Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 BK 11/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 23.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.10.2014 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum Mai bis einschließlich Juni 2013 Kinderzuschlag in Höhe von monatlich 150,00 EUR zu bewilligen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.
Tatbestand:
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist mit Herrn E verheiratet und Mutter des am 23.06.1996 geborenen T und des am 17.02.2004 geborenen G.
Am 23.05.2013 stellte die Klägerin einen Antrag auf Bewilligung von Kinderzuschlag. Hierbei gab sie an, für ihre Mietwohnung 695,00 EUR Grundmiete, 130,00 EUR Nebenkosten und 85,00 EUR Heizkosten pro Monat zu zahlen. Hierin enthalten waren 45,00 EUR Miete für eine Garagenstellplatz. Sowohl sie als auch ihr Ehemann bezögen Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit.
Mit Schreiben vom 27.05.2013 forderte die Beklagte die Vorlage eines Wohngelbescheides, Nachweise über die Einkommenshöhe des Ehemannes für die Zeit von November 2012 bis Januar 2013 und einen Nachweis über die Höhe des Unterhalts für T.
Nachdem die Unterlagen nicht vorgelegt wurden, versagte die Beklagte mit Bescheid vom 17.06.2013 die Leistungen. Dieser Bescheid ging zunächst an die falsche Adresse. Im Juli 2013 legte die Klägerin weitere Unterlagen vor. Nach deren Auswertung lehnte die Beklagte die Bewilligung von Kinderzuschlag mit Bescheid vom 23.07.2013 ab, da Hilfebedürftigkeit nicht vermieden werde. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 31.07.2013 Widerspruch ein, den sie damit begründete, die zugrunde gelegten Einkommen des Ehemanns seien nicht aktuell und unzutreffend ...
Sie legte Verdienstbescheinigungen der M eV E betreffend ihren Ehemann für den Zeitraum von Februar 2013 bis November 2013 und Verdienstbescheinigungen über ihr Einkommen für den Zeitraum von August 2012 bis Oktober 2013 sowie einen Wohngeldbescheid vom 02.09.2013 vor, wonach das Wohngeld für die Zeit vom 01.07.2013 bis 30.06.2014 monatlich 10,00 EUR betrug.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 30.04.2014 hat die Klägerin Klage erhoben und zunächst beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2014 zu verurteilen, der Klägerin Kinderzuschlag zu bewilligen.
Das Gericht hat mit Schreiben vom 21.08.2014 darauf hingewiesen, dass die vom Beklagten vorgenommenen Absetzbeträge zu hoch beziffert gewesen seien, so dass für den Zeitraum Mai bis Oktober 2013 ein Anspruch auf Kinderzuschlag gegeben sei. Am 01.10.2014 hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 27.03.2014 insoweit abgeändert, dass für den Zeitraum Juli 2013 bis Oktober 2013 monatlicher Kinderzuschlag in Höhe von 150,00 EUR bewilligt worden ist. Für die Zeit Mai bis Juni 2013 sei der angefochtene Bescheid weiter rechtmäßig.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.10.2014 zu verurteilen, der Klägerin Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe auch für die Monate Mai und Juni 2013 zu bewilligen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 23.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.10.2014 und damit – nach Beschränkung der Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.11.2014 – die Bewilligung von Kinderzuschlag für den Zeitraum Mai und Juni 2013.
Nach § 6a Abs. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) in der hier maßgeblichen Fassung erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn sie
1. für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben, 2. mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b SGB II nicht abzusetzen sind, 3. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11 bis 12 SGB II verfügen, das höchstens dem nach Absatz 4 Satz 1 für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach Absatz 2 entspricht, und 4. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.
Die Kinder der Klägerin lebten im streitgegenständlichen Zeitraum in deren Haushalt, waren unverheiratet und hatten das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet. Die Klägerin erhielt auch für alle Kinder Kindergeld.
Zunächst ist bei der Frage, ob ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht, die Höhe des berücksichtigungsfähigen elterlichen Einkommens gemäß § 11 SGB II i.V.m. §§ 11a, 11b SGB II zu ermitteln.
