S 81 KR 2981/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
81
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 2981/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Vorschrift des § 130 Abs. 3 SGB 5, wonach der Apothekenabschlag bei nicht fristgerechter Zahlung der Vergütung entfällt, findet keine Anwendung auf Fälle, in denen die Vergütung durch Änderung der Berechnungselemente nachträglich neu festgesetzt wird (hier: rückwirkende Änderung der Höhe des Apothekenrabatts für das Jahr 2009).
Die Klagen werden abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht – als Musterverfahren für insgesamt 946 bundesweit erhobene Klagen von Apothekern – gegen die beklagten Krankenkassen Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2009 geltend. Die Beteiligten streiten um Bestand oder Fortfall des sog. Apothekenrabatts nach § 130 Abs. 1 SGB V.

Der Kläger ist selbstständiger Apotheker und Inhaber der Apotheke am N.platz (Hauptapotheke) sowie der M.-Apotheke (Filialapotheke), jeweils in B. Er ist Mitglied im Deutschen Apothekerverband e.V. (i.F. DAV). Die Beklagten sind gesetzliche Krankenkassen, an deren Versicherte – bzw. an Versicherte fusionierter Krankenkassen – der Kläger im Jahr 2009 verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel abgab.

Der zwischen den Beteiligten geltende "Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V" vom 17. Januar 2008 bestimmt in § 3 Abs. 1, dass zwischen Krankenkasse und Apotheken ein Vertrag durch Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung zustande kommt und in 9 Abs. 1, dass eine Rechnung im Sinne von § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V mindestens aus folgenden Angaben besteht: Rechnungsdatum, Name, Anschrift und Institutionskennzeichen der Apotheke, Gesamtbeträge, Auflistung der abgegebenen Pharmazentralnummer und Gesamtzahl der Verordnungsblätter. Gemäß § 8a Abs. 1 des Vertrages richtet sich der Apothekenabschlag nach § 130 SGB V. Nach § 8 Abs. 2 haben die Partner des Vertrages eine vertragliche Anpassung des Apothekenabschlags mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 nach den Vorgaben des § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorzunehmen. Die Rahmenvereinbarung wird ergänzt durch regionale Arzneimittellieferungsverträge nach § 129 Abs. 5 SGB V, hier den Arzneimittelversorgungsvertrag Berlin vom 24./25./27. März 2003 betreffend die Beklagten zu 1), 3) und 4) und den Arzneimittellieferungsvertrag vom 21. August 2008 betreffend die Beklagten zu 2), 5) 6) und 7). Wegen der Einzelheiten der Verträge wird auf die Gerichtsakten verwiesen. Die Abrechnung der Fertigarzneimittel mit den Krankenkassen erfolgt mittels elektronischer Datenübertragung (§ 300 Abs. 1 SGB V). Dazu können die Apotheken Rechenzentren in Anspruch nehmen (§ 300 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Das Nähere regelt die zwischen den Spitzenverbänden der GKV und dem DAV gem. § 300 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 SGB V geschlossene "Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gem. § 300 SGB V" (Datenübermittlungsvereinbarung).

Über die an Versicherte der Beklagten – bzw. an Versicherte fusionierter Krankenkassen – im Jahr 2009 abgegebene verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel rechnete der Kläger gegenüber den Beklagten mit monatlichen Rechnungen ab. Diese Rechnungen erstellte in seinem Auftrag das Rechenzentrum A. N. GmbH (i.F. Rechenzentrum). Die Beklagten beglichen die Rechnungen jeweils binnen 10 Tagen unter Berücksichtigung von Zuzahlungsbeträgen sowie des Apothekenrabatts gemäß § 130 Abs. 1 SGB V von 2,30 EUR je verschreibungspflichtigem Fertigarzneimittel. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die für die Monate Januar bis Dezember 2009 zunächst abgerechnete Vergütung des Klägers unter zutreffender Berücksichtigung des damals geltenden Apothekenabschlags von den Beklagten vollständig geleistet worden ist.

Die Anzahl der abgegebenen Packungen und die Summen der einbehaltenen Rabatte stellen sich für Haupt- und Filialapotheke wie folgt dar:

Anzahl abgegebener Packungen Summe des einbehaltenen Rabatts iHv. 2,30 EUR pro Packung Beklagte zu 1) 18.650 42.895,00 EUR Beklagte zu 2) + Fusionskasse 7.977 + 956 18.347,10 EUR + 2.198,80 EUR Beklagte zu 3) 886 2.037,80 EUR Beklagte zu 4) 993 2.283,90 EUR Beklagte zu 5) 5.547 12.758,10 EUR Beklagte zu 6) 1.652 3.799,60 EUR Beklagte zu 7) 8.900 20.470,00 EUR

