Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 BL 684/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ist die Gewährung von baden-württembergischer Landesblindenhilfe an Asylbewerber auch in den Fällen ausgeschlossen, in denen bereits ein langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet vorliegt.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Landesblindenhilfe im Streit.
Der am geborene, aufgrund einer Erkrankung erblindete Kläger besitzt die Staatsange-hörigkeit und wohnt seit ... in B. Er ist Asylbewerber mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und erhält Leistungen nach dem Asylbewerberleis-tungsgesetz (AsylbLG). Der Kläger ist bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet und kümmert sich nach eigenen Angaben um den Familienhaushalt.
Am 06.06.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Landesblinden-hilfe. Er gab an, weder nach dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) noch aufgrund anderer Rechtsvorschriften Leistungen wegen Blindheit zu beziehen. Der Kläger legte seinen Schwerbehindertenausweis vom 07.09.2009 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie den Merkzeichen B, G und RF seit dem 21.05.2008 sowie dem Merkzeichen BL ab dem 06.06.2012 vor.
Mit Bescheid vom 12.08.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Landes-blindenhilfe für Baden-Württemberg ab, da nach § 9 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG Leistungsbe-rechtigte nach dem AsylbLG keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Lan-desgesetzen erhalten könnten. Das Gesetz über die Landesblindenhilfe für Baden-Württemberg sei ein vergleichbares Landesgesetz i.S. von § 9 Abs. 1 AsylbLG. Aufgrund der Leistungsberechtigung des Klägers nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 AsylbLG scheide eine Gewährung von Landesblindenhilfe aus.
Der am 11.09.2013 eingelegte Widerspruch wurde zunächst damit begründet, dass der Kläger bereits seit Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitze und sich daher rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Der Kläger sei seit Jahren in Deutschland und es sei nicht anzunehmen, dass der Aufenthalt kurzfristig beendet werde. Da der Kläger sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalte, seien zunächst die Einschränkungen i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht einschlägig. Außerdem sei nach § 2 Abs. 1 AsylbLG abweichend von den §§ 3 bis 7 das SGB XII auf Leistungsberechtigte wie den Kläger anzuwenden. Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit seiner Entscheidung vom 18.07.2012 darauf abgestellt, dass bei der Ausgestaltung von Leistungen nach dem SGB XII nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenziert werden dürfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die von dem Bevollmächtigten zitierte Vorschrift des § 2 AsylbLG sehe eine ausnahmsweise Geltung des SGB XII lediglich abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG vor, was jedoch nicht für die Ausschlussvorschrift des § 9 AsylbLG gelte. Im Übrigen sei das Gesetz über die Landesblindenhilfe für Baden-Württemberg ein eigenständiges Gesetz und keine Leistung, die im SGB XII geregelt sei. Der Kläger sei unverändert im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG und erhalte Leistungen nach dem AsylbLG. Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG seien nicht Leistungsberechtigte nach dem SGB XII. Somit sei eine Bewilligung von Leistungen nach § 72 SGB XII nicht möglich.