Das Einkommen des Ehemanns der Klägerin stellte sich in der Zeit von Mai bis Oktober 2013 wie folgt dar:
Monat Bruttoeinkommen in EUR Nettoeinkommen in EUR Mai 2072,20 1743,41 Juni 2072,20 1627,56 Juli 2404,54 1849,74 August 2072,20 1627,56 September 2072,20 1627,56 Oktober 2072,20 1627,56
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung des § 6a Abs. 2 Satz 3 BKGG, wonach der Kinderzuschlag für einen Zeitraum von sechs Monaten gewährt werden soll, kann aus diesen Einkommen ein Durchschnittswert gebildet werden. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen belief sich danach auf 2.127,59 EUR, das durchschnittliche Nettoeinkommen auf 1.683,90 EUR.
Für die Zeit ab Juli 2013 war – was die Kammer bei ihrem Vergleichsvorschlag übersehen hatte – überdies das Urlaubsgeld in Höhe von 332,34 EUR brutto bzw. 222,18 EUR netto zu berücksichtigen. Wird dieses auf einen Zeitraum von sechs Monaten verteilt, erhöht sich das Bruttoeinkommen für die Zeit ab Juli 2013 um monatlich 55,39 brutto bzw. 37,03 EUR netto.
Von diesem Nettoeinkommen sind die Abzüge gemäß § 11b SGB II zu machen. Diese berechnen sich für die Zeit Mai und Juni 2013, ausgehend von einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 2.127,59 EUR als Berechnungsgrundlage, wie folgt:
Zunächst ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II eine Pauschale für die in § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 genannten Beträge in Abzug zu bringen. Diese Regelung gilt, sofern das Bruttoeinkommen mehr als 400,00 EUR beträgt, freilich dann nicht, wenn der Nachweis erbracht wird, dass die Summe der Beträge nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100,00 EUR übersteigt.
Nachgewiesen sind beim Ehemann der Klägerin Fahrtkosten in Höhe von 69,00 EUR und 22,39 EUR für eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Weitere Absetzbeträge sind nicht nachgewiesen.
Soweit die Beklagte neben den nachgewiesenen Absetzbeträgen zudem die Pauschbeträge nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 Alg II-VO in Ansatz bringen will, widerspricht dies nach Auffassung der Kammer der gesetzlichen Systematik und dem Wortlaut des § 11b SGB II. Eine Berücksichtigung von höheren Beträgen als 100,00 EUR kommt nur bei N a c h w e i s entsprechender tatsächlicher Beiträge und Ausgaben nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II in Betracht (vgl. dazu auch Schmidt, in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 11b Rn. 32). Der Gesetzgeber hat die Neufassung des § 11b Abs. 2 SGB II wie folgt begründet:
"Die Ermittlung der Abzugsbeträge nach § 11 Abs. 2 und die nachfolgende Berechnung der Freibeträge nach § 30 waren bislang für die Betroffenen nicht transparent. Insbesondere war nicht bereits aus dem Gesetzeswortlaut zu erkennen, bis zu welcher Freigrenze das Bruttoeinkommen ohne Anrechnung auf die Leistungen blieb. Es wird daher ein Grundfreibetrag von 100 Euro eingeführt, bis zu dem das Einkommen unberücksichtigt bleibt. Dies führt zu einer deutlichen Erhöhung der Hinzuverdienstmöglichkeiten. Im Sinne einer Vereinfachung werden zudem durch Einführung des Grundfreibetrages die Absetzbeträge nach den Nummern 3 bis 5 ersetzt. Um mögliche Härten zu vermeiden, besteht für die Betroffenen bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und damit bei Einkommen oberhalb von 400 Euro aber die Möglichkeit, ggf. höhere Beträge, insbesondere bei den mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, nachzuweisen" (BT-Drucks. 15/5446 (neu), S. 4).