Im September 2008 nahmen der GKV-Spitzenverband sowie der DAV gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB V Verhandlungen über die Anpassung des Rabatts auf. Nachdem eine im Oktober 2008 erzielte Einigung der Verhandlungsbeauftragten vom GKV-Spitzenverband abgelehnt worden war, beantragte der DAV nach weiteren Verhandlungsversuchen am 14. Juli 2009 das Schiedsverfahren. Am 21.12.2009 entschied die nach § 129 Abs. 8 SGB V gebildete gemeinsame Schiedsstelle: "Der Apothekenabschlag nach § 130 Abs. 1 SGB V wird mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 auf 1,75 EUR festgesetzt.". Hiergegen erhob der GKV Spitzenverband im Januar 2010 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (Az. S 73 KR 135/10). Auf einen zugleich erhobenen Eilantrag lehnte das Sozialgericht Berlin die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Schiedsspruches ab (S 73 KR 135/10 ER). Eine hiergegen zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhobene Beschwerde war erfolgreich. Mit Beschluss vom 5. Mai 2010 ordnete das Landessozialgericht (Az. L 1 KR 51/10 B ER) die sofortige Vollziehung der Entscheidung der Schiedsstelle vom 21. Dezember 2009 an.

Unmittelbar nach Bekanntgabe der Vollziehungsentscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Mai 2010 machte der Kläger gegenüber den Beklagten die sich aus der rückwirkenden Änderung des Rabatts ergebende Vergütung geltend. Hierzu versandte das vom Kläger beauftragte Rechenzentrum an die Beklagten im sog. Korrekturmodus Rechnungen über den Vergütungsanspruch des Klägers, für beide Apotheken einheitlich saldiert unter der IK-Kennung der Hauptapotheke. Die auf den 5. Mai 2010 datierten Sammelrechnungen für eine Vielzahl von Apotheken enthielten jeweils die Angabe einer laufenden Nummer, das Institutskennzeichen der Apotheke, den Namen der Apotheke sowie den Apothekenort, die Anzahl der an Versicherte der Rechnungsempfänger abgegebenen Packungen Fertigarzneimittel, das Produkt des sich aus der früheren Regelung ergebenden Rabatts ("Rabatt Alt" – Anzahl Packungen multipliziert mit 2,30 EUR), das Produkt des sich aus der vollziehbaren Schiedsregelung ergebenden Rabatts ("Rabatt Neu" – Anzahl Packungen multipliziert mit 1,75 EUR) sowie die sich aus der Differenz der Rabatte ergebende Nachforderung. Die Rechnungen enthielten den Hinweis "Der Nettobetrag ist innerhalb vom 10 Tagen zu zahlen". Wegen der Einzelheiten der verschiedenen Rechnungen vom 5. Mai 2010 wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

Die Rechnungen vom 5. Mai 2010 gingen bei den Beklagten wie folgt ein: bei der Beklagten zu 1) am 20. Mai 2010, bei der Beklagten zu 2) am 14. Mai 2010 (Abrechnungszentrum Interforum) und am 20. Mai 2010 (Abrechnungszentrum GFS), bei der Beklagten zu 3) am 14. Mai 2010, bei der Beklagten zu 5) am 25. Mai 2010 sowie bei der Beklagten zu 7) am 21. Mai 2010. Die Beklagte zu 4) trägt vor, dass die Rechnung erst am 30. Juli 2010 zugegangen sei, die Beklagte zu 6) behauptet einen Rechnungszugang am 19. Juli 2010. Der Kläger bestreitet den verzögerten Zugang bei den Beklagten zu 4) und 6) unter Beweisantritt.

Über die Modalitäten der Abrechnung des neu festgelegten Abschlages nahmen der GKV-Spitzenverband sowie der DAV Verhandlungen auf, da die Krankenkassen einen anderen Rechnungsaufbau und eine digitale Übersendung der Abrechnungen in anderem Dateiformat forderten. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 schlug der DAV dem GKV-Spitzenverband eine Korrektur der Vergütung durch Vorlage von kassenbezogenen Jahresrechnungen für das Jahr 2009 vor. Diese Angaben hielten die Krankenkasse nicht für ausreichend. Sie rügten, dass solche Rechnungen – wie die auf den 5. Mai 2010 datierten Rechnungen des Klägers – nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprechen würden. Am 1. Juli 2010 einigten sich DAV und GKV-Spitzenverband über die Abrechnungsmodalitäten. Am 19. Juli 2010 übersandte das Rechenzentrum des Klägers den Beklagten die Abrechnungsdaten in der vereinbarten digitalen Form. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der digitale Satz den formellen Abrechnungsanforderungen entspricht, wobei der Kläger der Ansicht ist, dass diese nachträgliche Abrechnung nicht geschuldet war.

Der digitale Abrechnungssatz ging bei den Beklagten zu 1), 2) und 6) bzw. den von diesen beauftragen Abrechnungszentren am 19. Juli 2010 ein. Hinsichtlich der weiteren Beklagten konnte der Zugang des neuen Datensatzes nicht ermittelt werden. Der Kläger behauptet einen Zugang bei den übrigen Beklagten am 19. Juli 2010, diese bestreiten ihn.

