L 2 U 180/01

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 U 180/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 3.4.2001 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob die Hepatitis-C-Infektion der Klägerin die Voraussetzungen der Berufskrankheit (BK) Nr 3101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) erfüllt.

Die 1946 geborene Klägerin war von Juni 1969 bis Juni 1970 und seit 1975 als Raumpflegerin im Gesundheitsamt B tätig. Bis 1990/91 gehörte zu ihren täglichen Aufgaben die Reinigung der Laborräume einschließlich der Entsorgung des angefallenen Abfalls. In der Zeit danach war sie in den Laborräumen nur noch vertretungsweise tätig. Anlässlich einer Routineuntersuchung wurden bei der Klägerin am 10.10.1995 erhöhte Leberwerte festgestellt. Noch im gleichen Monat wurde bei der Klägerin eine Hepatitis-C-Infektion nachgewiesen.

Im Mai 1996 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten das Vorliegen einer BK geltend. Im August 1996 gab sie telefonisch an, sie müsse im Gesundheitsamt auch das Labor reinigen, wo öfter infiziertes Material "rumliege".

Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein. In einem im Oktober 1996 ausgefüllten Fragebogen vermerkte die Klägerin auf die Frage, ob sie beruflichen Kontakt mit Blut oder Ausscheidungen gehabt habe: "Unbekannt, ob sich bei den Laborabfällen auch infizierter Abfall befand.". Auf die Frage: "Ist eine Verletzung (zB durch Kanülenstich) eingetreten, ggf wann?" kreuzte die Klägerin weder die vorformulierte Antwort "ja" noch die Antwort "nein" an.

Die behandelnden Ärzte der Klägerin, die Dres C aus B führten im April 1997 in einem Schreiben an die Beklagte aus: Im Gesundheitsamt B komme die Klägerin gelegentlich mit infektiösem Material in Kontakt. Da ein anderer Infektionsweg nicht eruierbar sei, sei es wahrscheinlich, dass die Hepatitis-C-Infektion im Rahmen der Berufstätigkeit stattgefunden habe.

Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme ihres Unfallverhütungsdienstes vom Oktober 1997. Dieser führte aus: Früher -bis etwa 1990/91- sei es Aufgabe der Klägerin gewesen, infektiöses Material sowie Kanülen im Labor und in den Untersuchungszimmern zu entsorgen. Sie habe sich dabei, wie sie jetzt angebe, mehrfach an Kanülen gestochen. Im Laufe ihrer Tätigkeit habe sie keine Meldungen über Stichverletzungen gemacht. Der Unfallverhütungsdienst vertrat die Auffassung, ein Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Hepatitis C sei nicht wahrscheinlich. Zwar sei die Möglichkeit einer Infektion am Arbeitsplatz nicht mit Sicherheit auszuschließen. Aufgrund der "Qualität" des Untersuchungsmaterials, der relativ geringen Zahl der Proben und des eher seltenen Kontakts sei jedoch allenfalls von einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit auszugehen.

Der Staatliche Gewerbearzt Dr N vertrat in einer Stellungnahme vom gleichen Monat die Auffassung, die Voraussetzungen der BK Nr 3101 seien gegeben. Wer jahrelang in einem Gesundheitslabor, wo auch Blutproben von häufig heroinabhängigen Personen aus dem "Rotlichtmilieu" (regelmäßige Kontrollen durch das Gesundheitsamt auf Geschlechtskrankheiten) ua untersucht würden, arbeite und Kanülen und anderes potentiell infektiöses Material wegräume, habe nicht das Infektionsrisiko der Allgemeinbevölkerung, sondern ein sehr deutlich erhöhtes, dem Laborpersonal ähnliches Risiko. Die durch die Hepatitis bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage zur Zeit weniger als 10 %.

Der Unfallverhütungsdienst der Beklagten hielt im Januar 1998 weiter fest: Eine besondere Gefährdung in Bezug auf die BK Nr 3101 könne nur dann angenommen werden, wenn mehr als zehnmal während der täglichen Arbeitszeit invasive Tätigkeiten mit Verletzungsgefahr ausgeführt worden seien. Im Falle der Klägerin sei der Anteil potentiell infektiösen Materials verschwindend gering. Die wenigen Blutproben im Gesundheitsamt stammten überwiegend von Personen aus der Allgemeinbevölkerung (zB angehende Lehrerinnen). Zwar würden im Gesundheitsamt B auch Blutproben im Bereich der Geschlechtskrankheitenüberwachung geprüft. Es handele es sich insoweit aber ausschließlich um Erstuntersuchungen; die Nachuntersuchungen erfolgten nicht in diesem Gesundheitsamt. Es könne also keine Rede davon sein, dass dort "regelmäßig" Blutproben von häufig heroinabhängigen Personen aus dem Rotlichtmilieu zu untersuchen seien. Dafür spreche auch, dass "im fraglichen Zeitraum" im Gesundheitsamt B nur eine Blutprobe als Hepatitis-C-infektiös identifiziert worden sei. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt der Verwaltung des Gesundheitsamts eine Meldung über eine Stichverletzung gemacht und erst während eines Telefongesprächs am 24.9.1997 auf eine entsprechende Frage hin geäußert, dass sie sich "mehrfach" gestochen habe. Es sei zumindest fraglich, dass es zu solchen Stichverletzungen überhaupt gekommen sei. Aber selbst wenn man dies unterstelle, könne von einem Nachweis konkreter Verletzungen keine Rede sein.