Am 26.02.2014 hat der Bevollmächtigte des Klägers beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Kla-ge erhoben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Gesetzeslage nach dem AsylbLG für Personengruppen konzipiert, bei denen eine kurze Aufenthaltsdauer in Deutschland zu erwarten gewesen sei. Die Anspruchsberechtigung des Klägers ergebe sich aus § 2 AsylbLG.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 20.01.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem Gesetz über die Landesblindenhilfe für Baden-Württemberg zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Beim Kläger lägen die Vo-raussetzungen des § 1 Abs. 1 Ziff. 3 AsylbLG und des § 2 Abs. 1 AsylbLG vor. Dort sei geregelt, dass abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII entsprechend anzuwenden sei. Dies bedeute aber auch, dass die §§ 1, 2, 8 bis 13 AsylbLG auch für den Personenkreis nach § 2 Abs. 1 AsylbLG weiter maßgebend blieben (mit Hinweis auf Oestreicher, § 2 AsylbLG RdNr. 37). Damit finde auch § 9 AsylbLG weiterhin keine Anwendung. Soweit in § 2 Abs. 1 AsylbLG das SGB XII für anwendbar erklärt werden, handelt es sich insoweit i.S. von § 9 Abs. 1 AsylbLG um Leistungen nach dem AsylbLG und nicht um solche nach dem SGB XII (mit Hinweis auf Oestreicher § 2 AsylbLG RdNr. 37, § 9 AsylbLG RdNr. 4). Bei Oestreicher finde sich unter § 2 AsylbLG RdNr. 53 (S. 27 bis 34) ein tabellarischer Überblick über die im Rahmen der Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG in Geltung versetzten Vorschriften des SCH XII. Bei der Regelung des § 72 SGBB XII über die Blindenhilfe wird eine direkte Anwendbarkeit verneint (mit Hinweis Oestreicher a.a.O. S. 32). Nach § 9 Abs. 1 AsylbLG gelte dies auch für vergleichbare Landesgesetze.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Akten des SG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Gericht hat nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mit-wirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid entschieden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten haben sich in ihren Schriftsätzen vom 18.08.2014 und vom 15.09.2014 ausdrücklich mit diesem Verfahren einverstanden erklärt.
Die Beklagte hat zutreffend darauf abgestellt, dass die von dem Bevollmächtigten zitierte Vorschrift des § 2 AsylbLG eine ausnahmsweise Geltung des SGB XII lediglich abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG vorsieht, was jedoch nicht für die Ausschlussvorschrift des § 9 AsylbLG gilt. Deswegen erhalten nach dieser Vorschrift Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG wie der Kläger (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG) keine Leistungen nach dem Zwölf-ten Buch Sozialgesetzbuch oder "vergleichbaren" Landesgesetzen, mit Ausnahme der in § 2 AsylbLG geregelten Leistungen, zu denen indes die Blindenhilfe nicht gehört.
Die "Vergleichbarkeit" im Sinne von § 9 Abs. 1 AsylbLG bestimmt sich dabei aus der Sicht des für das AsylbLG zuständigen Bundesgesetzgebers. Dieser ist davon ausgegangen, dass es sich bei den Landesblindengeldgesetzen um mit dem SGB XII vergleichbare Landesgesetze handelt und sowohl das Blindengeld als auch die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII den Aus-gleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen bezweckt. Das Blindengeld dient dabei nicht dazu, eine akute Notlage abzuwenden, sondern ist als Versorgungsleistung bzw. Nachteil-sausgleich für den von einem besonders schweren Schicksal betroffenen Personenkreis der Blinden zu verstehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2011 - 12 A 1011/10 -, juris; VG Frankfurt, Urteil vom 17.12.2004 - 7 E 4602/02 -, juris). Dies ergibt sich für Baden-Württemberg aus § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetz über die Landesblindenhilfe (Blindenhilfegesetz - BliHG) vom 08. Februar 1972 (GBl. 1972, 56, Nr. 2170), wonach auch das baden-württembergische Blindengeld zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen und Benachteiligungen gewährt wird. Bei den Landesblindengesetzen handelt es sich demnach um dem SGB XII vergleichbare Landesgesetze (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. September 2013 – L 7 BL 1/10 –, juris).
Zweck dieses Leistungsausschlusses ist es, Doppelfinanzierungen zu Lasten der öffentlichen Hand zu verhindern. Da sich die Frage der Vergleichbarkeit nach den voranstehenden Aus-führungen nach dem Bundesgesetzgeber bestimmt, kommt es für die vorliegenden Entschei-dung nicht auf die weitere Ausgestaltung der Landesblindenhilfe oder die diesbezügliche Intention des Landesgesetzgebers im Einzelnen an. Der Vorrang des Leistungsausschlusses in § 9 Abs. 1 AsylbLG gegenüber der teilweisen Ausnahmeregelung in § 2 AsylbLG wird auch in der Fachliteratur angenommen (Groth in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 9 AsylbLG RdNr. 20 f.; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 9 AsylbLG RdNr. 1; Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 9 AsylbLG RdNr. 5; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl. 2009, § 9 AsylbLG RdNr. 1).