Die Beklagten leisteten auf die Abrechnung der Abschlagsdifferenz sodann Zahlungen an den Kläger bzw. das Abrechnungszentrum des Klägers. Die Beklagte zu 1) wies die Zahlung von 10.257,50 am 27. Juli 2010 an, der Betrag wurde dem Kläger am 2. August 2010 gutgeschrieben. Die Zahlungen der Beklagten zu 2) von 525,80 EUR und 4.387,35 EUR gingen beim Kläger am 29. Juli 2010 ein, die Zahlung der Beklagten zu 3) von 487,15 EUR ging am 19. Juli 2010 ein, die Zahlung der Beklagten zu 4) von 546,15 EUR ging am 9. August 2010, die Zahlung der Beklagen zu 5) von 3.053,05 EUR ging am 23. Juli 2010 sowie die Zahlungen der Beklagten zu 6) und 7) von 908,60 EUR und 4.896,10 EUR gingen jeweils am 29. Juli 2010 ein. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der sich aus der Neufestsetzung des Rabattbetrages jeweils ergebende Vergütungsanspruch durch die getätigten Nachzahlungen von den Beklagten in voller Höhe erfüllt wurde.

Mit Urteil vom 7. April 2011 hob das Sozialgericht Berlin (Az. S 73 KR 135/10), den Schiedsspruch vom 21. Dezember 2008 auf und verpflichtete die Schiedsstelle, über den Antrag auf Festsetzung des Abschlags nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB V für das Kalenderjahr 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Hiergegen erhob der GKV-Spitzenverband Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Az. L 1 KR 150/11). Am 20. Juni 2013 einigten sich der DAV sowie der GKV-Spitzenverband im Rahmen einer umfassenden Einigung zur Regelung des Apothekenabschlags auch für die Jahre 2013 bis 2015 auf die Beilegung des Rechtsstreits einschließlich der Geltung des durch die Schiedsstelle vorgegebenen Rabatts gemäß § 130 SGB V für das Jahr 2009 von 1,75 EUR.

Am 27. Dezember 2013 erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin zehn Klagen gegen die Beklagten und begehrte die Auszahlung der seiner Ansicht nach aufgrund des Fortfalls der Rabattberechtigung zu Unrecht einbehalten Vergütungsanteile. Mit ihm erhob eine Vielzahl weiterer Apotheker bundesweit insgesamt 946 Klagen gegen gesetzliche Krankenkassen. Der Klägervertreter und der Beklagtenvertreter einigten sich auf die Durchführung von Musterverfahren vor dem Sozialgerichten Aachen und Berlin.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm ein Anspruch auf Auszahlung restlicher Vergütung zustehe, da aufgrund verspäteter Zahlung der Anspruch auf Einbehalt des Rabatts nach § 130 SGB V entfallen sei. Die Beklagten hätten nach sofortiger Vollziehbarkeit des Schiedsspruchs über den rückwirkend festgesetzten Rabatt für das Jahr 2009 auf die von ihm eingereichten Rechnungen über die Nachvergütung nicht binnen 10 Tagen geleistet. Er ist der Ansicht, dass damit gemäß § 130 Abs. 3 SGB V die Möglichkeit eines Rabattabzuges vollständig entfallen sei, da § 130 Abs. 3 SGB V die Apotheker vor Zahlungsverzögerungen schütze. Der Eintritt der auflösenden Bedingung nach § 130 Abs. 3 SGBV sei durch die Schiedsstellenentscheidung rückwirkend aufgehoben worden.

Der Kläger ist weiter der Auffassung, die Rechnung des Rechenzentrums vom 5. Mai 2010 sei eine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne von § 130 SGB V. Bereits bei der ursprünglichen Abrechnung im Jahr 2009 seien der Beklagten durch das Rechenzentrum alle relevanten Daten mitgeteilt worden; die damaligen Rechnungen seien unbeanstandet beglichen worden. Nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Schiedsstellenentscheidung hätte es keiner Nacherhebung seitens des Rechenzentrums bedurft. Denn die Beklagten hätten aus den ihnen vorliegenden Datensätzen den für 2009 nachzuzahlenden Betrag für jeden Apotheker errechnen können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes würde ein Streit um Rechnungsformalien nicht dazu führen, dass Informationen doppelt gegeben werden müssen. Allerdings habe er der Beklagten eine Rechnung über die 0,55 EUR pro Packung geschuldet, weil diese bis dahin nicht in Rechnung gestellt worden seien.

Der Kläger behauptet, dass die Krankenkassen "die gesetzlich vorgesehene und überfällige Herabsetzung des Zwangsabschlags verschleppt" hätten und dass auch nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Schiedsspruchs durch das LSG Berlin-Brandenburg die Beklagten mit der Absicht der Verlängerung der Zinsvorteile "zockten". Er meint, den Beklagten dürfe der "illegal erlangte Zinsvorteil" nicht belassen werden.

