänzende Rückfragen weiteren Beweis zu erheben. Denn entscheidungserheblich ist nach § 95 d Abs. 3 SGB V allein der Nachweis der Fortbildung gegenüber der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung.
Die gesetzliche Regelung stellt nicht auf den Erwerb, sondern auf den Nachweis der Fortbildungspunkte ab. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass ein Vertragsarzt alle fünf Jahre gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung "den Nachweis zu erbringen hat", dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist (§ 95d Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V). Der "Nachweis", nicht lediglich die Erfüllung der Fortbildungspflicht, ist erstmals bis zum 30. Juni 2009 zu erbringen (§ 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V). Konsequent knüpft das Gesetz insbesondere auch die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung an den fehlenden Nachweis. Die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung besteht dann, wenn ein Vertragsarzt den "Fortbildungsnachweis" nicht oder nicht vollständig erbringt (§ 95d Abs. 3 Satz 4 SGB V). Die Honorarkürzung endet erst nach Erbringung des "vollständigen Fortbildungsnachweises" (§ 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V). Die Möglichkeit zur Zulassungsentziehung knüpft ebenfalls an den fehlenden "Fortbildungsnachweis" an (§ 95d Abs. 3 Satz 7 und 8 SGB V). Entsprechend stellen auch die Regelungen für angestellte Ärzte auf den "Fortbildungsnachweis" ab (§ 95d Abs. 5 Satz 2 und 6 SGB V).
Unverhältnismäßig ist die an den fehlenden Fortbildungsnachweis geknüpfte Honorarkürzung nicht (SG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2013 - S 2 KA 476/11 - m.w.N.; SG Marburg, Urteil vom 17.01.2014 - S 12 KA 2/13 - m.w.N.; SG Hamburg, Urteil vom 15.02.2012 - S 3 KA 158/10 -). Letztlich handelt es sich um eine bloße Fristenregelung. Die Fortbildung und der Nachweis darüber liegen allein in der Sphäre des Vertragsarztes. Er allein weiß, welche Fortbildungen er absolviert hat und wer ihm hierüber einen Nachweis ausstellen kann. Mit der Stichtagsregelung nach einem Zeitraum von fünf Jahren weiß der Vertragsarzt, wann der Nachweis erbracht sein muss. Hat er die Fortbildung absolviert, so ist es kein wesentlich erhöhter Aufwand, die Nachweise rechtzeitig einzureichen.
Hierbei gewinnt zum Schutz des Vertragsarztes vor allem Bedeutung, dass die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erlassenen Regelungen eine Hinweispflicht beinhalten. Nach § 95 d Abs. 6 Satz 2 und 4 SGB V regelt die KBV das Verfahren des Fortbildungsnachweises und der Honorarkürzung. Die Regelungen sind für die Kassenärztlichen Vereinigungen verbindlich. Nach § 4 Satz 1 der auf dieser Grundlage erlassenen Regelung der KBV zur Fortbildungsverpflichtung für Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten nach § 95 d SGB V vom 16.09.2004 (Dt. Ärztebl. 2005, A 306 f.) sind Vertragsärzte mindestens drei Monate vor Ablauf der für sie geltenden Frist zum Nachweis der Fortbildung darauf hinzuweisen, dass die Versäumnis der Frist mit einer Honorarkürzung gemäß § 95 d Abs. 3 Satz 4 SGB V verbunden ist.
Dahingehende Hinweise haben die Klägerinnen auch erhalten. In ihrem Schreiben vom 17.09.2011 an die Beklagte im Zusammenhang mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens weist Frau S ausdrücklich darauf hin, dass ihr völlig bewusst sei, dass die Beklagte sie mehrfach informiert und aufgefordert habe, die entsprechenden Nachweise vorzulegen, und dass dies von ihr bisher unterblieben sei.
Unabhängig von diesen individuell ergangenen Hinweisen waren die gesetzlich angeordnete Fortbildungspflicht, der zu erbringende Nachweis gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und die bei Verletzung der Pflicht eintretenden Sanktionen auch in allen den Ärzten übersandten Publikationsorganen mehrfach bekannt gegeben worden.