Die Beklagte lehnte daraufhin die Anerkennung einer BK Nr 3101 mit Bescheid vom 18.2.1998 ab.

Im Widerspruchsverfahren ging bei der Beklagten eine Stellungnahme der Dres C aus B vom März 1998 ein, worin erneut die Auffassung vertreten wurde, die Voraussetzungen einer BK seien erfüllt.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.4.1998 zurückgewiesen.

Im Klageverfahren hat die Klägerin ua vorgetragen, sie sei bis 1976 regelmäßig Blutspenderin gewesen; während dieses Zeitraums seien nie auffällige Leberwerte nachgewiesen worden. Auch in der Zeit von 1991 bis zum Nachweis der Hepatitis C im Jahre 1995 sei sie als Vertretung an mindestens 40 bis 50 Arbeitstagen im Jahr in den Labors als Reinigungskraft beschäftigt gewesen.

Das Sozialgericht (SG) hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten von Prof Dr K vom Institut für A der Universität M vom Januar 1999 und von Amts wegen ein Gutachten des Internisten Dr T aus Mainz vom Oktober 1999 veranlasst.

Bei der Untersuchung durch Prof Dr K hat die Klägerin angegeben, sie habe sich bei ihrer Tätigkeit "öfters" beim Entsorgen der Plastiktüten durch Kanülen verletzt und in die Finger gestochen; die entsprechenden Tage könne sie nicht angeben. Prof Dr K hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen einer BK Nr 3101 seien gegeben. Die Klägerin habe sich sowohl eine Hepatitis A als auch eine Hepatitis C zugezogen. Da eine Hepatitis A immer ausheile, sei für die vorliegende Fragestellung ausschließlich die Hepatitis-C-Infektion relevant. Diese sei wahrscheinlich auf den Zeitraum zwischen 1985 und 1995 zu datieren; die hierdurch bedingte MdE sei mit 30 % seit Oktober 1995 einzuschätzen.

Gegenüber Dr T hat die Klägerin erklärt, sie habe seit 1991 "auch im Labor des Gesundheitsamts saubergemacht" und sich dabei "einige Male" an Nadeln verletzt. Dr T hat sich im Ergebnis der Zusammenhangsbeurteilung von Prof Dr K angeschlossen, wobei er davon ausgegangen ist, dass sich die Klägerin die Infektion zwischen 1976 und 1995 zugezogen habe. Dr T hat allerdings im Gegensatz zu Prof Dr K nur eine MdE von 20 % vorgeschlagen.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme ihrer Abteilung Prävention vom Dezember 1999 vorgelegt, worin das Ergebnis von Ermittlungen im Gesundheitsamt B berücksichtigt wurde. Gegenüber dem Ermittlungsbeamten der Beklagten hatten von Seiten des Gesundheitsamts B der Amtsleiter Dr C , der Verwaltungsleiter K und die Verwaltungsangestellte L die Behauptung der Klägerin, bis 1995 seien gebrauchte Kanülen systematisch in Mülltüten entsorgt worden, bestritten. Die Abteilung Prävention hat festgehalten, die befragten Personen hätten angegeben: Im Rahmen der Geschlechtskrankheitenuntersuchungen seien monatlich etwa 6 – 7 Prostituierte zur Blutentnahme ins Gesundheitsamt gekommen. Erst in der jüngsten Vergangenheit habe sich diese Zahl auf etwa 10 bis 13 Personen erhöht. Die befragten Personen hätten die Behauptung der Klägerin über die Entsorgung von Kanülen mit Nachdruck zurückgewiesen; bereits seit dem 1.6.1989 seien Kanülen planmäßig in sog "Mediboxen" entsorgt worden. Dies schließe selbstverständlich nicht aus, dass in Einzelfällen unplanmäßig und regelwidrig Kanülen in Mülltüten geworfen worden seien. Der Unfallverhütungsdienst der Beklagten hat die Auffassung vertreten, es sei kaum vorstellbar, dass die Klägerin bis zur Feststellung der Hepatitis-C-Infektion völlig ahnungslos über die von Kanülenstichverletzungen ausgehenden Risiken gewesen sein solle, zumal nach Angaben des Amtsleiters Dr C die Beschäftigten auf die bestehenden Infektionsrisiken hingewiesen worden seien.

Die Klägerin hat eine Stellungnahme der Ärztin Dr C vom April 2000 vorgelegt, die an ihrer Kausalitätsbeurteilung festgehalten hat.

Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens hat das SG schriftliche Stellungnahmen mehrerer ehemaliger Kolleginnen der Klägerin (I H ; R W ;, A L ), eine Äußerung des Leiters des Gesundheitsamts B , Dr C , vom Juli 2000 und eine Stellungnahme des ehemaligen Leiters dieses Gesundheitsamtes, MedDir aD Dr S , vom August 2000 eingeholt.

Frau H hat erklärt, auch sie habe bei ihrer Tätigkeit als Reinigungskraft zweimal Stichverletzungen erlitten. Gebrauchte Spritzen/Kanülen würden in besondere Behälter geleert/entsorgt. Dass sich die Klägerin Stichverletzungen an der Hand zugezogen habe, wisse sie von deren Erzählungen.