Zur Begründung der Klageforderungen multipliziert der Kläger die Anzahl im Jahr 2009 jeweils an Versicherte der Beklagten bzw. der Fusionskassen abgegebenen und abgerechneten Packungen Fertigarzneimittel mit der Höhe des nach den Nachberechnungen und Nachzahlungen verbliebenen Rabatteinbehaltes von 1,75 EUR je Packung. Dabei macht er Forderungen aus der Abgabe von Arzneimitteln der Filialapotheke gegenüber den Beklagten zu 2), 3) und 4) in Höhe von 198,55 EUR (für 361 Packungen), 84,15 EUR (für 153 Packungen) und 154,00 EUR (für 280 Packungen) wegen des verhältnismäßig geringen Umfangs nicht geltend. Wegen zugleich geltend gemachter Rabatte auf Hilfsmittel hat der Kläger die Klage, wertmäßig in sehr geringfügigem Umfang, zurückgenommen. Am 4. November 2014 hat der Kläger den Beklagten vorsorglich die Klagesumme nochmals in Rechnung gestellt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an die Kläger 32.637,50 EUR zu zahlen, die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an den Kläger 15.001,00 EUR zu zahlen, die Beklagte zu 3) zu verurteilen, an den Kläger 1.282,75 EUR zu zahlen, die Beklagte zu 4) zu verurteilen, an den Kläger 1.247,75 EUR zu zahlen, die Beklagte zu 5) zu verurteilen, an den Kläger 9.707,25 EUR zu zahlen, die Beklagte zu 6) zu verurteilen, an den Kläger 2.891,00 EUR zu zahlen, die Beklagte zu 7) zu verurteilen, an den Kläger 15.575,00 EUR zu zahlen, jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagten beantragen,

die Klagen abzuweisen sowie die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass dem Kläger kein Anspruch auf Auszahlung der einbehaltenen Rabattanteile zustehe, da § 130 SGB V auf den Fall der Änderung des Rabattbetrages keine Anwendung finde. Sie verweisen auf die Entscheidung der Kammer vom 14. September 2012, S 81 KR 572/11. Sie sind der Ansicht, dass die vom Rechenzentrum im Auftrag des Klägers übersandten Rechnungen keine Rechnungen im Sinne von § 130 SGB V seien, dass die zwischen den GKV-Spitzenverband und den DAV vereinbarten Abrechnungsmodi nicht eingehalten seien und im Übrigen keine verspätete Zahlung erfolgt sei, da die Kassen zunächst die Einigung zwischen GKV-Spitzenverband und DAV abwarten mussten. Im Jahr 2009 seien ca. 600 Mio. Rezepte abgewickelt worden. Für dieses Massengeschäft sei ein geordnetes und übersichtliches Verfahren zur Nachberechnung des Rabatts, für die Wirtschaftlichkeitsprüfung und die Geltendmachung im Risikostrukturausgleich erforderlich gewesen. Sie vertreten ferner die Ansicht, dass eine einmal eingetretene Bedingung nicht nachträglich rückwirkend aufgehoben werden könne. Hilfsweise tragen sie vor, dass die Frist nach § 130 Abs. 3 S. 1 SGB V jeweils eingehalten worden sei. Hinsichtlich der nochmaligen Rechnungsstellung im Jahr 2014 erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung.

Mit Beschluss vom 10. Februar 2014 hat das Gericht die Verfahren des Klägers nach Anhörung der Beteiligten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen, die der Kammer bei der Entscheidung vorlagen und Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, da es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

Das Sozialgericht Berlin ist örtlich nach § 57 SGG zuständig.

Streitgegenstand des Verfahrens ist (allein) der Anspruch des Klägers auf Auszahlung des bislang noch einbehaltenen Rabatts von 1,75 EUR je Packung, nicht hingegen ein Verzugsschadensersatzanspruch. Zwar rügt der Kläger die verspätete Auszahlung der Differenz zwischen dem Rabatt von 2,30 EUR und 1,75 EUR je Packung erst im Juli bzw. August 2010 und beruft sich auf dadurch ungerechtfertigt erlangte Zinsvorteile der Beklagten. Jedoch ist dies lediglich Begründungselement für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Auszahlung des verbliebenen Rabatts von 1,75 EUR je Packung. Der Kläger hat klargestellt, dass ein Zinsanspruch wegen der seiner Ansicht nach verspäteten Zahlung des Differenzbetrages von 0,55 EUR je Packung nicht geltend gemacht wird.

2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von weiterer Vergütung in Höhe von insgesamt 78.342,25 EUR. Die beklagten Krankenkassen haben von der dem Kläger geschuldeten Vergütung die Rabatte gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 SGB V zu Recht einbehalten. Durch eine etwaig verspätete Auszahlung der nachträglich geänderten und neu berechneten Vergütung entfiel die Berechtigung zum Abzug des Rabattes nicht.