Für erwerbsfähige erwerbstätige SGB II-Bezieher ist damit die Pauschalierung der Absetzbeträge gesetzlich geregelt. Diesen steht ein Grundfreibetrag in Höhe von 100,00 EUR für die in § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 geregelten Sachverhalte zu. Die in der Alg II-VO geregelten Pauschbeträge gehen in dem Pauschbetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II insoweit auf. Insbesondere ist nicht – wovon die Beklagte offensichtlich ausgeht – ein weiterer Pauschbetrag von 30,00 EUR für "private Versicherungen" neben der Kfz-Haftpflichtversicherung in Ansatz zu bringen. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO lautet: "Als Pauschbeträge sind abzusetzen 1. von dem Einkommen volljähriger Leistungsberechtigter ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Hervorhebung durch Verfasser), die nach Grund und Höhe angemessen sind". Schon der Wortlaut macht deutlich, dass die Pauschale von 30,00 EUR solche "privaten" Versicherungen meint, die unter die Regelung des § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II fallen. Dies sind "Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen ( ) soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben sind." Hierunter fallen auch die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung BT-Drs. 15/1749, S. 31; vgl. auch Söhngen in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 11b Rn. 21). Schon in der Systematik der Alg II-VO käme die zusätzliche Berücksichtigung der Pauschale neben hierfür nachgewiesenen Kosten nicht in Betracht. Soweit sich die Beklagte auf entgegenstehende fachliche Hinweise beruft, so ändert dies nichts an der Rechtslage. In der Tat erscheinen die fachlichen Hinweise zur Frage der pauschalen Absetzbarkeit privater Versicherungen nicht eindeutig. So lautet 11.134 der fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit i.V.m. DA 106a.40 (Kinderzuschlag):
"Vom Einkommen (auch Sachbezügen) eines jeden volljährigen Mitglieds einer BG werden für angemessene private Versicherungen pauschal 30,00 EUR monatlich abgesetzt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V). Die Pauschale kann auch vom Kindergeld eines 18- bis 24-jährigen Kindes abgesetzt werden. Auch auf Nachweis können keine höheren Beiträge berücksichtigt werden."
Hier wird zu Unrecht verkürzend nicht darauf hingewiesen, dass es sich um private Versicherungen nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II, also solche, die gesetzlich vorgeschrieben sind, handeln muss.
In Abzug zu bringen ist damit zunächst die Pauschale in Höhe von 100,00 EUR.
Zusammen mit den weiteren Absetzbeträgen in Höhe von 180,00 EUR (20% der Differenz zwischen 100,00 EUR und 1.000,00 EUR) und 50,00 EUR (10% der Differenz zwischen 1.000,00 EUR und 1.500,00 EUR) nach § 11b Abs. 3 Satz 2 SGB II ist insgesamt von Absetzbeträgen von 330,00 EUR auszugehen.
Zieht man diese von dem Netto-Einkommen des Ehemanns in Höhe von 1683,90 EUR ab, so verbleibt ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 1.353,90 EUR für den Zeitraum Mai und Juni.
Das Einkommen der Klägerin stellte sich in der Zeit von Mai bis Oktober 2013 wie folgt dar:
Monat Bruttoeinkommen in EUR Nettoeinkommen inEUR Mai 468,85 346,91 Juni 450,21 319,36 Juli 595,10 441,47 August 540,38 395,33 September 816,08 590,26 Oktober 683,00 422,90
Es ist damit von einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 592,27 EUR und einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 419,37 EUR auszugehen.
Dieses Einkommen der Klägerin ist ebenfalls zu bereinigen und zwar in Höhe von 100,00 EUR + (20% von 492,27) = 198,45 EUR, so dass ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 220,92 EUR verbleibt.
Das gesamte anrechenbare Einkommen beläuft sich damit auf 1.574,82 EUR für den Zeitraum von Mai bis einschließlich Juni 2013.
