L 5 KA 44/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 3 KA 204/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 44/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Juli 2011 abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Auszahlung von einbehaltenem Honorar und wendet sich gegen die Aufrechnung mit einer nach Richtgrößenprüfung entstandenen Regressforderung der Beklagten.

Die Klägerin ist Ärztin und im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung H. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 1. Dezember 2005 (Aktenzeichen 67b IN 403/05) wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Ihre Praxis führte sie fort. Während des Insolvenzverfahrens führte der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen in H. bei der Klägerin eine Richtgrößenprüfung der im Jahr 2005 ärztlich verordneten Leistungen durch. Die Vorprüfung fand 2007 statt; über deren Ergebnis wurde die Klägerin mit Schreiben vom 13. August 2007 informiert. Mit Beschluss vom 28. November 2007 setzte der Prüfungsausschuss einen Regress in Höhe von 14.436 Euro gegen die Klägerin fest, der sich auf 11.549 Euro reduzieren sollte, wenn die Klägerin keinen Widerspruch gegen die Regressfestsetzung einlege. Die Beschlussausfertigung für die Klägerin wurde am 3. Dezember 2007 zur Post gegeben; der Beschluss wurde bestandskräftig.

Mit Sollstellung per 31. Dezember 2009 belastete die Beklagte das klägerische Honorarkonto mit einem Betrag in Höhe von 11.549 Euro. Mit Bescheid vom 18. Februar 2010 bewilligte sie der Klägerin für ihre vertragsärztliche Tätigkeit im Quartal III/2009 ein Honorar in Höhe von 34.169,98 Euro. In Umfang von 11.549 Euro wurde das bewilligte Honorar nicht ausgekehrt. Im Begleitschreiben zum Honorarbescheid informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass deren Honorarkonto mit dem Regressbetrag belastet worden sei, und bot zugleich eine verzinsliche Stundung an. Mit Schreiben vom 23. Februar 2010 wies der für das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin bestellte Insolvenzverwalter die Beklagte darauf hin, dass eine Aufrechnung mit der seiner Ansicht nach geltend gemachten Insolvenzforderung gegen die Honorarforderung der Klägerin nicht zulässig sei.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 26. Mai 2010 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Die Klägerin erlangte die anschließend beantragte Restschuldbefreiung im Dezember 2011. Mit Schreiben vom 2. Juli 2010 wandte sich die inzwischen eingeschaltete Prozessbevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte und verlangte die Auszahlung des einbehaltenen Betrags. Dies lehnte die Beklagte ab und machte mit Bescheid vom 8. Juli 2010 einen Rückforderungsanspruch in Höhe des Regressbetrags geltend. In dem Bescheid führte sie aus, den Regressbetrag mit der Honorarforderung der Klägerin zu verrechnen.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28. Juli 2010 ein. Bei der Regressforderung handele es sich um eine Insolvenzforderung, die die Beklagte nicht geltend machen könne. Für die Qualifizierung als Insolvenzforderung sei allein maßgeblich, dass die zugrunde liegende Regressforderung während des Insolvenzverfahrens entstanden sei.

Nachdem die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2010 zurückgewiesen hatte, hat die Klägerin am 20. Oktober 2010 Klage (Aktenzeichen S 3 KA 204/10) erhoben, die sie auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 11.549 Euro und Aufhebung des Rückforderungsbescheids gerichtet hat. Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, bei der Rückforderung handele es sich um eine Insolvenzforderung, für die die Beklagte keine bevorzugte Befriedigung beanspruchen könne.

