L 3 AS 2665/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 4364/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 2665/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die laufende Aufrechnung mit einem Anspruch auf Tilgung eines Darlehens gegen ihre Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Klägerin bezieht seit 2010 Arbeitslosengeld II von dem beklagten zugelassenen kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Für die Klägerin ist ein rechtlicher Betreuer unter anderem für die Vertretung gegenüber Behörden und die Aufenthaltsbestimmung bestellt.

Nach der Anmietung einer größeren Wohnung bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 27.05.2013 "ein Darlehen in Höhe von EUR 800,00 zur Begleichung einer Mietkaution" und setzte unter anderem fest, dass dieses Darlehen ab dem 01.07.2013 "durch Einbehaltung von den laufenden Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich EUR 38,20" zurückzuzahlen sei. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und anschließend Klage. Jenes Verfahren ist ebenfalls in der Berufungsinstanz vor dem erkennenden Senat anhängig (L 3 AS 2728/14), dort entscheidet der Senat mit weiterem Urteil vom heutigen Tage.

Die Aufrechnung um EUR 38,20 vollzog der Beklagte im Juli 2013 (Bescheid vom 28.05.2013) und sodann mit Bescheid vom 18.07.2013 für die Zeit von August 2013 bis Januar 2014. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Der Beklagte setzte sodann - rückwirkend ab Juli - die Aufrechnung aus (Schreiben vom 15.08.2013). Den Widerspruch wies er jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2013 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.09.2013 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und dort sinngemäß höhere Leistungen von je EUR 38,20 für August 2013 bis Januar 2014 geltend gemacht. Das SG hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 15.05.2014 im schriftlichen Verfahren abgewiesen und zur Begründung - ebenso wie in dem Parallelverfahren - überwiegend Ausführungen zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Gewährung und die Tilgung solcher Darlehen (§ 22 Abs. 6 Satz 3, § 42a Abs. 2 SGB II) gemacht. Die Berufung hat es wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache ausdrücklich zugelassen.

Gegen dieses Urteil, das ihrem Prozessbevollmächtigten am 26.05.2014 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 23.06.2014 Berufung zum Landessozialgericht erhoben. Sie rügt hier wie in dem Parallelverfahren im Wesentlichen, die Regelungen des SGB II, die der Darlehensgewährung und der Tilgung zu Grunde lägen, seien verfassungswidrig bzw. verfassungskonform dahin auszulegen, dass zumindest Mietkautionsdarlehen nicht erfasst würden, weil der hiervon betroffene Regelbedarf keine Aufwendungen für Mietkautionen umfasse.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Mai 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 18. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2013 zu verurteilen, ihr für August 2013 bis Januar 2014 Arbeitslosengeld II nach den gesetzlichen Vorschriften ohne monatlichen Abzug von EUR 38,20 zu bewilligen und auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen.

Der Beklagte hat sich unter dem 30.09.2014, die Klägerin mit Schriftsatz vom 07.10.2014 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten verweist der Senat auf die beiderseitigen Schriftsätze sowie auf das Urteil vom heutigen Tage in dem Parallelverfahren L 3 AS 2728/14.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis mit beiden Beteiligten (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nach der Zulassung durch das SG (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 SGG), statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die auf höhere Leistungen gerichtete Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) der Klägerin abgewiesen.

2. Allerdings war die Klage zulässig.

Es lag keine doppelte Rechtshängigkeit vor. Der hier angegriffene Bescheid vom 18.07.2013 war nicht nach § 86 SGG in das damals laufende Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 27.05.2013 einbezogen worden. Zur Begründung verweist der Senat auf seine Ausführungen in dem Urteil in dem Parallelverfahren L 3 AS 2728/14 vom heutigen Tage.

Ferner bestand ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis. Zwar hat die Klägerin in dem Parallelverfahren auch den Bescheid über die Darlehensgewährung selbst und die Rückzahlungsmodalitäten angegriffen. Dort kann sie eine grundsätzliche Entscheidung erreichen, die dann auch für folgende Bewilligungszeiträume gilt. Aber es ist ein legitimes Interesse, die laufenden Bewilligungsbescheide, mit denen die Aufrechnung vollzogen wird, nicht bestandskräftig (§ 77 SGG) werden zu lassen. Wäre die Klägerin nach einem Obsiegen in dem anderen Verfahren auf Überprüfungsanträge nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angewiesen, wäre ihre Rechtsposition deutlich eingeschränkt, schon allein weil die Nachzahlung zu Unrecht vorenthaltener Leistungen nach dem SGB II auf ein Jahr nach Stellung des Überprüfungsantrags beschränkt ist (§ 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Auch die vorübergehende Aussetzung der Aufrechnung bzw. eine aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage schließt das notwendige Rechtsschutzbedürfnis nicht aus, da der Beklagte etwaige Überzahlungen auch später noch geltend machen kann.

3. Die Klage war jedoch nicht begründet. Die Gewährung als Darlehen und die Festsetzung einer Tilgung durch Aufrechnung in Höhe von EUR 38,20 monatlich gegen die laufenden Leistungsansprüche war rechtmäßig. Dies hat der Senat in dem Parallelverfahren mit Urteil von heute entschieden, auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. In der Folge konnte der Beklagte diese Aufrechnung auch monatlich umsetzen. Rechenfehler oder zusätzliche Umstände, die in einzelnen Monaten einer Aufrechnung entgegenstanden, sind nicht ersichtlich.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Insbesondere hat das Verfahren keine grundsätzliche - rechtliche - Bedeutung. Die Regelungen in § 22 Abs. 6 Satz 3 und § 42a Abs. 2 SGB II selbst hält der Senat für eindeutig. Und ihre Verfassungsmäßigkeit ergibt sich zwanglos aus den Ausführungen des BVerfG in dem Urteil vom 09.02.2010.
Rechtskraft
Aus
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