Der Vergütungsanspruch des Klägers wurde im Jahr 2009 durch Zahlung der - nach Abzug des Rabatts gemäß § 130 SGB V - geschuldeten Vergütung vollständig erfüllt und erlosch (dazu a.). Der durch Vollziehbarkeit des Schiedsspruchs nachträglich entstandene Vergütungsanspruch erlosch ebenfalls durch Erfüllung der Forderung (dazu b.) Nach Überzeugung der Kammer findet § 130 Abs. 3 SGB V auf die Abwicklung der Vergütungsneuberechnung nach Änderung eines Berechnungselements keine Anwendung (dazu c.). Danach bedurfte es keiner Klärung, ob die Rechnungen oder Datensätze des Klägers im Jahr 2010 die 10-Tagesfrist des § 130 Bas. 3 S. 1 SGB V auslösen konnten und ob die nachfolgenden Zahlungen der Beklagten fristgerecht erfolgten (dazu d.).

a. Die im Jahr 2009 entstandenen Vergütungsansprüche des Klägers sind erloschen.

Nach § 129 SGB V geben die Apotheker nach Maßgabe der ergänzenden Rahmenvereinbarungen und Landesverträge (§ 129 Abs. 2 und Abs. 5 S 1 SGB V, vgl. auch § 2 Abs. 2 S 3 SGB V) vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an Versicherte der GKV ab. § 129 SGB V begründet im Zusammenspiel mit den vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apotheken zur Abgabe von vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln an die Versicherten gesetzlicher Krankenkassen. Die Apotheker erwerben im Gegenzug für ihre öffentlich-rechtliche Leistungspflicht einen durch Normenverträge näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die Krankenkassen, der schon in § 129 SGB V vorausgesetzt wird (BSG, Urteile vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 13/08 R - und vom 28. Juli 2010 - B 1 KR 3/10 R). Durch die Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung kommt ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke zustande.

Nach § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V i.V.m. § 8 Satz 1 des Rahmenvertrages sind die Apotheken bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte verpflichtet, den für den Tag der Abgabe geltenden Apothekenabgabepreis zu berechnen und anzugeben. Für Fertigarzneimittel, die zur Anwendung beim Menschen bestimmt sind, errechnet sich der Apothekenabgabepreis für 2009 aus dem bei Belieferung des Großhandels geltenden Abgabepreisen des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer zuzüglich des darauf entfallenden Großhandelshöchstzuschlags (Netto-Einkaufspreis) plus einem Festzuschlag von 3 %, einem weiteren Zuschlag von 8,10 EUR sowie der Umsatzsteuer (§ 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 der Arzneimittelpreisverordnung - AMPreisV - in den beiden für das Abrechnungsjahr 2009 maßgeblichen vom 01.07.2008 bis 31.12.2010 geltenden Fassungen). Da die Apothekenzuschläge gemäß § 3 AMPreisV für Fertigarzneimittel gemäß § 1 Abs. 1 AMPreisV erhoben werden, entstehen sie für jede abgegebene Packung. Die Abrechnung der Fertigarzneimittel mit den Krankenkassen erfolgt mittels elektronischer Datenübertragung (§ 300 Abs. 1 SGB V). Dazu können die Apotheken Rechenzentren in Anspruch nehmen (§ 300 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Das Nähere regelt die hierzu vereinbarte Datenübermittlungsvereinbarung.

Gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 SGB V in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung erhalten die Krankenkassen von den Apotheken auf die Vergütung für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel einen Abschlag von 2,30 EUR je Arzneimittel. Gemäß § 130 Abs. 3 SGB V setzt die Gewährung des Abschlags voraus, dass die Rechnung des Apothekers innerhalb von zehn Tagen nach Eingang bei der Krankenkasse beglichen wird. Die Vergütungsansprüche der Apotheker für die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte einer Krankenkasse vermindern sich in Höhe des jeweiligen Apothekenrabatts rückwirkend ohne weiteren Rechtsakt aufgrund Bedingungseintritts, wenn die Krankenkasse die Voraussetzungen für das Entstehen des Rabatts erfüllt. Das Gesetz umschreibt lediglich den äußeren Vorgang der Rabattierung, ohne ihn ausdrücklich rechtstechnisch zu qualifizieren. Es handelt es sich bei dem Rabatt um eine bereits das gesetzlich geregelte Grundgeschäft betreffende gesetzlich angeordnete auflösende Bedingung (vgl. § 158 Abs. 2 BGB). Der zunächst entstandene ungekürzte Vergütungsanspruch des Apothekers aus der Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte steht in Höhe des Apothekenrabatts unter der auflösenden Bedingung, dass der Vergütungsanspruch – abzüglich des Rabatts – innerhalb der gesetzlichen Frist von zehn Tagen nach Rechnungseingang beglichen wird, vgl. dazu ausführlich BSG, Urteil vom 6. März 2012 B 1 KR 14/11 R¬. Die Vergütung entsteht hinsichtlich des Rabattanteils in voller Höhe, sofern die Krankenkasse die Rechnung nicht in voller Höhe fristgerecht begleicht. Der jeweils zu gewährende Rabatt entfällt in diesem Fall vollständig, Teilzahlungen oder Abschlagszahlungen sind nicht anteilig zu berücksichtigen, BSG, Urteil vom 6. März 2012, B 1 KR 14/11 R, Rdnr. 30 m.w.N. - zitiert nach juris.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die im Jahr 2009 entstandene und ordnungsgemäß monatlich abgerechnete Vergütung jeweils innerhalb der 10-Tages-Frist des § 130 SGB V von den Beklagten geleistet wurde, so dass der Rabatt in damals geltender Höhe von 2,30 EUR pro abgegebener Packung als Vergütungsabschlag entstand und zu Recht einbehalten wurde. Die Vergütungsansprüche erloschen durch Erfüllung der Bedingung teilweise und durch Zahlung der verbleibenden Vergütung vollständig. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass vor Änderung der Vergütungsberechnung durch den Schiedsspruch keine weiteren Zahlungsansprüche wegen rückständiger Vergütung aus dem Jahr 2009 bestanden.