Die Bemessungsgrenze ermittelt sich wie folgt:
Im streitgegenständlichen Zeitraum von Mai bis Oktober 2013 betrug der Regelbedarf der Klägerin und ihres Ehemanns jeweils 345,00 EUR. Der tatsächliche Bedarf an Kosten für Unterkunft und Heizung belief sich auf monatlich 695,00 EUR + 130,00 EUR + 85,00 EUR = 910,00 EUR abzüglich 45,00 EUR für eine Garage = 865,00 EUR. Hiervon waren unter Berücksichtigung des Berichts über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Einkommens von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2012 (Achter Existenzminimumbericht – BT-Drucks. 17/5550) und der Anzahl der in Betracht kommenden Kinder 71,15% zur berücksichtigen, mithin 615,45 EUR. Nach alledem belief sich die Bemessungsgrenze auf 1.305,45 EUR.
Für den Zeitraum Mai und Juni 2013 belief sich das zu berücksichtigende Einkommen auf 1.574,82 EUR und lag damit 269,40 EUR über der Bemessungsgrenze. Die Höchsteinkommensgrenze belief sich damit – bei einem maximal möglichen Kinderzuschlag von 280,00 EUR – auf 1.585,45 EUR. Da das anrechenbaren Einkommen oberhalb der Bemessungsgrenze und unterhalb der Höchsteinkommensgrenze lag, kommt die Bewilligung von Kinderzuschlag in Betracht. Vor dem Hintergrund, dass das Einkommen 269,40 EUR über der Bemessungsgrenze lag, war der mögliche Kinderzuschlag gemäß § 6a Abs. 4 Satz 6 BKGG um insgesamt 130,00 EUR zu kürzen, so dass ein Anspruch in Höhe von 150,00 EUR verblieb.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Berufung ist im Hinblick auf den nunmehr eingeschränkten Klageantrag und die sich hierdurch reduzierende Höhe des Beschwerdegegenstands zulassungsbedürftig. Gründe die Beschwerde nach 144 Abs. 2 SGG zuzulassen sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Die Tatsache allein, dass die Beklagte sich durch fachliche Hinweise in ihrer – nach Auffassung der Kammer rechtsfehlerhaften – Entscheidung gebunden sieht, rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht.
Tatbestand:
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist mit Herrn E verheiratet und Mutter des am 23.06.1996 geborenen T und des am 17.02.2004 geborenen G.
Am 23.05.2013 stellte die Klägerin einen Antrag auf Bewilligung von Kinderzuschlag. Hierbei gab sie an, für ihre Mietwohnung 695,00 EUR Grundmiete, 130,00 EUR Nebenkosten und 85,00 EUR Heizkosten pro Monat zu zahlen. Hierin enthalten waren 45,00 EUR Miete für eine Garagenstellplatz. Sowohl sie als auch ihr Ehemann bezögen Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit.
Mit Schreiben vom 27.05.2013 forderte die Beklagte die Vorlage eines Wohngelbescheides, Nachweise über die Einkommenshöhe des Ehemannes für die Zeit von November 2012 bis Januar 2013 und einen Nachweis über die Höhe des Unterhalts für T.
Nachdem die Unterlagen nicht vorgelegt wurden, versagte die Beklagte mit Bescheid vom 17.06.2013 die Leistungen. Dieser Bescheid ging zunächst an die falsche Adresse. Im Juli 2013 legte die Klägerin weitere Unterlagen vor. Nach deren Auswertung lehnte die Beklagte die Bewilligung von Kinderzuschlag mit Bescheid vom 23.07.2013 ab, da Hilfebedürftigkeit nicht vermieden werde. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 31.07.2013 Widerspruch ein, den sie damit begründete, die zugrunde gelegten Einkommen des Ehemanns seien nicht aktuell und unzutreffend ...
Sie legte Verdienstbescheinigungen der M eV E betreffend ihren Ehemann für den Zeitraum von Februar 2013 bis November 2013 und Verdienstbescheinigungen über ihr Einkommen für den Zeitraum von August 2012 bis Oktober 2013 sowie einen Wohngeldbescheid vom 02.09.2013 vor, wonach das Wohngeld für die Zeit vom 01.07.2013 bis 30.06.2014 monatlich 10,00 EUR betrug.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 30.04.2014 hat die Klägerin Klage erhoben und zunächst beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2014 zu verurteilen, der Klägerin Kinderzuschlag zu bewilligen.
Das Gericht hat mit Schreiben vom 21.08.2014 darauf hingewiesen, dass die vom Beklagten vorgenommenen Absetzbeträge zu hoch beziffert gewesen seien, so dass für den Zeitraum Mai bis Oktober 2013 ein Anspruch auf Kinderzuschlag gegeben sei. Am 01.10.2014 hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 27.03.2014 insoweit abgeändert, dass für den Zeitraum Juli 2013 bis Oktober 2013 monatlicher Kinderzuschlag in Höhe von 150,00 EUR bewilligt worden ist. Für die Zeit Mai bis Juni 2013 sei der angefochtene Bescheid weiter rechtmäßig.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.10.2014 zu verurteilen, der Klägerin Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe auch für die Monate Mai und Juni 2013 zu bewilligen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 23.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.10.2014 und damit – nach Beschränkung der Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.11.2014 – die Bewilligung von Kinderzuschlag für den Zeitraum Mai und Juni 2013.
Nach § 6a Abs. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) in der hier maßgeblichen Fassung erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn sie
1. für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben, 2. mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b SGB II nicht abzusetzen sind, 3. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11 bis 12 SGB II verfügen, das höchstens dem nach Absatz 4 Satz 1 für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach Absatz 2 entspricht, und 4. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.
Die Kinder der Klägerin lebten im streitgegenständlichen Zeitraum in deren Haushalt, waren unverheiratet und hatten das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet. Die Klägerin erhielt auch für alle Kinder Kindergeld.
Zunächst ist bei der Frage, ob ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht, die Höhe des berücksichtigungsfähigen elterlichen Einkommens gemäß § 11 SGB II i.V.m. §§ 11a, 11b SGB II zu ermitteln.
Das Einkommen des Ehemanns der Klägerin stellte sich in der Zeit von Mai bis Oktober 2013 wie folgt dar:
Monat Bruttoeinkommen in EUR Nettoeinkommen in EUR Mai 2072,20 1743,41 Juni 2072,20 1627,56 Juli 2404,54 1849,74 August 2072,20 1627,56 September 2072,20 1627,56 Oktober 2072,20 1627,56
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung des § 6a Abs. 2 Satz 3 BKGG, wonach der Kinderzuschlag für einen Zeitraum von sechs Monaten gewährt werden soll, kann aus diesen Einkommen ein Durchschnittswert gebildet werden. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen belief sich danach auf 2.127,59 EUR, das durchschnittliche Nettoeinkommen auf 1.683,90 EUR.
Für die Zeit ab Juli 2013 war – was die Kammer bei ihrem Vergleichsvorschlag übersehen hatte – überdies das Urlaubsgeld in Höhe von 332,34 EUR brutto bzw. 222,18 EUR netto zu berücksichtigen. Wird dieses auf einen Zeitraum von sechs Monaten verteilt, erhöht sich das Bruttoeinkommen für die Zeit ab Juli 2013 um monatlich 55,39 brutto bzw. 37,03 EUR netto.
Von diesem Nettoeinkommen sind die Abzüge gemäß § 11b SGB II zu machen. Diese berechnen sich für die Zeit Mai und Juni 2013, ausgehend von einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 2.127,59 EUR als Berechnungsgrundlage, wie folgt:
Zunächst ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II eine Pauschale für die in § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 genannten Beträge in Abzug zu bringen. Diese Regelung gilt, sofern das Bruttoeinkommen mehr als 400,00 EUR beträgt, freilich dann nicht, wenn der Nachweis erbracht wird, dass die Summe der Beträge nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100,00 EUR übersteigt.
Nachgewiesen sind beim Ehemann der Klägerin Fahrtkosten in Höhe von 69,00 EUR und 22,39 EUR für eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Weitere Absetzbeträge sind nicht nachgewiesen.