Frau W hat ausgeführt: Spritzen seien im Gesundheitsamt B im Mülleimer gewesen und auch in den normalen Hausmüll geworfen worden. Die Mitarbeiter hätten sich "oft" verletzt (gestochen) und die kleinen Wunden dann mit Pflaster abgedeckt. Eine Aufklärung des Gesundheitsamts über bestehende Gefahren sei nicht erfolgt. Behälter für Spritzen seien erst ungefähr zwischen 1990 und 1994 angeschafft worden. Die Klägerin habe ihr gegenüber erwähnt, dass sie sich Stichverletzungen zugezogen habe.

Frau L hat bestätigt, die Klägerin habe ihr gegenüber einmal geäußert, sich an einer Spritze gestochen zu haben; auch sie, Frau L , habe sich beim Entsorgen "einige Male" verletzt.

Dr C hat berichtet: Benutzte Kanülen seien bis 1985 gemäß Anweisung wieder in die Schutzkappen gesteckt und dann entsorgt worden. Von 1985 bis 1989 seien feste Kunststoffbehälter (zB leere Desinfektionsbehälter) für die Entsorgung verwendet worden; seit 1989 würden dafür eigens beschaffte "Mediboxen" verwendet. Die Fälle, in denen bei Blutuntersuchungen Hepatitis C bzw Hepatitis nonA/nonB festgestellt worden sei, könnten nur mit erheblichem personellem Aufwand nachgeprüft werden; diese Fälle habe es allerdings gegeben.

Dr S hat ausgeführt: Als seinerzeit Einmalkanülen eingeführt worden seien, sei man hierauf nicht ausreichend vorbereitet gewesen. Vielmehr habe jeder auf seine Weise improvisiert. Am schlimmsten seien einfache Plastikbeutel gewesen, die "natürlich" von den Kanülen nach allen Seiten durchstochen worden seien. Die Beutel seien im Mülleimer gelandet, der abends vom Reinigungspersonal in die Mülltonnen entsorgt worden sei. Wegen der entstehenden Probleme sei angeordnet worden, dass gebrauchte Kanülen in Kartons, leere Flaschen oder leere Kunststoffkanister zu verbringen und diese verschlossen zu entsorgen seien. Doch wo Menschen arbeiteten, würden Fehler gemacht. So habe es eine Weile gedauert, bis sich das Personal an die ergangenen Weisungen gehalten habe. Anstatt, wie verfügt, die Behältnisse verschlossen im Ganzen zu versorgen, seien diese zT von wohlmeinenden Putzfrauen –"aus Sparsamkeit"- wieder geöffnet und entleert worden; eine Stichverletzung bei einer Frau H. sei von ihm im Juni 1985 protokolliert worden. Mehr als einmal habe beanstandet werden müssen, dass die ohnehin nur improvisierten Behältnisse ungeeignet gewesen seien. So seien dünnwandige Flaschen nicht bruchsicher gewesen; dünnwandige Kartons hätten durchstochen werden können. Dass das Problem der Entsorgung gebrauchter Spritzen und Kanülen auch 1991 noch existiert habe, zeige eine Veröffentlichung im Ärzteblatt Rheinland-Pfalz.

Der Unfallverhütungsdienst der Beklagten hat sich im weiteren Verlauf des Klageverfahrens mehrfach erneut geäußert (März und Juli 2000).

Das SG hat Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr A aus S , Dr M aus W , C.A. G (Zahnarzt) aus B und Dres C , alle vom Januar 2001, erhalten und einen Auszug aus dem Bundeszentralregister über die Klägerin, wonach bei dieser keine Eintragung vorliege, beigezogen. Dr M hat im August 1992 festgestellte Leberwerte mitgeteilt.

Durch Urteil vom 3.4.2001 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, die Hepatitis-C-Infektion als BK anzuerkennen und ab Oktober 1995 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 % zu gewähren. Soweit die Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 % begehrt hat, hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Voraussetzungen der BK Nr 3101 seien erfüllt. Im Falle der Klägerin sei der Nachweis von konkreten Arbeitsbedingungen, unter denen ein unmittelbarer Kontakt mit Blut oder anderen als infektiös in Frage kommenden Körperflüssigkeiten möglich sei, erbracht. Aufgrund der im sozialgerichtlichen Verfahren abgegebenen Erklärungen der früheren Kolleginnen der Klägerin und der Angaben des früheren Leiters des Gesundheitsamts B , Dr S , stehe fest, dass die konkrete Tätigkeit als Reinigungskraft unter Bedingungen stattgefunden habe, unter denen ein unmittelbarer Kontakt mit infiziertem Blut möglich gewesen sei. Es lägen auch ausreichende Erkenntnisse über ein erhöhtes Infektionspotential der mit Blut verunreinigten gebrauchten Kanülen, mit denen die Klägerin in Kontakt gekommen sei, vor. Zur Feststellung einer BK Nr 3101 nicht unbedingt notwendig sei, dass bei den im Gesundheitsamt B untersuchten Personen ein über dem Durchschnitt der Normalbevölkerung liegender Durchseuchungsgrad mit Hepatitis C nachgewiesen sei. Erforderlich und ausreichend sei vielmehr, dass eine gegenüber den normalen Lebensumständen erhöhte Ansteckungsgefahr belegt sei. Dieser Nachweis könne auch dadurch erfolgen, dass einerseits durch die Art des Umgangs mit den Blutproben eine gegenüber den normalen Lebensbedingungen erhöhte Ansteckungsgefahr nachgewiesen sei, und andererseits, dass sich unter den betreffenden Blutproben nachweislich solche befunden hätten, die mit Hepatitis C verseucht gewesen seien. Bei der Klägerin sei kein anderer Infektionsweg bekannt, auf dem sie sich an Hepatitis C habe anstecken können. Hinsichtlich der Höhe der MdE schließe sich das SG der auf Marx/Klepzig, Medizinische Begutachtung innerer Krankheiten, beruhenden Einschätzung von Dr T an.