b. Der Vergütungsanspruch auf Nachzahlung der Rabattdifferenz erlosch durch vollständige Zahlung durch die beklagten Krankenkassen an den Kläger. Auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB V schrieb in der bis 31.12.2010 maßgeblichen Fassung vor, den Abschlag für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel von 2,30 EUR je Arzneimittel "mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 von den Vertragspartnern in der Vereinbarung nach § 129 Abs. 2 so anzupassen, dass die Summe der Vergütungen der Apotheken für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel leistungsgerecht ist unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Leistungen und der Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung".

Diese Vorgabe des Gesetzgebers mündete nach Verhandlungen des GKV-Spitzenverbandes und des DAV über den Apothekenabschlag für das Abrechnungsjahr 2009 in die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V vom 21. Dezember 2009.

Mit dem sofort vollziehbaren Schiedsspruch vom 21. Dezember 2009, vgl. Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 5. Mai 2010 (L 1 KR 51/10 B ER), entstand rückwirkend zum 1. Januar 2009 ein Anspruch auf Auszahlung des Vergütungsanteils, welcher der Differenz entspricht zwischen dem ursprünglichen Rabatt von 2,30 EUR und dem durch Schiedsspruch festgelegten Rabatt von 1,75 EUR multipliziert mit der Anzahl der abgegebenen und abgerechneten verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel.

Nach Überzeugung der Kammer handelt es sich dabei um einen Vergütungsanspruch und nicht um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, vgl. hierzu bereits Urteil der Kammer vom 14. September 2012, S 81 KR 572/11 - juris. Denn der Rechtsgrund des Zahlungsanspruchs liegt in einer geänderten Berechnung des Rabattes, also einer nachträglichen Veränderung der auflösenden Bedingung, unter welcher der Vergütungsanspruch stand. Mit der Veränderung eines Elementes zur Berechnung des Vergütungsanspruchs ändert sich dessen Rechtsnatur nicht, so dass die Bestimmungen zur Abrechnung der Vergütung dem Grunde nach weiter Anwendung finden. Die Veränderung erfolgte durch nachträgliche Vereinbarung der Vertragsparteien, da der Schiedsspruch die nach § 130 Abs. 1 S. 2 SGB V gesetzlich angeordnete Vereinbarung der Vertragspartner nach § 129 Abs. 2 SGB V ersetzt. Ob der Vergütungsanspruch durch den Schiedsspruch neu entstand oder der ursprüngliche Anspruch nachträglich wieder auflebte, kann dahinstehen. Jedenfalls wurde der Vergütungsanspruch auf Nachzahlung des zunächst zu hoch berechneten Rabatts erst nach vollständigem Erlöschen der Ursprungsforderung begründet.

Die sich aus dem Schiedsspruch ergebende weitere Vergütung, die der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 5. Mai 2010 sowie mit Datensätzen von 19. Juli 2010 mitteilte, zahlte diesen vollständig im Juli bzw. August 2010. Die nachträglich entstandenen Vergütungsansprüche erloschen durch Erfüllung. Weitere Vergütungsanspruche aus der Differenz zum reduzierten Rabatt bestehen nicht, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

c. Ein darüber hinausgehender Vergütungsanspruch besteht für das Jahr 2009 nicht. Der Rabatt nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGB V in Höhe von 1,75 EUR je Packung entfiel nicht nachträglich, eine etwaig verspätete Nachzahlung der nachträglich geänderten Vergütung lies den im Jahr 2009 entstandenen Rabatt – nach Maßgabe des Schiedsspruchs – nicht rückwirkend entfallen. Für die Abwicklung der Nachberechnung der Vergütung aufgrund eines geänderten Berechnungselements findet § 130 Abs. 3 SGB V keine Anwendung. Die Rabattierung ist in das System der Arzneimittelvergütung für die Apotheken durch die Krankenkassen integriert. Sie soll einfach und sicher das gesetzliche Ziel umsetzen, bei - im Interesse der Apotheken - kurzfristiger, zeitgerechter Erfüllung den Vergütungsanspruch im Interesse der Krankenkasse um einen bestimmten Betrag zu mindern. Der Apothekenrabatt dient heute allein dazu, bei sich weiterhin dynamisch entwickelnden Arzneimittelkosten einen Einspareffekt bei pünktlicher Bezahlung zu bewirken und dem gesetzgeberischen Ziel der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) Rechnung zu tragen. Der Apothekenrabatt als - geringfügige - Kürzung des gesetzlichen Vergütungsanspruchs des Apothekers gegen die Krankenkasse erhält durch die Bindung an die Zehntagesfrist nach Rechnungseingang (§ 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V) den Charakter eines Skontos für die alsbaldige Zahlung (BSG, Urteil vom 6. März 2012 - B 1 KR 14/11 R - Rdnr. 20 m.w.N. - zitiert nach juris, SG Aachen, Urteil vom 19. August 2014 – S 13 KR 396/13 –, juris).

§ 130 Abs. 1 und 3 SGB V regeln den Standardfall der Vergütungsabrechnung. Hierzu bestehen in § 9 des Rahmenvertrages nach § 129 SGB V detaillierte Regelungen, wie der Vergütungsanspruch im Einzelnen abzurechnen ist. Ferner erfolgt die Abrechnung zugleich in standardisierter und elektronischer Form. Dies gewährleistet eine zügige Abwicklung der monatlichen Vergütungsansprüche.

Die Nachberechnung des Vergütungsanspruchs durch nachträgliche Änderung der Rabatthöhe stellt einen nicht im Gesetz geregelten Sonderfall der Vergütungsabrechnung dar. Dieser wird nach Überzeugung der Kammer von § 130 Abs. 3 SGB V nicht erfasst. Denn § 130 Abs. 3 SGB V findet mit seinen massiven Folgen – dem Fortfall des gesamten Rabatts, vgl. BSG, Urteil vom 6. März 2012 (B 1 KR 14/11 R) – nur Anwendung auf die standardisierten Regelvergütungsabrechnungen zwischen den Apotheken und den Krankenkassen.

§ 130 Abs. 3 SGB V findet auf den hier streitigen Sachverhalt schon deshalb keine Anwendung, da eine einmal eingetretene auflösende Bedingung nicht rückwirkend wieder aufleben kann. Das tatsächlich eingetretene, frühere Ereignis kann nicht rückgängig gemacht werden.

Würde jedwede Abrechnungskorrektur der Anwendung des § 130 Abs. 3 SGB V unterfallen, bestünde eine unausgewogene Risikoverteilung. Denn die Krankenkassen müssten individuelle Nachberechnungen der Apotheker entweder zunächst ungeprüft begleichen oder unzumutbaren Verwaltungsaufwand zur Nachprüfung der Rechnungen betreiben. Anschaulich zeigt sich dies in den zwischen GKV-Spitzenverband und DAV aufgenommenen Verhandlungen über Inhalt und Form der Abrechnung des durch Schiedsspruch geänderten Rabattanteils. Dem gegenüber bestehen gemeinsam vereinbarte Anforderungen an eine regelhafte Vergütungsabrechnung gemäß § 9 des Rahmenvertrages nach § 129 SGB V, welche die 10-Tages-Frist des § 130 Abs. 3 SGB V beginnen lassen soll. Die vertraglichen Abrechnungsregelungen erfassen die Nachberechnung aufgrund des geänderten Schiedsspruchs jedoch nicht, da Rechnungselemente gefordert werden, welche für die Abrechnung der Nachvergütung unsinnig sind (z.B. Auflistung der abgegebenen Pharmazentralnummern - PZN).

§ 130 Abs. 3 SGB V findet auch deswegen keine Anwendung, weil die Nachforderung selbst nicht dem Rabattabschlag nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGB V als Bedingung unterfiel. Denn mit dem sofort vollziehbaren Schiedsspruch änderten sich allein die Höhe des vom Kläger zu gewährenden Rabattes und damit ein Berechnungselement der Bedingung. Dieser (neue oder wieder aufgelebte) Vergütungsanspruch in Höhe der Differenz zwischen der ursprünglichen Rabatthöhe pro Packung und der durch Schiedsspruch festgelegten Rabatthöhe war durch die Beklagten in voller Höhe ohne Abzüge zu zahlen. Das Gegenseitigkeitsverhältnis des Rabatts als Skontoabrede war nicht erfüllt. Dem Interesse der Apotheker an einer schnellen Zahlung stand kein Interesse der Krankenkassen am Eintritt der Rabattbedingung gegenüber, da diese bei der Nachberechnung nicht zur Anwendung kam. Daher kann eine etwaige verspätete Zahlung der Nachforderung nicht den Wegfall des Gesamtrabattes zur Folge haben.