Das Deutsche Ärzteblatt hatte in seiner Ausgabe vom 17.04.2009 (Dt. Ärztebl. 2009, A-736) berichtet, dass Vertragsärzte, die seit dem 30. Juni 2004 zugelassen seien, bis Ende Juni 2009 gegenüber ihren Kassenärztlichen Vereinigungen nachweisen müssten, dass sie sich ausreichend fortgebildet hätten. Dieser Nachweis erfolge über das Fortbildungszertifikat der Ärztekammern. Vor allem denjenigen Ärztinnen und Ärzte, die noch nicht die erforderlichen 250 Fortbildungspunkte erreicht hätten, biete das Deutsche Ärzteblatt zusätzlich mit zwei Extrabeilagen an, über das interaktive Fortbildungsangebot cme.aerzteblatt die Punkte zu erwerben. Pro Beilage würden elf Fortbildungstexte online gestellt und für die korrekte Beantwortung der Fragen zur Lernerfolgskontrolle je Beitrag 3 Fortbildungspunkte vergeben. In einem weiteren Artikel vom 24.04.2009 (Dt. Ärztebl. 2009, A-801) hatte das Deutsche Ärzteblatt unter der Überschrift "Fortbildung: Nachweisfrist endet am 30. Juni" noch einmal umfangreich darauf hingewiesen, dass Vertragsärzte, die zum 30. Juni 2004 zugelassen gewesen seien, schon bald gegenüber ihrer Kassenärztlichen Vereinigung nachweisen müssten, dass sie sich in dem vorgeschriebenen Umfang fortgebildet hätten.
Im Rheinischen Ärzteblatt 2/2009, S. 18/19, vom Februar 2009 wurde unter der Überschrift "´meine ÄkNo´ - Online-Portal sorgt für mehr Service und weniger Papier" auf die Serviceleistungen der Ärztekammer Nordrhein hingewiesen und hierbei u.a. die Möglichkeit benannt, das eigene Fortbildungspunktekonto einzusehen und das Fortbildungszertifikat zu beantragen. Im Rhein. Ärztebl. 3/2009 (März 2009), S. 7, wurde berichtet, dass das Portal "meine ÄkNo" großen Zuspruch erfahren habe. Auch hier wurde noch einmal die Möglichkeit aufgezeigt, das eigene Fortbildungspunktekonto einzusehen und das Fortbildungszertifikat zu beantragen. Schließlich wies das Rhein. Ärztebl. 5/2009 (Mai 2009), S. 7, unter der Überschrift "Nordrheinische Ärzte auf gutem Weg bei Fortbildungsnachweisen" noch einmal ausdrücklich auf die Fortbildungsverpflichtung und den gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung durch Fortbildungszertifikat zu erbringenden Nachweis dieser Pflicht hin.
Auch die KVNo aktuell 3/2009 (März 2009), S. 20, beschäftigte sich unter der Überschrift "Fortbildungsnachweis - Endspurt für 1.700 Ärzte - Stichtag ist der 30. Juni 2009. Dann müssen Ärzte und Psychotherapeuten ihr Fortbildungszertifikat in der Tasche haben." eingehend mit der Sammlung von 250 Punkten bei anerkannten Fortbildungen und dem Nachweis durch Fortbildungszertifikat gegenüber der Beklagten.
Angesichts dieser individuellen und mannigfaltigen allgemeinen Hinweise auf den Nachweis der Fortbildungsverpflichtung gegenüber der Beklagten war es den Klägerinnen möglich und hätte ihnen oblegen, sich rechtzeitig um die Ausstellung eines Fortbildungszertifikates zu bemühen und eventuelle Lücken in ihrem Fortbildungspunktekonto mit der Ärztekammer Nordrhein abzuklären.