Das Bundesverfassungsgericht hat seiner von dem Klägerbevollmächtigten zitierten Entscheidung zu den Leistungen nach dem AsylbLG entschieden, dass der Gesetzgeber, falls er bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen will, bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren darf. Eine Differenzierung ist nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134-179). Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG begründet einen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Menschenrecht; es steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Insofern muss ein Leistungsanspruch eingeräumt werden. Bei der Bestimmung der Höhe der derart gebotenen Leistungen verfügt der Gesetzgeber über einen Gestaltungsspielraum; er hat diese Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134-179; BVerfG vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 -, BVerfGE 125, 175 (222)).
Diese Entscheidung ist jedoch deswegen nicht einschlägig für die Lösung der vorliegenden Streitfrage, weil es sich hier nicht um die Gewährung des menschenwürdigen Existenzmini-mums, sondern um bestimmte darüberhinausgehende Leistungen handelt. Insoweit erscheint es nicht verfassungswidrig, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Leistungen nach dem AsylbLG grundsätzlich ein gegenüber dem SGB XII abgeschlossenes eigenes System darstellen (vgl. Groth in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 9 AsylbLG RdNr. 16 ff. m.w.N.). Das Leistungssystem, in dem der Kläger sich befindet, ist zudem grundsätzlich auch offen gegenüber anderen Leistungen, was sich beim Kläger an den vier gewährten Nachteilsausgleichen zeigt, welche auch aufgrund seiner Blindheit gewährt werden, sowie an den am SGB XII orientierten bestimmten anderen Leistungen.
Insoweit gilt für die Kammer die zwingende Regelung des § 9 Abs. 1 AsylbLG, die, da die Kammer nicht im Sinne von Art. 100 Abs. 1 GG von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt ist, anzuwenden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Landesblindenhilfe im Streit.
Der am geborene, aufgrund einer Erkrankung erblindete Kläger besitzt die Staatsange-hörigkeit und wohnt seit ... in B. Er ist Asylbewerber mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und erhält Leistungen nach dem Asylbewerberleis-tungsgesetz (AsylbLG). Der Kläger ist bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet und kümmert sich nach eigenen Angaben um den Familienhaushalt.
Am 06.06.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Landesblinden-hilfe. Er gab an, weder nach dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) noch aufgrund anderer Rechtsvorschriften Leistungen wegen Blindheit zu beziehen. Der Kläger legte seinen Schwerbehindertenausweis vom 07.09.2009 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie den Merkzeichen B, G und RF seit dem 21.05.2008 sowie dem Merkzeichen BL ab dem 06.06.2012 vor.
Mit Bescheid vom 12.08.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Landes-blindenhilfe für Baden-Württemberg ab, da nach § 9 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG Leistungsbe-rechtigte nach dem AsylbLG keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Lan-desgesetzen erhalten könnten. Das Gesetz über die Landesblindenhilfe für Baden-Württemberg sei ein vergleichbares Landesgesetz i.S. von § 9 Abs. 1 AsylbLG. Aufgrund der Leistungsberechtigung des Klägers nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 AsylbLG scheide eine Gewährung von Landesblindenhilfe aus.