Gegen dieses ihr am 3.5.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 29.5.2001 beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz eingelegte Berufung der Beklagten.

Der Senat hat eine Auskunft von Dr M eingeholt sowie Krankenunterlagen der Rheuma-Klinik B , des D -Krankenhauses B und des Krankenhauses S in B beigezogen.

Ferner hat der Senat von Amts wegen ein Gutachten des Internisten und Hämatologen Dr Dr B aus H vom Januar 2002 eingeholt, der dargelegt hat: Bei der Klägerin seien eine Hepatitis A und eine Hepatitis C belegt. Zwar sei das Risiko einer Hepatitis-C-Infektion durch einen Nadelstich geringer als dasjenige einer Hepatitis-B- oder Aids-Infektion. Dennoch reiche ein einziger Nadelstich aus, um beim Vorliegen einer Kontamination der Nadel mit Hepatitis-C-Erregern eine Erkrankung hervorzurufen. Bei der Klägerin sei die Hepatitis-C-Erkrankung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Nadelstichverletzungen am Arbeitsplatz zurückzuführen. Der Infektionszeitpunkt sei auf die Zeit zwischen 1986 und 1991 zu datieren. Bei der Klägerin handele es sich um einen sehr seltenen Fall einer Co-Infektion mit dem Nachweis der Hepatitis-C-Erreger der Genotypen 1a und 1b. Dies lasse den Schluss zu, dass es sich entweder um eine Infektion mit dem Blut eines HCV-positiven Patienten mit der gleichen Genotypisierung 1a und 1b gehandelt habe – was sehr unwahrscheinlich sei – oder dass mindestens zwei verschiedene Blutkontakte stattgefunden haben müssten. Da die Klägerin angegeben habe, dass sie sich mehrfach an Nadeln gestochen habe, sei es plausibel, dass aufgrund zeitlich verschiedener Stichverletzungen die Genotypen 1a und 1b übertragen worden seien.

Im Anschluss daran hat die Beklagte eine Stellungnahme von MedDir Dr L von der Kreisverwaltung B (Gesundheitsamt) vom Juni 2002 vorgelegt. Darin heißt es: Bezüglich des Jahres 1986 könnten keine Angaben gemacht werden, da keine Unterlagen mehr vorhanden seien. Die Zahl der entnommenen Blutproben betrage: 452 im Jahr 1987, 418 im Jahr 1988, 457 im Jahr 1989, 464 im Jahr 1990 und 620 im Jahr 1991. Die Möglichkeit, den Hepatitis-C-Virus nachzuweisen, habe im Gesundheitsamt B seit September 1990 bestanden. Die seit diesem Zeitpunkt veranlassten Untersuchungen auf Hepatitis C seien negativ verlaufen. Personen mit bekannter Hepatitis C seien weder untersucht noch behandelt worden.

Ausweislich eines Schreibens vom Juni 2002 hat ein Mitarbeiter der Präventionsabteilung der Beklagten nachfolgend mit dem Gesundheitsamt B telefonisch Rücksprache genommen und festgehalten, von dort sei mitgeteilt worden: In den Jahren 1987 bis 1989 hätten die veranlassten Untersuchungen auf Non A/Non B-Hepatitis ebenfalls negative Ergebnisse erbracht; es seien auch keine Personen mit bekannter Non A/Non B–Hepatitis untersucht oder behandelt worden; allerdings sei darauf hingewiesen worden, dass bei der überwiegenden Zahl der genommenen Blutproben keine Hepatitisuntersuchungen veranlasst worden sei, weil hierfür keine Indikation bestanden habe.

Anschließend hat der Senat eine Auskunft der Ärztin Dr Z von der Kreisverwaltung B – Gesundheitsamt – eingeholt. Diese hat mitgeteilt: Im Zeitraum von 1986 bis 1991 seien im Gesundheitsamt Bad Kreuznach Untersuchungen auf Hepatitis A, Hepatitis B und Hepatitis Non A/Non B zB bei Einstellungsuntersuchungen und bei Asylbewerbern durchgeführt worden, falls ein Hinweis auf eine Lebererkrankung vorgelegen habe; über die Indikation habe der Arzt entschieden; eine Untersuchung auf Hepatitis C habe nicht stattgefunden; Personen aus dem Drogenmilieu seien nicht auf eine Hepatitisinfektion untersucht worden. Prostituierte seien routinemäßig auf eine Infektion mit Hepatitis A und B untersucht worden; eine Untersuchung auf Hepatitis C oder Hepatitis Non A/Non B sei bei diesen nicht erfolgt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat die Klägerin ausführlich persönlich angehört und A L sowie R W als Zeuginnen vernommen. Ferner hat der Sachverständige Dr Dr B sein Gutachten ergänzend erläutert. Die Klägerin hat in diesem Termin Fotos ihrer Arbeitsstätte vorgelegt, die zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden sind. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.1.2003 verwiesen.