Auch die Höhe des gekürzten Honorars ist nicht unverhältnismäßig. Die Kammer verkennt nicht, dass der insgesamt einbehaltene Betrag von 68.166,03 EUR eine beträchtliche Größenordnung darstellt. Dieser Betrag setzt sich jedoch aus einzelnen Teilbeträgen zusammen, nämlich aus Kürzungen um 10 % für die ersten vier Quartale und - in Bezug auf Frau S - weiteren Kürzungen um 25 % für die folgenden drei Quartale. Das Gesetz sieht insofern einen stufenweisen, zunächst schonenden, sich dann verschärfenden Aufbau der Sanktionen vor, um den Vertragsarzt nachdrücklich zur Einhaltung seiner Fortbildungsverpflichtung anzuhalten (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 110) und diesen Nachweis gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zu erbringen. Hinzu kommt, dass die Honorarkürzung nach Ablauf des Quartals endet, in dem der vollständige Fortbildungsnachweis erbracht wird (§ 95 d Abs. 3 Satz 5 SGB V). Wenn die Klägerinnen insofern die erste Belastung ihres Quartalskontos im Abrechnungsbescheid 3/2009 vom 26.01.2010 (Buchungstext: "Kürzung § 95d SGB V") zum Anlass genommen hätten, sich nunmehr zeitnah um die Ausstellung ihrer Fortbildungszertifikate zu bemühen und diese bei der Beklagten einzureichen, wären ab dem Quartal 2/2010 keine Honorarkürzungen mehr erfolgt.
Die Kammer hielt daher die Sanktionsregelung des § 95 d Abs. 3 SGB V nicht für unverhältnismäßig, so dass eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht in Betracht kamen.
Ein Ermessensspielraum der Beklagten hinsichtlich des Ob der Kürzung, des Kürzungsumfangs oder der Dauer der Kürzungen besteht nicht. Es handelt sich um gebundene Verwaltung (Pawlita, juris-PK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 95 d, Rdnr. 35). Rechenfehler oder Fehler in der Dauer der Kürzungen weisen die streitbefangenen Abrechnungsbescheide nicht auf. Die Honorarkürzungen sind damit insgesamt rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Tatbestand:
Streitig sind Honorarkürzungen wegen fehlender Fortbildungsnachweise.
Die Klägerinnen sind in Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft) als hausärztlich tätige Fachärztin für Innere Medizin (Frau S) und Fachärztin für Allgemeinmedizin (Frau I) in C zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Unter Hinweis auf § 95 d SGB V kürzte die Beklagte das Honorar von Frau S mit Abrechnungsbescheiden vom 26.01.2010 (3/2009) um 4.871,50 EUR (10 %), 27.04.2010 (4/2009) um 4.619,99 EUR (10 %), 27.07.2010 (1/2010) um 4.765,30 EUR (10 %), 26.10.2010 (2/2010) um 5.246,49 EUR (10 %), 25.01.2011 (3/2010) um 13.185,71 EUR (25 %), 26.04.2011 (4/2010) um 14.406,83 EUR (25 %) und 26.07.2011 (1/2011) um 15.515,36 EUR (25 %). In Bezug auf Frau I kürzte die Beklagte mit den genannten Bescheiden für das Quartal 2/2010 das Honorar um 1.323,71 EUR, für das Quartal 3/2010 um 1.283,87 EUR, für das Quartal 4/2010 um 1.438,98 EUR und für das Quartal 1/2011 um 1.508,29 EUR (jeweils 10 %). Hiergegen unter dem 15.09.2011 eingelegte Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2012 wegen Verfristung als unzulässig zurück. Eine dagegen erhobene Klage zum Aktenzeichen S 2 KA 37/12 haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 05.03.2014 zurückgenommen.
Mit Abrechnungsbescheid für das Quartal 2/2011 kürzte die Beklagte das Honorar von Frau S um 13.311,17 EUR und das Honorar von Frau I um 5.295,53 EUR (jeweils 25 %). Einem hiergegen eingelegten Widerspruch gab sie mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2012 im Sinne einer Einzelfallentscheidung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht statt.