Die Beklagte hat demgegenüber darauf verwiesen, sie habe ihre Rückforderung erst mit Erlass des Bescheids vom 8. Juli 2010 fällig gestellt. Sie hat sich zudem auf § 6 Abs. 4 ihrer Ergänzenden Abrechnungsbestimmungen vom 12. Juni 2008 in der Fassung vom 19. November 2009 berufen. Diese Bestimmung berechtige sie dazu, bei Auszahlung des Honorars für das Quartal III/2009 einen Betrag in Höhe des Rückforderungsbetrags zurückzuhalten.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 20. Juli 2011 stattgegeben. Der Zahlungsanspruch ergebe sich aus dem Honorarbescheid vom 18. Februar 2010. Der Honoraranspruch sei im Umfang von 11.549 EUR weder im Zusammenhang mit der Honorarabrechnung noch im Zusammenhang mit dem Erlass des Rückforderungsbescheids vom 8. Juli 2010 durch Aufrechnung erloschen. Zwar habe bei Erlass des Honorarbescheides vom 18. Februar 2010 eine Aufrechnungslage bestanden, denn der Rückforderungsanspruch der Klägerin sei mit der bestandskräftigen Regressfestsetzung durch die Prüfungsstelle entstanden. Die mit Honorarbescheid vom 18. Februar 2010 zumindest schlüssig erklärte Aufrechnung sei aber gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 4 Insolvenzordnung (InsO) unzulässig gewesen. Es handele sich nicht um eine Insolvenzforderung, da der Rückforderungsanspruch zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht bestanden habe. Mit einer solchen Forderung gegen das freie Vermögen der Klägerin könne die Beklagte nicht gegen die Honorarforderung der Klägerin, die zur Masse gehöre, aufrechnen. Die erneute Aufrechnung am 8. Juli 2010 sei dann zwar nach Beendigung des Insolvenzverfahrens erfolgt, nun habe aber keine Aufrechnungslage mehr bestanden. Die Beklagte sei wegen der von der Rechtsprechung entwickelten vierjährigen Ausschlussfrist, binnen derer Wirtschaftlichkeitsprüfungen abgeschlossen sein müssten, daran gehindert, ihren Rückforderungsanspruch geltend zu machen. Es spreche sogar viel dafür, dass im Streitfall bereits die verkürzte zweijährige Ausschlussfrist des § 106 Abs. 5c Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buches (SGB V) für Richtgrößenprüfungen anwendbar sei. Diese Ausschlussfrist gelte nach ihrem Sinn und Zweck nicht nur für die eigentliche Regressfestsetzung durch die Prüfgremien, sondern auch für die Geltendmachung der Rückforderung, denn erst damit komme aus Sicht des Vertragsarztes die Richtgrößenprüfung zum Abschluss. Die Beklagte sei auch nicht berechtigt gewesen, aufgrund ihrer Ergänzenden Honorarbestimmungen von einer vollständigen Erfüllung des Honoraranspruchs abzusehen.

Mit ihrer am 24. August 2011 gegen das ihr am 27. Juli 2011 zugestellte Urteil eingelegten Berufung wendet sich die Beklagte in erster Linie gegen die Annahme, die für die Regressfestsetzung anerkannte Ausschlussfrist gelte auch für die Geltendmachung der Rückforderung. Sinn und Zweck der Ausschlussfrist (Transparenz und Signalwirkung der Prüfung) seien nach Abschluss der Richtgrößenprüfung erfüllt. Für das vollkommen separate Verwaltungsverfahren zwischen Arzt und Kassenärztlicher Vereinigung gebe es keine derartige Ausschlussfrist, wie auch die in § 106 Abs. 5c Satz 3 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (a.F.) jetzt ( n.F.) Satz 5) vorgesehenen Maßnahmen zeigten. Die Rechtsprechung habe die Ausschlussfrist immer nur auf Bescheide des Prüfungsausschuss bezogen und nicht auf den Abschluss eines typischerweise in diesen Fällen stattfindenden Beschwerdeverfahrens.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Juli 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass ihr ein Zahlungsanspruch in Höhe von 11.549 EUR zustehe, und schließt sich den Entscheidungsgründen des Sozialgerichts an.

Der Senat hat am 5. November 2014 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (Az.: KVH 1588/10) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung erweist sich als begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten, wozu bei einer am klägerischen Begehren orientierten Auslegung auch der Honorarbescheid vom 18. Februar 2010 gehört, da mit ihm erstmals die Rückforderung geltend gemacht wurde, sind nicht rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und der Klägerin steht kein Zahlungsanspruch in Höhe von 11.549 EUR gegen die Beklagte mehr zu. Die entsprechende Forderung der Klägerin ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts durch Aufrechnung erloschen (§ 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).