Die Beklagte trägt vor: Da eine Laboruntersuchung im Jahre 1985 eine normale Gamma-GT ergeben habe, müsse die Infektion – wenn überhaupt - zwischen 1985 und der Einführung der durchstichsicheren Metallboxen im Jahre 1989 stattgefunden haben. Ein erhöhtes Infektionspotential im Rahmen der versicherten Tätigkeit sei bei der Klägerin nicht nachgewiesen. Auch das Gutachten von Dr Dr B sei nicht geeignet, einen "Vollbeweis" für die krankmachende Exposition der Klägerin zu erbringen. Der Arbeitsort, das Gesundheitsamt B , stelle keine Einrichtung dar, in welcher eine über das normale Maß hinausgehende Infektionsgefahr geherrscht habe. Dr Dr B habe dem Umstand nicht hinreichend Rechnung getragen, dass es an einer überprüfbaren statistischen Aussage fehle, wonach im Gesundheitsamt B ein einer Tätigkeit in einer OP-Einheit oder Intensivstation eines Krankenhauses vergleichbares Risiko bestehe, an einer Hepatitis C zu erkranken. Dafür, dass der Klageantrag keinen Erfolg haben könne, spreche auch die Tatsache, dass bei den im Zeitraum von 1987 bis 1991 entnommenen Blutproben weder eine Hepatitis-C-Infektion noch eine Infektion mit Hepatitis Non A/Non B festgestellt worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Mainz vom 3.4.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Aus den Angaben der Kreisverwaltung B in deren Schreiben vom Juni 2002 könne nicht entnommen werden, dass von den im Gesundheitsamt B untersuchten Personen keine höhere Infektionsgefahr in Bezug auf Hepatitis C als vom üblichen Durchschnitt der Normalbevölkerung ausgegangen sei. Eine erhöhte Infektionsgefahr habe bereits durch die Art der dort durchgeführten Untersuchungen und die schlechten hygienischen Verhältnisse bestanden. Für den nach dem Gutachten von Dr Dr B möglichen Infektionszeitraum (1986 bis 1991) sei hinsichtlich des Jahres 1986 festzuhalten, dass das Gesundheitsamt überhaupt keine Aufzeichnungen habe und im Zeitraum von 1987 bis September 1990 keine Möglichkeit einer Hepatitis-C-Diagnostik bestanden habe. Ferner sei von besonderer Bedeutung, dass nur ein kleiner Teil der vorstellig gewordenen Patienten auf Hepatitis C untersucht worden sei. Damit bleibe es bei der grundsätzlichen Problematik, dass eine Hepatitis-C-Erkrankung meist latent und oft sehr mild auftrete und sich daher nur selten nachweisen lasse, diese Patienten aber dennoch höchst infektiös seien. Dies bedeute theoretisch, dass eine Vielzahl der im Gesundheitsamt B untersuchten Personen unerkannt mit Hepatitis C hätten infiziert sein können, ohne dass dies überhaupt erkennbar gewesen sei. Hinzu komme die Aussage von Dr C , dass es im Gesundheitsamt B tatsächlich Fälle von Hepatitis C- bzw Hepatitis Non A/Non B-Erkrankten gegeben habe. Sie, die Klägerin, dürfe nicht schlechter gestellt werden als eine Krankenschwester, die mit möglicherweise hepatitisinfizierten Personen in Berührung gekommen sei. Es sei zu unterstellen, dass eine Krankenschwester über die Risiken und Gefahren bestimmter Krankheiten und eventuelle Präventionsmaßnahmen sehr viel besser als eine Reinigungskraft unterrichtet sei. Sie, die Klägerin, sei überhaupt nicht auf die Risiken oder ein erforderliches Sicherheitsverhalten aufmerksam gemacht worden. Bei der Entsorgung der Spritzen und des übrigen kontaminierten Mülls komme es in erster Linie auf einen routinemäßigen, schnellen und zumeist unbedachten Umgang mit dem Material an, was schließlich zu einem vielfach höheren Verletzungs- und Infektionsrisiko beim Reinigungspersonal führen könne, als dies im Bereich der Krankenpflege üblich sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 f, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs 2 SGG), wobei er Folgendes ergänzt:

Die BK Nr 3101 ist wie folgt bezeichnet: "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war". Die Voraussetzungen dieser BK liegen bei der Klägerin vor.

Die Klägerin gehörte zum Schutzbereich dieser Vorschrift. Zum "Gesundheitsdienst" zählen auch Tätigkeiten in einem staatlichen Gesundheitsamt (vgl HessLSG, Breithaupt 1955, 1048; Mehrtens/Perlebach, BKV, M 3101, Rz 2.3). In der Literatur wird allerdings die Auffassung vertreten, nur in der sog "geschlossenen Gesundheitsfürsorge" (dh in Krankenhäusern, Heil-, Kur- und Pflegeanstalten, Entbindungsheimen) seien alle Tätigkeiten, auch Verwaltungstätigkeiten, in den "Gesundheitsdienst" einbezogen (Mehrtens/Perlebach, aaO, Rz 2.2). Zu Tätigkeiten in Krankenhäusern hat das Bundessozialgericht (BSG) – für die Vorgängervorschrift der BK Nr 3101, die Nr 37 der Anlage 1 zur 7. BKVO - entschieden, dass deshalb keine Einschränkung des geschützten Personenkreises auf "unmittelbar, dh mit direkter Patientenberührung" beschäftigte Versicherte gerechtfertigt sei, weil bei Krankenhäusern allgemein Ansteckungsgefahren in besonderem Umfang vorhanden seien (BSG, Urt v 15.12.1982, Az 2 RU 32/82). Auch wenn von dieser Abgrenzung ausgegangen wird und nur in Krankenhäusern allgemein erhöhte Ansteckungsgefahren unterstellt werden, hat die Klägerin in der "Gesundheitspflege" gearbeitet, weil sie keine verwaltende Tätigkeit ohne konkreten Kontakt mit ansteckungsgefährdenden Substanzen ausgeübt hat, sondern - jedenfalls in dem hier maßgebenden Zeitraum von 1986 bis 1991 - als Reinigungskraft unmittelbar mit zu entsorgenden Spritzen in Berührung kam. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung, wonach zB eine Hausgehilfin, welche die für die ärztliche Berufsausübung bestimmten Räume aufzuwischen hat, zur Gesundheitspflege zählt (Reichsversicherungsamt – RVA – in EuM 37, 268; Mehrtens/Perlebach, aaO, Rz 2.3). Daher kommt es hinsichtlich der Zugehörigkeit der Klägerin zum Schutzbereich der BK Nr 3101 nicht darauf an, ob die Voraussetzungen der letzten Alternative der BK Nr 3101 ("durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt") gegeben sind.