Unter dem 15.02.2012 stellten die Klägerinnen bei der Beklagten einen Antrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf Rücknahme der Honorarkürzungen für die Quartale 3/2009 bis 1/2011. Zu den maßgeblichen Stichtagen hätten beide Ärztinnen die Fortbildung im erforderlichen Umfang erfüllt bzw. übererfüllt und gegenüber der Ärztekammer Nordrhein nachgewiesen. Bedauerlicherweise habe diese die notwendigen Informationen nicht an die im selben Hause befindliche Beklagte weitergeleitet. Der Irrtum bei den Klägerinnen, die Fortbildungen an die "richtige Stelle" gemeldet zu haben, könne die Honorarkürzungen in dieser exorbitanten Höhe nicht rechtfertigen. Ziel von Sanktionen sei es nicht, diejenigen Ärzte zu bestrafen, die lediglich formal den Nachweis nur bei der Ärztekammer vorgelegt hätten, sondern diejenigen Ärzte zu sanktionieren, deren vertragsärztliche Leistungen durch mangelnde Fortbildung eine schlechtere Qualität aufwiesen.
Mit Bescheid vom 22.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Honorarbescheide seien rechtmäßig ergangen. Der Umstand, dass die Klägerinnen in den maßgeblichen Zeiträumen die Fortbildungspunkte korrekt erreicht hätten, sei der Beklagten zum Zeitpunkt des Erlasses der Honorarbescheide nicht bekannt gewesen, da der Nachweis erst am 16.09.2011 bzw. 13.09.2011 geführt worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 25.10.2012 erhobene Klage.
Die Klägerinnen beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Honorarkürzungen nach § 95 d SGB V in den Bescheiden vom 26.01.2010, 27.04.2010, 27.07.2010, 26.10.2010, 25.01.2011, 26.04.2011 und 26.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2012 nach § 44 SGB X zurückzunehmen und den Klägerinnen den Kürzungsbetrag in Höhe von insgesamt 68.166,03 EUR auszuzahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung ihrer Honorarbescheide vom 26.01.2010, 27.04.2010, 27.07.2010, 26.10.2010, 25.01.2011, 26.04.2011 und 26.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2012 erneut über den Widerspruch der Klägerinnen gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2012 über die Rücknahme nach § 44 SGB X der erfolgten Honorarkürzungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden ,
weiter hilfsweise,
dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 des Grundgesetzes die Frage vorzulegen, ob § 95 d SGB V mit dem rechtsstaatlichen Prinzip der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist, wenn er Sanktionen in dem hier streitigen Umfang vorsieht, obwohl die Fortbildung in hinreichendem Umfang erbracht und auch gegenüber der Ärztekammer nachgewiesen wurde, nicht jedoch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.
Bereits die Grundvoraussetzung des § 44 Abs. 2 SGB X, nämlich die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide für die Quartale 3/2009 bis 1/2010, sei nicht erfüllt. Der Nachweiszeitraum habe für die Klägerinnen am 30.06.2009 (Frau S) bzw. 01.01.2010 (Frau I) geendet. Die Nachweise seien jedoch erst im September 2011 erbracht worden. Die Honorarkürzungen begründeten sich nicht mit den nicht rechtzeitig erlangten Fortbildungspunkten, sondern ausschließlich damit, dass die notwendigen Nachweise nicht rechtzeitig geführt worden seien.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akte S 2 KA 37/12 sowie der ebenfalls beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerinnen sind durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtmäßig sind.
Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 SGB X kann ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (vgl. zur Ermessensausübung insofern BSG, Urteil vom 17.09.2008 - B 6 KA 28/07 R -). Soweit die Honorarbescheide für die Quartale 3/2009 bis 1/2011 Honorarkürzungen wegen fehlender Fortbildungsnachweise aussprechen, handelt es sich um nicht begünstigende (belastende) Verwaltungsakte. Die Beklagte hat jedoch rechtsfehlerfrei die Aufhebung dieser Kürzungen abgelehnt, da diese nicht rechtswidrig sind.
Rechtsgrundlage für die Honorarkürzungen ist § 95 d Abs. 3 Satz 4 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig, ist die Kassenärztliche Vereinigung verpflichtet, das an ihn zu zahlende Honorar aus der Vergütung vertragsärztlicher Tätigkeit für die ersten vier Quartale, die auf den Fünfjahreszeitraum folgen, um 10 vom Hundert zu kürzen, ab dem darauf folgenden Quartal um 25 vom Hundert. Die Honorarkürzung endet nach Ablauf des Quartals, in dem der vollständige Fortbildungsnachweis erbracht wird (§ 95d Abs. 3 Satz 4 bis 6 SGB V). Der Vertragsarzt ist verpflichtet, sich in dem Umfang fachlich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Fortentwicklung der zu seiner Berufsausübung in der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist (§ 95d Abs. 1 Satz 1 SGB V). Ein Vertragsarzt hat alle fünf Jahre gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung den Nachweis zu erbringen, dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist; für die Zeit des Ruhens der Zulassung ist die Frist unterbrochen. Vertragsärzte, die am 30. Juni 2004 bereits zugelassen sind, haben den Nachweis nach Satz 1 erstmals bis zum 30. Juni 2009 zu erbringen (§ 95d Abs. 3 Satz 1 bis 3 SGB V). Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht spätestens 2 Jahre nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums, soll die Kassenärztliche Vereinigung unverzüglich einen Antrag auf Entziehung der Zulassung stellen (§ 95d Abs. 3 Satz 7 SGB V).
Nach diesen Vorschriften war Frau S verpflichtet, den Fortbildungsnachweis bis zum 30.06.2009 zu erbringen. Für Frau I endete der Nachweiszeitraum am 01.01.2010. Bis zu diesem Zeitpunkt haben beide Ärztinnen den durch Fortbildungszertifikat der Ärztekammer Nordrhein zu erbringenden Fortbildungsnachweis gegenüber der Beklagten nicht erbracht.
Zwar mögen beide Ärztinnen bis zu den Stichtagen die nötigen Fortbildungen im erforderlichen Umfang von 250 Punkten absolviert oder sogar übererfüllt haben. Auch das Gericht hatte insofern Bedenken, ob die Antwort der Ärztekammer Nordrhein vom 28.03.2014 auf die vom Gericht gestellten Fragen in allen Punkten zutrifft. Es bestand jedoch keine Veranlassung, insofern durch ergänzende Rückfragen weiteren Beweis zu erheben. Denn entscheidungserheblich ist nach § 95 d Abs. 3 SGB V allein der Nachweis der Fortbildung gegenüber der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung.
Die gesetzliche Regelung stellt nicht auf den Erwerb, sondern auf den Nachweis der Fortbildungspunkte ab. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass ein Vertragsarzt alle fünf Jahre gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung "den Nachweis zu erbringen hat", dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist (§ 95d Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V). Der "Nachweis", nicht lediglich die Erfüllung der Fortbildungspflicht, ist erstmals bis zum 30. Juni 2009 zu erbringen (§ 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V). Konsequent knüpft das Gesetz insbesondere auch die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung an den fehlenden Nachweis. Die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung besteht dann, wenn ein Vertragsarzt den "Fortbildungsnachweis" nicht oder nicht vollständig erbringt (§ 95d Abs. 3 Satz 4 SGB V). Die Honorarkürzung endet erst nach Erbringung des "vollständigen Fortbildungsnachweises" (§ 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V). Die Möglichkeit zur Zulassungsentziehung knüpft ebenfalls an den fehlenden "Fortbildungsnachweis" an (§ 95d Abs. 3 Satz 7 und 8 SGB V). Entsprechend stellen auch die Regelungen für angestellte Ärzte auf den "Fortbildungsnachweis" ab (§ 95d Abs. 5 Satz 2 und 6 SGB V).