§ 130 Abs. 3 SGB V findet keine Anwendung, weil das Rabattrisiko auf den Jahresrabatt bezogen wäre, während § 130 Abs. 3 SGB V das Rabattrisiko auf die Höhe des Monatsrabatts beschränkt, also auf die Höhe des möglichen Rabatts für die jeweils abgerechnete Monatsvergütung. Nach dem Rahmenvertrag nach § 129 SGBV rechnen die Apotheker monatlich über die abgegebenen Packungen Arzneimittel ab. Der nach § 130 Abs. 3 SGB V zu gewährende Rabatt ist auf die jeweils abgerechnete Anzahl Packungen bezogen, was die Bezugnahme auf die jeweilige Rechnung in § 130 Abs. 3 SGB V belegt. Versäumt die Kasse die Frist, entsteht die in diesem Monat abgerechnete Vergütung ohne Rabattabzug. Keinesfalls entfällt jedoch der in den Vormonaten oder den Folgemonaten zu Recht abgezogene Rabatt. Daher kann bei einer Nachberechnung wie im vorliegenden Fall der unstreitig damals zu Recht vorgenommene Abzug nicht nachträglich für das gesamte Jahr vollständig entfallen.

Als der Gesetzgeber durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ab 1. April 2007 den Apothekenabschlag von 2,10 EUR je Fertigarzneimittel einführte, gab er den Krankenkassen und Apothekern auf, diesen Rabatt für das Kalenderjahr 2009 anzupassen. Schon zu Beginn des Abrechnungsjahres 2009 stand fest, dass die gesetzliche Vorgabe des § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB V (a.F.) zeitlich nicht einzuhalten war. Nach ergebnislosen Vorverhandlungen beantragte der DAV am 14. Juli 2009, als bereits mehr als die Hälfte des Abrechnungsjahres 2009 verstrichen war, eine Schiedsstellenentscheidung. Diese lag am 21. Dezember 2009 vor und war zu diesem Zeitpunkt weder rechtskräftig noch sofort vollziehbar. Für die Vollziehbarkeit kam es vorliegend auf die Zustellung des Beschlusses des Landessozialgerichts an die Prozessvertreter an. Eine Geltung der 10-Tagesfrist des § 130 Abs. 3 SGB V auch in diesem Fall würde die Schiedsstellenentscheidung nicht nur ins Leere laufen lassen, sondern ad absurdum führen (vgl. SG Aachen, Urteil vom 19. August 2014 – S 13 KR 396/13 –, juris).

Die Kammer verkennt nicht, dass eine Regelung wie die des § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB V, die den Krankenkassen und Apothekern aufgibt, den Apothekenrabatt selbst festzulegen ("anzupassen"), das Risiko in sich birgt, dass eine Einigung erst nach langen Verhandlungen und Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf des jeweiligen Abrechnungsjahres zustande kommt und zu vorübergehender Rechtsunsicherheit und Kosten (Zinsverlusten, Verwaltungs- und Verfahrenskosten) führt (das SG Aachen empfiehlt im Urteil vom 19. August 2014 – S 13 KR 396/13 –, juris, eine gesetzgeberische Anpassung). Nachteile durch eine etwaig schuldhaft verzögerte Abwicklung wären jedoch als Verzugsschaden (der hier nicht Streitgegenstand ist) geltend zu machen.

d. Da nach der Auffassung der Kammer § 130 Abs. 3 SGB V auf den Fall der nachträglichen Änderung des Rabatts keine Anwendung findet, bedurfte es keiner Klärung, ob die auf den 5. Mai 2010 datierten Rechnungen oder die Datensätze vom 19. Juli 2010 über die Höhe der jeweils geschuldeten Nachzahlungen als ordnungsgemäße Rechnungen im Sinne von § 130 Abs. 3 SGB V anzusehen. Es bedurfte keiner Klärung, ob dadurch die 10-Tagesfrist des § 130 Abs. 3 SGB V auslöst wurde und ob die im Juli und August 2010 getätigten Zahlungen fristgerecht erfolgten. Schließlich bleib unerheblich, ob nachträglich im Jahr 2014 gestellten Rechnungen einen Vergütungsanspruch begründen konnten und der Anspruch der Verjährung unterfiel.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO. Sie berücksichtigt das Unterliegen des Klägers.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt durch gesonderten Beschluss. Die Kammer hat die Sprungrevision zugelassen, da sich aus der Vielzahl der bundesweit erhobenen, gleichartigen Klagen eine grundsätzliche Bedeutung ergibt, §§ 161 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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