Die Zugehörigkeit zum Schutzbereich der BK Nr 3101 reicht allerdings für eine Anerkennung und Entschädigung einer BK nicht aus. Vielmehr muss der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Erkrankung wahrscheinlich sein. Dieser ist indes bei der Klägerin zu bejahen. Der Senat stützt sich insoweit auf die Gutachten von Prof Dr K , Dr T und Dr Dr B.

Die Hepatitis C wird in der Hälfte der Fälle parenteral (= unter Umgehung des Magendarmkanals) durch Blut, Blutprodukte, Injektionsspritzen usw übertragen. Infektionen durch banalen Kontakt mit einem Infizierten, sogar solche durch Kuss oder Geschlechtsverkehr, sind bei der Hepatitis C, im Gegensatz zur Hepatitis B, selten (Dr T ). Das Risiko einer Infektion mit HCV (dem Hepatitis-C-Virus) bei einmaligem Nadelstich mit HCV-RNA-positivem Blut wird mit etwa 10 % angegeben. Bei über 40 % der Infektionen lässt sich kein eindeutig gesicherter Infektionsweg feststellen. Die Inkubationszeit zwischen Infektion und Erkrankung beträgt 15 bis 150 Wochen. Etwa 90 % der akuten Erkrankungen verlaufen asymptomatisch, dh sie werden vom Patienten nicht bemerkt. Bei ca 80 % ist von einem chronischen Verlauf auszugehen, während nur 20 % ausheilen. Damit es zu einer Hepatitis-C-Infektion kommt, wird nach Dr Dr B nur eine äußerst geringe Menge infizierten Materials benötigt, nämlich ca 100 Viruspartikel; es genügen daher bereits Spuren frischen Blutes, um eine Infektion in Gang zu setzen.

Zur Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs hinsichtlich der BK Nr 3101 hat die Judikatur, auch speziell für Hepatitisinfektionen, Grundsätze gebildet, die vor allem Fälle betrafen, in denen es um Erkrankungen von Ärzten und medizinischem Hilfspersonal ging.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt v 29.1.1974, Az 8/7 RU 58/71, Beschl v 11.6.1993, Az 2 BU 46/93 = HVBG-Info 1993, 2155) reicht der Umstand, dass bei medizinischem Personal für die Hepatitis insgesamt eine wesentlich höhere Erkrankungsquote als bei der Durchschnittsbevölkerung besteht, für sich allein nicht aus, um im Einzelfall den ursächlichen Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit zu begründen. Voraussetzung dafür ist vielmehr nicht nur, dass die vermutliche Ansteckungszeit in die Zeit der versicherten Tätigkeit fällt, sondern auch, dass bei dieser Tätigkeit für den Erkrankten tatsächlich eine höhere Ansteckungsgefahr gegeben war, was zB bei Tätigkeiten in Abteilungen für Infektionskrankheiten bejaht wird. War dies nicht der Fall, ist zu prüfen, ob sich im konkreten Fall genügende Anhaltspunkte dafür finden, dass sich der Versicherte die Erkrankung durch die versicherte Tätigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zugezogen hat. In diesem Fall ist außerdem festzustellen, ob weitere Infektionsquellen in Betracht kommen, wie etwa der Umgang mit von Patienten entnommenem Blut.

In Bezug auf die Hepatitis B wird eine besondere Hepatitisgefährdung bejaht, wenn davon auszugehen ist, dass jedenfalls regelmäßig ein gewisser Prozentsatz der Patienten im Arbeitsbereich des Versicherten unerkannt an Hepatitis B erkrankt ist (BSG, NZA 1988, 823). Ein besonderes Infektionsrisiko ist auch schon dann gegeben, wenn unter Berücksichtigung der Prävalenzrate sowie der zu schätzenden Zahl von betreuten Patienten oder anderen Kontaktpersonen ein - gelegentlicher – Kontakt mit Hepatitis-B-positiven Patienten oder anderen Kontaktpersonen während der Ansteckungszeit nach statistischen Maßstäben zu erwarten ist (Mehrtens/Perlebach, aaO, Rz 10). Die für die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zu fordernde, über das normale Maß hinausgehende Hepatitis-Gefährdung kann begründet sein (aaO)

- entweder durch ein besonders hohes Risiko eines unmittelbaren Kontakts mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten auf Grund der Häufigkeit gefährdender Tätigkeiten oder auf Grund eines besonders hohen Verletzungsrisikos bzw Inokulationsrisikos (= des Risikos des Eindringens von Krankheitskörpern in den Organismus) bei diesen Tätigkeiten oder

- durch generelle, insbesondere statistische Erkenntnisse über ein erhöhtes Infektionspotential im Arbeitsumfeld des Versicherten (dh Erkenntnisse über die zu erwartende Anzahl von Patienten/Betreuten/sonstigen Kontaktpersonen mit Hepatitis-B-positiven Befunden bzw von infektiösen Untersuchungsmaterialien während der in Frage kommenden Ansteckungszeit).

