L 23 SO 298/14 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 49 SO 2633/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 298/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 2014 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 17a Abs. 2, Abs. 4 Satz 3 GVG statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

Für die vorliegende Streitigkeit ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht eröffnet. Der Rechtsstreit war vom Sozialgericht an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen.

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden nach § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten (u.a.) in Angelegenheiten der Sozialhilfe.

Von einer Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialhilfe ist auszugehen, wenn die begehrte Rechtsfolge ihre rechtliche Grundlage in den Vorschriften des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – findet (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 51, Rn. 33b; Gutzeit in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 51, Rn. 70).

Vorliegend wird ein Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch – SGB VIII – verfolgt, aus dem die begehrte Rechtsfolge resultiert. Damit ist nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Für diese öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist vielmehr der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO - ).

Der 1999 geborene Antragsteller, bei dem wegen einer autistischen Behinderung ein Förderbedarf festgestellt ist, begehrt im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung die Gewährung von Einzelfallhilfen für den Schulbesuch im Rahmen der Eingliederungshilfe – EinglH -. Eine geistige oder körperliche Behinderung ist bei dem Antragsteller nicht festgestellt, das Vorliegen einer anderen als einer seelischen Behinderung wird auch nicht geltend gemacht.

Der geltend gemachte Anspruch auf Leistungen der EinglH richtet sich daher gegen den Träger der Jugendhilfe und kann gemäß § 35 Abs. 1 SGB VIII nur aus den Regelungen des SGB VIII folgen, wobei sich die Art der Leistung der EinglH nach §§ 53 Abs. 3, 4 Satz 1 und den §§ 54, 56 und 57 SGB XII richtet (§ 35 Abs. 3 SGB XII). Dass der Leistungskatalog des SGB XII ebenfalls Leistungen der EinglH vorsieht, führt nicht dazu, dass das Begehren des Antragstellers eine Angelegenheit der Sozialhilfe im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG ist. Die umfassende Aufgabe der Sozialhilfe, Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Satz 1 SGB XII) und etwa durch die im SGB XII vorgesehenen Leistungsarten, zu denen auch die Leistungen der EinglH gehören, bei einem Ausfall eines anderen Leistungsträgers eintreten zu müssen, führt nicht dazu, dass das konkrete Leistungsbegehren sich als solches der Sozialhilfe darstellt. Der Nachranggrundsatz in § 2 SGB XII verweist den Hilfebedürftigen hinsichtlich der geltend gemachten Bedarfe auf vorrangige Leistungsverpflichtungen anderer Leistungsträger, gegenüber diesen sind Ansprüche zu verfolgen. Die allgemeine subsidiäre Eintrittspflicht des Sozialhilfeträgers bei Ausfall des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers eröffnet jedenfalls dann nicht den Rechtsweg zu den Sozialgerichten, wenn der Anspruch gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger gerade – wie hier – Gegenstand des Rechtsstreits ist.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt hier auch kein Anspruch nach dem SGB XII neben dem geltend gemachten Anspruch auf Leistungen der EinglH nach dem SGB VIII in Betracht. Die Leistungen nach dem SGB VIII gehen den Leistungen nach dem SGB XII vor (§ 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII). Dies gilt zwar nicht für Leistungen der EinglH für junge Menschen mit geistigen und/oder körperlichen Behinderungen, so dass für diesen Personenkreis auch neben oder anstelle von Leistungen nach dem SGB VIII Ansprüche nach dem SGB XII möglich sind, so dass eine Angelegenheit der Sozialhilfe gegeben sein kann. Liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB XII jedoch – wie hier – nicht vor, verbleibt es bei der einzigen vorrangigen Zuständigkeit des Trägers nach dem SGB VIII für Leistungen der EinglH nach dem SGB VIII. Soweit unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – (v. 09.03.2007 – L 13 SO 6/06 ER, juris) angeführt wird, dass - solange kein Leistungsträger Leistungen bewilligt hat - auch Ansprüche nach dem SGB XII zustehen können, folgt daraus – wie bereits dargestellt – nicht, dass in jedem Fall einer möglichen nachrangigen Verpflichtung des Sozialhilfeträgers nach dem SGB XII eine Angelegenheit der Sozialhilfe nach § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGB XII anzunehmen wäre. Wie das BVerwG in der angeführten Entscheidung nämlich ausführt, setzt die Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (BVerwG noch zu § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII a.F.) nicht mehr voraus, als dass dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, Maßnahmen der EinglH nach dem SGB XII (BVerwG noch zum Bundessozialhilfegesetz – BSHG -) an junge Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung (oder jungen Menschen, die von einer solchen Behinderung bedroht sind) geleistet werden oder zu leisten sind (BVerwG, a.a.O., juris, Rn. 12). Die Erfüllung dieses Tatbestandes bewirkt dann die vorrangige Verpflichtung des Trägers der Sozialhilfe nach dem SGB XII auch wenn eine vorliegende seelische Behinderung zu Leistungsansprüchen nach dem SGB VIII führt. Kommen also Leistungsverpflichtungen nach dem SGB XII und dem SGB VIII in Betracht, kann ein mögliches Vor- und Nachrangverhältnis nicht zur Verneinung einer Angelegenheit der Sozialhilfe führen, denn der Anspruch begründet sich dann zumindest auch nach dem SGB XII. Insofern kommt es für den vom Hilfebedürftigen geltend gemachten Anspruch dann auch nicht darauf an, ob etwaige Erstattungsansprüche eines nachrangig verpflichteten Leistungsträgers bestehen. Diese betreffen den geltend gemachten Anspruch ohnehin nicht (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 14).

Vorliegend kommt aber allein ein Anspruch auf Leistungen der EinglH nach dem SGB VIII in Betracht mit der Folge, dass der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beschrittene Rechtsweg unzulässig ist (LSG Nds.-Br. v. 09.03.2007 – L 13 SO 6/06 ER, juris, Rn. 30; vgl. zur Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte bei allein möglichen Ansprüchen auf Leistungen der EinglH nach dem SGB XII: VG Oldenburg v. 16.04.2007 – 13 B 152/07 – juris, Rn. 7, 14).

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar. Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde an das Bundessozialgericht liegen nicht vor (§ 17a Abs. 4 GVG). In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist eine weitere Beschwerde nach § 17a Abs. 4 GVG nicht zulässig (BSG v. 24.0.2008 – B 3 SF 1/08 R – juris; BVerwG v. 08.08.2006 – 6 B 65/06 – juris -). Der Antragsteller mag der Klärung des Rechtsweges grundsätzliche Bedeutung beimessen und deshalb eine Entscheidung des Bundessozialgericht herbeiführen wollen. Dieser Wunsch ist jedoch nicht vereinbar mit dem in der Sache geltend gemachten Eilbedürfnis im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Dieses Eilbedürfnis und die entsprechende Ausgestaltung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bedingen, dass in dem hier betriebenen Zwischenverfahren kein weitergehender Instanzenzug eröffnet ist als in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren selbst (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 1).
Rechtskraft
Aus
Saved