Soweit die Beklagte neben den nachgewiesenen Absetzbeträgen zudem die Pauschbeträge nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 Alg II-VO in Ansatz bringen will, widerspricht dies nach Auffassung der Kammer der gesetzlichen Systematik und dem Wortlaut des § 11b SGB II. Eine Berücksichtigung von höheren Beträgen als 100,00 EUR kommt nur bei N a c h w e i s entsprechender tatsächlicher Beiträge und Ausgaben nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II in Betracht (vgl. dazu auch Schmidt, in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 11b Rn. 32). Der Gesetzgeber hat die Neufassung des § 11b Abs. 2 SGB II wie folgt begründet:
"Die Ermittlung der Abzugsbeträge nach § 11 Abs. 2 und die nachfolgende Berechnung der Freibeträge nach § 30 waren bislang für die Betroffenen nicht transparent. Insbesondere war nicht bereits aus dem Gesetzeswortlaut zu erkennen, bis zu welcher Freigrenze das Bruttoeinkommen ohne Anrechnung auf die Leistungen blieb. Es wird daher ein Grundfreibetrag von 100 Euro eingeführt, bis zu dem das Einkommen unberücksichtigt bleibt. Dies führt zu einer deutlichen Erhöhung der Hinzuverdienstmöglichkeiten. Im Sinne einer Vereinfachung werden zudem durch Einführung des Grundfreibetrages die Absetzbeträge nach den Nummern 3 bis 5 ersetzt. Um mögliche Härten zu vermeiden, besteht für die Betroffenen bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und damit bei Einkommen oberhalb von 400 Euro aber die Möglichkeit, ggf. höhere Beträge, insbesondere bei den mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, nachzuweisen" (BT-Drucks. 15/5446 (neu), S. 4).
Für erwerbsfähige erwerbstätige SGB II-Bezieher ist damit die Pauschalierung der Absetzbeträge gesetzlich geregelt. Diesen steht ein Grundfreibetrag in Höhe von 100,00 EUR für die in § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 geregelten Sachverhalte zu. Die in der Alg II-VO geregelten Pauschbeträge gehen in dem Pauschbetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II insoweit auf. Insbesondere ist nicht – wovon die Beklagte offensichtlich ausgeht – ein weiterer Pauschbetrag von 30,00 EUR für "private Versicherungen" neben der Kfz-Haftpflichtversicherung in Ansatz zu bringen. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO lautet: "Als Pauschbeträge sind abzusetzen 1. von dem Einkommen volljähriger Leistungsberechtigter ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Hervorhebung durch Verfasser), die nach Grund und Höhe angemessen sind". Schon der Wortlaut macht deutlich, dass die Pauschale von 30,00 EUR solche "privaten" Versicherungen meint, die unter die Regelung des § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II fallen. Dies sind "Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen ( ) soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben sind." Hierunter fallen auch die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung BT-Drs. 15/1749, S. 31; vgl. auch Söhngen in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 11b Rn. 21). Schon in der Systematik der Alg II-VO käme die zusätzliche Berücksichtigung der Pauschale neben hierfür nachgewiesenen Kosten nicht in Betracht. Soweit sich die Beklagte auf entgegenstehende fachliche Hinweise beruft, so ändert dies nichts an der Rechtslage. In der Tat erscheinen die fachlichen Hinweise zur Frage der pauschalen Absetzbarkeit privater Versicherungen nicht eindeutig. So lautet 11.134 der fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit i.V.m. DA 106a.40 (Kinderzuschlag):
"Vom Einkommen (auch Sachbezügen) eines jeden volljährigen Mitglieds einer BG werden für angemessene private Versicherungen pauschal 30,00 EUR monatlich abgesetzt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V). Die Pauschale kann auch vom Kindergeld eines 18- bis 24-jährigen Kindes abgesetzt werden. Auch auf Nachweis können keine höheren Beiträge berücksichtigt werden."
Hier wird zu Unrecht verkürzend nicht darauf hingewiesen, dass es sich um private Versicherungen nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II, also solche, die gesetzlich vorgeschrieben sind, handeln muss.
In Abzug zu bringen ist damit zunächst die Pauschale in Höhe von 100,00 EUR.
Zusammen mit den weiteren Absetzbeträgen in Höhe von 180,00 EUR (20% der Differenz zwischen 100,00 EUR und 1.000,00 EUR) und 50,00 EUR (10% der Differenz zwischen 1.000,00 EUR und 1.500,00 EUR) nach § 11b Abs. 3 Satz 2 SGB II ist insgesamt von Absetzbeträgen von 330,00 EUR auszugehen.
Zieht man diese von dem Netto-Einkommen des Ehemanns in Höhe von 1683,90 EUR ab, so verbleibt ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 1.353,90 EUR für den Zeitraum Mai und Juni.
Das Einkommen der Klägerin stellte sich in der Zeit von Mai bis Oktober 2013 wie folgt dar:
Monat Bruttoeinkommen in EUR Nettoeinkommen inEUR Mai 468,85 346,91 Juni 450,21 319,36 Juli 595,10 441,47 August 540,38 395,33 September 816,08 590,26 Oktober 683,00 422,90
Es ist damit von einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 592,27 EUR und einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 419,37 EUR auszugehen.
Dieses Einkommen der Klägerin ist ebenfalls zu bereinigen und zwar in Höhe von 100,00 EUR + (20% von 492,27) = 198,45 EUR, so dass ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 220,92 EUR verbleibt.
Das gesamte anrechenbare Einkommen beläuft sich damit auf 1.574,82 EUR für den Zeitraum von Mai bis einschließlich Juni 2013.
Die Bemessungsgrenze ermittelt sich wie folgt:
Im streitgegenständlichen Zeitraum von Mai bis Oktober 2013 betrug der Regelbedarf der Klägerin und ihres Ehemanns jeweils 345,00 EUR. Der tatsächliche Bedarf an Kosten für Unterkunft und Heizung belief sich auf monatlich 695,00 EUR + 130,00 EUR + 85,00 EUR = 910,00 EUR abzüglich 45,00 EUR für eine Garage = 865,00 EUR. Hiervon waren unter Berücksichtigung des Berichts über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Einkommens von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2012 (Achter Existenzminimumbericht – BT-Drucks. 17/5550) und der Anzahl der in Betracht kommenden Kinder 71,15% zur berücksichtigen, mithin 615,45 EUR. Nach alledem belief sich die Bemessungsgrenze auf 1.305,45 EUR.
Für den Zeitraum Mai und Juni 2013 belief sich das zu berücksichtigende Einkommen auf 1.574,82 EUR und lag damit 269,40 EUR über der Bemessungsgrenze. Die Höchsteinkommensgrenze belief sich damit – bei einem maximal möglichen Kinderzuschlag von 280,00 EUR – auf 1.585,45 EUR. Da das anrechenbaren Einkommen oberhalb der Bemessungsgrenze und unterhalb der Höchsteinkommensgrenze lag, kommt die Bewilligung von Kinderzuschlag in Betracht. Vor dem Hintergrund, dass das Einkommen 269,40 EUR über der Bemessungsgrenze lag, war der mögliche Kinderzuschlag gemäß § 6a Abs. 4 Satz 6 BKGG um insgesamt 130,00 EUR zu kürzen, so dass ein Anspruch in Höhe von 150,00 EUR verblieb.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Berufung ist im Hinblick auf den nunmehr eingeschränkten Klageantrag und die sich hierdurch reduzierende Höhe des Beschwerdegegenstands zulassungsbedürftig. Gründe die Beschwerde nach 144 Abs. 2 SGG zuzulassen sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Die Tatsache allein, dass die Beklagte sich durch fachliche Hinweise in ihrer – nach Auffassung der Kammer rechtsfehlerhaften – Entscheidung gebunden sieht, rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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