In Bezug auf die Hepatitis C wird in der Literatur die völlige Übertragung der für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs bei der Hepatitis B entwickelten Kriterien der Beweisführung unter zwei Gesichtspunkten in Zweifel gezogen (dazu Mehrtens/Perlebach, aaO, 11.2 auch mit Hinweis auf die Rechtsprechung zur Hepatitis C). Zum einen wird die epidemiologische Datenlage hinsichtlich eines generellen Nachweises eines erhöhten Infektionsrisikos bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst zum Teil unterschiedlich beurteilt und zum Teil ein solches Risiko nicht gesehen. Ferner wird darauf hingewiesen, dass das Risiko einer Infektion im Falle einer Inokulation von infiziertem Material etwa um den Faktor 10 geringer sei als bei der Hepatitis B. Das Risiko für Pflegekräfte und Ärzte ist deutlich geringer als bei einer Hepatitis-B-Infektion, jedenfalls soweit es sich um Personen handelt, welche ohne Verletzung lediglich Kontakt mit Blut oder Körperflüssigkeiten von Patienten mit Hepatitis-C-Infektionen haben (Mehrtens/Perlebach, aaO). Die für die Hepatitis B entwickelten Beweisgrundsätze können aus diesen Gründen auf die Hepatitis C modifizierend nur insoweit übertragen werden, als dass als gefährdend nur solche Tätigkeiten in Betracht kommen, welche erfahrungsgemäß mit einer konkreten Gefahr von häufigen parenteralen Inokulationsereignissen im Sinne von Verletzungsereignissen, bei denen es zu einem erheblichen Blutaustausch kommt, verbunden sind (aaO).

Vorliegend sind keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass generell für den Reinigungsdienst in Gesundheitsämtern - wenn man die konkreten Arbeitsbedingungen der Klägerin unberücksichtigt lässt - eine erheblich höhere Ansteckungsgefahr in Bezug auf die Hepatitis C als in der Normalbevölkerung gegeben ist. Die von den Sachverständigen zur Begründung ihrer Annahme einer erhöhten Gefährdung zitierten Statistiken beziehen sich auf Reinigungspersonal in Kliniken.

Eine erheblich erhöhte Ansteckungsgefahr im Verhältnis zur Normalbevölkerung begründet sich jedoch durch die konkreten Umstände der Arbeitsbedingungen der Klägerin. Der Senat ist davon überzeugt, dass sich die Klägerin während ihrer Arbeit häufig beim Entsorgen der Plastiktüten Stichverletzungen durch Kanülen zugezogen hat. Wie sie bei ihrer Anhörung durch den Senat glaubhaft erklärt hat, hat sie sich durchschnittlich ca zehnmal jährlich bei ihrer Reinigungstätigkeit verletzt und zwar überwiegend beim Hantieren mit Spritzen. Die Zeuginnen H , W und L haben bestätigt, dass die Klägerin ihnen gegenüber entsprechende Angaben über Verletzungen gemacht hat, auch wenn, wie die Zeugin L erklärt hat, über die konkrete Art der Verletzung nicht gesprochen worden sein mag. Frau L hat erklärt, die Klägerin habe sich einmal bei ihr ein Pflaster geholt. Es war nach Angaben der Arbeitskolleginnen nicht außergewöhnlich, dass solche Verletzungen eingetreten sind. Dass sich die Arbeitskollegin L nach ihrer Erinnerung – im Gegensatz zur Klägerin - nicht an Spritzen, sondern an anderen Gegenständen (zB Glassplittern von zerbrochenen Objektträgern und Reagenzgläsern, herumliegenden Büroklammern usw) verletzt hat, ist darauf zurückzuführen, dass sie nur vertretungsweise im Bereich des Zimmers gearbeitet hat, in dem die Prostituierten untersucht wurden, während die Klägerin vor allem dort tätig war.

Die Klägerin musste im Übrigen nicht nur Spritzen entsorgen, sondern zB regelmäßig auch ein beschädigtes Waschbecken (vgl das diesbezügliche, von der Klägerin vorgelegte Foto) reinigen, in das zuvor untersuchtes Blut gegossen worden war. Auch an diesem beschädigten Waschbecken zog sie sich, wie sie bei ihrer Anhörung erklärt hat, Verletzungen zu. Außerdem musste sie bis Ende der 1980er Jahre nach Blutspendeterminen, die in 14tägigen Abständen im Gesundheitsamt Bad Kreuznach stattfanden, Gegenstände wie zB blutige Tupfer beseitigen und entsorgen.