Unverhältnismäßig ist die an den fehlenden Fortbildungsnachweis geknüpfte Honorarkürzung nicht (SG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2013 - S 2 KA 476/11 - m.w.N.; SG Marburg, Urteil vom 17.01.2014 - S 12 KA 2/13 - m.w.N.; SG Hamburg, Urteil vom 15.02.2012 - S 3 KA 158/10 -). Letztlich handelt es sich um eine bloße Fristenregelung. Die Fortbildung und der Nachweis darüber liegen allein in der Sphäre des Vertragsarztes. Er allein weiß, welche Fortbildungen er absolviert hat und wer ihm hierüber einen Nachweis ausstellen kann. Mit der Stichtagsregelung nach einem Zeitraum von fünf Jahren weiß der Vertragsarzt, wann der Nachweis erbracht sein muss. Hat er die Fortbildung absolviert, so ist es kein wesentlich erhöhter Aufwand, die Nachweise rechtzeitig einzureichen.
Hierbei gewinnt zum Schutz des Vertragsarztes vor allem Bedeutung, dass die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erlassenen Regelungen eine Hinweispflicht beinhalten. Nach § 95 d Abs. 6 Satz 2 und 4 SGB V regelt die KBV das Verfahren des Fortbildungsnachweises und der Honorarkürzung. Die Regelungen sind für die Kassenärztlichen Vereinigungen verbindlich. Nach § 4 Satz 1 der auf dieser Grundlage erlassenen Regelung der KBV zur Fortbildungsverpflichtung für Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten nach § 95 d SGB V vom 16.09.2004 (Dt. Ärztebl. 2005, A 306 f.) sind Vertragsärzte mindestens drei Monate vor Ablauf der für sie geltenden Frist zum Nachweis der Fortbildung darauf hinzuweisen, dass die Versäumnis der Frist mit einer Honorarkürzung gemäß § 95 d Abs. 3 Satz 4 SGB V verbunden ist.
Dahingehende Hinweise haben die Klägerinnen auch erhalten. In ihrem Schreiben vom 17.09.2011 an die Beklagte im Zusammenhang mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens weist Frau S ausdrücklich darauf hin, dass ihr völlig bewusst sei, dass die Beklagte sie mehrfach informiert und aufgefordert habe, die entsprechenden Nachweise vorzulegen, und dass dies von ihr bisher unterblieben sei.
Unabhängig von diesen individuell ergangenen Hinweisen waren die gesetzlich angeordnete Fortbildungspflicht, der zu erbringende Nachweis gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und die bei Verletzung der Pflicht eintretenden Sanktionen auch in allen den Ärzten übersandten Publikationsorganen mehrfach bekannt gegeben worden.
Das Deutsche Ärzteblatt hatte in seiner Ausgabe vom 17.04.2009 (Dt. Ärztebl. 2009, A-736) berichtet, dass Vertragsärzte, die seit dem 30. Juni 2004 zugelassen seien, bis Ende Juni 2009 gegenüber ihren Kassenärztlichen Vereinigungen nachweisen müssten, dass sie sich ausreichend fortgebildet hätten. Dieser Nachweis erfolge über das Fortbildungszertifikat der Ärztekammern. Vor allem denjenigen Ärztinnen und Ärzte, die noch nicht die erforderlichen 250 Fortbildungspunkte erreicht hätten, biete das Deutsche Ärzteblatt zusätzlich mit zwei Extrabeilagen an, über das interaktive Fortbildungsangebot cme.aerzteblatt die Punkte zu erwerben. Pro Beilage würden elf Fortbildungstexte online gestellt und für die korrekte Beantwortung der Fragen zur Lernerfolgskontrolle je Beitrag 3 Fortbildungspunkte vergeben. In einem weiteren Artikel vom 24.04.2009 (Dt. Ärztebl. 2009, A-801) hatte das Deutsche Ärzteblatt unter der Überschrift "Fortbildung: Nachweisfrist endet am 30. Juni" noch einmal umfangreich darauf hingewiesen, dass Vertragsärzte, die zum 30. Juni 2004 zugelassen gewesen seien, schon bald gegenüber ihrer Kassenärztlichen Vereinigung nachweisen müssten, dass sie sich in dem vorgeschriebenen Umfang fortgebildet hätten.
Im Rheinischen Ärzteblatt 2/2009, S. 18/19, vom Februar 2009 wurde unter der Überschrift "´meine ÄkNo´ - Online-Portal sorgt für mehr Service und weniger Papier" auf die Serviceleistungen der Ärztekammer Nordrhein hingewiesen und hierbei u.a. die Möglichkeit benannt, das eigene Fortbildungspunktekonto einzusehen und das Fortbildungszertifikat zu beantragen. Im Rhein. Ärztebl. 3/2009 (März 2009), S. 7, wurde berichtet, dass das Portal "meine ÄkNo" großen Zuspruch erfahren habe. Auch hier wurde noch einmal die Möglichkeit aufgezeigt, das eigene Fortbildungspunktekonto einzusehen und das Fortbildungszertifikat zu beantragen. Schließlich wies das Rhein. Ärztebl. 5/2009 (Mai 2009), S. 7, unter der Überschrift "Nordrheinische Ärzte auf gutem Weg bei Fortbildungsnachweisen" noch einmal ausdrücklich auf die Fortbildungsverpflichtung und den gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung durch Fortbildungszertifikat zu erbringenden Nachweis dieser Pflicht hin.
Auch die KVNo aktuell 3/2009 (März 2009), S. 20, beschäftigte sich unter der Überschrift "Fortbildungsnachweis - Endspurt für 1.700 Ärzte - Stichtag ist der 30. Juni 2009. Dann müssen Ärzte und Psychotherapeuten ihr Fortbildungszertifikat in der Tasche haben." eingehend mit der Sammlung von 250 Punkten bei anerkannten Fortbildungen und dem Nachweis durch Fortbildungszertifikat gegenüber der Beklagten.
Angesichts dieser individuellen und mannigfaltigen allgemeinen Hinweise auf den Nachweis der Fortbildungsverpflichtung gegenüber der Beklagten war es den Klägerinnen möglich und hätte ihnen oblegen, sich rechtzeitig um die Ausstellung eines Fortbildungszertifikates zu bemühen und eventuelle Lücken in ihrem Fortbildungspunktekonto mit der Ärztekammer Nordrhein abzuklären.
Auch die Höhe des gekürzten Honorars ist nicht unverhältnismäßig. Die Kammer verkennt nicht, dass der insgesamt einbehaltene Betrag von 68.166,03 EUR eine beträchtliche Größenordnung darstellt. Dieser Betrag setzt sich jedoch aus einzelnen Teilbeträgen zusammen, nämlich aus Kürzungen um 10 % für die ersten vier Quartale und - in Bezug auf Frau S - weiteren Kürzungen um 25 % für die folgenden drei Quartale. Das Gesetz sieht insofern einen stufenweisen, zunächst schonenden, sich dann verschärfenden Aufbau der Sanktionen vor, um den Vertragsarzt nachdrücklich zur Einhaltung seiner Fortbildungsverpflichtung anzuhalten (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 110) und diesen Nachweis gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zu erbringen. Hinzu kommt, dass die Honorarkürzung nach Ablauf des Quartals endet, in dem der vollständige Fortbildungsnachweis erbracht wird (§ 95 d Abs. 3 Satz 5 SGB V). Wenn die Klägerinnen insofern die erste Belastung ihres Quartalskontos im Abrechnungsbescheid 3/2009 vom 26.01.2010 (Buchungstext: "Kürzung § 95d SGB V") zum Anlass genommen hätten, sich nunmehr zeitnah um die Ausstellung ihrer Fortbildungszertifikate zu bemühen und diese bei der Beklagten einzureichen, wären ab dem Quartal 2/2010 keine Honorarkürzungen mehr erfolgt.
Die Kammer hielt daher die Sanktionsregelung des § 95 d Abs. 3 SGB V nicht für unverhältnismäßig, so dass eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht in Betracht kamen.
Ein Ermessensspielraum der Beklagten hinsichtlich des Ob der Kürzung, des Kürzungsumfangs oder der Dauer der Kürzungen besteht nicht. Es handelt sich um gebundene Verwaltung (Pawlita, juris-PK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 95 d, Rdnr. 35). Rechenfehler oder Fehler in der Dauer der Kürzungen weisen die streitbefangenen Abrechnungsbescheide nicht auf. Die Honorarkürzungen sind damit insgesamt rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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