1. Für die öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisse des Vertragsarztrechts sind die Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts über die Aufrechnung in §§ 387 ff. BGB im Wege der Lückenfüllung entsprechend anwendbar (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 30/08 R, BSGE 105, 224; Urteil vom 7. Februar 2007 – B 6 KA 6/06 R, BSGE 98, 89; Freudenberg in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 85 SGB V Rn. 248). Demgegenüber finden die für Aufrechnungen und Verrechnungen geltenden Vorschriften der §§ 51, 52 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf Honorarzahlungen an Vertragsärzte auf der Grundlage von § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V schon deswegen keine Anwendung, weil solche Zahlungen keine Sozialleistungen darstellen, die dem Vertragsarzt zur Verwirklichung seiner sozialen Rechte zukommen sollen (BSG, Urteil vom 23. März 2011 – B 6 KA 14/10 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 62).

2. Im Ausgangspunkt ist dem Sozialgericht zuzustimmen, dass die nach Sollstellung des Rückforderungsbetrages zum 31. Dezember 2009 mit Schreiben vom 18. Februar 2010 schlüssig erklärte erste Aufrechnung unwirksam war.

a) Das Schreiben vom 18. Februar 2010 enthielt bereits eine – in Verwaltungsaktform erfolgte – Aufrechnung. Dieser Verwaltungsakt ist nicht bindend (§ 77 SGG) geworden, da der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 23. Februar 2010 auf die Unzulässigkeit der Aufrechnung hinwies. Dieses gegen einen Verwaltungsakt gerichtete Schreiben ist als Widerspruch im Sinne von § 83 SGG zu werten, der fristgerecht, nämlich innerhalb der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG, bei der Beklagten eingereicht wurde. Der Insolvenzverwalter war auch befugt, den Widerspruch einzulegen. Denn gemäß § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners über sein Vermögen mit dem Eröffnungsbeschluss auf den Insolvenzverwalter über. Dieser ist zu allen Maßnahmen berechtigt, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen und die dem Insolvenzzweck zugute kommen (Kroth in: Braun, InsO, 3. Auflage 2007, § 80 Rn. 25). Das ist bei einem Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, der auf eine Reduzierung der Insolvenzmasse gerichtet ist, nicht zweifelhaft, zumal der Insolvenzschuldner mit Insolvenzeröffnung seine Prozessführungsbefugnis verliert (vgl. Kroth, a.a.O., § 80 Rn. 12).

b) Materiell-rechtlich führte die mit dem Bescheid vom 18. Februar 2010 erklärte Aufrechnung nicht zum Erlöschen der Honorarforderung in Höhe von 11.549 EUR. Die Rechtsfolgen einer Festsetzung des Mehraufwandes (§ 106 Abs. 5c Satz 1 i.V.m. Abs. 5a SGB V) bestimmen sich nach § 106 Abs. 5c Satz 3 a.F. (Satz 4 n.F.) SGB V: Danach hat die Kassenärztliche Vereinigung dann, wenn der Regressbescheid bestandskräftig wird, in der jeweils festgesetzten Höhe Rückforderungsansprüche gegen den Vertragsarzt, die im Wege der Aufrechnung gegen Honoraransprüche realisiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 46/12 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 42). Die in den Honorarbescheid aufgenommene Aufrechnung wird letztlich zu einem Begründungselement der dort getroffenen Regelung (vgl. Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juli 2012 – L 7 KA 19/12 B ER, juris).