Seinerzeit wurde im Gesundheitsamt B in hohem Maße sorglos mit solchen Gegenständen umgegangen, wie die Klägerin im Einzelnen glaubhaft geschildert hat und was die Zeuginnen W und L bestätigt haben. Spritzen und Kanülen wurden in die Plastiktüten der Abfalleimer geworfen und von der jeweiligen Raumpflegerin entsorgt. Schutzhandschuhe wurden den Reinigungskräften bis Ende der 1980er Jahre mit der Begründung, es seien nicht genügend finanzielle Mittel vorhanden, nicht zur Verfügung gestellt. In der Zeit danach erhielten die Reinemachefrauen nach Angaben der Zeugin L nur qualitativ minderwertige Schutzhandschuhe, die leicht zerrissen. Dass die von der Klägerin und den Zeuginnen Walter und L geschilderten Arbeitsbedingungen der Realität entsprachen, hat auch der Sachverständige Dr Dr B (aus Erfahrung) bestätigt.

Wie die behandelnden Ärzte der Klägerin, die Dres C , zutreffend ausführen, kann davon ausgegangen werden, dass der Klägerin als medizinischer Laie, die Bedeutung einer solchen Stichverletzung nicht bewusst war. Es ist nach Dr Dr B anzunehmen, dass die Klägerin während ihrer Tätigkeit hinsichtlich der Risiken im Zusammenhang mit dem Hantieren mit blutigen Gegenständen weniger sensibilisiert war als zB ein Arzt oder eine Krankenschwester.

Das im Labor des Gesundheitsamts Bad Kreuznach untersuchte Kollektiv entsprach zwar überwiegend der Normalbevölkerung (zB angehende Lehrerinnen). Es sind aber auch Untersuchungen im Zusammenhang mit der Geschlechtskrankheitenvorsorge erfolgt. In diesem Rahmen wurde nach den Feststellungen des Unfallverhütungsdienstes der Beklagten monatlich das Blut von etwa 6 bis 7 Prostituierten untersucht.

Dem Sachverständigen Dr Dr B zufolge muss bei einer durchschnittlichen Verletzungshäufigkeit von zehnmal pro Jahr von "häufigen" Verletzungen im Sinne der zitierten Literatur zu den Beweiserleichterungen bei einer Hepatitis C ausgegangen werden. Dem Sachverständigen zufolge war bei der Klägerin eine besondere Gefahr der Ansteckung vorhanden, auch wenn infiziertes Blut, das offen zugänglich ist, nur etwa 30 Minuten ansteckend ist und auch in Spritzen, obwohl es dort länger infektiös bleibt, nach einer gewissen Zeit nicht mehr ansteckend wirkt.

Entscheidend kommt hinzu, dass für eine beruflich bedingte Hepatitis-C-Infektion im Falle der Klägerin ein besonderer Grund spricht. Durch die Untersuchungen von Dr Dr B ist geklärt, dass bei der Klägerin ein sehr seltener Fall einer sog Co-Infektion (HCV der Genotypen 1a und 1 b) vorliegt. Dies lässt den Schluss zu, dass es sich entweder um eine Infektion mit dem Blut eines HCV-positiven Patienten mit der gleichen Genotypisierung 1a und 1b gehandelt hat – was Dr Dr B zufolge sehr unwahrscheinlich ist - oder dass mindestens zwei verschiedene Blutkontakte stattgefunden haben müssen. Da sich die Klägerin ihren glaubhaften Angaben zufolge mehrfach an Nadeln gestochen hat und im Gesundheitsamt B auch Personen aus dem Rotlicht- und Drogenmilieu untersucht wurden, ist nach Dr Dr B davon auszugehen, dass aufgrund zeitlich verschiedener Stichverletzungen die Genotypen 1a und 1b übertragen wurden. Die Co-Infektion ist nach Dr Dr B so ungewöhnlich, dass man die Überzeugung gewinnen muss, dass sich die Klägerin zweimal beruflich bedingt infiziert hat. Im Übrigen sprechen die gefundenen Genotypen gegen die Annahme einer Infektion im außereuropäischen Ausland. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich Dr Dr B zufolge aus der Anamnese und dem Akteninhalt ergibt, dass keine anderen Infektionsquellen für eine Hepatitis-C-Infektion als eine beruflich erworbene Ansteckung ersichtlich sind. Der Ehemann der Klägerin ist deren Angaben zufolge nicht Hepatitis-C-infiziert. Nach Abwägung aller Umstände ist nach Dr Dr B die einzige vernünftige Erklärung für die Hepatitis-C-Erkrankung der Klägerin der berufliche Umgang mit fremdem Blut.

Eine Infektion kann neben einer BK auch die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls erfüllen. Voraussetzung dafür ist, dass die zur Erkrankung führende Infektion innerhalb einer Arbeitsschicht an einem bestimmten, wenn auch kalendermäßig nicht genau bestimmbaren Tag eingetreten ist (BSG, Urt v 28.8.1990, Az 2 RU 64/89). Jedenfalls dann, wenn die Infektion sich hinsichtlich des Zeitpunktes und der direkten Infektionsquelle nicht feststellen lässt, ist jedoch nicht von einem Arbeitsunfall auszugehen, sondern die BKV anzuwenden (BSG, Urt v 18.11.1997, Az 2 RU 15/97 = BB 1998, 327). Dies ist vorliegend der Fall.

Einer Vernehmung der Zeugin H bedarf es im Hinblick auf die Angaben der Zeuginnen L und W nicht mehr.

Hinsichtlich der Höhe der BK-bedingten MdE hat der Senat keine Bedenken, der Auffassung von Dr T , die durch das Gutachten von Dr Dr B bestätigt wurde, zu folgen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved