L 10 R 1358/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1861/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1358/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.02.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Ausganspunkt des Rechtsstreits ist eine Untätigkeitsklage, mit welcher der Kläger eine Entscheidung der Beklagten über Widersprüche gegen drei Bescheide durch Erlass eines Widerspruchsbescheids begehrt hat.

Der am 1969 geborene Kläger ist gelernter Maurer und seit Jahren arbeitslos bzw. arbeitsunfähig. Medizinische und berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation, hinsichtlich derer der Kläger zahlreiche Rechtsstreitigkeiten führte, führten nicht zu einer Wiedereingliederung des Klägers in das Erwerbsleben. Seit 01.01.2013 bezieht der Kläger von der Beklagten Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer.

Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 17.01.2012 (Ablehnung von Leistungen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs und einer Brille), vom 06.03.2012 (Widerruf der Bewilligung einer beruflichen Integrationsmaßnahme) und vom 12.03.2012 (Aufhebung der Bewilligung der Inanspruchnahme eines privaten Arbeitsvermittlungsdienstes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben), gegen die der Kläger Anfang Februar 2012 (gegen den Bescheid vom 17.01.2012), Anfang März 2012 (gegen den Bescheid vom 06.03.2012) und Ende März 2012 (gegen den Bescheid vom 12.03.2012) Widerspruch einlegte.

Im Verlauf der vom Kläger am 05.07.2012 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Untätigkeitsklage hat die Beklagte die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2012 zurückgewiesen, wogegen der Kläger beim SG gesondert Klage erhoben hat (S 12 R 3182/12, jetzt beim Senat unter dem Az. L 10 R 1993/13 anhängig). Trotz Hinweises des SG, dass sich mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2012 die Untätigkeitsklage erledigt hat, hat der Kläger diese weitergeführt und im Wesentlichen geltend gemacht, die Beklagte habe innerhalb von drei Monaten zu entscheiden, was diese noch nie gemacht habe. Deshalb sei sie wegen Untätigkeit zu verurteilen.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.02.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und u.a. ausgeführt, mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2012 sei die Untätigkeitsklage unzulässig geworden, da der Kläger im Hinblick auf sein Bescheidungsinteresse klaglos gestellt worden sei. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Untätigkeitsklage bestehe ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Eine Verurteilung wegen Untätigkeit und eine allgemeinen Sanktionierung des Verhaltens der Beklagten sei mit dieser Klage nicht erreichbar.

Hiergegen hat der Kläger am 18.03.2013 beim SG Berufung eingelegt. Es müsse klar gestellt werden, dass die Rentenversicherung mit dem Widerspruchsbescheid vom 12.11.2012 zu lange gewartet habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.02.2013 abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 12.11.2012 zu spät erlassen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die zunächst zulässige Untätigkeitsklage, mit dem der Kläger im Hinblick auf seine Widersprüche gegen die Bescheide vom 17.01.2012, 06.03.2012 und 12.03.2012 den Erlass eines Widerspruchsbescheides begehrt hat, zu Recht abgewiesen. Denn mit Zugang des vom Kläger mit der erhobenen Untätigkeitsklage begehrten und unter dem Datum des 12.11.2012 ergangenen Widerspruchsbescheids hat sich das Begehren des Klägers in der Hauptsache erledigt. Für eine Weiterführung der Untätigkeitsklage hat daher kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestanden, weshalb die Klage unzulässig geworden ist.

Im Grunde verfolgt der Kläger auch sein ursprüngliches Begehren auf Verurteilung der Beklagten zum Erlass des Widerspruchsbescheides jedenfalls im Berufungsverfahren nicht mehr. Vielmehr begehrt der Kläger - so schon sinngemäß in erster Instanz nach Erlass des Widerspruchsbescheids (die Beklagte sei wegen Untätigkeit zu verurteilen) - eine Entscheidung des Gerichts dahingehend, dass eine verspätete Bescheidung des Widerspruchs durch die Beklagte "klar gestellt" wird. Der Kläger begehrt damit bei richtiger prozessualer Einordnung die vom Gericht zu treffende Feststellung, dass die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 12.11.2012 zu spät erlassen hat. Diesen Antrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat so auch gestellt.

Diese Feststellungsklage hat das Sozialgericht, wenn auch unter dem Gesichtspunkt einer beantragten Verurteilung der Beklagten wegen Untätigkeit, im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Ausgangspunkt der Klage vor dem Sozialgericht ist - wie dargelegt - eine Untätigkeitsklage wegen Nichtbescheidung dreier Widersprüche gewesen, die sich durch Erlass des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2012 erledigt hat. Daraufhin hat der Kläger sein prozessuales Begehren auf eine Verurteilung der Beklagten "wegen Untätigkeit" umgestellt bzw. erweitert (Bl. 24 SG-Akte), also sinngemäß das oben dargestellte Feststellungsbegehren erhoben.

Mit dem Übergang von der ursprünglichen, aber nicht für erledigt erklärten Untätigkeitsklage zur Feststellungklage hat der Kläger somit sein prozessuales Begehren geändert, nämlich erweitert. Eine derartige Klageänderung ist nach § 99 Abs. 1 SGG nur zulässig, wenn die Beklagte einwilligt - was nicht der Fall ist, nachdem sich die Beklagte auf dieses prozessuale Begehren des Klägers zu keinem Zeitpunkt eingelassen hat (s. § 99 Abs. 2 SGG) - oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

Indessen ist die Klageänderung nicht sachdienlich gewesen, weil die geänderte Klage, die Feststellungsklage, nicht zulässig ist.

Zwar sieht § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses vor, allerdings nur dann, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Jedenfalls hieran, am berechtigten Interesse, fehlt es. Der Kläger begründet sein Begehren mit der gesetzlichen Vorgabe des § 88 Abs. 2 SGG, wonach über einen Widerspruch in angemessener Frist, wobei drei Monate als angemessen gelten, zu entscheiden ist. Dies begründet kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Denn für den Fall der Überschreitung der angemessenen Frist sieht das Gesetz gerade die Untätigkeitsklage nach § 88 SGG vor. Damit wird den Interessen der Widerspruchsführer grundsätzlich hinreichend Rechnung getragen. Soweit der Kläger sinngemäß auf Schadensersatzforderungen abhebt, sieht § 193 SGG in Bezug auf durch die Untätigkeitsklage entstandene außergerichtliche Kosten eine Kostenerstattung vor, wobei das Sozialgericht eine entsprechende teilweise Kostenerstattung ausgesprochen hat. Im Übrigen ist für den Eintritt eines Schadens nichts ersichtlich.

Soweit der Kläger auch im vorliegenden Rechtsstreit - wie in den anderen beim Senat ebenfalls anhängigen Verfahren L 10 R 1359/13, L 10 R 1992/13, L 10 R 1993/13 - mit Schreiben vom 08.02.2014 die Verurteilung der Beklagten zu Schadensersatz und im Hinblick auf den 1996 gestellten Antrag zur Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit beantragt hat, handelt es sich insoweit um ein Begehren. Der Senat entscheidet deshalb nur einmal über dieses Begehren, und zwar im Verfahren L 10 R 1992/13, in dem der Kläger auch den entsprechenden Antrag in der mündlichen Verhandlung gestellt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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