Die in dem Schreiben der Beklagten vom 18. Februar 2010 enthaltene Erklärung, den festgesetzten Regressbetrag habe man dem Honorarkonto der Klägerin für das Quartal III/2009 belastet, ist zwar als Aufrechnungserklärung zu werten. Zu diesem Zeitpunkt bestand aber keine Aufrechnungslage. Eine Aufrechnungslage besteht nur dann, wenn die in § 387 BGB genannten objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind: Die Aktiv- oder Gegenforderung (hier die Regressforderung der Beklagten) muss gegenseitig, gleichartig und durchsetzbar sein, die Passiv- oder Hauptforderung (hier der Honoraranspruch der Klägerin) muss erfüllbar sein (vgl. zu den Voraussetzungen der Aufrechnung z.B. Walter in: Erman, BGB, 13. Auflage 2011, § 387 Rn. 1). Während die übrigen Voraussetzungen gegeben waren, fehlte es bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens an der Gegenseitigkeit der beiden sich gegenüberstehenden Forderungen: Die Regressforderung ist erst nach Insolvenzeröffnung, nämlich mit seiner Festsetzung durch den Prüfungsausschuss am 28. November 2007, entstanden und richtet sich somit nur gegen das – regelmäßig unpfändbare – insolvenzfreie Vermögen der Schuldnerin. Die Passivforderung (Honorarforderung) gehörte dagegen zur Insolvenzmasse. Zur Insolvenzmasse zählt nämlich das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs. 1 InsO). Forderungen eines Vertragsarztes auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars, die nach Insolvenzeröffnung entstehen, fallen damit auch in die Insolvenzmasse. Somit fehlte es zu diesem Zeitpunkt (18. Februar 2010) an der haftungsrechtlichen Gegenseitigkeit der beiden sich gegenüberstehenden Forderungen. Das Gesetz stellt diese Rechtslage in § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO noch einmal klar (vgl. Kroth in: Braun, InsO, 3. Auflage 2007, § 96 Rn. 14). Nach dieser Vorschrift ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet. Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass die Kassenärztliche Vereinigung einen ihr gegen einen Vertragsarzt zustehenden Rückforderungsanspruch wegen Honorarberichtigungen aus zurückliegenden Quartalen nicht gegen laufende Honoraransprüche aufrechnen kann, wenn die Vorlage der Quartalsabrechnung, mit der der Honoraranspruch dem Grunde nach entsteht, erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist (BSG, Urteil vom 23. März 2011 – B 6 KA 14/10 R, BSGE 108, 56; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. April 2011 – L 11 KA 133/10 B ER, L 11 KA 17/11 B ER, NZI 2011, 457). Auch die Besonderheiten des Vertragsarztrechts (hier: Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und somit der Interessen der Versichertengemeinschaft) rechtfertigen keine Abweichung: Wie das LSG Nordrhein-Westfalen (a.a.O.) zutreffend ausführt, gelten die insolvenzrechtlichen Regelungen rechtsbereichsübergreifend. Nachteile, die aus diesen Regelungen resultieren, sind hinzunehmen, denn dieses Schicksal trifft alle (Insolvenz-)Gläubiger gleichermaßen.

3. Die Honorarforderung der Klägerin erlosch jedoch im Umfang von 11.549 Euro durch die Aufrechnungserklärung in dem als "Rückforderungsbescheid" bezeichneten Schreiben vom 8. Juli 2010. Mit diesem Schreiben erließ die Beklagte hinsichtlich der Rückforderung keinen neuen Verwaltungsakt, sondern traf insoweit eine sogenannte "wiederholende Verfügung", da sie einen bereits ergangenen Verwaltungsakt – die Geltendmachung der Rückforderung als Bestandteil des Bescheides vom 18. Februar 2010 – lediglich wiederholte (vgl. dazu Engelmann in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 31 Rn. 31). Der Aufrechnungserklärung kam hingegen ein Regelungsgehalt zu.

a) Am 8. Juli 2010 bestand das insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbot wegen der zwischenzeitlichen Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr. Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens entfallen bis dahin bestehende Aufrechnungshindernisse (vgl. Kroth, a.a.O., § 96 Rn. 20). Der der Beklagten mit Bestandskraft der Regressfestsetzung zustehende Rückforderungsanspruch in Höhe von 11.549 EUR war spätestens mit Rechnungslegung zum 31. Dezember 2009 fällig geworden. Die Beklagte konnte ihren Rückforderungsanspruch aus § 106 Abs. 5c Halbsatz 4 SGB V damit gegenüber der Klägerin geltend machen. Dies tat sie mit Bescheid vom 8. Juli 2010 und erklärte mit dem Hinweis, der Regressbetrag werde "mit Ihrer Honorarforderung gegen die KVH verrechnet", erneut die Aufrechnung mit ihrer Rückforderung gegen die noch offene Honorarforderung der Klägerin für das Quartal III/2009.

b) Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts bestand zu diesem Zeitpunkt auch eine Aufrechnungslage; die Gegenforderung war insbesondere durchsetzbar. Die Beklagte war nicht durch den Ablauf einer Ausschlussfrist daran gehindert, mit ihrer Gegenforderung die Aufrechnung gegen die Honorarforderung der Klägerin zu erklären.