Der am 11.09.2013 eingelegte Widerspruch wurde zunächst damit begründet, dass der Kläger bereits seit Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitze und sich daher rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Der Kläger sei seit Jahren in Deutschland und es sei nicht anzunehmen, dass der Aufenthalt kurzfristig beendet werde. Da der Kläger sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalte, seien zunächst die Einschränkungen i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht einschlägig. Außerdem sei nach § 2 Abs. 1 AsylbLG abweichend von den §§ 3 bis 7 das SGB XII auf Leistungsberechtigte wie den Kläger anzuwenden. Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit seiner Entscheidung vom 18.07.2012 darauf abgestellt, dass bei der Ausgestaltung von Leistungen nach dem SGB XII nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenziert werden dürfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die von dem Bevollmächtigten zitierte Vorschrift des § 2 AsylbLG sehe eine ausnahmsweise Geltung des SGB XII lediglich abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG vor, was jedoch nicht für die Ausschlussvorschrift des § 9 AsylbLG gelte. Im Übrigen sei das Gesetz über die Landesblindenhilfe für Baden-Württemberg ein eigenständiges Gesetz und keine Leistung, die im SGB XII geregelt sei. Der Kläger sei unverändert im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG und erhalte Leistungen nach dem AsylbLG. Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG seien nicht Leistungsberechtigte nach dem SGB XII. Somit sei eine Bewilligung von Leistungen nach § 72 SGB XII nicht möglich.
Am 26.02.2014 hat der Bevollmächtigte des Klägers beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Kla-ge erhoben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Gesetzeslage nach dem AsylbLG für Personengruppen konzipiert, bei denen eine kurze Aufenthaltsdauer in Deutschland zu erwarten gewesen sei. Die Anspruchsberechtigung des Klägers ergebe sich aus § 2 AsylbLG.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 20.01.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem Gesetz über die Landesblindenhilfe für Baden-Württemberg zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Beim Kläger lägen die Vo-raussetzungen des § 1 Abs. 1 Ziff. 3 AsylbLG und des § 2 Abs. 1 AsylbLG vor. Dort sei geregelt, dass abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII entsprechend anzuwenden sei. Dies bedeute aber auch, dass die §§ 1, 2, 8 bis 13 AsylbLG auch für den Personenkreis nach § 2 Abs. 1 AsylbLG weiter maßgebend blieben (mit Hinweis auf Oestreicher, § 2 AsylbLG RdNr. 37). Damit finde auch § 9 AsylbLG weiterhin keine Anwendung. Soweit in § 2 Abs. 1 AsylbLG das SGB XII für anwendbar erklärt werden, handelt es sich insoweit i.S. von § 9 Abs. 1 AsylbLG um Leistungen nach dem AsylbLG und nicht um solche nach dem SGB XII (mit Hinweis auf Oestreicher § 2 AsylbLG RdNr. 37, § 9 AsylbLG RdNr. 4). Bei Oestreicher finde sich unter § 2 AsylbLG RdNr. 53 (S. 27 bis 34) ein tabellarischer Überblick über die im Rahmen der Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG in Geltung versetzten Vorschriften des SCH XII. Bei der Regelung des § 72 SGBB XII über die Blindenhilfe wird eine direkte Anwendbarkeit verneint (mit Hinweis Oestreicher a.a.O. S. 32). Nach § 9 Abs. 1 AsylbLG gelte dies auch für vergleichbare Landesgesetze.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Akten des SG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Gericht hat nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mit-wirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid entschieden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten haben sich in ihren Schriftsätzen vom 18.08.2014 und vom 15.09.2014 ausdrücklich mit diesem Verfahren einverstanden erklärt.
Die Beklagte hat zutreffend darauf abgestellt, dass die von dem Bevollmächtigten zitierte Vorschrift des § 2 AsylbLG eine ausnahmsweise Geltung des SGB XII lediglich abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG vorsieht, was jedoch nicht für die Ausschlussvorschrift des § 9 AsylbLG gilt. Deswegen erhalten nach dieser Vorschrift Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG wie der Kläger (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG) keine Leistungen nach dem Zwölf-ten Buch Sozialgesetzbuch oder "vergleichbaren" Landesgesetzen, mit Ausnahme der in § 2 AsylbLG geregelten Leistungen, zu denen indes die Blindenhilfe nicht gehört.
Die "Vergleichbarkeit" im Sinne von § 9 Abs. 1 AsylbLG bestimmt sich dabei aus der Sicht des für das AsylbLG zuständigen Bundesgesetzgebers. Dieser ist davon ausgegangen, dass es sich bei den Landesblindengeldgesetzen um mit dem SGB XII vergleichbare Landesgesetze handelt und sowohl das Blindengeld als auch die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII den Aus-gleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen bezweckt. Das Blindengeld dient dabei nicht dazu, eine akute Notlage abzuwenden, sondern ist als Versorgungsleistung bzw. Nachteil-sausgleich für den von einem besonders schweren Schicksal betroffenen Personenkreis der Blinden zu verstehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2011 - 12 A 1011/10 -, juris; VG Frankfurt, Urteil vom 17.12.2004 - 7 E 4602/02 -, juris). Dies ergibt sich für Baden-Württemberg aus § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetz über die Landesblindenhilfe (Blindenhilfegesetz - BliHG) vom 08. Februar 1972 (GBl. 1972, 56, Nr. 2170), wonach auch das baden-württembergische Blindengeld zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen und Benachteiligungen gewährt wird. Bei den Landesblindengesetzen handelt es sich demnach um dem SGB XII vergleichbare Landesgesetze (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. September 2013 – L 7 BL 1/10 –, juris).
Zweck dieses Leistungsausschlusses ist es, Doppelfinanzierungen zu Lasten der öffentlichen Hand zu verhindern. Da sich die Frage der Vergleichbarkeit nach den voranstehenden Aus-führungen nach dem Bundesgesetzgeber bestimmt, kommt es für die vorliegenden Entschei-dung nicht auf die weitere Ausgestaltung der Landesblindenhilfe oder die diesbezügliche Intention des Landesgesetzgebers im Einzelnen an. Der Vorrang des Leistungsausschlusses in § 9 Abs. 1 AsylbLG gegenüber der teilweisen Ausnahmeregelung in § 2 AsylbLG wird auch in der Fachliteratur angenommen (Groth in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 9 AsylbLG RdNr. 20 f.; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 9 AsylbLG RdNr. 1; Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 9 AsylbLG RdNr. 5; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl. 2009, § 9 AsylbLG RdNr. 1).
Das Bundesverfassungsgericht hat seiner von dem Klägerbevollmächtigten zitierten Entscheidung zu den Leistungen nach dem AsylbLG entschieden, dass der Gesetzgeber, falls er bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen will, bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren darf. Eine Differenzierung ist nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134-179). Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG begründet einen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Menschenrecht; es steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Insofern muss ein Leistungsanspruch eingeräumt werden. Bei der Bestimmung der Höhe der derart gebotenen Leistungen verfügt der Gesetzgeber über einen Gestaltungsspielraum; er hat diese Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134-179; BVerfG vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 -, BVerfGE 125, 175 (222)).
Diese Entscheidung ist jedoch deswegen nicht einschlägig für die Lösung der vorliegenden Streitfrage, weil es sich hier nicht um die Gewährung des menschenwürdigen Existenzmini-mums, sondern um bestimmte darüberhinausgehende Leistungen handelt. Insoweit erscheint es nicht verfassungswidrig, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Leistungen nach dem AsylbLG grundsätzlich ein gegenüber dem SGB XII abgeschlossenes eigenes System darstellen (vgl. Groth in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 9 AsylbLG RdNr. 16 ff. m.w.N.). Das Leistungssystem, in dem der Kläger sich befindet, ist zudem grundsätzlich auch offen gegenüber anderen Leistungen, was sich beim Kläger an den vier gewährten Nachteilsausgleichen zeigt, welche auch aufgrund seiner Blindheit gewährt werden, sowie an den am SGB XII orientierten bestimmten anderen Leistungen.
Insoweit gilt für die Kammer die zwingende Regelung des § 9 Abs. 1 AsylbLG, die, da die Kammer nicht im Sinne von Art. 100 Abs. 1 GG von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt ist, anzuwenden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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