aa) Grundsätzlich dient dem Interesse des Vertragsarztes eine generell für vertragsärztliche Prüf- und Regressverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach langer Zeit ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird (zu dieser Frist allgemein z.B. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – B 6 KA 17/05 R, BSGE 96, 1; Urteil vom 6. September 2006 –B 6 KA 40/05 R, BSGE 97, 84). Da auf das Prüfungsverfahren die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist des § 45 SGB X nicht anwendbar ist, ist diese Ausschlussfrist Folge des Gebots der Rechtssicherheit (vgl. Scholz in: Becker/Kingreen, SGB V, 4. Auflage 2014, § 106 Rn. 35). Für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina bestimmt § 106 Abs. 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V n.F. seit dem 1.Januar 2008 eine Frist von zwei Jahren.

bb) Beide Ausschlussfristen beziehen sich nur auf das Prüfungsverfahren selbst (vgl. Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, § 106 Rn. 585d). Die Unsicherheit des Arztes, ob sein Behandlungs- bzw. Verordnungsverhalten Gegenstand von Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist, ist nach der Entscheidung der Prüfstelle beendet. Deshalb besteht auch keine gesonderte Ausschlussfrist für den Abschluss des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss (BSG, Beschluss vom 11. Mai 2011 – B 6 KA 5/11 B, Juris; BSG, Beschluss vom vom 28. August 2013 – B 6 KA 11/13 B, beck-online). Der Senat folgt deshalb der Auffassung des Sozialgerichts nicht, die Geltendmachung der Rückforderung durch die Kassenärztliche Vereinigung nach § 106 Abs. 5c Satz 3 SGB V unterliege dieser Ausschlussfrist gleichermaßen. Zwar trifft es zu, dass erst damit der gesamte Prüfungskomplex aus Sicht des Arztes abgeschlossen wird, doch weiß er gerade, wenn er – wie im Streitfall – die Regressfestsetzung bestandkräftig werden lässt, in welcher Höhe er in Anspruch genommen werden kann. Deshalb muss nur der Bescheid, der das Prüfungsverfahren abschließt, dem Arzt innerhalb dieser Frist zugegangen sein (vgl. auch Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010, § 36 Rn.128). Aus der Gesetzesbegründung zum GKV –Wettbewerbsstärkungsgesetz (BT-Drs. 16/3100, S. 136) ergibt sich nichts anderes, wenn es dort heißt, dass Zeiträume von mehr als zwei Jahren zwischen geprüftem Verordnungszeitraum und Abschluss der Prüfung für den Betroffenen unzumutbar seien. Die Unzumutbarkeit bezieht sich auf die Zeit der Ungewissheit, nicht auf die Zeit, die für die anschließende Realisierung der Forderung verstreicht. Das ergibt sich insbesondere auch aus dem weiteren Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass durch eine zeitnahe Prüfung "Transparenz und Signalwirkung der Prüfung verbessert" würden. Die Befürchtung des Sozialgerichts, dass der Vertragsarzt zeitlich unbegrenzt in Anspruch genommen werden könnte, ist nicht begründet. Für Konstellationen der vorliegenden Art trifft § 52 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eine Regelung, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt.

cc) Ob im Streitfall bereits die kurze (zweijährige) Ausschlussfrist des § 106 Abs. 2 Satz 7 SGB V n.F. zur Anwendung kommt oder noch die vierjährige Ausschlussfrist maßgeblich ist, kann offen bleiben. Da der Beschluss vom 28. November 2007, mit dem der Regress gegen die Klägerin festgesetzt wurde, am 3. Dezember 2007 zur Post gegeben wurde, gilt er gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X als am 6. Dezember 2007 bekannt gegeben. Selbst wenn die gemäß Art. 46 Abs. 5 GKV- Modernisierungsgesetz erst zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene kurze Ausschlussfrist auf den zu diesem Zeitpunkt (bei einer vierjährigen Ausschlussfrist) noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt anwendbar wäre, wäre die Regressfestsetzung noch rechtzeitig erfolgt. Die zweijährige Ausschlussfrist wäre nämlich bei einem Fristbeginn mit Ablauf des geprüften Verordnungszeitraums (31. Dezember 2005) gemäß § 26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 1 BGB erst am 31. Dezember 2007 abgelaufen. Die Klägerin war damit nicht daran gehindert, mit der Regressforderung gegen die Honorarforderung der Klägerin aufzurechnen, so dass der Honoraranspruch in Höhe der Klageforderung erloschen ist. Der Aufrechnungsbescheid der Beklagten vom 8. Juli 2010 nach Rückforderungsbescheid vom 18. Februar 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 23. September 2010 sind somit rechtmäßig, so dass die Berufung erfolglos bleibt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

5. Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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